Wie unser Denken um Besitz durch evolutionäre Regeln beeinflusst wird

Hier war bereits die These diskutiert worden, dass wir evolutionär geprägte Regeln in uns haben, die unser Denken beeinflussen. Diese werden insbesondere dann deutlich, wenn wir uns unlogisch verhalten, obwohl wir der Meinung sind rational zu handeln.

Ein gutes Beispiel dafür ist, dass wir ein besonderes Verhältnis zu Besitz haben.

Ein Beispiel dafür ist der Besitztumseffekt (Endowment Effect). Dabei geht es darum, dass wir etwas, was wir besitzen, einen höheren Wert zumessen als wir es sonst tun würden.

Ein Beispiel dafür ist, dass große Fans einer Fußballmannschaft an einer Verlosung teilnehmen, bei der sie Tickets für ein wichtiges Spiel bekommen können. Einige gewinnen, einige verlieren.

Fragt man jetzt diejenigen, die das Ticket nicht gewonnen haben, was sie für ein Ticket zahlen würden, dann nennen sie einen bestimmten Preis, sagen wir 200 Euro. Diejenigen, die das Ticket zu dem Spiel erhalten haben, würden es aber auch für 1.000  Euro nicht verkaufen.

Die Wikipedia dazu:

Bekannt ist ein Experiment mit Tassen, das Daniel Kahneman 1990 durchführte. Dabei bildete er zwei Gruppen. Der ersten Gruppe (den Verkäufern) gab er Tassen und fragte sie, welchen Preis zwischen $ 9,25 und $ 0,25 sie fordern würden, um die Tasse zu verkaufen. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe wurden gefragt, welchen Preis sie zahlen würden, um die Tasse zu erhalten. Der Preis der „Verkaufsgruppe“ lag im Mittel bei $ 7,12, während der Preis der „Kaufgruppe“ gerade mal bei $ 2,87 lag.

In einem anderen Experiment ging es um ein Ticket für ein Basketballspiel. Da die Universität und auch die Basketball-Halle der Universität klein sind, erhält regelmäßig eine große Zahl Anstehender trotz langem Anstehen kein Ticket. Die Mitarbeiter von Dan Ariely und Ziv Carmon gaben sich dann als Ticket-Schwarzhändler aus und fragten Ticketbesitzer, für welchen Betrag sie ihr Ticket verkaufen würden – durchschnittlich wurden $ 2400 genannt. Die Studenten ohne Ticket waren im Durchschnitt bereit, $ 170 für ein Ticket zu bezahlen. Die Ticketbesitzer rechtfertigten die hohen Preise oft mit der Bedeutung des Spiels (z.B. dass sie sich damit ein wichtiges Erlebnis gönnten, von dem sie noch ihren Kindern erzählen könnten). Die angefragten Personen ohne Ticket setzten die Geldbeträge eher in Relation zu anderen Geldbeträgen, wie zum Beispiel die Ausgaben beim Ausgehen oder Bier trinken.

Dieser Effekt findet sich in vielen Bereichen: Es ist der Grund, warum viele Geschäfte anbieten, dass man gekaufte Ware zB innerhalb von 2 Wochen zurückbringen kann. Weil man sie dann aber bereits besitzt wollen sie die wenigsten zurückbringen.

Es ist vielleicht auch der Grund, warum viele eine eigentlich bereits nicht mehr funktionierende Beziehung nicht aufgeben können. Sie wollen ihren „Besitz“ nicht verlieren.

Ein Grund, der zu diesem Effekt beiträgt könnte auch unsere Verlustaversion sein. Wir bewerten Verluste höher als Gewinne. Für uns ist es also erheblicher, 5 Euro zu verlieren als 5 Euro zu gewinnen.

Das kann man durch Studien ermitteln, in denen einmal etwas als potentieller Gewinn und einmal als potentieller Verlust formuliert wird.

Ein Beispiel aus der Wikipedia:

In Deutschland beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch 24 Tage, in Amerika hingegen nur 14 Tage. Die meisten Deutschen wären nicht bereit, auf ihren gesetzlichen Urlaubsanspruch zu verzichten, wenn sie dafür einen höheren Lohn bekommen würden. Amerikaner hingegen sind nicht bereit, weniger Geld zu verdienen um mehr Urlaubstage zu bekommen. Für viele Deutsche ist die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage der „Status quo“, daher wird die Aufgabe der Urlaubstage als Verlust angesehen. Bei den Amerikanern ist auch die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage der „Status quo“. Mehr Urlaub würde für die Amerikaner einen Gewinn darstellen.

Vermutlich ist es auch die Verlustangst, die die besondere Bedeutung der Zahl „Null“ oder „umsonst“ für uns ausmacht. Wenn etwas umsonst ist, dann haben wir keinen Verlust, der ansonsten auch bei einem vergleichsweise geringen Preis entsteht. Wir müssen nichts von uns weggeben und bekommen noch etwas dazu. Deswegen wird in der Werbung auch gerne mit einer Form von „Umsonst“ gearbeitet. Etwa „Wer 2 kauft bekommt das dritte umsonst“ statt es als Reduzierung des Preises auf die Ware insgesamt auszudrücken.

Ebay hatte wohl beispielsweise einen großen Erfolg damit, dass es bestimmte Angebote damit beworben hat, dass man, wenn man noch ein thematisch passendes Buch dazu kauft, keine Versandkosten zahlen muss (der Versand also umsonst ist). Die Umsätze stiegen sehr stark. Ebay Frankreich hatte aber wohl statt eine Reduzierung auf Null vorzunehmen in der gleichen Zeit lediglich die Versandkosten stark ermäßigt, auf einen Franc (also etwa 0,15 Euro) statt auf Null. Dort blieb der Werbeeffekt vollkommen aus, weil die Verlockung der Null nicht eingetreten ist.

Auf das ganze Thema bin ich durch das Buch „Predictably Irrational“ gekommen, der Autor erklärt zu dem letzten Punkt auch etwas in einem Video:

Interessant fand ich auch den ebenfalls dort erwähnten Ikea-Effekt:

Als IKEA-Effekt wird in der Verhaltensökonomik der Zuwachs an Wertschätzung bezeichnet, der selbst entworfenen oder zumindest selbst zusammengebauten Gegenständen im Vergleich zu fertig gekauften Massenprodukten entgegengebracht wird. Die Benennung nach dem Möbelhersteller IKEAund dessen durch den Kunden zu montierenden Produkten wurde 2009 durch den Wirtschaftswissenschaftler Michael Norton geprägt. Quantitativ erreicht die gesteigerte Wertschätzung durch die selbst durchgeführte Montage eines Massenartikels fast die Wertschätzung für ein individuell durch einen Handwerker gefertigtes Einzelstück.

In dem Buch wurde angesprochen, dass dieser Effekt, nämlich der, dass man etwas, in das man viel direkte Arbeit gesteckt hat (statt der indirekten Arbeit, die man erst in Geld steckt und dann in das Möbelstück), mit einem höheren Wert für sich selbst belegt, auch in die Geschlechterdiskussion mit hineinspielen könnte:

Es wurde dort das Beispiel gebracht, dass deswegen die Mutter, die mehr „direkte Arbeit“ in das Kind gesteckt hat, dieses eben auch eher als seinen Besitz ansieht, vergleichbar dem Ikeamöbel, weil sie es häufiger gefüttert, gewickelt und mehr für seine Erziehung zuständig war und daher auch weniger bereit ist zu teilen oder diesen „Besitz“ aufzugeben.

Auch interessant fand ich den dort erwähnten Decoy-Effekt, der zwar nicht direkt Besitz betrifft, aber auch zeigt, dass unsere Entscheidungsfindung mitunter nicht sehr logischen Regeln entspricht.

Der Decoy-Effekt geht davon aus, dass wir Vergleichbarkeit lieben und uns ein Produkt, bei dem wir eine solche Vergleichbarkeit haben, als höherwertiger erscheint.

Ein Beispiel dazu:

Jemand muss sich zwischen zwei hochwertigen Geräten entscheiden, die jeweils andere hochtrabende Bezeichnungen für bestimmte Parameter haben. Es ist schwer zu sagen, welches letztendlich besser ist. Wenn es nun das Gerät A gibt und von dem anderen Hersteller die Geräte B1 und B2, wobei man klar erkennen kann, dass B2 etwas schlechter ist als B1, dann neigen viele Kunden dazu, dass Gerät B1 zu nehmen, einfach weil sie wissen, dass es da bessere Gerät dieses Herstellers ist. Das ist dann unabhängig davon, ob nicht eigentlich Gerät A die bessere Wahl gewesen wäre. Deswegen kann es sich für den Hersteller lohnen, das Gerät B2 als „Decoy“ zu platzieren, da dann sein Gerät insgesamt attraktiver erscheint.

Ein weiteres Beispiel:

Dan Ariely machte dazu einen interessanten Test. Er bat Studenten für ein Datingexperiment Fotos von ihnen machen zu können. Dann wurden aus den Fotos Gruppen gleich attraktiver Studenten gebildet. Dann modifizierte Dan Ariely mit Photoshop die Fotos so, dass er etwas hässlichere Versionen davon erzielte. Er verrückte Beispielsweise die Nase oder die Augen leicht aus der Symmetrie.

Dann bat er Studentinnen sich dafür zu entscheiden, mit wem sie lieber ein Date wollten, wobei er drei Fotos vorlegte. Dabei handelte es sich jeweils um 2 Fotos von verschiedenen Studenten und ein weiteres Foto eines der Studenten, welches modifiziert war.

Die hübsche Version des „doppelten Fotos“ bekam dabei jeweils deutlich höheren Zuspruch, ich meine etwa 75% entschieden sich für dieses, einfach weil sie einen Vergleich hatten.

Aus meiner Sicht alles gute Beispiele, die aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung zeigen, dass wir Bewertungen nach bestimmten Regeln vornehmen, die nicht logisch sind, aber gleichzeitig einer gewissen Logik folgen:

Verlust mehr zu fürchten als Gewinn zu wollen kann beispielsweise ebenso evolutionär sinnvoll sein, wie bei unbekannten Lagen lieber die zu wählen, bei denen man zumindest weiß, dass sie besser ist als eine der anderen Alternative.