Der moderne Feminismus ist die Krankheit, deren Heilung zu sein er vorgibt.

Schoppe schrieb mal wieder einen schönen Kommentar, in dem es darum ging, wofür man als Frau dem Feminismus durchaus dankbar sein kann, warum aber der moderne Feminismus damit nichts zu tun hat.

Ich hab mich angesichts des heutigen Feminismus schon öfter gefragt, wie Frauen ihn eigentlich als ermutigend und unterstützend empfinden können. Tatsächlich kenne ich auch kaum noch Frauen, die sich als feministisch bezeichnen – und wenn sie es tun, dann im Hinblick auf das, was der Feminismus aus ihrer Sicht für Frauen einmal geleistet habe, nicht für das, was Feministinnen heute tun.

Im Hinblick auf die Vergangenheit finde ich durchaus – gute oder schlechte – Gründe, warum eine Frau dankbar für den Feminismus sein konnte.

  • Fast immer kommt der Hinweis auf das nun etwa 100 Jahre alte Frauenwahlrecht. Das war zwar nicht allein das Verdienst von Feministinnen, und auch ein großer Teil der Männer durfte nicht wählen – aber es ist ein Symbol dafür, dass Frauen Gleichberechtigung erkämpfen konnten. Dass Frauen später ohne Erlaubnis des Ehemannes kein Konto hätten führen und keinen Job hätten annehmen können, ergänzt das – auch wenn Feministinnen notorisch den Nachweis schuldig bleiben, wann denn ein Gericht einer Frauen das tatsächlich untersagt habe.
  • Viele Berufsfelder, in die Frauen neu eintraten, waren nun einmal männlich geprägt. Frauenfreundschaften und feministische Überzeugungen gaben vielen Frauen tatsächlich eine Rückendeckung, die sie brauchten.
  • Es war für viele Frauen tatsächlich nicht selbstverständlich, sich zuzutrauen, dasselbe tun zu können wie Männer – studieren, die Familie ernähren etc. In der Hinsicht waren einige Feministinnen tatsächlich eine Ermutigung für Frauen. Dass es vielen Männern ganz ähnlich ging, musste dabei keine Rolle spielen.
  • Verhalten von Männern wurde nicht selbstverständlich akzeptiert, sondern konnte angezweifelt werden. Nach der eigenen Legende wurde und wird das erst durch feministische Kritik möglich – das allerdings ist natürlich ausgesprochen unglaubwürdig.

Immerhin gibt es ein paar Gründe, warum der Feminismus nicht bei allen Frauen einen schlechten Ruf hat. Wenn aber tatsächlich einmal etwas Ermutigendes und Aufbauendes hatte, dann ist das heute verschwunden. Die Fixierung darauf, Positionen in Institutionen zu besetzen und öffentliche Gelder sowie rechtliche Privilegien zu beanspruchen, macht auch etwas ganz anderes nötig als „Empowerment“, nämlich das beständige Vorführen von Hilflosigkeit und Schutzbedürftigkeit.

Die Behauptung, dass diese Hilflosigkeit nicht in der „Natur der Frau“, sondern in der Struktur der Gesellschaft begründet sei, ist nur ein oberflächlicher Unterschied zu den klassischen Damsel-in-Distress-Klischees. So ist denn eigentlich alles am heutigen Feminismus darauf ausgerichtet, die Selbstständigkeit von Frauen zu schwächen – wer sich selbst helfen kann, kann schließlich nicht mehr glaubwürdig Hilfe einfordern.

  • Die beständige Beschwörung einer feindlichen Umwelt zerstört nicht nur, wie im Comic oben, Selbstvertrauen. Sie erschwert auch die Kooperation mit anderen (nicht nur mit Männern, sondern auch mit Frauen, die andere Ansichten haben), die für ein selbstständiges Leben so wichtig ist. In der Verherrlichung der sogenannten „Alleinerziehung“ z.B. wird das Fehlen von (oder die Unfähigkeit zur) Kooperation gar zu einer Heldentat stilisiert.
  • Sich selbst als handlungsmächtig zu erleben, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, auch in schwierigen Situationen stabil und einigermaßen gesund zu bleiben. Das prinzipielle Leugnen weiblicher Handlungsmacht (angesichts umfassender patriarchaler Strukturen, natürlich) ist für Frauen, die das ernst nehmen, also eine erhebliche Belastung. Diese Probleme können dann allerdings wiederum als Bestätigung für die Annahme patriarchaler Strukturen interpretiert werden.
  • Das Fehlen der Handlungsmacht bringt Frauen unweigerlich in Abhängigkeiten, sei es von institutionellen Strukturen oder von GUTEN Männern, die Frauen gegen die patriarchale Übermacht beistehen. (HeForShe) Frauen als grundsätzlich hilflos und abhängig, sich selbst aber als handlungsmächtig erleben zu können, ist m.E. eines der wichtigsten Motive dafür, dass Männer Feministen werden.
  • Die Belohnung dafür, das Gefühl eigener Handlungsmacht aufzugeben, ist die Befreiung von Verantwortung. Das kann tatsächlich eine enorme Entlastung sein, für die Menschen erhebliche Nachteile in Kauf nehmen. Die extremen Feindseligkeiten gegen „Fettlogik überwinden“ z.B. sind wohl darin begründet, dass das Buch zwar Mittel an die Hand gibt, sich selbst besser zu kontrollieren und so handlungsmächtiger zu werden – aber es weist Menschen eben auch die Verantwortung dafür zu. Dieser Preis für Handlungsmacht ist den Gegnern einfach zu hoch.
  • Um aber Verantwortung verlässlich bei anderen zu finden, ist es nötig, Freund-Feind-Strukturen aufrecht zu erhalten. Das gilt nicht nur für das Verhältnis zu Männern, sondern auch für das Verhältnis feministischer Frauen untereinander. Jede ist ständig in Gefahr, auf die Seite des Feindes zu geraten oder nicht vollständig genug auf der Seite der guten, emanzipatorischen Kräfte zu stehen. Kräfteraubende und sinnlose Kämpfe untereinander und ein großer Anpassungsdruck sind aber natürlich erhebliche Hindernisse für ein selbstständiges Leben.

Dass durch solche Positionen Selbstständigkeit von Frauen erheblich behindert wird, kann dann allerdings wieder auf das Konto patriarchaler Strukturen etc. gebucht werden. Tatsächlich ist der Feminismus – um mal ein Zitat von Karl Kraus abzuwandeln – damit eben die Krankheit, deren Heilung zu sein er vorgibt.

4 Gedanken zu “Der moderne Feminismus ist die Krankheit, deren Heilung zu sein er vorgibt.

  1. Man kann sich umgekehrt fragen, warum in allen westlichen Gesellschaften trotz 30 Jahren Frauenförderung und Emanzipation so viele Frauen die Vorstellung, diskriminiert zu werden, so bereitwillig übernehmen (oder vielleicht sogar ohne äußere Einflüsterungen entwickeln). Schließlich ist diese Bereitwilligkeit der Frauen die Grundlage der politischen Macht des heutigen amtierenden Feminismus. Umgekehrt wirken solche Einflüsterungen bei Männern anscheinend viel weniger, man weiß zwar von Schräglagen, aber das ist nur „Gedöns“.

    Ich habe in letzter Zeit einiges zum Thema Sexuelle Identität / Geschlechtsidentität recherchiert, insb. wie sie bei Kindern entsteht. Ich habe den Eindruck, daß da schon in statistisch relevantem Umfang ganz früh ein Minderwertigkeitskomplex entsteht. Nach Asendorpf / Neyer (2012): Psychologie der Persönlichkeit und anderen Quellen entsteht bereits mit 2 – 4 Jahren eine Geschlechtsidentität insofern, als sich die Kinder einem der beiden wahrgenommenen biologischen Geschlechter zuordnen. Selbst so kleinen Kindern ist mit einiger Sicherheit klar, daß Männer größer und daher stärker und „gefährlicher“ sind. Das ist eine elementare Intelligenzleistung, das zu erkennen. Intellektuelle Fähigkeiten können Kindern in dem Alter nicht beurteilen, es dominiert also der Eindruck von der physischen Überlegenheit der Männer.

    Hinzu kommen die dazu passenden typischen Rollen, die Väter und Mütter in der Erziehung einnehmen (Vater streng, Mutter fürsorglich), allerdings nur, wenn überhaupt noch Männer aktiv an der Erziehung beteiligt sind.

    Dieser frühe Minderwertigkeitskomplex von kleinen Mädchen ist zunächst einmal reine Spekulation von mir. Kennt irgendwer Literatur dazu?

    Dazu passen würde die höhere Risiko-Aversion bei Mädchen/Frauen, auch wenn man dafür noch andere Ursachen vermuten kann.

    • „Dieser frühe Minderwertigkeitskomplex von kleinen Mädchen ist zunächst einmal reine Spekulation von mir. Kennt irgendwer Literatur dazu?“

      Ich bin nicht sicher, obw wir ohne ein elaboriertes Verständnis des Weiblichkeitsideals diese Sache aufklären können.

      Und um es klar zu sagen: Die Vorarbeiten von djadmoros und Schoppe zu Kucklick reichen da hinten und vorne nicht aus.

  2. „ist nur ein oberflächlicher Unterschied zu den klassischen Damsel-in-Distress-Klischees“

    Damsel-in-Distress hat übrigens mit Feminismus nichts zu tun, sondern es ist ein Narrativ im Spiel sexueller Kontaktanbahnung.

    Daß es so ist, legt natürlich seinerseits den Hinweis nahe, daß Frauen ihre Sexualität instrumentalisiert haben als Gegenleistung für die kostenfreie Hilfe der Männer in allen möglichen Lebenslagen.

    Noch heute geht es den meisten Frauen in der sozialen Praxis darum, ihre eigene Sexualität zu verteuern, anstatt Sexualtität ohne männliche Vorausleistung aufgrund von Gefühlen zu praktizieren.

    Feminismus müßte genau zu letzterem führen, woraus folgt, daß der Feminismus als gesellschaftlich beherrschende Ideologie nichts mit dem Damsel-in-Distress-Narrativ zu tun hat.

    Leider verstellt der Biologismus mit seiner tendenziösen und erzkonservativen Sichtweise auf die Sexualität der Frauen solche einfachen Einsichten – zum Schaden der Männer, die nun meinen, daß sexualisierte Ausbeutungsverhältnisse zu Frauen unvermeidlich seien.

  3. Was die Erlaubnis des Ehemannes betrifft einen Job anzunehmen könnte ich mir vorstellen daß dies einfach ein Resultat davon war die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft zu sehen. Heutzutage ist es auch Standard daß man keinen Nebenjob ohne die Erlaubnis seines Arbeitgebers annehmen darf, und alle finden das normal. Früher war es einfach das Default-Arrangement, daß Frau den Haushalt organsiert und Mann das Geld nach Hause bringt (vereinfacht gesagt), also mache es auch irgendwie Sinn daß beide sich an das Arrangement halten – wie das Argument des Arbeitgebers daß die optimale Leistung für den Hauptarbeitgeber zu erbringen sei, kann bei dem klassischen Arrangement eine gewisse Haushaltsleistung erwartet werden. Solange keine Frau gezwungen ist zu heiraten bzw. es möglich ist sich auch wieder Scheiden zu lassen (z.B. wenn der Ehemann die Erlaubnis für den Job verweigert) sehe ich da eigentlich kein echtes Problem.

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