Zur Entfremdung der Kinder vom Vater

Die Huffington Post stellt zwei Fälle dar, wie es zu einer Entfremdung kommen kann.

Der eine ist der Fall, dass die Kinder nicht mit der neuen Partnerin zurechtkommen, einfach weil sie die Neue ist:

Nach der Scheidung ihrer Eltern ist ein Mädchen, nennen wir sie Sophie, regelmäßig beim Vater. Der lernt irgendwann eine neue Frau kennen, man zieht zusammen.

Alles klappt prima. Sophie versteht sich gut mit der neuen Frau und auch mit deren Kindern. In der neuen Familie ist viel Trubel, Sophie gefällt das. Kurz vor Weihnachten kommt die Diskussion auf, wie man denn feiern möchte. Letztes Jahr war Sophie komplett bei der Mutter. Der Vater fragt also bei seiner Ex-Frau an, ob Sophie dieses Jahr bei ihm und seiner neuen Frau feiern kann.

Eine Antwort kommt zunächst nicht. Nichts Außergewöhnliches, da Vater und Mutter kein gutes Verhältnis haben und es oft Streit gibt. Aber etwas anderes passiert nun. Sophie zieht sich immer mehr zurück, sie sagt Wochenenden beim Papa per WhatsApp ab und schreibt, sie hätte keine Lust zu kommen. Natürlich versucht ihr Vater herauszufinden, was los ist.

Sophie druckst herum, schickt dann eine SMS: „Deine Neue soll verschwinden“. Papa lässt nicht locker, schließlich kommt die Nachricht: „Ich hasse sie, ich will euch beide nicht mehr sehen“.

Die Sache scheint klar. Die Neue, die böse Stiefmutter hat irgendetwas mit dem Kind angestellt. Hat sie Sophie geschlagen? Misshandelt? Wie sonst kann es sein, dass aus Sophies ursprünglicher Zuneigung blanker Hass wurde und sie jeglichen Kontakt zum Vater ablehnt? „Das will ich selbst so, aus freien Stücken“, schrieb sie. Also ganz ohne Druck von außen.

Der andere Fall ist, dass zB die Mutter Verlustängste hat:

Als Papa bei seiner Ex anfragt, ob Sophie dieses Jahr Heiligabend bei ihm verbringen kann, ist die Kleine begeistert. Sie hat die Stiefmutter und deren Kinder ins Herz geschlossen und freut sich auf ein buntes Familienweihnachten.

Bis Sophie die Tränen in Mamas Augen sieht. „Dann bin ich ja ganz allein“, hört sie Mama leise schluchzen. Sofort hat Sophie ein schlechtes Gewissen. „Magst du die neue Frau von Papa lieber als mich?“, fragt die Mama womöglich noch traurig hinterher.

Natürlich nicht, warum sollte Sophie ihre Stiefmutter lieber haben als ihre Mutter. Aber Sophie reagiert sensibel auf alles, was ihre Mutter traurig machen könnte. Sie möchte doch, dass es ihrer Mama gut geht und sie merkt, dass es Mama überhaupt nicht gefällt, wenn sie zu Papa geht. Will sie von dem tollen Wochenende erzählen, dreht Mama sich weg. Schwärmt sie von den „Geschwistern“ fragt Mama, ob Sophie sie denn allein lassen und lieber bei „denen“ sein will.

Sophies Mutter hat so viel (irrationale) Angst ihre Tochter an die Next zu verlieren, womöglich dazu noch so viel Hass auf ihren Ex-Mann, dass sie gar nicht sieht, wie Sophie in einen schlimmen Loyalitätskonflikt gerät.

Sophie bekommt viele Streit-Telefonate mit. Sie hört, dass die Stiefmutter angeblich Schuld sein soll, dass Papa das neue Auto von Mama nicht finanzieren will. „Dein Papa gibt sein Geld jetzt lieber für die Kinder der Stiefmutter aus. Die hat er lieber als Dich“, sagt ihre Mutter in einem Anfall von Wut. Sophie wird stiller, weint jetzt, wenn sie zu Papa soll.

Mama zieht daraus den in ihren Augen einzig richtigen Schluss: Sophie will nicht zum Vater. Und als gute Mutter wird sie ihre Tochter natürlich nicht dazu zwingen. Kommt es doch zum Besuch wird Sophie vorab gesagt, sie müsse sich von der „Neuen“ nichts gefallen lassen. „Die hat dir gar nichts zu sagen“.

Mit besorgter Stimme ruft die Mutter nun während der immer seltener werdenden Papa-Wochenenden an. Sagt Sophie, wie allein sie sei, wie sie die Tochter vermisst. Sophie weint, sie vermisst Mama auch.

Der Vater wird böse, ihn nerven die ständigen Anrufe. Sophie weint noch mehr. Das Telefon klingelt, die Mutter ist dran und hört ihre schluchzende Tochter. Sofort stürmt sie herbei, holt Sophie ab. „Lass mein Kind gefälligst in Ruhe“, zischt sie der erstaunten Stiefmutter noch zu.

Die nächsten beiden Wochenenden sagt Sophie per WhatsApp ab. Ihr Vater ist sauer, ruft an. Er versucht zu schmeicheln und zu locken, sagt, dass die Stiefmutter extra einen Kuchen für Sophie gebacken hat und auch die anderen Kinder sich total auf sie freuen würden.

„Deine Tante kann ihre Kinder mit Zucker vollstopfen, meine Sophie vergiftet sie nicht“, rutscht es der Mutter raus, die mitgehört hat. Sophie weint, sie will nicht, dass ihre Eltern am Telefon ihretwegen streiten. „Da kannst du hören, was Du angerichtet hast. Deine Tochter weint jetzt wegen dir“, ruft die Mutter noch ins Telefon bevor sie auflegt und Sophie tröstet.

Irgendwann wird der Konflikt für Sophie so groß, dass sie ihn nicht mehr ertragen kann. Sie will gar nicht mehr zum Papa. Ihrer Mutter fällt ein große Last vom Herzen. Hat sie es doch lange geahnt, dass dieser Mann schlecht für ihre Tochter ist. Kein guter Ehemann, ergo auch kein guter Vater. Also verteidigt sie den „Wunsch“ von Sophie wie eine Löwin. „Wenn meine Tochter nicht mehr zu ihrem Erzeuger gehen will, dann bin ich die Letzte, die sie dazu zwingen wird“.

Traurigerweise sind es, wie in dem Artikel dargestellt, häufig schlicht zwei Seiten der gleichen Geschichte. Das Kind will, weil es merkt, dass die Mutter nicht will.