Rape Culture, Affirmative Consent und Punitiv Damages

Jan Fleischhauer berichtet im Spiegel über den neusten Wahnsinn aus Amerika, wo nunmehr wohl eine Art „Yes means Yes“-Modell an einigen Unis Einzug halten soll, bei dem sich Studenten vor dem Sex nach Möglichkeit mit einem unterschriebenen Vertrag fotografieren sollen.

Er verweist zurecht darauf, dass die Rape Culture Theorie auf sehr wackeligen Beinen steht und das es eigentlich eine unvorstellbar dämliche Regelung ist, die letztendlich niemand tatsächlich einfordern würde, die aber irgendwie tatsächlich Recht geworden zu sein scheint.

Er fragt dann:

Man darf gespannt sein, was von dem neuen Kulturkampf an deutschen Hochschulen ankommt. Bislang hat sich das amerikanische Unimilieu noch immer als richtungsweisend erwiesen. Wir verdanken ihm die Flower-Power-Bewegung, die Lobpreisung des LSD und die Gendertheorie. Es ist nicht so recht einzusehen, warum es mit dem Aufstand gegen alle sexuell zweideutigen Gesten anders sein sollte.

Wem es zu viel ist, während des Sexualaktes laufend den Alkoholgehalt im Blut zu kontrollieren und in regelmäßigen Abständen den Einverständnisbogen auszufüllen, dem bleibt nur der Verzicht. Bislang wurden junge Menschen, die bewusst auf Sex vor der Ehe verzichten, als verschroben belächelt. Dabei ist das Konzept der Keuschheit so naheliegend: Keine Affären, die schief gehen können. Allenfalls ein tiefer Blick in die Augen und ein gewispertes Wort der Zuneigung.

Ich glaube ja, dass diese Entwicklung in Amerika nur aus einem Gesichtspunkt verstanden werden kann, die wir glücklicherweise in Deutschland nicht haben:

Punitive Damages

Dazu aus der Wikipedia:

Im anglo-amerikanischen Recht versteht man unter punitive damages Schadensersatz, der im Zivilprozess einem Kläger über den erlittenen tatsächlichen Schaden hinaus zuerkannt wird. In Deutschland hat sich dafür der Begriff Strafschadensersatz eingebürgert; im angelsächsischen Rechtsraum spricht man von exemplary damages.

Der Zweck ist

  • den Beklagten für sein Verhalten zu bestrafen;
  • ihn davon abzuhalten, dieses rechtswidrige Verhalten zu wiederholen (Spezialprävention);
    auch andere davon abzuhalten (Generalprävention).
  • Punitive damages werden grundsätzlich nur für außergewöhnlich grob schuldhaftes, vorsätzliches Verhalten zuerkannt, nicht dagegen bei bloßer Fahrlässigkeit.

Während man in Deutschland auf Vorschriften setzt, um bestimmte Verhalten zu regeln und ein Schadensersatz immer nur den tatsächlichen Vermögensschaden und gegebenenfalls noch ein Schmerzensgeld umfasst, ist der „Strafschadensersatz“ ein klassisches amerikanisches Institut, welches Institutionen und Firmen dazu erziehen soll, sich richtig zu verhalten. Der jeweilige Kläger selbst erhält einen Schadensersatz, dessen Höhe geeignet sein soll, den Beklagten davon abzuhalten, in Zukunft sein Verhalten zu ändern.

Dabei wird auch davon ausgegangen, dass diese Institutionen gewisse Schutzpflichten haben, etwa gegen Angestellte oder auch gegenüber den Studenten. Wenn jemand in einen gewissen Kontakt zu einer Institution treten muss, um Geschäfte mit diesen zu erledigen, dann trifft diesen eine Nebenpflicht, dass diesem dabei kein Schaden zustößt. Das haben wir in Deutschland auch, etwa bezüglich des Schneeräumens oder bezüglich der Sauberkeit in einem Supermarkt, wo dann zB die klischeehafte Bananenschale auf dem Boden in angemessener zeit beseitigt werden muss.

Hier müssen die Studenten in Kontakt mit der Universität treten und ihre Betreiber sind damit für ihren Schutz verantwortlich. Wenn sich nun herausstellen würde, dass die Universitäten ein Klima haben entstehen lassen, in dem es besonders häufig zu Vergewaltigungen kommt und nichts dagegen gemacht haben, dann sind sie also angreifbar verklagt zu werden. Und da der Bestrafungsschaden sich nach Schwere des Vergehens und Wiederholungsgefahr geht, kann man sich gut vorstellen, dass da bei „1 von 5“ ein hoher Schadensbetrag im Raum steht.

Die hier beauftragten Programme sind Schadensersatzvermeidungsprogramme. Wer anführen kann, dass er sogar einen schriftlichen Vertrag verlangt, der ist eben nicht angreifbar. Zumindest bis eine andere Uni den vollständigen Videobeweis verlangt.

Das führt schnell zu einem „Race to the bottom„: Keine Universität möchte die sein, die eine zu lasche Verhinderungspolitik hat und dann verklagt wird. Also lieber etwas übertreiben.

Aus dem gleichen Gründen ist auch Belästigung am Arbeitsplatz ein so großes Thema in amerikanischen Firmen: Lieber einen Mitarbeiter auf ein Sensibilisierungstraining mehr schicken als einen Schaden riskieren.

Ob man sich gegen so etwas dann auch noch versichern kann und die Versicherungen die Prämien erhöhen, wenn man das Spiel nicht mitmacht, wäre auch interessant zu wissen.

Die Jungs, die eventuell in diesem Sicherheitsnetz der Universitäten hängen bleiben sind ein relativ geringer Schaden. Zumindest in der bisherigen Kalkulation. Wie die Unis reagieren, wenn zB Paul Nungesser einen Strafschaden geltend machen könnte (ich habe keine Ahnung, ob er das will und kann) wäre interessant. Es wäre aber in der Summe sicherlich eher zu vernachlässigen: So viele Matratzenprojekte gibt es ja nicht.

Ich vermute, dass den Universitäten bewußt ist, dass nur Verrückte auf diese Weise Sex haben werden. Darum geht es aber auch nicht. Sie gehen davon aus, dass die meisten Fälle, in denen sie einfach so Sex haben, nichts passiert und sie die, in denen was passiert, dann abwickeln können, ohne das man sie haftbar machen kann.

Da es in Deutschland weder Punitive Damages gibt noch Universitäten so weitgehende Vorschriften machen dürfen, dass sie Sondergerichte einführen, die nicht dem normalen Verwaltungsrechtsweg unterliegen, ist eine Übertragung auf Deutschland nicht zu erwarten.