Nochmal: Strukturelle Diskriminierung

Leszek schrieb zur strukturellen Diskriminierung als Theorie im Feminismus

“Strukturelle Diskriminierung ist per Definition eigentlich genau die nicht beabsichtigte, da sind Schuldzuweisungen eigentlich grunsätzlich fehl am Platze. Aber der US-Diskurs kann halt nicht ohne, deshalb braucht man das Konstrukt der “Privilegien”.”

Um dies zu präzisieren: Das Verständnis von struktureller Diskriminierung, dass sich im US-amerikanischen Poststrukturalismus/Gender-Feminismus herausgebildet hat, ist in der Tat nicht angewiesen auf bewusst intendierte diskriminierende Handlungen, aber beruht auf einer Idee der unbewussten Vorurteile und Abwertungen, durch die die strukturelle Diskriminierung aufrecht erhalten wird.
Dieses Konzept struktureller Diskriminierung ist eng mit dem Privilegienbegriff verbunden.

Die strukturelle Diskriminierung korreliert in dieser Sichtweise mit einem geringeren Status der diskriminierten Gruppe, während die Mitglieder der dominanten Gruppe im Kontext ihrer Sozialisation entsprechende Vorurteile unbewusst verinnerlicht haben und Privilegien genießen, auch wenn sie sich ihrer Privilegien nicht bewusst sind.
So wird die strukturelle Diskriminierung zwar nicht von bewusst-intendierten Handlungen, aber doch von unbewusst-motivierten Vorurteilen sowie unbewusst wirksamen Motivationen der Wahrung von Privilegien aufrechterhalten.
Darum ja auch das Konzept der Privilegienreflektion, durch das diese unbewusste Verstrickung der Mitglieder der dominanten Gruppe in die strukturelle Diskriminierung ins Bewusstsein gebracht werden soll.
So in etwa funktioniert diese Theorie.

In diesem Sinne ist deine Hypothese, dass das Paradigma des Radikalfeminismus hier in der Tiefenstruktur wirksam ist also richtig.

Der Genderfeminismus kommt eben ohne Schuldzuweisung nicht aus. Die Unterdrückung durch die „mächtigere“ Gruppe ist ein ganz wesentliches Element.

Mitm ergänzte dazu:

Der Begriff “Strukturelle Diskriminierung” wird ja auch bei uns im Kontext von Frauenquoten zu deren Rechtfertigung immer wieder vorgebracht, nach dem Prinzip Blutrache: die Männer sollen dafür büßen, daß sie Strukturen installiert haben, die die armen Frauen diskriminieren.

Ich halte diese radikalfeministische Argumentation für eine üble Begriffstrickserei, in der Nachteile als Diskriminierungen umetikettiertwerden. Eine Diskriminierung erfordert aktive Rolle einer diskriminierenden Instanz, nur dann kann ich die diskriminierende Instanz bestrafen. Dazu muß ich die diskriminierende und die diskriminierte Instanz unterscheiden können und einen Mechanismus bzw. “eine Struktur” erkennen können, der den Nachteil bewirkt.

In der WP wird soziologische Struktur (https://de.wikipedia.org/wiki/Struktur_%28Soziologie%29) definiert als “Größen und gestaltende Kräfte, die zwischen Akteuren vermitteln. Die Struktur wird meist als Grundlage sozialen Handelns verstanden, wobei davon ausgegangen wird, dass sie Kontingenz (Wahlfreiheit beim Handeln) begrenzt oder auflöst und die Ursache für Handlungsmuster und die Verteilung von Macht ist.” Der Text ist aber umstritten, s. dortige Diskussion.

Eine allgemeinere und mMn bessere Definition definiert “Struktur” mit Bezug auf ein gegebenes System (https://de.wikipedia.org/wiki/System), also eine Menge von (System-) Elementen und Verbindungen oder Beziehungen zwischen den Elementen, die insgesamt eine aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit bilden. Eine Struktur ist dann eine Abstraktion dieses Systems, die bestimmte interessierende Zusammenhänge darstellt.

So oder so sind “unbewusste Vorurteile” oder Geschlechterklischees mMn keine Strukturen, über die Männer Frauen diskriminieren können, wenn ich das mal als Amateursoziologe sagen darf. Erstens ist es extrem unklar und zweifelhaft, ob Männer – selbst wenn sie es wollte und planten – die Effekte überhaupt erzeugen könnten. Zweitens sind Geschlechterunterschiede wie z.B. die Risikoaversion von Frauen keine Vorurteile, sondern “Urteile”, also statistisch korrekte Fakten, und sie sind auch nicht unbewußt, sondern bestens bekannt, auch den Frauen.