Jessica Valenti und warum keine Belästigung auch irgendwie sexistisch ist

Jessica Valenti, die Gründerin des großen feministischen Blogs „Feministing“ wird alt und merkt das:

Being on the subways and streets of New York while female used to mean walking through a veritable gauntlet of harassment and catcalls. But lately, a curious thing has happened – my world is a much quieter place. The comments and lascivious stares from men have faded away the older I’ve gotten, leaving an understandable sense of relief. But alongside that is a slightly embarrassing feeling of insecurity that, with every year that goes by, I become more and more invisible to men (…)

There’s a freedom to that – I wouldn’t trade my quiet morning walks for the hellishness of my teen years for anything. But when you’re brought up to feel that the most important thing you can be is attractive to men, the absence of their attention – even negative attention – can feel distressing. (…)

I realize the most properly-feminist response to all of this would be to proudly declare that I don’t care, that being too old to catcall is glorious freedom. But that would be a lie. I do care in some way that sits uncomfortably with my politics – enough that it worries me to wonder how I’ll feel when I’m 45, or 65.

Es erscheint vollkommen bizarr, dass sie erst eine Hölle beschreibt, durch die Frauen beständig gehen müssen, und dann sagt, dass sie diese vermisst, weil sie sich nicht mehr schön fühlt.

Ihre Schlußfolgerung:

I know that my reaction is normal, considering the culture I’ve grown up in, as much as I know that my self worth does not depend on what strangers think. But I do wish there was more nuance in conversations about aging, beauty standards and feminism – room enough to admit without shame the complicated feelings we can have about it all.
Being harassed on the street is not a compliment, and it surely has never felt like one. For most, if not all women, it can be scary and sometimes dangerous to deal with. But I can admit that – even as a seasoned feminist – sexism is a powerful enough force to still reside my head. Maybe by acknowledging as much I can begin to let it go (hopefully, long before I turn 45).

Sie sagt hier also, dass sie es falsch findet, dass Frauen nach ihrem Äußeren bewertet werden, dass diese Wertung aber, weil sie unsere sexistische Gesellschaft so nachhaltig vertritt, so sehr Bestandteil ihres Denkens geworden ist, dass sie sie nicht abschalten kann.

Diese Wertung finde ich sogar – innerhalb ihres Denksystems – nicht vollkommen unlogisch. Ich habe mal darüber nachgedacht, ob man es übertragen kann:

Wäre ein Sklave, der immer wieder verkauft worden ist, nicht auch zumindest entsetzt, wenn keiner ihn mehr kaufen würde und er deswegen als unbrauchbar freigelassen würde?

Oder wäre ein Mann, der sich immer darüber aufregt, dass Männer auf die Versorgerrolle reduziert werden und danach bewertet werden, wie viel sie verdienen, nicht auch etwas besorgt, wenn er seinen Job verliert und er deswegen nicht mehr als starker Versorger wahrgenommen wird?

Der Wunsch, als attraktive und wertvolle Person wahrgenommen zu werden, ist insofern sehr verständlich. Das Heuchlerische kommt meiner Meinung nach dadurch herein, dass dies ansonsten im Feminismus kaum anerkannt wird. Es spielt keine Rolle, dass ein gewisser Teil des Cattcalling durchaus gern gesehen wird, wenn er sich in bestimmten Grenzen bewegt. Es wirkt unehrlich, wenn sonst jede Form der Wahrnehmung als Mikroaggression gewertet werden kann. Und auch etwa auf Seiten der Männer beim Aufbau von Status etc wird es nicht wahrgenommen. Sie schiebt hier die Veranwortung für etwas so schlichtes, wie gerne als attraktiv wahrgenommen zu werden auf das Patriarchat oder den Sexismus.

Anscheinend gesteht sie sich so etwas normales selbst gar nicht mehr zu, weil es nicht in ihre Ideologie passt.