Lauren Southern: SlutWalk Revisited (Edmonton)

 

Es wäre ja eigentlich schön, wenn man vergleichbares, also mit Schildern wie „Es gibt keine Rape Culture in Deutschland“ oder „Die Rape Culture Theorie behindert die Bekämpfung sexueller Gewalt (RAINN)“ auf einem deutschen Slutwalk auftauchen, veranstalten könnte.

Grundannahmen und Voraussetzungen der Gender Studies

In einem Artikel stellt Marion Detjen vier Grundannahmen und Voraussetzungen der Gender Studies dar:

Erstens: Die Verhältnisse, in denen wir Menschen leben (vielleicht auch Delfine, Hunde und Schimpansen?), also auch die Geschlechterverhältnisse, also auch unsere geschlechtlichen Identitäten, also auch der Sex, sind sozial konstruiert, und das heißt nicht, dass Gene, Fortpflanzungsorgane, Hormone und sonstige Materialitäten keine Rolle spielen würden, sondern nur, dass sie alleine nichts zwangsläufig festlegen und erst durch sozialen Umgang für die geschlechtliche Identität, für den Sex und die Geschlechterverhältnisse relevant werden.

Die Definition von „Sozial konstruiert“ ist interessant. Ich halte sie für einen Strohmann, denn in keinem Text aus dem Gender Feminismus spielen Hormone, Gene oder sonstige Materialitäten abgesehen davon Abgrenzungskriterien zu bieten, eine Rolle. Wer einen Text hat, der diese einbezieht, der kann ihn hier gerne zitieren. Gender Studies geht von einem reinen Sozialkonstruktivismus aus. Natürlich spielt im integrierten Modell das soziale eine Rolle. Es ist als Ausgestaltung der biologischen Grundlage durchaus maßgeblich dafür, wie wir unsere geschlechtliche Identität leben etc. Aber umgekehrt darf man eben auch diese Grundlage auch nicht ausblenden. Diese ist wie das Gelände, auf dem die Stadt gebaut wird und damit auch das spätere Bild und die Bebauungsmöglichkeit mitbestimmt. All dies geht in den Gender Studies unter.

Zweitens: Wenn die Verhältnisse nicht naturwüchsig oder von Gott gegeben, sondern sozial gemacht sind, dann liegt es an uns, uns jenseits der Wissenschaft, aber unter Verwendung ihrer Ergebnisse, darüber zu unterhalten, ob und wie wir sie vielleicht verändern wollen. Es ergeben sich politische Fragen. Und es wäre nett und im Sinne des Grundgesetzes, diese Fragen so zu formulieren und anzugehen, dass die nach wie vor bestehenden, eklatanten vergeschlechtlichten Ungleichgewichte (in der Verteilung der Care-Arbeit, in der Bezahlung, bei der Besetzung von Machtpositionen etc. pp.) beseitigt werden und die Beschwerden auch von kleinen Minderheiten wie den Transsexuellen Gehör und Berücksichtigung finden.

Das wäre aber eben eine Frage des „Wenn“. Diejenigen, die bisher radikale Umgestaltungen versucht haben, etwa das Kibbuz aber auch nur die Eltern von CAH-Mädchen oder diverse David Reimer Experimente sind jedenfalls gescheitert. Und es wäre schön, wenn tatsächlich mal allgemein gefragt würde, wie man etwas will: Die Antwort könnte die Gender Studies überraschen. Denn deren radiakales feministisches Programm wollen glaube ich die wenigsten. Die meisten sind ja durchaus gerne Mann oder Frau, nur ein kleiner Teil kann sich da nicht zuordnen und ist unzufrieden.

Drittens: Wissenschaft funktioniert nach ihren eigenen Regeln. Und trotzdem nicht unabhängig von der Politik. Die Geschlechterforschung, genauso wie die Evolutionsbiologie, genauso wie die Wirtschaftsmathematik und was immer sonst so an unseren Universitäten gelehrt wird – all diese Forschung verdankt ihre Existenz – nicht ihre Ergebnisse – letztlich politischen Entscheidungen und steht in politischen Kontexten, weil irgendjemand sie ja institutionalisieren und finanzieren muss. Deutschlandweit gibt es 15 eigene Lehrstühle für die Geschlechterforschung; für die Sportmedizin beispielsweise gibt es 28 eigene Lehrstühle. Ob und warum nun das eine oder das andere zu viel oder zu wenig ist, darüber kann und soll man reden.

Es geht aus meiner Sicht eher darum, das man, wenn man ein solches Fach einrichtet, was sehr sinnvoll sein kann, dieses dann eben wissenschaftlich machen sollte und nicht als reine Glaubenswissenschaft, in der das Ergebnis bereits feststeht und lediglich noch geschaut wird, wie man Ergebnisse so darstellen kann, dass sie dazu passen. Geschlechterforschung kann so wichtig sein, aber eben nicht als Ideologie.

Viertens: Die Sprache, mit der wir uns ausdrücken, ist ebenfalls kein Naturprodukt, sondern ein Ergebnis sozialer Prozesse. Und leider wurde sie über Jahrtausende so ausgeprägt, dass sie männliche Perspektiven reproduziert, für die das Weibliche das Andere ist, das markiert werden muss, um überhaupt zur Sprache zu kommen. Dieser fundamentale, ja tragische Missstand lässt sich nicht elegant beheben. Die Vorschläge der feministischen Linguistik – das Binnen-I, der Unterstrich, das Sternchen, das x, das generische Femininum – können das Problem nicht lösen, aber machen darauf aufmerksam; sie irritieren, wecken Sensibilität.

Natürlich ist Sprache ein Ergebnis sozialer Prozesse – abgesehen von der Universalgramatik. Ansonsten recht klassische Argumente aus dem Poststruktrualismus. Dort wird die Wirksamkeit der Sprache aus meiner Sicht stark überschätzt und auch hier sprechen viele Studien dagegen. Aber immerhin eine insoweit durchaus passende Darstellung einige Grundlagen.