Männer-Selbstfindung Teil 3: „Es ist männlich, dass es niemals einfach ausreicht, Mann zu sein“

Auch Schoppe schreibt etwas zu Robins „Männlichkeitsartikel“, den ich auch bereits hier besprochen habe. Dabei schreibt er etwas interessantes zu der Frage, warum sich Männer über bestimmte Positionen von Männlichkeit weniger austauschen als Frauen über bestimmte Aspekte von Weiblichkeit:

Der Grund ist wohl, dass es dieses Gemeinsame ganz einfach nicht gibt. Als soziale Kategorie ist Männlichkeit in den meisten Situationen hoffnungslos unbrauchbar – Gemeinsamkeiten des Berufs, der Ausbildung, des sozialen Status oder auch der politischen oder religiösen Überzeugung sind in aller Regel aussagekräftiger.
Das wäre also die These, dass Männlichkeit für Männer erst einmal nicht so viel als Thema hergibt wie für Frauen. Hier sollen andere Funktionen wichtiger sein, etwa der Beruf oder andere Punkte, die der Gruppeneinordnung dienen und die eine Zuordnung über das Geschlecht beinhalten. Es wäre sozusagen die Aussage, dass Männer nicht weniger über ihr Mannsein definieren, sondern eher über andere Aspekte, die eher eine Gruppeeinordnung ermöglichen.
Die Idee, dass Frauen eher eine einheitliche Gruppe gebildet haben und für sie daher Erinnerungen daran, was sie an gemeinsamen Erfahrungen verbindet und über diese gemeinsamen Erlebnisse und die Versicherung der jeweiligen Weiblichkeit ein Bonding-Erlebnis hatten, während Männer insoweit eher Bündnisse über Männlichkeit hinaus suchen, weil es eher darum geht, bestimmte Kooperationen zu bilden, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, sondern eher mit gemeinsamen Zielen und Interessen, lässt sich durchaus in einen evolutionären Kontext einordnen. Frauen hatten vergleichsweise gleiche Aufgaben, die weit weniger auf Konkurrenz ausgerichtet waren und gerade bei Kindererziehung und beim Schutz vor aufdringlichen Männern bieten sich solche Bündnisse über das Geschlecht Frau durchaus an. Bei Männern kommt aber noch die wesentlich stärkere intrasexuelle Konkurrenz dazu, ebenso wie die sexuelle Selektion auf erfolgreiche Männer durch Frauen. Das verbietet bereits an sich ein umfassendes Bündnis der Männer per se, da letztendlich die Gruppenbildung ein wesentlicherer Faktor innerhalb des männlichen Lebens ist.
Bei Frauen ist das, traditionell, anders: Weiblichkeit ist für sie in herkömmlichen bürgerlichen Verhältnissen ein zentrales Element ihrer Aus- und Einkommens. Sie sind finanziell vom Mann versorgt, weil sie ihrerseits – als Mutter – die gemeinsamen Kinder und – als Hausfrau – die Familie in Alltagstätigkeiten versorgen.
Was Robin als ungezwungen-schwelgerisches Frauengespräch über die gemeinsame Weiblichkeit darstellt, bezieht sich noch immer weitgehend auf eben diese beiden traditionellen Weiblichkeitsmuster der (potenziellen) Mutter und der (potenziellen) Partnerin: die „erste Periode“,„Mutterschaft“, das„erste Mal“, das Aussehen der Brüste, die Frage „Findet er meinen Geruch/Geschmack eklig?“
Also eine Konzentration in den weiblichen Themenauf Bereiche, die zumindest indirekt mit Mütterlichkeit oder der Anziehung auf den Partner zu tun haben. Lucas sieht dies als eine Bestätigung der klassischen Weiblichkeitsmuster. Wobei es ja weniger um Funktion und Verbesserung geht, sondern wenn ich das den Schilderungen richtig verstehe eher darum, dass man die dabei auftretenden Gefühle bespricht und sich insoweit empathisch aufeinander einlässt.
Ob es insoweit die Weiblichkeitsthemen nur in Bezug genommen werden, weil sie eben höchstpersönlich sind und damit einen sehr emotionalen Ansatz haben wäre zu klären. Gerade wenn es eben um die weibliche Form der Bindung geht, die auf eine empathische Basis über das Teilen intimer Informationen aufbaut, wäre dies insoweit verständlich.
Lucas schreibt weiter:
Offenbar hat sich an traditionellen Weiblichkeitsmustern weniger geändert, als es das Klischee allseits emanzipierter und selbstständiger Frauen vermittelt. Wenn heute beispielweise auch unverheiratete Mütter, die sich vom Vater ihres Kinder trennen, eben gerade deshalb an ihn einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt erwerben – und wenn andererseits ein vergleichbarer Anspruch unverheirateter Väter an Mütter faktisch ausgeschlossen ist – dann ist das nur ein Beispiel dafür, wie sich das Muster des Lebensunterhalts durch Geschlechtszugehörigkeit bewahrt hat.
Man könnte hier anführen, dass sich beide Muster nicht geändert haben – Männer beschäftigt seit jeher Gruppenzugehörigkeit, Themen, mit denen man Status aufbauen kann oder neue Werkezuge, die man zur Verbesserung seiner Position einsetzen kann. Früher mag letzteres eine bessere Speerspitze gewesen sein oder eine bessere Methode zur Herstellung von Faustkeilen, heute eben anderweitige Technik, auch wenn sie einen geringeren Einfluss auf unser direktes Überleben hat.
Interessant aber dennoch der Gedanke, dass Frauen aus ihrer Weiblichkeit den direkteren Profit ziehen können bzw. für sie ihre Tätigkeiten direkter mit ihrer Weiblichkeit verbunden sind: Über Mutter und Partnerin sein lässt sich sein ein Leben für eine Frau über den Mann durchaus aufbauen und nicht wenige Frauen sind durchaus damit zu frieden, wenn sich ihr sozialer Status ansonsten von dem Beruf ihres Mannes ableitet. Ein Weg der Männern wesentlich mehr verschlossen ist:
Das wäre Männern so kaum möglich – Männer bestreiten in traditionellen Mustern ebenso wie in anderen ihren Lebensunterhalt in aller Regel durch spezifische berufliche Tätigkeiten, und sie verdienen potenziell umso besser, je solider sich ihre spezifischen Fähigkeiten von denen anderer Männer unterscheiden.
Dazu hatte ich oben bereits etwas geschrieben. Es ist richtig, dass vieles in Männern eben mehr auf Differenzierung ausgerichtet ist, weniger auf Gemeinsamkeit. Wobei dies innerhalb von Freundschaften andererseits auch eine geringere Rolle spielt. Aber auch hier wirken andere Mechanismen: Die von Robin vorgeschlagenen Themen spielen insoweit eine geringere Rolle, vielleicht auch weil man an ihnen eh nicht ändern kann und man insofern andere Aspekte in den Vordergrund steht.
Es ist männlich, dass es niemals einfach ausreicht, Mann zu sein – und so geht es im Gespräch oder beim Schreiben über Männlichkeit in aller Regel notgedrungen um mehr als  um Männlichkeit allein. Das klingt paradox, zen-verdächtig, ist aber eigentlich selbstverständlich. Wesentlich fragwürdiger ist der Glaube, ein Gespräch über „Weiblichkeit“ sei fraglos möglich – weil ein solches Gespräch auf Mustern von Weiblichkeit aufbaut, die eigentlich längst nicht mehr funktional sind.
Mann sein reicht nicht aus – man muss insofern seinen Platz über das Mann sein hinaus innerhalb der Männerwelt finden. Interessant ist, dass Schoppe indirekt fordert, dass Frauen auch merken, dass Weiblichkeit nicht mehr ausreicht, sondern  sich die Gespräche um mehr drehen sollten.
Damit unterschätzt er denke ich eher die Funktion, die diese Art des Austausches hat. Aber man wird sehen, wie sich hier auch die Weiblichkeitsrolle verändert.

20 Gedanken zu “Männer-Selbstfindung Teil 3: „Es ist männlich, dass es niemals einfach ausreicht, Mann zu sein“

  1. Dann machen Männer sich keine Gedanken, ob eine Frau seinen Geschmack/Geruch eklig finden könnte?

    Worüber definieren sich denn Frauen, die keine Mütter sind, es vielleicht auch niemals werden konnten oder niemals wurden?

    Was ist mit den Frauen, die Single sind, wo es doch heute so viele Singles gibt?

    Soll eine Frau sich über potenzielles Mutter sein oder potenzielles Partnerin sein definieren? Also über ungelegte Eier?

    Und was ist mit Frauen, die sich aus Männern nichts machen und auf Frauen stehen?

    Es gibt auch Frauen, die sich über irgendwelche Rollen definieren, manche wohl auch ausschließlich. Vielleicht kommt es dabei auch mit auf den Intellekt an?

    Man kann sich aber auch über sich selbst definieren, selbst wenn man nicht perfekt ist (und wer ist das schon).

    Wenn man sich nur über Dinge von außen definiert, kann das mal ganz schnell einen labilen Zustand verursachen – nämlich wenn diese Dinge wegbrechen: z. B. Job weg, Partner weg usw.

    • Die ganze neurotische Verschwurbeltheit zeigt sich doch schon darin, dass Authentizität und Identität gar nicht mehr als „natürliches“ Ergebnis einer Biographie angenommen werden kann.

      Identität ist nur noch bewusst reflektierend unter Bezugnahme auf Rollenklischees herstellbar…“definierbar“…

      Wer so bescheuert ist, lebt unglücklich.

      So ist das halt…

      • Stimmt, irgendwo im Internet lief mir mal das Wort „Persönlichkeitsselbstdarstellung“ über den Weg.

        Ich habe auch das Gefühl, dass es immer mehr darum geht etwas darzustellen, um etwas zu seinem Vorteil zu erreichen, um etwas Besonderes zu sein, um aufzufallen und Beachtung zu erhalten usw.

        Einfach nur man selbst sein mit Ecken und Kanten, ggf. anderen dadurch auch mal nicht zu gefallen, scheint total out zu sein.

        Bloß nirgends anecken, nur nicht aus der Reihe tanzen.

        Vielleicht ist das ja in dieser Gesellschaft auch so gewollt. Menschen die sich selbst fern sind, können sich nicht mehr so gut selbst spüren, sind dadurch vielleicht auch leichter lenkbar. Wer weiß.

  2. Wie verhalten sich eigentlich Identität und Initiation zueinander?
    Identität ist individuelles Selbstsein, Initiation die rituelle Einführung in die Gesetze und Geheimnisse eines Kollektivs, meistens geschlechtergetrennt.

    Die männliche Initiation ist traditionellerweise tribaler ausgerichtet, somit kulturell differenzierter als die weibliche, die ihrerseits eher biologisch und damit universaler ist.
    In globalisierten, damit tendenziell antitribalen Gesellschaften wird die männliche Initiation damit stärker marginalisiert. Der Drang nach Initiation findet sein Ventil in Selbstinitiation der Peergroups. Oft zu Missfallen der Gesellschaft und ihrer Erzieherinnen, die als Frauen nur beschränkt Generationen übergreifende männliche Initiationsriten anbieten können, da ihr „Geheimnis“ im anderen Geschlecht „daheim“ ist.

    Das mag esoterisch klingen, aber das Thema „männliche/weibliche Identität“ ist ein jugendliches, das unter und mit Jugendlichen „geheim“ besprochen werden sollte.
    Erwachsene aber kümmert es nicht mehr um ihrer selbst willen, sondern um der Jugend willen. Es ist für Erwachsene kein „Geheimes“ mehr, höchstens ein Intimes.

    Die Selbstfindung (das Erkennen der eigenen Identität) aber geschieht nicht automatisch durch soziale Initiation, sondern ist ein lebenslanger Prozess.

    Eine zentrale Geschlechterfrage lautet: Sollen wir -und wenn ja- wie können wir die männliche (und weibliche) Jugend initiieren in einer antitribalen Gesellschaft, und wessen Aufgabe ist das?

  3. @ messi

    Das „Selbst“ ist ein Konstrukt…“Identität“ die „Identifizierung“ mit einer „Geschichte“, die möglichst wenig durch reale Widersprüche, konträre Persönlichkeitsfacetten beeinträchtigt wird.

    Interessant wäre einmal, sich das pathogene Potenzial der sich Bewußtwerdung“ zu untersuchen….wer in den Abgrund starrt, der fällt hinein…

    • @ ratloser
      Die Identifizierung mit einer Geschichte soll sogar Widersprüche integrieren, denn im Gegensatz zu Definitionen bieten Geschichten diese Möglichkeit.

      „Bewusstwerdung“ bedeutet doch zu erkennen, wer und wie man ist. Das ist tatsächlich gefährlich, aber nicht zwangsläufig pathogen.

      Interessant finde ich übrigens den Begriff „Selbstbewusstsein“. Er scheint heute eher zu umschreiben, wieviel man sich andern gegenüber zuzugestehen traut und weniger, wer und was man zu sein glaubt. Darum umflattert diesen Begriff etwas görenhaftes.

      • @messi

        „“Bewusstwerdung” bedeutet doch zu erkennen, wer und wie man ist. Das ist tatsächlich gefährlich, aber nicht zwangsläufig pathogen.“

        Warum ist das gefährlich?

        Wer ist schon perfekt?

        • @ Catha

          „Warum … gefährlich?“

          Bei harmlosen Menschen kann es zu Nabelschau und Narzissmus führen. Bei Menschen mit grossem destruktivem Potential aber kann „Bewusstwerdung“ bedeuten, ein gefährliches Tier aufzuwecken, das vitaler ist, als dass es das brav sein wollende Menschlein zähmen könnte.
          Kann, muss nicht, darum risikoreich (und ev. lohnend), aber nicht zwingend schädlich.

      • @ messi

        *Interessant finde ich übrigens den Begriff “Selbstbewusstsein”. Er scheint heute eher zu umschreiben, wieviel man sich andern gegenüber zuzugestehen traut und weniger, wer und was man zu sein glaubt. Darum umflattert diesen Begriff etwas görenhaftes*

        Selbstbewusstsein ist heute auch weniger eine Folge irgendeines „Erkenne-Dich-selbst“, was unausweichlich dazu rührt, dass der sich selbst erkennende Mensch (ohnehin nur ansatzweise möglich) sich nicht mehr freisprechen kann.

        Sondern Selbstbewußtsein ist zur Voraussetzung des eigentlichen Daseinszwecks geworden, der SELBSTverwirklichung.

        Daher wohl das Görenhafte, denn wir sind umstellt von einer an Dümmlichkeit kaum zu überbietenden „Empauerungspropaganda“, die sich vor allem an „freche Mädchen“, auf die Erzeugung „frecher Mädchen“ zielt.

        Nicht ohne Erfolg.

        Doch ach, es kann ja nur sichtbar werden, was vorhanden ist,

        „Die Idee der freien Entfaltung der Persönlichkeit scheint ausgezeichnet, solange man nicht auf Individuen stößt, deren Persönlichkeit sich frei entfaltet hat.“ (Nicolás Gómez Dávila).

    • @ratloser

      „Das “Selbst” ist ein Konstrukt…”Identität” die “Identifizierung” mit einer “Geschichte”, die möglichst wenig durch reale Widersprüche, konträre Persönlichkeitsfacetten beeinträchtigt wird.“

      Was für eine Geschichte? Etwas selbst Ausgedachtes?

      Ich bin in meinen Persönlichkeitsfacetten schon ziemlich gegensätzlich – ich wundere mich manchmal selbst.
      Ich sehe/fühle da aber kein Problem.

      Warum sollte das beeinträchtigend sein?

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