David führte in einem Kommentar noch etwas zu der Wechselwirkung von biologischen und sozialen Faktoren an:
Mal 4 Punkte, die in der Anlage-Umwelt-Debatte immer wieder unter den Tisch fallen, da fälschlicherweise eine Unabhängigkeit der Faktoren angenommen wird:
o) Merkmale haben keine fixen Heretabilitätswerte.
Sie gelten immer nur bei einer spezifischen Umweltvarianz. Das heißt wenn alle Kinder vom Bildungssystem gleich stark gefördert werden und es geringe soziale Diskrepanzen gibt, ist die genetische Heretabilität hoch.
Herrschen jedoch sehr ungleiche Bedingungen, also eine hohe Umweltvarianz, dann ist die Heretabilität geringer.
Ein interessanter Punkt: Um so mehr Chancengleichheit es auf sozialer Ebene gibt um so eher werden biologische Faktoren betont. Wo früher auch ein intelligenter Mensch mangels Bildung nicht viel erreichen konnte, kann er nunmehr bei allgemeiner Schulpflicht besondere Leistungen vollbringen. Bereits aus diesen Gründen wird eine Gleichheit schwer zu erreichen sein.
o) Eltern und ihre Erziehung ist nicht nur ein wesentlicher Umweltfaktor. DIe Eltern teilen mit ihrem Kind auch die Gene, sind somit Umwelt und Gene zugleich.
Ein sehr gerne gemachter Fehler, der insbesondere in der Soziologie zu wenig beachtet wird. Wenn Kinder sich wie ihre Eltern verhalten, dann muss dies nicht ohne weiteres auf die Erziehung zurückzuführen sein. Es können ebenso bestimmte Gene und Veranlagungen sein, die sie ihren Eltern sehr ähnlich werden lassen
o) Ein Kind nimmt mit seinen Dispositionen aktiv Einfluss auf seine Umgebung, “schafft” sich seine Umwelt selbst, indem es aus verschiedenen Interaktionsangeboten auswählt.
Ähnliches hatte ich schon einmal hier geschrieben. Ein Kind kann eben bis zu einem gewissen Grad auch Freund aussuchen und das er gerade in dieser oder jener Gruppe landet ist eben nicht einfach nur Glück oder Pech, sondern kann auch mit einer gewissen Ähnlichkeit des Charakters (auch möglicherweise aufgrund biologischer Umstände) beruhen etc. Er kann sich einer Jugendgang anschließen oder diese meiden.
o) Damit wirkt es zurück auf seine Umwelt, es konditioniert z.B. die Eltern darauf, was ihm gefällt und was nicht. Diese passen sich somit in ihren Interaktionsangeboten den disponierten Bedürfnissen des Kindes an usw.
Auch das eine wichtige Erkenntnis: Wie ich in dem oben verlinkten Artikel schon zitierte: „der Junge kommt aus einer kaputten Familie” “Ja, ein Junge wie er bekommt jede Familie kaputt”. Diese Wirkung wird häufig unterschätzt. Ein Kind´, mit dem die Eltern nicht fertig werden, kann eben auch eine starke Unstimmigkeit in die Familie bringen. Genauso kann ein anderes Kind eben einen großen Wissensdurst haben und die Eltern deswegen drängen ihm bestimmte Bücher zu verschaffen oder bestimmte Wissenschaftssendungen im Fernsehen zu sehen.
Aufgrund dieser komplexen Wechselwirkung spricht man von Anlage-Umwelt-Kovariation.
Noch einmal eine schöne Zusammenstellung von David.