Wozu braucht man den Feminismus?

Immer wieder liest man so etwas wie:

Der Feminismus muss komplett abgeschafft werden

Gerade im radikalen Antifeminismus billigt man dem Feminismus insoweit keine Daseinsberechtigung zu.

Aus meiner Sicht hat er diese aber durchaus. Zwar halte ich die radikalen Theorien im Genderfeminismus für vollkommen falsch und im ganzen schädlich für ein Verständnis der Geschlechter.

Das bedeutet aber aus meiner Sicht nicht, dass man auf den Feminismus zugunsten eines reinen Humanismus und natürlich noch weniger zugunsten eines reinen Maskulismus aufgeben kann.

Was schiefgeht, wenn nur eine Seite eine Lobby hat,zeigt sich an dem von Dummerjan bereits häufiger zitierten § 44 SGB IV:

1) Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Rehabilitationsträger werden ergänzt durch(…)

ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung, einschließlich Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die der Stärkung des Selbstbewusstseins dienen,

Warum nur bei Frauen und Mädchen Maßnahmen getroffen werden können, die der Stärkung des Selbstbewußtseins dienen, erschließt sich mir nicht. Es scheint mir ein klassischer Fall von Lobbyarbeit, bei der eine Seite darauf besteht, besondere Maßnahmen für ihre Gruppe umzusetzen und nicht eher Ruhe gibt, bis dies umgesetzt ist.

Wenn man jetzt auf einen reinen Humanismus abstellt, dann steht dem aus meiner Sicht meist die Praxis entgegen. Denn es gibt eben immer konkrete Leute, die in einer Lobbygruppe sitzen und für ihre Gruppe die Politik mitgestalten wollen. Wer meint, dass schon alle vernünftig sein werden und eine gerechte Politik anstreben werden, der verkennt schlicht, dass keine Grundlage dafür besteht, dass alle fair spielen wollen, von beiden Seiten. Im Gegenteil: Die Spieltheorie spricht eher dafür, dass man selektiv seine Interessen durchsetzt.

Dass einseitige Systeme im Endeffekt eher geeignet sind, gerechte Ergebnisse zu produzieren, zeigt sich im negativen am Inquisitionsprozessen oder dann wenn die Gewaltentrennung in einem Staat aufgehoben wird und im positiven an dem Grundsatz, dass beide Parteien in einem Prozess gehört werden müssen und eine Aufteilung in zwei Seiten und einen Entscheider (zwei Parteien evtl mit Rechtsanwälten oder ein Staatsanwalt gegen einen Beschuldigten und ein Richter). Hier kann eine gegenseitige Kontrolle erfolgen und jede Seite ist vertreten und damit in der Lage ihre Argumente vorzubringen. Dieses Verfahren stellt am besten sicher, dass alle wesentlichen Argumente in eine Debatte eingeführt werden.

Dazu reicht es natürlich auch nicht, dass Männer und Frauen an einer Diskussion zu den Geschlechtern teilnehmen, es müssten die verschiedenen Richtungen vertreten sein.

Insofern bleibe ich dabei, dass eine gerechte Klärung von Geschlechterfragen beide Seiten braucht, und das am besten in einer gemäßigten Form, die miteinander reden kann.

Und dazu braucht auch der Maskulismus den Feminismus und umgekehrt. Sicherlich jeweils nicht in seiner gegenwärtigen radikalen Form, aber als jeweiligen Gegenpool, aus deren Argumenten man dann eine gerechte Lösung entwickeln kann