Feministische Flirttipps

Auf Feminismus 101 gibt es Tipps zum Flirten ohne Creepen:

1. Stehe dazu dass du für deine eigenen Taten verantwortlich bist. Du bist (wahrscheinlich) ein voll-funktionsfähiger Erwachsener. Du kannst wahrscheinlich einschätzen, wie du mit anderen menschlichen Wesen klar kommst und wie du mit denen interagierst, an denen du irgendwie Interesse hast. Es ist möglich dass du sozial ungeschickt bist, oder Probleme damit hast, die Gefühle und Intentionen anderer zu deuten, oder sonstwas. Das ist dein Problem, das du zu lösen hast, nicht das Problem anderer. Es ist keine Entschuldigung oder Rechtfertigung andere zu belästigen. Wenn du oder andere das so interpretieren, versagt ihr schon beim grundlegenden menschlichem Anstand.

Da ist erst einmal nichts gegen zu sagen: Natürlich muss man als Erwachsener die Verantwortung für seine Taten übernehmen. Problematisch wird es, wenn es sämtliche Verantwortung für einen Flirt auf den Flirtenden legt. Und das mit so schlichten Aussagen wie: „Es ist möglich dass du sozial ungeschickt bist“. Als könne man immer jede Reaktion einschätzen. Als dürfte nur jeder, der die Gefühle und Intentionen anderer perfekt einschätzen kann, überhaupt flirten. Natürlich sollte man andere nicht belästigen – aber auch hier gibt es soziale Regeln und Vorgehensweisen und damit auch legitime Versuche. Und natürlich kann da mal was schiefgehen. Das ist auch eine Frage der Eingriffsintensität.

2. Was als Hauptproblem vieler Männer* gesehen werden kann ist das Umdenken von der traditionellen “Was wollen Frauen*”-Sichtweise (als ob alle Frauen* exakt das Gleiche wollten und ein Mann* die Universalformel perfektioniert, die dann für alle funktioniert) zu einer “wie kann ich dieser Frau* hier und jetzt gefallen?”-Sicht in der anerkannt wird, dass jede Frau* ihren eigenen Geschmack, eigene Vorlieben und Prioritäten hat, mit denen deine zusammenpassen können, oder auch nicht. Egal wie charmant und/oder offen du zu sein versuchst, du bist möglicherweise einfach nicht ihr Typ – vielleicht nie, vielleicht auch nur jetzt gerade nicht. Egal wie sehr du die Person magst, es gibt nichts was du tun kannst was sie dazu bringt dich genau so zu mögen. So ist das Leben nun mal. Ein guter Mensch zu sein ist allein nicht genug, um irgendwem eine erfüllende sexuelle Partnerschaft zu garantieren.

Ach ja, die Legende von der immer unterschiedlichen, individuellen, mysteriösen Frau. Und der Mythos das Interesse einfach etwas ist, was passiert, und nicht beeinflussbar ist. Natürlich gibt es keine Sicherheit, aber es gibt Wahrscheinlichkeitserhöhungen. Aus meiner Sicht ist es auch vollkommen okay, an einer Person, die einen interessiert, dran zu bleiben. Genug Beziehungen sind nach einer längeren Werbephase entstanden. Ich würde mich natürlich gegen eine Oneitis aussprechen. Aber Creepiness kann man auch schlicht durch Outcome Indifference und eine gewisse Entspanntheit schon vermeiden. Auch hier geht es wohl eher darum, dass nach Möglichkeit Belästigungen reduziert werden, nicht wirklich Flirttipps gegeben werden.

3. Akzeptiere dass du nicht bestimmst wie wohl sich andere Menschen bei dir fühlen. Es kann sein, dass du dein Bestes gibst um so interessant, bezaubernd und lustig wie möglich zu sein – und trotzdem wie ein Creep auf andere wirkst. Ja, das ist echt scheiße für dich. Aber weißt du was? Für sie ist das noch beschissener, weil du sie belästigst und sie abgrundtief unglücklich machst und sie unwohl fühlen lässt. Es mag nicht fair erscheinen, dass “Creep” hier die Bezeichnung für dich ist, aber: Überraschung! Es ist egal, und wenn du versuchst darüber zu diskutieren, dass du es nicht bist und das Problem doch nicht bei dir liegt, dann wirst du vom “Creep” zur “absoluten Arschnase”. Manchmal werden Menschen dich einfach nicht mögen oder in deiner Nähe sein wollen. So ist das einfach.

Fast schon ein Pickuptipp: Wenn man nach den ersten 5 Minuten keine IOIs (Indicators of interest) bekommt, dann sollte man das Ziel wechseln. Allerdings ist in der feministischen Variante einiges an Übertreibung vorhanden. Wenn er interessant und bezaubernd, aber nicht ihr Typ ist, dann muss es für sie nicht gleich beschissener sein, sie muss sich nicht belästigt fühlen und sie muss auch nicht abgrundtief unglücklich sein. Jemanden, der versucht bezaubernd und lustig zu sein sofort unter Creep einzuordnen ist schlicht Panikmache. Und natürlich: Wer es nicht akzeptiert, dass er dann schon ein Creep ist, der erkennt seine Schuld und die Opferposition der Frauen nicht ein (es soll zwar geschlechterneutral sein, aber die Rollen sind hier klar).

4. Akzeptiere dass niemand dir sagen muss, dass du andere belästigst (oder dir helfen muss es nicht zu tun). Es ist nett wenn Leute dich wissen lassen, wenn und wie du dich daneben benimmst. Aber weißt du was? Das ist nicht deren Aufgabe. Es ist besonders nicht ihre Aufgabe auf Conventions oder anderen Treffen, wo sie mit Freunden rumhängen und Spaß haben wollen, und nicht um irgendeinem Kerl einen Intensivkurs zu geben, wie man andere Menschen mit seiner Gegenwart nicht unwohl fühlen lässt. Wenn du andere belästigst, haben sie absolut das Recht dazu, dich zu ignorieren, dir aus den Weg zu gehen und dich auszuschließen – ohne dir sagen zu müssen warum. Nochmal: du bist (wahrscheinlich) ein voll-funktionsfähiger Erwachsener. Dass ist etwas, was du alleine hinkriegen musst. Kurzfassung: Es liegt an dir andere nicht zu belästigen und sich dessen bewusst zu sein, wie andere auf dich reagieren. Auch extrem wichtig:

Natürlich: Der feministische Dreiklang aus „1. Du bist schuld  2. sie ist nicht schuld, sondern Opfer und 3. es ist deine Sache, deine Schuld auch einzusehen und du musst dich so verhalten, dass sie nicht Opfer werden kann“ ist komplett. Hübsch komplettiert mit: Du kannst es auch gar nicht wissen, weil jede Frau anders ist und dich ohne Grund scheiße finden kann.

Richtig ist allerdings, dass es keine Pflicht gibt, auf einen Flirtversuch positiv zu reagieren oder überhaupt zu reagieren. Um so begehrter die Frau um so eher wird für sie eine Bitchshieldstrategie interessant sein.

5.Akzeptiere dass andere Menschen nicht zu deiner Belustigung/Begierde/Gebrauch existieren. Ja ich weiß. Du wusstest das schon. Aber es gibt einen Unterschied zwischen wissen und glauben – oder verstehen was es in einem größeren sozialen Kontext bedeutet. Leute gehen auf Conventions und Ähnliches um Menschen zu treffen, aber nicht notwendigerweise (sogar ziemlich wahrscheinlich nicht) um dich zu treffen. Die Frau* im Steampunk-Korsett auf der Convention trägt es ziemlich sicher, weil es ihr gefällt. Aber sie trägt es sicher nicht für dich. Du bist nicht die Person auf die sie gewartet hat, der Grund warum sie hier ist. Wenn du tust, als wärst du es doch, oder dass sie nichts anderes zu tun hat (oder tun sollte) als das Objekt deiner Belustigung/Begierde/Gebrauchs zu sein, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du belästigend wirkst, exponentiell. Es ist keine Beleidigung, wenn sie diese Rolle nicht für dich einnehmen will. Es ist nicht das, wofür sie hier ist. Das sind einige allumfassende Dinge die du dir einprägen solltest. Hier ein paar praktische Dinge.

Sei demütig und gehe davon aus, dass sie dich nicht will. Und deswegen lass sie auch am besten in Ruhe. Feministische Flirttipps sind hoch effektiv wie man sieht. Natürlich sollte man schauen, ob man eine Chance hat und dabei bedenken, dass sie in einem passenden Outfit und  bei passenden Aussehen in so viel Aufmerksamkeit gebadet werden kann, dass man es nicht gerade einfach haben wird. Aber wenn sie einen interessiert spricht grundsätzlich auch nichts dagegen sein Glück zu versuchen.

Natürlich verpflichtet sie das auch zu nichts.

6. Nicht anfassen. Echt mal. Du bist keine acht Jahre alt, und musst deine Finger nicht überall haben, noch hast du die Kontrolle über deine Muskeln verloren. Behalte deine Hände, Arme, Beine und alles andere bei dir. Das ist echt nicht schwer. Du willst eine Person anfassen? Lass sie entscheiden. Lass sie jede Art von physischem Kontakt beginnen, das Tempo des Kontaktes bestimmen – und stell dich darauf ein, dass die Chance sehr hoch ist dass es zu keiner Berührung kommen wird. Tu dies, wenn du sie zum ersten Mal triffst. Tu dies, wenn du sie schon 25 Mal getroffen hast. Tu es einfach als Grundregel. Auch als freundlichen Rat: Wenn du wen berührst und sie sagen “berühr mich nicht,” oder sonstwie klar machen, dass du sie nicht hättest anfassen sollen, ist die korrekte Antwort: “Entschuldige. Es tut mir leid dass ich dafür gesorgt habe dass du dich unwohl fühlst.” Dann zieh dich ganz schnell zurück, am besten ins nächste Bundesland.

Wie einer der Kommentatoren schon anmerkte: Wenn dieser Text geschlechtsneutral ist und beide warten sollen, bis der andere den ersten Kontakt herstellt, dann kommt es nie zu einem Kontakt.

Natürlich: Einfach anfassen sollte man nicht und es wirkt in der Tat schnell creepy. Einem ersten Körperkontakt sollte zunächst ein Zeichen von Interesse vorangehen. Mystery verlegt den ersten Körperkontakt in den Comfortbereich, also nachdem sie einen sexuell interessant findet, selbst Interesse gezeigt hat, man dann über Qualifitkationen auch Interesse bei ihr gezeigt hat und Vertrauen aufgebaut hat. Und auch dann fängt man an unverfänglicheren Stellen, etwa dem Arm an und schaut wie sie reagiert. Das sind aus meiner Sicht wesentlich bessere Tipps als die obige Angstmache. Nicht jeder Körperkontakt ist Creepy und wird von der Frau als belästigend empfunden. Und nicht jeder Körperkontakt, der ihr zu früh ist, ist gleich ein Weltuntergang. Hier wird ein körperlicher Kontakt als Verbrechen dargestellt. Das hilft sicherlich nicht beim Flirten

7. Gib ihnen Raum. Strecke mal deinen Arm aus. Wo sind deine Fingerspitzen? Das ist der Mindestabstand für jemanden, den du zum ersten Mal triffst oder nicht sonderlich gut kennst (auch für Menschen, die du bereits kennst keine schlechte Distanz). In diese Sphäre einzudringen, lässt sich Leute unwohl fühlen, warum willst du das? Das ist unheimlich. Auch unheimlich: Sich von hinten an Leute anschleichen und so ganz nah kommen, oder auf andere Weise in ihre Nähe kommen ohne dass sie es mitkriegen. Wenn ihr in einem überfüllten Raum seid und zusammenrücken müsst, mach Platz, wenn sich die Gelegenheit bietet. Sieh das nicht als Chance in jemandes Nähe herumzulungern. Und wo wir gerade dabei sind:

Raum geben ist kein schlechter Tipp. Gerade wenn man merkt, dass sie unentspannt ist, sollte man vorsichtig sein. Allerdings ist eine Armlänge Abstand häufig vollkommen unpraktikabel, etwa auf einer lauten Party. Man erreicht den gleichen Effekt, wenn man sich seitlich leicht von ihr weggedreht hinstellt, so dass vor ihr wesentlich mehr Raum bleibt und man nicht konfrontativ steht.

8. Sperre niemanden ein. Leute in einer Ecke festhalten oder es ihnen schwer machen, zu gehen ohne dass du sie blockierst, macht dich zu einer Arschnase. Hier ein Tipp: Wenn du tatsächlich interessant für andere bist, musst du sie nicht in einer Ecke festhalten.

Natürlich: jemanden einzuspeeren kann Needy und Creepy wirken. Und einen Fluchtweg offen halten kann den anderen entspannen.

9. Die amüsante sexuelle Anspielung? Absolut nicht amüsant. Wenn du dich nicht ohne Zoten und sexuelle Themen in eine Unterhaltung einbringen kannst, weißt du was? Dann kannst du dich nicht unterhalten. Bedenke auch, dass dauernd eine sexuelle Anspielung zu bringen große, blinkende Neonlichter über dir erscheinen lässt, die signalisieren, dass du wohl eine anstrengende Person bist, die sonst nichts auf den Tisch bringt. Zu einem anderen Zeitpunkt kann es eine exzellente Strategie sein, die andere Person Zoten in die Unterhaltung einbringen zu lassen und die Frequenz dieser zu kontrollieren.

Sex. Ist. Böse! Niemand mag sexuelle Anspielungen und sie sind nie, nie, nie lustig. Eine Frau, die eine sexuelle Anspielung hört ist sofort traumatisiert. So anscheinend das Bild im (sexnegativen) Feminismus. Dabei kann eine sexuelle Anspielung natürlich einen Flirt sehr anreichern und wird von beiden Geschlechtern gemocht, wenn die Chemie stimmt. Natürlich erfordert es ein gewisses Feingefühl. Wann immer man das Gefühl hat, dass man die Anspielung macht um zu schocken ist sie meist der Stimmung nicht zuträglich. Kommt es beiläufig oder um bewußt sexuelle Spannung aufzubauen, dann kann es sehr gut ankommen. Natürlich: Es erfordert ein gewisses Feingefühl und sexuelle Anspielungen ohne Attraction wirken in der Tat creepy

10. Jemand möchte gehen? Geh nicht mit. Wenn sich Personen aus einer Unterhaltung mit dir verabschieden, sag Tschüss und lass sie gehen. Wenn sie den Raum verlassen, ist das nicht dein Einsatz, um ihnen aus der Distanz zu folgen und plötzlich aufzutauchen, als ob es einfach so passieren wäre. Auch wenn du dich einige Zeit lang dort hinstellst, wo die Person die dich interessiert sein oder vorbei laufen könnte, nur um “zufällig” dort zu sein, bist du wahrscheinlich verdammt creepy. Und wenn du dich an eine Gruppe hängst, nur um in der Nähe dieser Person zu sein… Hey, das ist offensichtlich.

Ein Sichentfernen kann ein Zeichen von Desinteresse sein. Muss es aber nicht. Wenn es mit anderen Zeichen von Interessen verbunden ist, dann kann es ein „Lass uns woanders hingehen“ oder ein „ich bin gleich wieder da“ oder ein „hier ist es zu voll“ sein. Oder es kann sein, dass sie einfach gehen muss, aber einen gerne noch einmal treffen würde.

Auch hier sieht man wieder: Es sind keine Flirttipps, sondern Belästigungsvermeidungstipps. Natürlich: Wenn Zeichen von Desinteresse vorhanden sind, dann sollte man sie einfach gehen lassen. Alles andere kann Needy wirken, eine Lockerheit oder Outcome Indifference wirkt da besser.

11. Jemand möchte dich nicht in der Nähe? Geh weg. Hier ein paar Hinweise, wann dich jemand vermutlich nicht in der Nähe haben möchte: Wenn du hinzukommst und sie keinen Augenkontakt zu dir aufbauen. Wenn sie in einer Gruppe stehen und die Gruppe sich zerstreut oder von dir abwendet. Wenn du unterbrichst und die Unterhaltung nicht dem,was du gesagt hast folgt. Eine befreundete Person stellt sich zwischen dich und sie. Und so weiter. Wenn so was passiert… na rate mal? Du bist nicht erwünscht. Wenn das passiert, dann tust du folgendes: Weg gehen. Nörgel in dich rein (und nur in dich rein) soviel du willst über ihre Unhöflichkeit oder sonstwas. Mach das weit weg von ihnen. Denke daran dass du nicht bestimmst, wie wohl sich andere in deiner Gegenwart fühlen. Denke daran, dass niemand die Pflicht hat, dir zu sagen warum sie dich nicht dabei haben wollen. Und verdammt nochmal, wenn sie dir sagen warum, dann hör ihnen gut zu.

Deutliche Zeichen von Desinteresse wie die Gruppe wendet sich ab oder zerstreut sich sind natürlich ein Grund, wegzugehen. Aber natürlich kann man auch mit einer Gruppe warm werden. Wenn sie keinen Augenkontakt aufbaut, dann kann man sich immer noch mit ihrer Freundin unterhalten bis sie sich an einen gewöhnt hat. Wenn sich eine befreundete Person dazwischen stellt, dann kann das daran liegen, dass er sie will, aber es muss nicht bedeuten, dass sie per se desinteressiert ist.

Wenn man geht, dann sollte man hingegen nicht nörgeln. Eher sollte man sich freuen: Eine schnelle Ablehnung spart einem viel Zeit und wenn sie einen bereits bei einer ersten Ansprache nicht mögen, dann wäre es vermutlich auch bei längerer Zeit nichts geworden.