Selbermach Mittwoch

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Altertümliche Regelungen und ihr damaliger Sinn (1): Die Bibel, 5. Mose 22: Jungfrau bei der Hochzeit

Alte Regeln, die sich eine frühere Gesellschaft gegeben hat, erscheinen uns heute oft barbarisch oder vollkommen überzogen. Damals aber haben sie die Leute aber für sinnvoll gehalten. Der Grund ist häufig nicht, dass sie es noch nicht besser wussten und einfach hätten aufgeklärt werden können, sondern das sie für ihre damaliges Leben, einschließlich der technischen und tatsächlichen Möglichkeiten Lösungen bereit gestellt haben. Es ist vielleicht interessant sich solche Regelungen mal anzuschauen und den damaligen Sinn zu besprechen

Heute:

5. Buch Mose 22, Jungfrau bei der Hochzeit

Die Stelle:

Schutz der Verleumdeten und Vergewaltigten

Wenn jemand eine Frau heiratet, zu ihr eingeht und ihrer überdrüssig wird 14 und legt ihr etwas Schändliches zur Last und bringt ein böses Gerücht über sie auf und spricht: Diese Frau hab ich geheiratet, und als ich zu ihr ging, fand ich sie nicht als Jungfrau, 15 so sollen Vater und Mutter der jungen Frau die Zeichen ihrer Jungfräulichkeit nehmen und vor die Ältesten der Stadt im Tor bringen. 16 Und der Vater der jungen Frau soll zu den Ältesten sagen: Ich habe diesem Mann meine Tochter zur Frau gegeben; nun ist er ihrer überdrüssig geworden 17 und legt ihr Schändliches zur Last und spricht: Ich habe deine Tochter nicht als Jungfrau gefunden. Hier aber sind die Zeichen der Jungfräulichkeit meiner Tochter. Und sie sollen die Decke vor den Ältesten der Stadt ausbreiten. 18 Und die Ältesten der Stadt sollen den Mann nehmen und züchtigen 19 und ihm eine Buße von hundert Silberstücken auferlegen und sie ihrem Vater geben, weil der Mann über eine Jungfrau in Israel ein böses Gerücht aufgebracht hat. Und er soll sie als Frau behalten und darf sie sein Leben lang nicht entlassen. 20

Erst einmal fällt einem natürlich auf, dass es ein „Geschäft“ zwischen dem Vater und dem Ehemann ist und die Frau wenig zu sagen hat. Aber das waren eben die beiden, die ansonsten ihre Versorgung sicherstellen mussten.
Letztendlich wird hier etwas ganz biologisches abgesichert: Die Vatersicherheit. Wenn diese gegeben ist, weil vorher nach dem dort zulässigen Beweis keiner Sex mit ihr hatte (vermutlich ein blutiges Betttuch, wobei das auch nicht gerade der sicherste Beweis ist und man sich fragt, wie übliche es dort war etwas nachzuhelfen, damit auch wirklich bei der Entjungerung eine Blutung zu sehen war) dann konnte er nicht aus der Ehe raus und das war es. Er musste sie als Frau behalten, weswegen dann auch die anderen Regeln zum Umgang mit seiner Frau galten.

Die Buße mit den 100 Silberstücken trägt dazu bei, dass ein solches Verhalten nicht leichtfertig stattfindet, gerade wenn man weiß, dass das blutige Bettlacken aufgehoben worden ist. Dazu noch eine öffentliche Züchtigung, also schon eine erhebliche Abschreckung.

Der Vater hat zudem auch noch eine Rücklage, falls er die Tochter bei schlecht laufender Ehe dann doch wieder aufnehmen muss.

Ist’s aber die Wahrheit, dass sie nicht mehr Jungfrau war, 21 so soll man sie heraus vor die Tür des Hauses ihres Vaters führen, und die Leute der Stadt sollen sie zu Tode steinigen, weil sie eine Schandtat in Israel begangen und in ihres Vaters Hause Hurerei getrieben hat; so sollst du das Böse aus deiner Mitte wegtun. 22

Todesstrafe für vorehelichen Sex, wenn auch nur im „alten Testament“, und das erst einmal nur für die Frau ist ein erheblicher Motivator keusch zu bleiben oder zumindest den Nachweis in der Hochzeitsnacht sicher zu haben.

Da sieht man auch gut, dass religiöse Texte Auslegungssache sind, denn trotz des deutlichen Wortlauts ist dieses Gebot heutzutage für die christliche Kirche  in der westlichen Welt vollkommen irrelevant und die meisten Menschen haben vorehelichen Sex. Klar kann man sich da darauf berufen, dass das alte Testament durch das neue überholt ist, aber auch da wird die Argumentation schnell beliebig, wenn sich Leute dann auch darauf berufen, dass in der Bibel steht, dass Homosexualität eine Sünde ist.

Wenn jemand dabei ergriffen wird, dass er bei einer Frau schläft, die einen Ehemann hat, so sollen sie beide sterben, der Mann und die Frau, bei der er geschlafen hat; so sollst du das Böse aus Israel wegtun. 23

Ohne Vaterschaftstest oder sichere Abtreibungen bietet sich die radikale Abschreckung an, um Vaterschaften sicher zu gestalten. Wo heute eine Scheidung drohen könnte und die Folgen über Verhütungsmittel kontrollierbar sind war damals dies eben nicht möglich. Biologisch würde man das unter „Mate Guarding“ fassen, also das Abschirmen des Partners vor Konkurrenten um diese, was dann paradoxerweise auch durch eine Tötung erfolgen kann. Das macht immerhin auch zukünftigen Partnern deutlich, dass sie besser treu bleiben. Töten aus Eifersucht ist insoweit kein neues Konzept. Hier ist es in Gesetzesform gegossen worden.

Auch immer interessant, dass es als Einsatz für die Gesellschaft dargestellt wird diese Regeln umzusetzen. Man bestraft nicht einen Konkurrenten und die Partnerin, macht tut das Böse auf Israel weg.

Wenn eine Jungfrau verlobt ist und ein Mann trifft sie innerhalb der Stadt und schläft bei ihr, 24 so sollt ihr sie alle beide zum Stadttor hinausführen und sollt sie beide steinigen, dass sie sterben, die Jungfrau, weil sie nicht geschrien hat, obwohl sie doch in der Stadt war, den Mann, weil er seines Nächsten Braut geschändet hat; so sollst du das Böse aus deiner Mitte wegtun.

Auch das eine sehr einfache Regel: Schrei oder stirb (wenn es herauskommt). Beseitigt zuverlässig Nachweisprobleme bei der Frage, ob er sie vergewaltigt hat oder sie es gewollt hat. Natürlich in vielen Fällen der Bedrohung etc unfair für die Frau, erst recht weil auch der Nachweis, dass sie geschrien hat, letztendlich zu ihren Lasten geht. Aber auch hier ging aus deren Sicht die Vatersicherheit anscheinend vor und eine „rechtschaffende Frau“ wäre wahrscheinlich ohnehin lieber gestorben als entehrt zu werden, so dass das Bedrohungsargument nicht wirklich durchgreift.

25 Wenn aber jemand ein verlobtes Mädchen auf freiem Felde trifft und ergreift sie und schläft bei ihr, so soll der Mann allein sterben, der bei ihr geschlafen hat, 26 aber dem Mädchen sollst du nichts tun, denn sie hat keine Sünde getan, die des Todes wert ist; sondern dies ist so, wie wenn jemand sich gegen seinen Nächsten erhöbe und ihn totschlüge. 27 Denn er fand sie auf freiem Felde, und das verlobte Mädchen schrie, und niemand war da, der ihr half. 28

Im Gegenzug zu der pauschalen Verurteilung in der Stadt hier der pauschale Freispruch auf dem Land. Vielleicht auch von der Idee geleitet, dass man ohnehin eine Frau nicht alleine auf das freie Feld lassen sollte. Die Herleitung, dass sie sicher geschrien hat scheint mir etwas dünn und interessant wäre es, wie das auszulegen wäre, wenn Leute in der Nähe waren, aber es sind vermutlich auch eher Richtlinien als abschließende Gesetzestexte.

Wenn jemand eine Jungfrau trifft, die nicht verlobt ist, und ergreift sie und schläft bei ihr und wird dabei betroffen, 29 so soll der, der bei ihr geschlafen hat, ihrem Vater fünfzig Silberstücke geben und soll sie zur Frau haben, weil er ihr Gewalt angetan hat; er darf sie nicht entlassen sein Leben lang.

Aus unserer Sicht eine barbarische Lösung. Sie muss mit ihrem Vergewaltiger verheiratet sein. Gedanke aber vermutlich, dass sie „beschädigtes Gut“ ist für die sich dann kein anderer Mann mehr interessiert. Wobei diese Regelung wohl auch dazu genutzt wurde eine Hochzeit zu erzwingen, die beide wollten, aber die Familie evtl nicht, wenn ich das richtig gehört habe.

Wäre interessant, ob die Familie dann dennoch einen anderen, der sie trotzdem nimmt, bevorzugen konnten und wie sich das dann mit der Jungfräulichkeit aus den oberen Absätzen verhielt.

Aus damaliger Sicht war sie damit aber immerhin versorgt, er hatte eine Pflicht ihr gegenüber. Warum der Preis billiger ist als wenn man seine Frau beschuldigt hat keine Jungfrau zu sein wäre interessant.

Hat jemand weitere alte Regelungen, die besprechenswert sind?