Angesichts einer Preisverleihung kam heraus, dass die spanische Krimiautorin Carmen Mola tatsächlich nur ein Pseudonym dreier männlicher Autoren war:
Die brutalen Thriller von Carmen Mola verkaufen sich in Spanien blendend. Lange vermutete die Szene, dass eine Professorin aus Madrid die Autorin sei. Bei der Verleihung eines Preises standen jetzt aber drei Männer auf der Bühne.
Carmen Mola, am Ende steckt in diesem Namen alles, die Anzüglichkeit, die Selbstverliebtheit und auch die vermeintliche Überlegenheit, der ganze kleine Skandal eben, der sich jetzt in Spaniens Literaturbetrieb ergossen hat. Dabei begann die Geschichte von Carmen Mola so vielversprechend. Die spanische Autorin hat in den vergangenen Jahren sagenhafte Erfolge mit ihren Büchern gefeiert. Ihr Debüt „La novia gitana“ stieg 2018 direkt in die Top Ten der Bestsellerliste ein, hielt sich dort erstaunlich lange und wurde mehr als 500000 Mal verkauft. Ähnlich erging es ihren beiden nächsten Romanen. Auf Deutsch ist bislang nur das erste Buch erschienen, unter dem markigen Titel „Er will sie sterben sehen“.
Carmen Molas Bücher changieren zwischen Krimi und Thriller, ihre markantesten Merkmale sind wohl ihre Blutrünstigkeit und die Detailverliebtheit, mit der selbst abstoßendste Szenen geschildert sind. Faszinierend waren die Autorin und ihre Bücher für die Literaturkritik dennoch – oder gerade deswegen. Denn jeder wollte dahinterkommen, wer diese Autorin war, die mit ihren grausamen Fiktionen solchen Erfolg bei den Lesern hatte. Binnen weniger Monate entwickelte sich um Carmen Mola in Spanien ein ähnlicher Hype wie anderswo um Elena Ferrante. Dass „Carmen Mola“ nicht ihr echter Name war und die Autorin die Anonymität vorzog, gehörte jedenfalls zur Faszination dazu.
Die Autorin spielte geschickt mit ihrer Identität und deren Verhüllung, mit der Aufmerksamkeit der Kritiker und der Öffentlichkeit. Trotz aller Verschwiegenheit gab Carmen Mola regelmäßig Interviews, in denen sie Fragen schriftlich per E-Mail beantwortete. So ließ sie sich auch darüber aus, warum sie ihren wahren Namen verheimlicht: Ein wenig kokett gab sie zu Protokoll, dass sie nicht wolle, dass ihre Arbeitskolleginnen, ihre Freundinnen oder ihre Mutter wüssten, dass sie derart grausame Fantasien habe. Schließlich sei sie in ihrem wirklichen Leben eine völlig konventionelle Frau.
So viel zur Selbstbescheidung einer Dame, der bald nachgesagt wurde, in Madrid als Universitätsprofessorin und Mutter dreier Kinder zu leben. Nebenbei sollen ihr da noch drei Bestseller aus der Feder geflossen sein, jedes Jahr einer. Gewundert hat sich niemand.
Falsch gedacht. Als am Freitagabend in Barcelona der Premio Planeta vergeben wurde, flog alles auf. Spaniens wichtigster Literaturpreis – nebenbei die mit einer Million Euro am höchsten dotierte Auszeichnung für Schriftsteller weltweit (immerhin 10 000 Euro mehr als der Literaturnobelpreis) – ging an diesem Abend an Carmen Mola für ihr noch unveröffentlichtes Manuskript „La Bestia“, einen historischen Roman über Madrid während einer Cholera-Epidemie im Jahr 1834. Wieder einmal sterben junge Frauen durch grausame Verbrechen. Carmen Mola bleibt ihrem Genre treu.
Doch nach diesem Abend ist alles anders. Denn auf die Bühne traten drei Männer, die ihr Geld eigentlich mit dem Schreiben von Drehbüchern für Fernsehserien wie „Hospital Central“, einer spanischen Version von „Emergency Room“, verdienten: Jorge Díaz, Agustín Martínez und Antonio Mercero lüfteten bei dieser Gelegenheit das Geheimnis, dass sie seit Jahren unter dem Pseudonym „Carmen Mola“ schrieben, und sprechen nun in Interviews über die Herausforderungen der gemeinsamen Schreibarbeit. Und darüber, dass ihnen ihr Pseudonym sehr spontan eingefallen sei, keine zwei Minuten habe das gedauert.
Das Schriftsteller unter einem Pseudonym auftreten ist an sich nicht ungewöhnlich und hier war es ja sogar ein offensichtliches Pseudonym, auch wenn anscheinend niemand gedacht hatte, dass Männer dahinter stecken.
Schön fand ich noch diese Passage der Mary Sue dazu:
Writer and feminist activist Beatriz Gimeno criticized the men on Twitter, writing, “Beyond the use of a female pseudonym, these guys have been answering interviews for years. It is not only the name, it is the false profile with which it has taken readers and journalists. Scammers.”
Gimeno is also the former head of The Women’s Institute in Spain, which recently included Mola’s book La Nena on a list of books from female authors that “help us understand the reality and the experiences of women.”
Hehe, da nimmt die schöne Identitätspolitik natürlich schaden, gerade wenn sie mit einer Standpunkttheorie verknüpft wird, wonach Frauen eine besondere Einsicht in das Leben als Frau haben, die Männer nicht haben.
Sehr ärgerlich, wenn man ein Buch wegen Einsichten in das Frausein empfiehlt, die nur Frauen haben können, und das wurde es von Männern geschrieben.
Men publishing books under female pseudonyms is nothing new in the crime genre, and it’s an issue that’s always been ethically murky. In a 2017 article for The Atlantic, Sophie Gilbert wrote:
There’s arguably an implicit trust when women read thrillers written by women—a mutual understanding that each is taking the subject personally, and bringing their own experiences to the stories at hand. “Women authors,” [thriller writer Karin] Slaughter explains on her site, bring “a different perspective” to stories about abuse and sexual assault. That’s not to say male writers can’t empathize or can’t channel the same kind of emotional intelligence the best female writers bring to crime fiction. [Male writer Martyn] Waites says he’s particularly proud of one of his Tania Carver books that deals with the topic of domestic violence. But he also acknowledges that he reads crime fiction by female authors and is aware that many of them write scenes he would feel uncomfortable trying to get away with.
Aha, anscheinend eine Art von Privileg, nachdem Frauen bestimmte Szenen schreiben dürfen, Männer aber nicht.
Auch irgendwie faszinierend: „Als ich dachte, dass die Szene ein Frau geschrieben hat, fand ich sie vollkommen okay, aber jetzt, wo ich erfahre, dass die Szene von drei Männern geschrieben worden ist, die sich nur als Frau ausgaben, ist sie ein Skandal!“
Martínez, Díaz, and Mercero didn’t just pick a name, they crafted an identity that seems specifically designed to elicit that sort of trust from their readers. While Mola was known to be a pseudonym, the team behind her had told the press and the public that the woman behind the books is a mother and university professor in her 40s who just wants to protect her own privacy.
“It hasn’t escaped anyone’s notice that the idea of a university professor and mother of three, who taught algebra classes in the morning then wrote ultra-violent, macabre novels in scraps of free time in the afternoon, made for a great marketing operation,” writes the Spanish paper El Mundo, even if the men deny that they’ve ever even really given a thought.
It’s one thing to write stories about and for women, but to pretend to be able to tell a story by women is obviously very different. For these men to craft this identity and to accept not just praise and money, but also a space carved out for marginalized perspectives in literature, is really gross. Who knows how they’re feeling right now, as they’ve received lots of criticism in the days since they revealed their identities, but I’m guessing their million euros are giving them plenty of comfort
„Die haben Frauen einen Platz weggenommen, weil sie sich als Frau ausgegeben haben“ ist schon erstaunlich. Zumal in einer Welt wo Bestseller wie „Harry Potter“ von einer Frau geschrieben worden sind.
Aber ich kann mir vorstellen, dass es gerade die ankotzt, die da alles mögliche an Feminismus reingelesen haben, und das so etwas eben nur eine Frau schreiben kann oder etwas in der Art.