Selbermach Samstag LXXXIX

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Das Professorinnen-Förderprogramm und der Mathe-Professor

Die Humbold Universität Berlin hatte die folgende Stellenausschreibung veröffentlicht:

An der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät II, Institut für Mathematik, ist folgende Professur zu besetzen:
W3-Professur für Reine Mathematik, insbesondere Mathematische Logik, mit möglicher Fachausprägung in der Algebraischen Geometrie, Arithmetischen Geometrie oder Darstellungstheorie
unbefristet zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Bis 31.03.2016 wird die Stelle aus Mitteln des „Programms für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre“ mit dem Ziel der Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre finanziert.

Mit der Besetzung dieser Stelle soll bevorzugt die Kontinuität der „Mathematische Logik“ in Forschung und Lehre sichergestellt werden, wobei weitere Fachausprägungen in den Gebieten Algebraische Geometrie, Arithmetische Geometrie oder Darstellungstheorie möglich sind. Der/die künftige Stelleninhaber/in ist eine durch ihre Publikations- und Vortragstätigkeit international ausgewiesene Forscherpersönlichkeit, die über entsprechende Lehr- und Betreuungserfahrung verfügt. Mit dieser Stelle ist auch die Erwartung verbunden, erfolgreich Drittmittel einzuwerben und mit den verschiedenen Verbundprojekten oder Graduiertenschulen am Institut, der Universität bzw. in Berlin zu kooperieren.

Die Bewerber/innen müssen die Anforderungen für die Berufung zur Professorin/zum Professor gem. § 100 des Berliner Hochschulgesetzes erfüllen.

Die Humboldt-Universität strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an und fordert qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bewerbungen aus dem Ausland sind erwünscht. Schwerbehinderte Bewerber/innen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund sind ausdrücklich erwünscht.

Da wir Ihre Unterlagen nicht zurücksenden, bitten wir Sie, Ihrer Bewerbung nur Kopien beizulegen.

Bewerbungen sind innerhalb von 6 Wochen unter Angabe der Kennziffer PR/025/12 (per Post oder E-Mail) zu richten an die
Humboldt-Universität zu Berlin
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II
Institut für Mathematik
Prof. Hintermüller
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Der Text richtet sich demnach recht eindeutig an Männer und Frauen. Sonst würde es wenig Sinn machen, in dem Text beide Geschlechterformen aufzuführen.

Wie der Spiegel berichtet hat sich ein Top-Mathematiker auch darauf beworben und sogar andere Stellen abgesagt, da er auf der Liste zur Besetzung der Stelle sehr hoch gehandelt wurde und seine Frau ebenfalls in Berlin einen Job bekommen konnte.

Matthias Aschenbrenner war zum Probevortrag nach Deutschland gereist. Er hatte zuvor auf Stellen in Freiburg und Münster verzichtet, weil seine Frau dort keine Perspektive bekam. In Berlin nun schienen die Chancen gut: Sie, die Volkswirtin, erhielt einen Ruf auf eine Fachhochschulprofessur für Wirtschaft. Und die HU schrieb in derStellenausschreibung für eine Professur in Reiner Mathematikausdrücklich: „Bewerbungen aus dem Ausland sind erwünscht.“ Also flog Aschenbrenner, redete – und landete auf dem ersten Platz der Berufungsliste für die Berliner Professur, wie mehrere Mitglieder der Auswahlkommission bestätigen.

So weit, so gut.

Allerdings hätte anscheinend Aschenbrenner aus dem Text der Anzeige erkennen müssen, dass diese sich ausschließlich an Frauen richtet, woraus sich dies hätte ergeben sollen ist allerdings unklar. Denn es ist in dem Text nur davon die Rede, dass eine Förderung der Chancengleichheit erreicht werden soll. Wenn demnach beispielsweise eine gleichqualifizierte Frau vorgezogen worden wäre, dann hätte er sich wohl nicht beschweren können.

Dennoch erhielt er die Stelle nicht. Stattdessen wurde die Ausschreibung zurückgezogen:

Die HU teilte dem Mathematiker mit, das Berufungsverfahren sei ergebnislos beendet worden. Die Stelle solle in den ersten drei Jahren „aus einem Programm zur besonderen Förderung des weiblichen Nachwuchses“ finanziert werden, hieß es in dem Brief aus dem Präsidialbüro. Für jeden sei außerdem „absehbar und auch rechtzeitig erkennbar“ gewesen, dass nur eine Frau berufen werden könne.

Es war aus meiner Sicht gerade nicht zu erkennen und das hat auch gute Gründe, da sonst das Auswahlverfahren angreifbar gewesen wäre.

Es gab insofern lediglich ein internes Memo, welches aber wohl auch der dazu passenden Kommission nicht bekannt war:

Was Aschenbrenner freilich nicht wissen konnte: An der HU existiert ein interner Hinweis, dass für „vorgezogene Neuberufungen“ auf Professorenstellen ausschließlich Frauen in Frage kommen. (…) Neben ihm hatte nicht nur der Drittplatzierte auf der Berufungsliste, ebenfalls ein Mann, die Ausschreibung missverstanden. Genauso wie den beiden erging es rund zwei Dritteln der Bewerber auf die Professur. Die Männer waren davon ausgegangen, es handle sich um eine geschlechterneutrale Stellensuche. Nur jede dritte Bewerbungen kam von einer Frau.

Die Berufungskommission war zwar über das HU-interne Ziel, die Professur aus Mitteln zur Frauenförderung zu finanzieren, informiert. Ein externes Kommissionsmitglied sagte SPIEGEL ONLINE allerdings dazu: „An einem Verfahren, das männliche Bewerber benachteiligt, hätte ich mich nicht beteiligt.  Das Gremium entschied nach kurzer Debatte mehrheitlich, nicht Geschlechterproporz zur Entscheidungsgrundlage zu machen, sondern eine Bestenliste zu erstellen. Sollte sich doch die Uni um die Finanzierung des neu zu berufenden Professors kümmern.

Auch hier sabotiert also leider das Patriarchat mit Bestenlisten den Aufstieg der Frauen und gibt diesen nicht den hinreichenden Raum.

Allerdings scheint mir das Vorgehen der Kommission hier auch nicht sehr überlegt gewesen zu sein: Wenn klar ist, dass Mittel nur für eine Frau bereit stehen, dann tragen sie eine Mitschuld daran, dass sich Männer unnötig beworben haben. Sie hätten aus meiner Sicht zuvor mit dem Fuß aufstampfen müssen und deutlich machen, dass sie dann an der Kommission nicht mitarbeiten und erst die Finanzierung geklärt werden muss.

Dagegen vorgehen kann man leider nicht:

Michael Hartmer, Geschäftsführer der Professorenvereinigung Deutscher Hochschulverband, hält den Abbruch des Verfahrens durch die HU für „scheinheilig“ und „empörend“, ohne dass der rechtswidrig wäre. Denn solange niemand berufen wird, könne auch kein Bewerber dagegen klagen. Sonst, so Hartmer, würde sein Verband einen Musterprozess gegen die wegen ihres Geschlechts Benachteiligten gern unterstützen

Wäre immerhin ein interessanter Prozess geworden. Allerdings könnte ich mir durchaus vorstellen, dass eine solche „Strukturstelle“, die zusätzlich geschaffen wird, mit Art 3 II S. 2 GG zu rechtfertigen wäre („(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“). Allerdings hätte man hier gerade in Bezug auf Gleichberechtigung einige interessante Debatten führen können, die die Unterschiede der Geschlechter, gerade auch im Bereich der Mathematik betreffen.