Der feministische Krieg um den richtigen Sex

Leser Matze hat auf einen interessanten Text zu den „Feminist Sex Wars“ hingewiesen. Darin ging es grob gesagt darum, welche Einstellung die richtige feministische Einstellung zu Sex ist, eine sexnegative, in der Sex mit Männern im wesentlichen als Risiko gesehen wird und eine sexpositive, die davon ausgeht, dass Sex für Frauen in allen Spielarten möglich sein muss und diesbezügliche Beschränkungen abgebaut werden sollten. Die zwei Seiten werden dort wie folgt dargestellt: Der radikale oder sexfeindliche Feminismus hat dann folgende Ansichten zur Sexualität:

  1. Heterosexual sexual relations generally are characterized by an ideology of sexual objectification (men as subjects/masters; women as objects/slaves) that supports male sexual violence against women.
  2. Feminists should repudiate any sexual practice that supports or „normalizes“ male sexual violence.
  3. As feminists we should reclaim control over female sexuality by developing a concern with our own sexual priorities, which differ from men’s—that is, more concern with intimacy and less with performance.
  4. The ideal sexual relationship is between fully consenting, equal partners who are emotionally involved and do not participate in polarized roles.

From these four aspects of the radical-feminist sexual ideology, one can abstract the following theoretical assumptions about sexuality, social power, and sexual freedom:

  1. Human sexuality is a form of expression between people that creates bonds and communicates emotion (the primacy of intimacy theory).
  2. Theory of Social Power: In patriarchal societies sexuality becomes a tool of male domination through sexual objectification. This is a social mechanism that operates through the institution of masculine and feminine roles in the patriarchal nuclear family. The attendant ideology of sexual objectification is sadomasochism, that is, masculinity as sadistic control over women and femininity as submission to the male will.
  3. Sexual freedom requires the sexual equality of partners and their equal respect for one another both as subject and as body. It also requires the elimination of all patriarchal institutions (e.g., the pornography industry, the patriarchal family, prostitution, and compulsory heterosexuality) and sexual practices (sadomasochism, cruising, and adult/child and butch/femme relationships) in which sexual objectification occurs.

Der liberalere oder sexpositive Feminismus hat dann folgende Grundlagen:

  1. Heterosexual as well as other sexual practices are characterized by repression. The norms of patriarchal bourgeois sexuality repress the sexual desires and pleasures of everyone by stigmatizing sexual minorities, thereby keeping the majority „pure“ and under control.
  2. Feminists should repudiate any theoretical analyses, legal restrictions, or moral judgments that stigmatize sexual minorities and thus restrict the freedom of all.
  3. As feminists we should reclaim control over female sexuality by demanding the right to practice whatever gives us pleasure and satisfaction.
  4. The ideal sexual relationship is between fully consenting, equal partners who negotiate to maximize one another’s sexual pleasure and satisfaction by any means they choose.

The general paradigms of sexuality, social power, and sexual freedom one can draw from this sexual ideology are:

  1. Human sexuality is the exchange of physical erotic and genital sexual pleasures (the primacy of pleasure theory).
  2. Theory of Social Power: Social institutions, interactions, and discourses distinguish the normal/legitimate/healthy from the abnormal/illegitimate/unhealthy and privilege certain sexual expressions over others, thereby institutionalizing sexual repression and creating a hierarchy of social power and sexual identities.
  3. Sexual freedom requires oppositional practices, that is, transgressing socially respectable categories of sexuality and refusing to draw the line on what counts as politically correct sexuality.

Ich finde es interessant, wie sehr man diese verschiedenen Theorien in die Unterschiede zwischen Langzeitpartnerwahlstrategien und Kurzzeitpartnerwahlstrategien einordnen kann.

Der sexfeindliche Feminismus stellt mit dem Vorrang der Intimität („primacy of intimacy“) auf klassische Kriterien der gefühlsmäßigen Bindung ab, weg von der animalischeren rein auf Sex ausgerichteten Betrachtungsweise der Kurzzeitstrategie. Das geht damit einher, dass man die männlichen Kriterien einer Kurzzeitpartnerwahl (gutes Aussehen, Sex steht im Vordergrund) abwertet. Das wird dann um einen Machtaspekt ergänzt, indem die Dämonisierung der männlichen Sexualität so weit übertrieben wird, dass sie gar nichts anderes mehr sein kann als auf Sex ausgerichtete Unterdrückung, selbst wenn sie sich in einer Familie äußert, die eben hier auch nur als Machtmittel gesehen wird, die Frau zu unterdrücken. Hier mag den Theoretikerinnen vielleicht eine inzwischen lustlos gewordene Ehe vorschweben, in der sie dennoch weiterhin seine Lust auf Sex als Objekt bedienen muss, obwohl sie das gar nicht mehr will.

Der sexpositive Feminismus stellt die Lust in den Vordergrund („primacy of pleasure“) und will alle insoweit vorhanden Schranken abbauen. Da die jeweilige Lust des Einzelnen die Schranken bildet muss jeder der Partner jeweils gerade diese Lust bekunden und zustimmen, dass er diese tatsächlich aus freien Stücken ausüben möchte, was uns zu den Konsenstheorien bringt. In der einen Ausrichtung ist alles Unterdrückung, in der anderen geht es darum, die Norm zu durchbrechen um Freiheit darzustellen. Man kann also in beiden zB gegen die Ehe sein, einmal weil sie als Machtmittel des Mannes über die Frau gesehen wird, die in dieser quasi zum Objekt gemacht wird, an dem er seine Sexualität ausüben kann (wohl heute nicht mehr so einfach begründbar) und ein anderes Mal, weil sie eine institutionalisierte Form der sexuellen Repression ist („nur noch mit einem Partner schlafen, auch wenn man keine Lust mehr hat“). Interessant scheint mir, dass beide auch sehr häufig gemischt werden. Beispielsweise ist der sexpositive Feminismus grundsätzlich für Prostitution, hier kann man aber auch in einer Vermischung vertreten, dass es ein patriarchalisches Unterdrückungsinstrument ist und den Prostituierten daher keinen Spass machen kann („Freiwillig und gerne kann eine Frau das nicht machen“) oder darauf abstellen, dass aufgrund der wirtschaftlichen Not kein wirklicher Konsens hergestellt werden kann, weil es eben doch nur ein Machtmittel des Patriarchats ist. Im Ganzen scheint mir die Einteilung gut zu meiner Einteilung der verschiedenen Interessen in diesem Artikel über den sexuellen Markt und sexnegativen und sexpositiven Feminismus zu passen. In diesem wird das ganze eben eher aus der Betrachtung eines Marktes und als Vorteil der jeweiligen Marktteilnehmer dargestellt.

P.S.: Interessieren würde mich auch noch, ob es einen sexnegativen und sexpositiven Maskulismus gibt. Vielleicht wäre die negative Variante hier, dass Frauen einen eh nur ausnutzen soll und man insofern die Sache ganz lassen soll, allenfalls eben bei Prostituierten.Der sexpositive Maskulismus würde dann vielleicht insbesondere auch eine Gegenbewegung zu der Feindlichkeit gegenüber der Sexualität durch Dämonisierung von Männern oder das Aufstellen übertriebener Regeln im Feminismus sein.