Feministische Wissenschaft vs patriarchische Wissenschaft

Leser Chomsky zitiert eine interessante Passage zu feministischer Wissenschaft:

Habe mir gerade gestern wieder einmal ein neues Buch über die Methoden der empirischen Sozialforschung gekauft, dort heisst es über die feministische Sozialforschung und Wissenschaftstheorie:

„Bei „feministischen Ansätzen“ handelt es sich zwar teilweise um empirische Beschreibungen gesellschaftlicher Verhältnisse, diese Beschreibungen werden aber mit Werturteilen und politischen Strategien vermischt. Da keine Trennung von Beschreibungen, Erklärungen, Werturteilen, Hoffnungen und wünschen erfolgt, sind solche Aussagen einer systematischen empirischen und theoretischen Analyse und rationalen wissenschaftlichen Diskussion nur schwerlich zugänglich. Theoretische Aussagen im Sinne von „Wenn-Dann-Sätzen“ oder Allsätzen sind jedoch selten zu identifizieren. Damit handelt es sich bei „feministischen Ansätzen“ nicht um Theorien im Sinne der analytischen Wissenschaftstheorie. In der Soziologie werden Schlagworte wie z.B. „feministischer Ansatz“ häufig auch als „Paradigmen“ bezeichnet (…). Diese Bezeichnung ist falsch. Paradigmen beinhalten immer auch empirisch bewährte Theorien, die hier aber fehlen.…

Die wissenschaftstheoretische Kritik „feministischer Ansätze“ bezieht sich weiterhin auf die Vermischung von Entdeckungs- und Begründungszusammenhang: Aus der möglichen Tatsache, dass Wissenschaftler andere Themen als Wissenschaftlerinnen untersuchen, lässt sich nichts über die Gültigkeit der gewonnenen Ergebnisse folgern. Die Wahl des Forschungsthemas ist sicherlich von vielen Faktoren abhängig, so z.B. auch durch (sicherlich auch sozial definiertes) „Geschlecht“. Aus dieser möglichen Tatsache lässt sich aber nicht die Forderung nach speziellen Forschungsthemen logisch herleiten; dies ist eine letztlich politische Forderung und aus empirischen Gegebenheiten nicht ableitbar.

Der dritte wissenschaftstheoretische Kritikpunkt bezieht sich auf die vorgebliche Verwendung spezieller Datenerhebungs- oder Datenanalysemethoden. Die hierbei anzulegenden Gütekriterien sind aber in keiner Weise „geschlechtsabhängig“; Gütekriterien wissenschaftlicher Forschung sind universell gültig. (…)…

Bei „feministischen Ansätzen“ handelt es sich also weder um eine eigenständige wissenschaftstheoretische Position, noch um eine inhaltliche Theorie (also kein „Paradigma“), noch um eigenständige methodische Erkenntnisse oder Verfahren.“ (Schnell, Rainer/Hill, Paul B./Esser, Elke 2011: Methoden der empirischen Sozialforschung, München, S. 109 f.)

Der Grundgedanke feministischer Forschung scheint mir zu sein, dass man davon ausgeht, dass es keine objektiven Ergebnisse gibt und ganz poststrukturalistisch eh alles Sprache ist. Hinzu kommt die Theorie, dass alles, was geschieht letztendlich ein Kampf um Macht und Gesellschaftsnormen ist. Zwischen diesen beiden Ideen sind alle unliebsamen Ergebnisse anderer Forscher lediglich Versuche Macht im Diskurs zu gewinnen und Rollen zu festigen. Das macht eine eigene feministische Wissenschaft als Gegenwissenschaft notwendig, die genau das gleiche versucht, also ebenfalls Macht im Diskurs gewinnen will, wie aus ihrer Sicht alle anderen Wissenschaften auch.

Weil es keine ideologiefreie Wissenschaft gibt kann man aus dieser Sicht heraus der feministischen Wissenschaft auch nicht vorwerfen, dass sie ideologisch ist. Das ist allenfalls eine Abwehrstrategie der patriarchischen Forschung.

Der Fehler daran ist, dass die übrige Wissenschaft meiner Meinung nach gar nicht so Ideologie geladen ist, wie dies in der feministischen Theorie angenommen wird. Das sie Ergebnisse produziert, die Feministinnen nicht gefallen ist kein Ausdruck der Ideologiegeprägtheit, sondern eben das Ergebnis der Forschungen.

Die Welt ist eben nicht nur Sprache.