Nationalismus und Patriotismus

Sowohl große Fußballturniere als auch die Männerbewegung haben immer wieder Bezug zu dem Thema Patriotismus und Nationalismus.

Beide meist darüber, dass eben das eine mit dem anderen verwechselt wird und/oder Übertreibungen in die eine oder andere Richtung vorgehalten werden.

Ich finde eine Definition sehr schön und hilfreich:

Patriotismus ist die Liebe zu den Seinen

Nationalismus ist der Hass auf die Anderen

In diesem Sinne bin ich durchaus gemäßigter Patriot.

Ich lebe gern in Deutschland, nicht weil ich Deutsche für besser halte als andere Nationen und Völker oder meine, dass wir alles besser geregelt haben, als andere Nationen, sondern einfach, weil ich mit dieser Kultur ganz besonders vertraut bin, eine hohe kulturelle Eingebundenheit habe, mit ihr die meiste Erfahrung habe.

Ich bewege mich hier auf einem sehr sicheren Terrain, kann Handlungen, die mir in anderen Ländern unverständlich sind einordnen, kenne die Lieder, die B- und C-Promis, die Redensarten und spreche die Sprache muttersprachlich. Mir sind viele Eigenarten von typischen Deutschen vertraut und sie bilden den Grundschatz dessen mit denen ich rechne.

Nicht zuletzt bin ich natürlich auch als in Deutschland lebender Deutscher in einem Verbund mit den ebenfalls hier lebenden Personen, der über gemeinsame Gesetze, gemeinsame Steuern, gemeinsame Ausgaben, sprich einen gemeinsamen Staat gebildet wird. Natürlich habe ich als jemand, der von solchen Regelungen betroffen ist schon deswegen ein Interesse daran, dass es Deutschland gut geht, dass der Staat das nötige Geld hat etc.

Wenn man Nationalismus definiert als Staatenegoismus oder den Wunsch die Interessen des selbst bewohnten Staates höher zu bewerten als die anderer Staaten, dann müßte ich mich in gemäßigter Form auch hierunter einordnen lassen.

Aus meiner Sicht ist damit allerdings nicht zwangsläufig ein Hass verbunden, der zur „dunklen Seite“ des Nationalismus führt. Wie auch bei der Einzelperson ist ein gewisser Eigennutz meiner Ansicht nach immer notwendig, wenn dieser – ebenso wie bei der Einzelperson – oftmals darin bestehen kann, eine umfassende, faire Zusammenarbeit zu ermöglichen. Der Vorteil des Kapitalismus ist hier, dass Nachbarn Handelspartner sind und wirtschaftliche vernunft erfordert, dass es auch ihnen besser geht, damit man ihnen etwas verkaufen kann.

Was jeder Mensch, der die Gelegenheit dazu hat, unbedingt machen sollte, ist einmal eine gewisse Zeit, also nicht nur 3 Wochen im Urlaub, sondern eher 3 Monate oder mehr, meist ja ein Semester, im Ausland leben. Nur wer tatsächlich in einem Land lebt, lernt dessen Sitten und dessen Alltag kennen und bekommt einen Eindruck von den Unterschieden. Dann erst erkennt man, wie selbstverständlich einem bestimmte Regeln geworden sind und das es überhaupt andere Regeln für bestimmte Bereiche gibt.

Dabei entbindet einen ein gewisser Patriotismus natürlich nicht davon, Handlungen und Sitten eines Landes oder einer Kultur kritisch zu hinterfragen.

Ich sehe das Verhältnis zu einem Land als Frage des In-Groupings und Outgroupings. Wir sind als soziale Wesen innerhalb eines reziproken Altruismus evolviert und benötigen für die Steuerung dieser Mechanismen dringend eine Bezugsgruppe, der wir uns zugehörig fühlen, weil dies reziproken Altruismus wesentlich einfacher macht.

Dabei scheint mir da ein „Zwiebelmodell“ oder ein Schichtensystem vorhanden zu sein. Wir haben verschiedene Gruppen, wie Familie, Freunde, Komillitonen, Arbeitskollegen und irgendwann eben auch den Staat. Weil gerade auf Staatsebene viel mehr Unterschiede in Kultur und Sprache bestehen als etwa zwischen Arbeitskollegen und Nichtarbeitskollegen wird hier der Gruppenbezug deutlicher wahrgenommen.

Gerade in Deutschland ist das aus Sicht vieler problematisch. Mich persönlich hat die Rückkehr zu einem positiven Patriotismus bei der WM 2006 gefreut. Weil es aus meiner Sicht keine Ausgrenzung war, sondern das Feiern einer Gemeinsamkeit.

Aus einem Patriotismus muss meiner Meinung nach nicht folgen, dass man andere Nationen, Hautfarben, Herkünfte ablehnt. Wer meint besser zu sein, weil er sich einem Land nicht zugehörig fühlt, der bezieht sich meist nur auf eine andere In-Group innerhalb derer es eben identitätssteigernd wirkt. Er ist damit nicht besser, sondern hauptsächlich auf eine andere Gruppe bezogen, wobei er letztendlich dennoch in der Gruppe als Bewohner des Landes mit drin hängt.

Viele Länder, die sehr patriotisch sind, sind gleichzeitig sehr gastfreundlich. Ich habe das bei den Dänen, den Griechen, den Spaniern so erlebt und es zeigt aus meiner Sicht, dass man Patriotismus positiv gestalten kann, wenn man etwa daran fest macht, dass man sich dann auch anderen Gegenüber gut präsentieren muss. Natürlich kann es auch dicht mit einem Nationalismus zusammenhängen, etwa wenn man sich das Verhältnis von Griechenland und der Türkei anschaut.

Ich finde vieles in anderen Kulturen sehr schön. Ich mag die Lebensart, die man häufig in den Mittelmeerstaaten findet, ich mag die Ungezwungenheit, mit der man in Skandinavien grillt und zeltet, ich mag die Freundlichkeit vieler Amerikaner. Die deutsche Kultur ist in vielen Punkten verbesserungsfähig, sie wird aber auch gerne schlechter gemacht als sie ist.

Aber etwas ist es für mich, wie mit dem Essen der Mutter: Es schmeckt, weil man es kennt, weil man darauf geprägt ist, weil es das ist, was man mit dem Urtyp bestimmter Speisen verbindet.

Selbst wenn man eigentlich weiß, dass man besser kochen kann, bleibt es lecker.