Ein Spiegelartikel, der wahrscheinlich von Genderfeministen, noch einige Male zitiert werden wird als Beleg dafür, dass räumliches Sehen nicht angeboren ist und daher auch ein Unterschied zwischen Männern und Frauen im Bereich „räumliches Denken“ nicht angeboren sein kann:
Wie aber entwickelt sich diese Fähigkeit? Ist sie vielleicht angeboren? Ungarische Forscher bezweifeln dies. Sie glauben, dass Babys das räumliche Sehen vielmehr nach und nach erlernen. Frühgeborene könnten innerhalb einer vergleichbaren Zeitspanne nach der Geburt beidäugig sehen wie zum normalen Zeitpunkt geborene Babys, schreiben ungarische Forscher in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Beides hat natürlich erst einmal wenig miteinander zu tun. Es ist ein Unterschied, ob wir überhaupt kein räumliches Sehen haben oder unser Sehvermögen anhand der Umwelt kalibrieren. Letzteres ist geradezu bei gewachsenen Wesen zu erwarten.
Der Mensch enthält eben keine Baupläne mit Längenmaßen und Queerschnittszeichnungen, sondern einen Wachstumsplan. Das Wachsen des Auges, des Körpers, des dazu passenden Gehirns, ist ein langsamer Vorgang, der natürlich auch von Versorgung und vielen anderen Umweltfaktoren abhängt. Zudem sind viele Gene an diesem Wachstum beteiligt und das Auge ein Gesamtprodukt. Es gibt letztendlich keinen Bauleiter, der Nachbesserungen vornimmt oder den Gesamtplan überwacht. Die Unterschiedlichen Abschnitte der Wachstumspläne werden dabei auch noch evtl von verschiedenen Persoen erstellt und ihr Zusammenspiel ist keineswegs sicher.
Vieles am menschlichen Auge ist „schlecht designet“, weil es eben ein Produkt langsamer stettig vorteilhafter Schritte ist, die nicht auf ein Endziel gerichtet sind.
Kein Wunder, dass bei einem Präzisionsinstrument wie dem Auge nach der „Erstinbetriebnahme“ zunächst eine Kalibrierung erfolgt, die die Richtwerte für dieses konkrete, insofern recht individuelle Augenpaar ermittelt.
Das ist – ähnlich wie bei der Sprache – ohne eine bereits vorhandene „Software“, die dieses Aufgabe übernimmt, quasi nicht möglich. Wenn wir ein „Blank Slate“ hätten, dann müßte die Funktionsweise des Auges und das Zusammenspiel sowie die Berechnung der dreidimensionalen Bilder ad hoc, im Gehirn des Säuglings geschrieben werden und das jedes Mal.
Und natürlich kann auch dann, wenn eine solche Kalibriernung stattfindet, die weitere Ausstattung oder die zugewiesene Rechnerleistung unterschiedlich sein. Eine Kalibrierung muss stattfinden, ob man dahinter einen „+10 Rechner für räumliches Denken“ oder einen „+5 Rechner für räumliches Denken“ hat.
Ich bin mal gespannt, wann mir diese Forschung das erste Mal vorgehalten wird bzw. sie anderweitig als Beleg verwendet wird.