der Spiegel berichtet:
Der Attentäter von Hanau tötete zehn Menschen. Bis auf ein Opfer – die Mutter des Mannes – hatten alle einen Migrationshintergrund. Der Vater wurde von der Polizei vorläufig festgenommen.
Etwas zum Manifest des Täters:
Tobias Rathjen: Das Hanau-Manifest eines paranoiden Psychopathen
Dass er denkt, dass DER Geheimdienst ihn überwacht und seine guten Serienideen sofort nach Hollywood liefert, der sie dann anscheinend im Auftrag dieses „Sondergeheimdienstes“ umsetzt, klingt in der Tat verrückt.
Es ist eine schreckliche Tat, vollkommen Unschuldige und unbeteiligte Leute sind getötet oder verletzt worden. Mein Beileid allen Angehörigen und gute Besserung etwaigen Verletzten.
Ich vermute es wird eine Tat sein die erheblich politisiert und instrumentalisiert wird.
Ein weiterer Bericht zum Manifest:
In seinem Dokument beschreibt er in elf Unterpunkten seinen angeblichen Werdegang. Das Papier gibt Einblick in ein paranoides und radikales Weltbild. So fordert der Autor darin unter anderem einen Genozid an allen Völkern, in denen nicht-weiße Menschen leben. Zuallererst nennt er mehrheitlich muslimische Länder und Israel als „Völker“, die „komplett vernichtet werden müssen“.
Andere „Säuberungen“ sollten „die restlichen afrikanischen Staaten, Süd- und Mittelamerika, die Karibik und natürlich das eigene Volk“ umfassen. Der Verweis auf das „eigene Volk“ wird im Folgenden konkretisiert: „Nicht jeder der heute einen deutschen Pass besitzt [ist] reinrassig und wertvoll“. In Deutschland könne sich der Autor eine Halbierung der Bevölkerungszahl vorstellen.
Hass auf Frauen
In seinem Schreiben formuliert der Autor auch seine Misserfolge bei Frauen. Er habe keine Beziehung führen können, obwohl er das wollte. Für diesen Umstand macht er Geheimdienste verantwortlich. Hass auf Frauen ist vor allem in der rechten Online-Subkultur der sogenannten Incels (involuntary celibacy, zu Deutsch: unfreiwillig zölibatär lebend) weit verbreitet.
Verschwörungstheorie Überwachung
Eine Verschwörungstheorie, die sich in Schreiben, Video und in den weiterführenden Links auf der Homepage von Tobias R. findet, ist die massenhafte Überwachung und angebliche Lenkung von Menschen durch amerikanische Geheimdienste. Der Autor beschreibt sie als „Geheimorganisationen“.
In dem auf YouTube veröffentlichten Video spricht der Autor von unsichtbaren, geheimen und bösen Verbünden, die die Menschheit versklavten. Er ruft darin das amerikanische Volk auf, gegen diese angeblichen Bünde zu kämpfen.
Krieg für das Volk
Das Schreiben ist durchzogen von psychologisch auffälligen, paranoiden Stellen. Dennoch macht der Autor am Ende des Textes nochmals deutlich, worum es ihm geht: um einen „Krieg […] gegen die Geheimorganisationen und gegen die Degeneration unseres Volkes“.
Und noch eine Quelle:
Auch wenn nachträgliche Diagnosen ohne Aktenkenntnis immer schwierig sind, bergen allein das Video und die schriftlichen Ausführungen von Tobias R. für die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh Hinweise auf eine „sehr komplexe, schwere psychische Erkrankung“. Sie sieht den Täter nach aktuellem Kenntnisstand als einen Mann, der „schwerwiegend wahnhaft“ gestört war und nach einer „rechtsextremen narrativen Folie“ handelte. Offenbar litt er unter „akustischen Halluzinationen“, wenn er von „Stimmen“ schreibt, die er vernommen habe.
Und die gleiche Psychiaterin in der TAZ:
Kann man sagen, was zuerst da ist? Der Wahn – und dieser sucht sich eine Ideologie? Oder ist diese zuerst da? Und ist das überhaupt wichtig?
Das kann man nach jetzigem Kenntnisstand nicht sagen. Es kann sein, dass dieser Mann aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitsstruktur für Rechtsextremismus anfällig war, es kann auch sein, dass er durch die Erkrankung aus dem bürgerlichen Leben gerissen wurde. Dazu braucht man viel mehr Hintergrundinformationen, auch zum Beispiel über psychiatrische Vorbehandlungen.
Birgt die Pathologisierung von Terroranschlägen und Gewalttaten nicht die Gefahr, dass Rassismus und Terrorismus verharmlost werden?
Völlig richtig. Terror hat erst einmal gar nichts mit Psychiatrie zu tun und Terroristen sind im Regelfall nicht psychisch krank. Sonst könnten sie die manchmal durchaus komplexen Anschläge auch gar nicht verüben. Diese Täter haben vielleicht eine schwierige Persönlichkeit, aber das sind keine psychischen Erkrankungen. Die Attentäter von 9/11 zum Beispiel waren nicht krank, auch wenn man in dem Testament von Mohamed Atta zum Beispiel sieht, dass der Mann schwere persönliche Probleme hatte. Bei Anders Breivik streiten sich die Gutachter, ob er krank ist. Täter mit einer psychischen Erkrankung sind eine kleine Gruppe, die meist zurückgezogen ist und sich oft selbst radikalisiert. In diesem konkreten Fall dieses Täters aber muss man feststellen: Der Mann war faktisch psychisch in einer sehr komplexen Weise schwer gestört.
Welche Rolle spielt die Männlichkeit? Der Mann aus Hanau, hatte keine Frau, es gibt Hinweise in Richtung Incel-Bewegung.
Männern, die sich radikalisieren, haben häufig Probleme mit Frauen, sie sind häufig misogyn. In diesem Fall hier wünschte sich der Täter eine Partnerin, aber einerseits stand ihm der Narzissmus im Wege und seine Äußerungen zeigen, dass er von einer Partnerin die Idee eines optimalen Objektes, eines tadellosen Produktes hatte. Zum anderen wird deutlich, dass der Verfolgungs- und Beobachtungswahn dazu geführt hat, dass er Intimität gar nicht leben konnte. Ein tragischer Fall. Aber das ist natürlich nicht der Grund, in Shisha-Bars Leute niederzuschießen.