Raewyn Connell und Hegemoniale Männlichkeit

Raewyn Connells Konzept der hegemonialen Männlichkeit war schon Thema hier

Ich möchte es noch einmal näher beleuchten:

Connell begreift das soziale Geschlecht als eine Weise, in der soziale Praxis geordnet ist. Da soziale Praxis immer von sozio-kulturellen Umständen abhängt, entstehen zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Milieus auch unterschiedliche Konfigurationen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Der Antrieb dieser Veränderung ist der Machtkampf innerhalb der Geschlechterbeziehung und vor allem der von Connell immanentisierte Erhaltungsdrang des Patriarchats. In ihrem Buch „Der gemachte Mann“ befasst sich Connell u.a. mit den Relationen zwischen verschiedenen Männlichkeiten und stellt vier Konzepte solcher Verhältnisse vor.[2]

Also eigentlich ein klassischer Gruppenansatz, bei dem die Geschlechter jedenfalls in der Gruppe Mann noch einmal in Untergruppen unterteilt sind, die jeweils miteinander im Kampf um die Macht stehen.

„Das Patriarchat“ (definiert es Connell eigentlich irgendwo näher?) will sich erhalten und so seine Macht bewahren

Hegemoniale Männlichkeit. Hegemonial ist diejenige Männlichkeit, die sich durch einen privilegierten Zugang zur Macht des Patriarchats auszeichnet. Sie ist für eine bestimmte gesellschaftliche Situation die durchsetzungsfähigste, wenn auch nicht einzige Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats. Macht und Erfolg der hegemonialen Männlichkeit beziehen sich dabei in erster Linie auf ein Kollektiv, d.h. ein einzelner ausgeprägtester Vertreter dieser Konfiguration verfügt in der Gesellschaft nicht unbedingt über die größte Autorität und nicht jeder mächtige Mann realisiert die hegemoniale Männlichkeit. Deutliche Beziehungen zwischen hegemonialer Männlichkeit, Heteronormativität sowie gesellschaftlicher und ökonomischer Macht.

Eigentlich ja ein sich selbst immunisierendes System: Wer auch immer gerade als Männergruppe oben ist, ist eben hegemoniale Männlichkeit und damit das Patriarchat. Die Macht liegt bei einem Kollektiv, dass nicht näher definiert wird und das auch gegen jede Eingrenzung, die dazu führen könnte, dass man sie wiederlegt, abgesichert wird (siehe auch den Artikel zur Verschwörungstheorie und Feminismus). Selbst wenn einer der mächtigen nicht hegemonial ist, dann macht das der Theorie nichts, weil eben im verborgenen doch wieder die hegemoniale Männlichkeit die Fäden zieht.

Komplizenschaft. Es gibt nur wenige Männer, die alle Elemente hegemonialer Männlichkeit auf sich vereinigen und damit der gerade aktuellen Norm entsprechen. Dennoch profitiert die Mehrheit der Männer von der Vormachtstellung des Patriarchats. Connell nennt dieses Phänomen die „patriarchale Dividende“.[3] Über die Komplizenschaft überträgt sich aber auch die Dominanz im Geschlechterverhältnis nur partiell. Im Spannungsfeld des Alltages bedeutet dies, dass Kompromisse mit Frauen oft nicht zu umgehen sind und so widersprüchliche Konfigurationen entstehen.

Auch hier erscheint mir einiges an Nebel in den Raum geblasen zu werden. Die Mehrheit der Männer profitiert? Was genau ist da der Nachweis von Connell und wie genau sieht die patriarchale Dividende jeweils aus?

Auch schön: Die Komplizen bringen das Patriaracht leider nicht bis ganz nach unten durch, deswegen muss man teilweise mit den Frauen Kompromisse machen. Auch eine hübsche Absicherung gegen eine Widerlegung: Wenn man irgendwo zeigt, dass Frauen die Regeln mitbestimmen, dann liegt das eben daran, dass hier ein Spannungsfeld besteht, bei dem die Komplizen einen Kompromiss machen mussten.

Marginalisierung. Einige Männer, die in bestimmten Bereichen der Gesellschaft Erfolge zeitigen, profitieren nur in eingeschränkter Weise von der Macht und dem Ansehen des Patriarchats. Ein Grund dafür kann die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlich benachteiligten Gruppe sein. Connell führt als Beispiel an, dass trotz der zahlreichen Triumphe schwarzer Sportler schwarze Männer von ethnischer Diskriminierung betroffen sind. So stellt die marginalisierte Männlichkeit das gegenteilige Verhältnis zur Komplizenschaft dar.

Hier kann Connell und Intersektionalität zusammenspielen vermute ich mal. Wozu man diese Marginalisierung braucht, was man mit ihr erreiche, wie sie errichtet wird und warum viele Staaten in Afrika reichlich patriarchal sind, da würden mich die Ansichten von Connell interessieren. Gibt es vielleicht mehrere Patriarchate, die jeweils andere marginalisierte Männlichkeiten haben?

Unterordnung. Wenn Kampf um den Machterhalt des Patriarchats eine Konstante innerhalb der Geschlechterbeziehungen ist, dann haben die Anteilseigner des Patriarchats ein Interesse daran, jede Männlichkeit zu unterdrücken, die die hegemoniale Männlichkeit untergraben könnte. In der Logik der Hegemonie rücken diese Männlichkeiten in gefährliche Nähe zur Weiblichkeit, was sich auch durch symbolische Verweiblichung in der Betitelung mit Schmähwörtern ausdrückt. Als auffälligstes Beispiel unterdrückter Männlichkeit der Gegenwart nennt Connell schwule Männlichkeit. Noch weniger als bei der hegemonialen Männlichkeit entspricht die untergeordnete Männlichkeit einer definiten Gruppe. Das Bannfeld patriarchatsschwächender Elemente betrifft auch einzelne Praktiken, sodass Männer, die tendenziell nicht zu einer diskriminierten Gruppe gehören, ebenfalls dem Vorwurf der Weiblichkeit ausgesetzt werden können.

Der Kampf um die Machterhaltung wird anscheinend erst einmal vorausgesetzt. Die „Anteilseigner des Patriarchats“ ist wieder ein nebulöser Begriff, der gut zu einer Verschwörungstheorie passt. Auch schön, wie hier ein Dualismus aufgebaut wird, indem Weiblichkeit den guten Pol bildet und bei dem weiblichere Männer abgewertet werden. Das Bannfeld patriarchatsschwächender Elemente ist auch sehr schön.

Das Weiblichkeit auch in vielen Fällen als richtig und gut angesehen wird, das sie keineswegs einer umfassenden Abwertung unterliegt, das kann bei Connell keine Rolle spielen.