Männer als Feindbild in der Identitätspolitik und das Interesse an Personen, die dagegen argumentieren als Folge

In einem hier in den Kommentaren schon stark besprochenen Interview des Fernsehsenders Channel 4 des BBC  soll Peterson die Frage beantworten, warum seine Zuschauer überwiegend männlich sind. Meine Vermutung ist, dass die Interviewerin es eigentlich in die Richtung drehen wollte, dass Frauen ihn nicht interessant finden oder er zu frauenfeindlich ist, aber Peterson sieht einen anderen Grund:

JP: well it’s about 80 percent on on YouTube which is – YouTube is a male domain primarily so it’s hard to tell how much of it is because YouTube is male and how how much of it is because of what I’m saying. But  what I’ve been telling young men is that there’s an actual reason why they need to grow up which is that they have something to offer you know  that people have within them this capacity to set the world straight and that’s necessary to manifest in the world and that also doing so is where you find the meaning that sustains you in life

BBC: so what’s gone wrong then

JP oh god, all sorts of things have gone wrong. I don’t think that young men hear words of encouragement. Some of them never in their entire lives as far as I can tell.  That’s what they tell me and the fact that the words, that I’ve been speaking, the YouTube lectures that I’ve done and put online for example, have had such a dramatic impact, is indication that young men are starving for this sort of message because like why in the world would they have to derive it from a lecture on YouTube now they’re not being taught that they that it’s important to develop yourself

Sicherlich hören auch viele Männer Unterstützungen und Ermutigungen, etwa von Freunden oder von der Familie. Aber gleichzeitig werden sie eben auch gerade zum Buhmann ernannt, sie bemerken deutlich, dass SJWs und die gegenwärtige Poltik keine Probleme damit haben, wenn man über „weiße heterosexuelle Männer“ herzieht und man kann immer wieder in der Mainstreampresse Abwertungen lesen oder hören und das eben genau wegen dieser Gruppenzugehörigkeit.

Es wäre da durchaus verständlich, wenn gerade Männer jemanden, der Fakten dagegen hält, der den Gender Pay Gap und die Schuldzuweisung an Männer sachlich hinterfragt, der ihnen diese Last nimmt, die Schuld an allem zu haben.  Der gegen eine Identitätspolitik vorgeht, in der die Männer schuld an allem sind, ohne etwas gemacht zu haben und denen nun vorgehalten wird, sie lebten ein Leben auf Rosen gebettet und Kaviar essend, während Frauen sich geschlagen und belästigt und mit wenig Lohn durchs Leben quälen müssen, während sie gleichzeitig in ihrem Leben Frauen wahrnehmen, die diesem Bild gar nicht entsprechen, die weit weniger mit Abweisung leben müssen als die jeweiligen Männer, die durchaus glücklich zu sein scheinen etc.

Lucas Schoppe schrieb in einem Beitrag:

Das ist eben das Gegenteil der Logik, die Williamson beschreibt. Anstatt selbst Raum zu beanspruchen und andere damit zu ermutigen, dasselbe zu tun, können Frauen bei den Grünen Männern eben dadurch ihren Raum nehmen, indem sie selbst keinen Raum besetzen.

Das allerdings hilft niemanden, und mehr noch, es kaschiert ein deutlich größeres Problem als das der raumgreifenden Männlichkeit: dass sich nämlich Männer aus wichtigen Bereichen stillschweigend zurückziehen. Dramatisch wird dies im Bereich der Bildung, sowohl in den Kindergärten als auch in den Grundschulen, und immer mehr auch in den weiterführenden Schulen.

(…)

In den einzelnen Fällen gibt es natürlich verschiedene Gründe, warum Männer sich zurückziehen – aus egoistischer Bequemlichkeit, aus dem Gefühl der Vergeblichkeit, oder weil sie zermürbt sind. Insgesamt aber trägt es sicherlich zum männlichen Rückzug bei, dass Männer in öffentlichen Debatten entweder lächerlich gemacht oder als aggressiv hingestellt werden, wenn sie ihre Position behaupten. Männer, die auf männliches Leid offen hinweisen, werden als „Jammerlappen“ oder als Produzenten von „Male Tears“beschämt – oder sie werden als rückwärtsgewandte potentielle Gewalttäter hingestellt, wenn sie offen Positionen vertreten, die von feministischen Positionen abweichen.

Das Interessante an Leuten wie Peterson ist, dass sie sich gegen diese Aggressionen stellen und ihnen Sachinformationen entgegensetzen. Sie kontern Gefühlspositionen der Unterdrückung, die nicht begründet werden und eher wie eine Religion aufgebaut sind – glaube oder sei ein Ketzer – mit Fakten, versehen einen mit Argumenten, die man Leuten (und sich selbst, wenn man mit Positionen hadert) entgegenhalten kann.  Das gibt ein gutes Gefühl, es macht deutlich, dass man sich gegen diese Vorhaltungen wehren kann und man fühlt sich eben nicht mehr so allein mit einer Position, die man sonst nur mit engen Freunden teilt, weil sie eben nicht „Korrekt“ ist.

 

 

32 Gedanken zu “Männer als Feindbild in der Identitätspolitik und das Interesse an Personen, die dagegen argumentieren als Folge

    • Das ist eine sehr gute Analyse in dem Artikel.

      One might interpret Peterson as shedding light on this problem by pointing out that the morality of contemporary Western society, with its emphasis on equality and liberation, is acting in the service of particular psychological interests while acting against others. In other words, a similar situation to that which Marx and the original critical theorists criticised the classical liberal bourgeoisie for: presenting their own interests as universal values or truths.

    • „In other words, a similar situation to that which Marx and the original critical theorists criticised the classical liberal bourgeoisie for: (…)“

      Ich habe das Folgende ja schon oft erklärt, also – zum x-sten Mal:

      Die postmoderne Political Correctness hat nichts mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule zu tun, die postmoderne Political Correctness ist aus einer einseitigen, selektiven und dogmatischen US-amerikanischen Rezeption des französischen Poststrukturalismus hervorgegangen.

      Der französische Poststrukturalismus wiederum ist KEINE Unterströmung des Marxismus oder Neomarxismus, sondern eine eigenständige philosophische und politische Strömung, bei der der Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure sowie die beiden Philosophen Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger als zentrale philosophische Bezugspunkte im Zentrum stehen.

      Nun gibt es leider unterschiedliche Begriffsverwendungen des Begriffs „kritische Theorie“ in Europa und den USA.

      In Europa und insbesondere in Deutschland bezieht sich der Begriff „Kritische Theorie“ in der Regel nur auf die Kritische Theorie der Frankfurter Schule. Andere Begriffsverwendungen sind selten.

      In den USA hat sich allerdings eine inflationäre Begriffsverwendung entwickelt, bei der von kritischen Theorien im Plural gesprochen wird. Ausgangspunkt dieser Inflation war, dass Vertreter anderer linker Theorieströmungen, die ideengeschichtlich mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule nichts zu tun haben, die exklusive Selbstbezeichnung der Vertreter /Anhänger der Frankfurter Schule als „kritische Theorie“ ablehnten, weil sie meinten, dadurch würde quasi suggeriert, nur die Vertreter/Anhänger der Frankfurter Schule würden eine kritische linke Theorie vertreten und alle anderen linken Theorieströmungen in den USA wären dagegen unkritisch.

      Deshalb begannen Vertreter/Anhänger anderer linker Theorie-Strömungen in den USA – einschließlich mehrerer postmodernistischer US-amerikanischer Strömungen – den Begriff „kritische Theorie“ für sich selbst zu übernehmen, quasi nach dem Motto: wir sind doch auch kritisch.

      Daher bezeichnen heute in den USA – aber in der Regel nicht in Europa und Deutschland – Vertreter/Anhänger verschiedener linker Theorie-Strömungen, die ideengeschichtlich mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule nichts zu haben, ihre jeweiligen Ansätze als „critical theory“.

      Dies lässt sich übrigens auch in dem englischsprachigen Wikipedia-Artikel „Critical Theory“ nachlesen, da ist es zwar nicht ausführlich erklärt, aber auf die Übertragung des Begriffs „Critical Theory“, auf Theorien, die mit der Frankfurter Schule nichts zu tun haben, wird kurz eingegangen, nämlich unter der Sparte „Postmodern critical theory“. Da heißt es:

      „The term „critical theory“ is often appropriated when an author works within sociological terms, yet attacks the social or human sciences (thus attempting to remain „outside“ those frames of inquiry). Michel Foucault is one such author.[17] Jean Baudrillard has also been described as a critical theorist to the extent that he was an unconventional and critical sociologist; this appropriation is similarly casual, holding little or no relation to the Frankfurt School.“

      Dass die Kritische der Frankfurter Schule etwas anderes ist als der Poststrukturalismus/Postmodernismus und erst Recht als die US-amerikanische politische korrekte Variante des Poststrukturalismus/Postmodernismus kann auch jeder Interessierte anhand wissenschaftlicher Fachliteratur zur Rezeptionsgeschichte in den USA zu diesen Themen nachprüfen.

      Das wissenschaftliche Standardwerk zur Rezeption der (von mir geschätzten) Kritischen Theorie der Frankfurter Schule in den USA ist das Buch von Robert Zwarg – Die Kritische Theorie in Amerika. Das Nachleben einer Tradition.

      https://www.bol.de/shop/home/suchartikel/ID45441785.html?sq=zwarg%20kritische%20theorie

      In diesem Buch geht es nur um die Kritische Theorie der Frankfurter Schule, nicht um andere linke Theorieströmungen, (allerdings wird in einem Kapitel auch darauf eingegangen wie der französische Poststrukturalismus –auch „French Theory“ genannt – ab den 80er Jahren in den USA immer einflussreicher wurde und wie beide Theorieströmungen aufeinanderstießen).

      In dem Buch wird – entsprechend der europäischen Begriffsverwendung – nur die Kritische Theorie der Frankfurter Schule als Kritische Theorie bezeichnet und kenntnisreich und mit Belegquellen wird ihre Rezeptionsgeschichte in den USA bis in die 90er Jahre hinein beschrieben.

      Andere linke Theorieströmungen, die sich in den USA heute zum Teil als kritische Theorien bezeichnen, obwohl sie mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule ideengeschichtlich nichts zu tun haben, werden in dem Buch rezeptionsgeschichtlich nicht berücksichtigt.

      Und falls sich jemand auf wissenschaftlicher Grundlage mit der Entstehung der postmodernen Political Correctness beschäftigen möchte, (die allerdings mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule nichts zu tun hat), dann wäre hierzu das m.E. ausgezeichnete Standardwerk des Politikwissenschaftlers Mathias Hildebrandt zu empfehlen – Multikulturalismus und Political Correctness in den USA

      https://www.bol.de/shop/home/suchartikel/multikulturalismus_und_political_correctness_in_den_usa/mathias_hildebrandt/EAN9783531148762/ID10352038.html

      Das Buch beschreibt kenntnisreich, wissenschaftlich fundiert und mit Belegquellen, wie die postmoderne Political Correctness aus der US-amerikanischen Rezeption des französischen Strukturalismus und Poststrukturalismus in Verbindung mit einigen US-amerikanischen Quellen entstanden ist. Zwar steht in dem Buch der kulturrelativistische Multikulturalismus im Vordergrund, aber auch auf alle anderen Aspekte der postmodernen Correctness wird eingegangen. Das Buch ist pc-kritisch, aber sachlich. (Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule spielt in diesem Buch keine Rolle, weil sie für dieses Thema irrelevant ist.)

      Matthias Hildebrandt schreibt:

      „Der transformative Multikulturalismus hat seine Wurzeln in den politischen Erfahrungen der 60er und 70er Jahre, und seine philosophischen Grundlagen speisen sich aus Theorien, die in dieser Zeit entwickelt wurden. Von grundlegender Bedeutung sind dabei das „Black Power Movement“ und das „Ethnic Revitalization Movement“. In beiden Bewegungen wurde zum einen eine grundsätzliche Kritik der europäischen, insbesondere aber der amerikanischen Zivilisation entwickelt. Der Hauptgegner war die Kultur der White-Anglo-Saxon-Protestants (WASPs). Durch die Rezeption euro-afrikanischer Kolonialismustheorien und deren Übertragung auf die US-amerikanische Gesellschaft entstanden die Theorien des „Institutional Racism“ oder der „Structural Oppression“: Sie behaupteten die Unterdrückung all jener Minoritätenkulturen, die nicht zur WASP-Kultur gehören. Diese beiden Formen der Unterdrückungstheorie wurden im Rahmen des sich entwickelnden Multikulturalismus immer stärker mit dem Kulturbegriff der amerikanischen „Cultural Anthropology“ synthetisiert, der gewissermaßen die theoretische Grundlage des multikulturellen Kulturverständnisses lieferte. Ein weiteres wesentliches Ergebnis des „Black Power Movements“ und des „Ethnic Revitalization Movements“ war die Betonung der partikularen Identitäten der Minoritäten und der damit verbundene Aufstieg der „Identity Politics“. Der Multikulturalismus „drew from American identity politics. Its fundamental unit was the identity politics idea that in cultural affairs, the single most important way to classify people is by race, ethnicity, and gender – the kind of thinking that leads us to define one person as white male, someone else as an Asian female, a third person as a Latina lesbian, and so forth“ (Berman 1992b: 13). Unter dem Blickwinkel dieser „Identity Politics“ rezipierten amerikanische Intellektuelle im Laufe der 70erund 80er Jahre im Wesentlichen zwei europäische philosophische Quellen. Zu diesen gehören zum ersten die deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche, Martin Heidegger und Ludwig Wittgensein; zum zweiten der französische Strukturalismus von Ferdinand de Saussure, Claude Levis-Strauss und Roland Barthes und dem französischen Post- oder Ultrastrukturalismus von Michel Foucault, der Friedrich Nietzsche weiterführte, Jacques Lacan und Jacqes Derrida, deren Denken stark durch Martin Heidegger geprägt waren und der postmodernen Theorie Jean-Francois Lyotards, der stark auf die späte Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins zurückgriff. (…) Diese, in erster Linie europäischen Quellen postmodernen Denkens erhielten bei ihrer Rezeption eine eigentümliche amerikanische Wendung durch die Verbindung mit der „Identity Politics“ und führten zu einer typisch US-amerikanischen Ausbildung des postmodernen Diskurses in Form der „Politics of Difference“ (…). Diese Mischung aus (…) psychologischen und insbesondere postmodernen Theorien ist derart grundlegend für den amerikanischen „Multiculturalism“, das ohne diesen philosophischen Hintergrund die viel gescholtenen Phänomene der „Political Correctness“ gar nicht existieren würden, weil der multikulturellen Politik die theoretische Begründung und Rechtfertigung fehlen würde bzw. diese erst erfunden werden müsste.“

      (aus: Mathias Hildebrandt – Multikulturalismus und Political Correctness in den USA, VS Verlag, 2005, S. 93 f.)

        • @lh

          DOCH.
          Schau doch mal auf die Bildunterschrift unter Judith Butler: „Judith Butler, pioneer of Critical Theory“.
          In keinem einzigen Wort in „gender trouble“ geht Butler auf die sozialen Verhältnisse ein, die „gender“ erst bilden – das wäre bei einer Betrachtung der Kritischen Theorie überhaupt nicht möglich.
          Dass die Frankfurter Schule mit all diesen von Leszek genannten postmodernistischen Strömungen zusammen genannt wird ist ein WITZ, weil sie weder mit deren politischen, noch theoretischen Tradition etwas zu tun hat (und ich bin gar kein Anhänger der Frankfurter Schule).

          Wer derart schlampig denkt, wird den Kern meilenweit verfehlen und siehe da: „the whole point of critical theory, by its own admission, is to look beneath the appearance of universality and identify the power and interests that lie below.“

          Die *Antwort* bezüglich des WESENS von Macht haben die postmodernen und intersektionalen Theoretiker doch bereits gegeben: Macht kann identifiziert und personalisiert werden mit weißen, heterosexuellen Männern, die alle anderen unterdrücken, die weder ihre Hautfarbe, noch ihr Geschlecht, noch ihre sexuelle Orientierung haben.
          Nachdem einmal ein solches „Wesen“ identifiziert worden ist, haben dann die postmodernistisch-intersektionalen Aktivisten angefangen, jede *Erscheinung* diesem Verhältnis zuzuordnen.

          Nur würde einen solchen Quatsch niemand von sich geben, der sich an „Karl Marx’s notion of ideology“ orientiert, weil ein „weißer Mann“ ohne soziale Verhältnisse, in denen er lebt nicht existiert.
          Eine Theorie, die das Wesen von Macht an Hand von Geschlecht und Hautfarbe bestimmen will, fiele aus dieser Perspektive selber unter Ideologieverdacht – allein weil *empirisch zu beweisen wäre*, dass ohnmächtige, arme weiße Männer in den USA existieren.

          Nicht die *Hinterfragung* von scheinbar universellen Werten nach Partikularinteressen ist das Problem, sondern die idiotischen *Antworten*, die gegeben worden sind.
          Dass dem Autor das gar nicht klar ist, hat m.E. damit zu tun, dass im vom Leszek beschriebenen SPEZIFISCHEN US-Kontext die SPEZIFISCHE Ausgangslage des eigenen Denkens nicht bewusst ist.

          Beachte mal, wie oft die US- und angelsächsische youtuber den Terminus „western world“ verwenden. Sie sind nämlich der festen Überzeugung, dass sich ihre *spezifischen Verhältnisse* auf die „westliche Welt“ 1:1 übertragen lassen. Weil sie u.a. der Meinung sind, in ihrem spezifischen Diskurs würden die *universellen* Werte, Meinungen, Überzeugungen usw. verhandelt.
          Nicht wirklich.

        • @Crumar: Da hast Du natürlich recht. Diese Bildunterschrift ist offensichtlich falsch. Ich bezog mich auf den Text ansonsten, zu dem ich Bildunterschriften nicht zähle.

      • #Leszek

        Interessant, nachvollziehbar, bedenkenswert und lehrreich, danke.

        Dennoch für mich nicht tauglich als grundsätzliche „Entzauberung“ von J. Peterson, da ich diesen Teil seiner Überzeugung sowieso mit Skepsis betrachte.
        Aber: hier anderer (möglicherweise falscher) Meinung zu sein, diskreditiert niemanden in toto. Bzw. es diskreditiert nur dann, wenn diese (möglicherweise) falsche Meinung die BASIS seiner Überzeugung ausmacht. Das ist bei Peterson eben nicht der Fall. Er ist geistig und intellektuell anderswo gegründet – das von Dir so wütend Kritisierte ist ein Nebenaspekt.

        Vielleicht illustriert meine Haltung ein Zitat von jemandem, dem ich politisch wohl noch ferner stehe als JPeterson, nämlich Ernst Jünger:
        „Die Unterhaltung ist heute nur möglich zwischen Menschen, die diese Idee des Ganzen haben; dann freilich können sie an sehr entfernten Punkten stehen.“

        • @ Kostya

          Ja, ja, Kostya,
          Jordan Peterson ist für dich „gut“, weil er eine spirituelle Einstellung hat und was er ansonsten sagt und tut, ist dagegen unwichtig, sei es auch unwahr und unmoralisch.

          In dem Augenblick, in dem Jordan Peterson über seine persönliche jungianische Interpretation von Spiritualität hinaus auch als politischer Aktivist in Erscheinung tritt, ist er aber eben nicht mehr nur aus spiritueller Perspektive zu beurteilen, sondern auch aus ethischer und politischer Perspektive.

          Und was das angeht, sieht es für Jordan Peterson, wenn man eine universalistische neo-kantianische Moralauffassung zugrundelegt, angesichts seines Mangels an Wahrheitsorientierung, Verantwortungsbewusstsein und differenziertem Denkn, die in seinen Lügen, Verleumdungen, Hass-Attacken auf Andersdenkende (bis hin zum Gewaltaufruf) und seinem extremen Schwarz-Weiß-Denken zum Ausdruck kommen, nicht so gut aus.

          Der französische Philosoph Jaques Derrida, den Jordan Peterson in einem seiner Videos als den gefährlichsten Menschen im 20. Jahrhundert nach Hitler, Stalin und Mao dargestellt hat (eine der extremsten Verleumdungen, die ich je gehört habe), war übrigens kein Atheist, sondern stand der negativen Theologie in der christlichen und jüdischen Mystik nahe.

          Und hinsichtlich seiner moralphilosophischen Auffassungen war Jaques Derrida Anhänger der Ethik des jüdischen Religions-und Moralphilosophen Emmannuel Levinas. Ich halte Levinas und Derridas Ethik-Konzeptionen zwar keinesfalls für ausreichend und präferiere stattdessen die neo-kantianischen moralphilosophischen Positionen in der zeitgenössischen Moralphilosophie und Moralpsychologie, aber Jaques Derrida hat keineswegs „moralischen Nihilismus“ gepredigt.

          Die französische poststrukturalistische Philosophin und Psychoanalytikerin Julia Kristeva, die lange vor Jordan Peterson den vorherrschenden radikalen Feminismus kritisiert hat und die Political Correctness und Identitätspolitik ausdrücklich als totalitär und als Gefahr für die Demokratie bezeichnet hat, ist übrigens der Auffassung (obwohl sie selbst nach Eigenaussage nicht religiös ist), dass Menschen von Natur aus spirituelle Bedürfnisse hätten und man dies berücksichtigen müsse.

          Das müsste Jordan Peteson doch eigentlich gefallen. Von solchen Dingen hört man aber komischerweise nichts, wenn unser großer spiritueller Guru Jordan Peterson sich zum französischen Poststrukturalismus äußert. Was Jordan Peterson über den ursprünglichen französischen Poststrukturalismus erzählt, ist meist genauso falsch wie das, was er über Neomarxismus erzählt.

          Es ist nicht maßgeblich „seinen Schreibtisch, sein Zimmer oder sein Haus aufräumen zu können“, bevor man Andersdenkende kritisiert, viel wichtiger für ernsthafte Kritik ist Wahrheitsorientierung, die Bereitschaft zu wissenschaftlicher Recherche (und das kann u.U. Arbeit sein) und die Fähigkeit zur Selbstkorrektur.

          Aber mal was anderes, Kostya, wenn du dich für das Thema Spiritualität interessierst, warum bist du da so einseitig fixiert auf Jordan Peterson?

          Es gibt doch schon lange eine Richtung/Schule in der Psychologie, welche spirituelle Erfahrungen und spirituelle Entwicklung erforscht, nämlich die Transpersonale Psychologie, die sich aus der Humanistischen Psychologie heraus entwickelt hat.

          Ob spirituelle Erfahrungen ontologisch real sind bzw. auf eine ontologisch reale spirituelle Dimension verweisen oder ob es sich dabei nur um die Ausschüttung von Botenstoffen/Hormonen im menschlichen Gehirn handelt und nichts weiter, wissen wir nicht.
          Das die wissenschaftliche Beschäftigung der Psychologie auch mit spirituellen Erfahrungen völlig legitim ist, das finde ich aber schon.

          Die meisten transpersonalen Psychologen glauben an eine ontologische Realität spiritueller Erfahrungen, haben also in deinem Sinne eine spirituelle Orientierung. Sie stellen ihre Forschungsbefunde und Theorien übrigens auch in Beziehung zur Mystikforschung und vergleichenden Mystikforschung.

          Allerdings haben die meisten transpersonalen Psychologen keine reaktionären politischen Auffassungen (viele sind politisch linksliberal) und bei transpersonalen Psychologen findet sich auch nicht die für Jordan Peterson typische aggressive und intolerante Einstellung gegenüber Andersdenkenden und sein primitives Schwarz-Weiß-Denken.

          Stell dir vor, Kostya, Spirituelle Psychologie ist auch ohne reaktionäre politische Einstellungen, ohne Lügen, Verleumdungen und Hass-Attacken (bis hin zum Gewaltaufruf) gegen Andersdenkende und ohne extremes Schwarz-Weiß-Denken möglich. Dies müsste eine erfreuliche Nachricht für dich sein, wenn dich das Thema Spiritualität interessiert. 🙂

          • Mein lieber Leszek, ich geb auf.
            Deine Belehrungen mir gegenüber sind kindisch und dumm.
            Ich bin kein ungebildetes Kind, dem Du die Welt erklären mußt.

            Ich weiß, daß Spiritualität natürlich keine konservative politische Haltung bedingt, aber danke der Belehrung.
            (#all: Simone Weil zum Beispiel. Großartige Frau, tiefe Verbindung von Mystik und sozialem Engagement.)
            Ich kenne die Transpersonale Psychologie, Ken Wilber etwa. Aber danke, daß Du mir Hausübungen zuteilst, um meinen Horizont zu erweitern.
            (#all: Ken Wilber – Eros Kosmos Logos — großes Buch! Große Empfehlung!)
            Ich verorte mich selbst politisch in vielerlei Hinsicht links. Danke aber, daß Du mir mitteilst, wie ich deshalb zu denken hätte.

            Irgendein Furor reitet Dich, der Dich zwingt, dominieren zu müssen.
            Ich will nicht dominieren, Leszek, Dich nicht und niemanden sonst, ich wollte mit Dir sprechen.
            Wenn man mich zu dominieren versucht, stört mich das nicht, ich bin ich nicht gekränkt oder verletzt oder in meinem Ego angekratzt. Aber ich bin gelangweilt.
            Trotz Deiner intellektuellen Qualität langweilst Du mich nun.
            Lassen wir es sein.

            Trotzdem herzlicher Gruß
            Kostja

          • @ Kostya

            „Mein lieber Leszek, ich geb auf.
            Deine Belehrungen mir gegenüber sind kindisch und dumm.
            Ich bin kein ungebildetes Kind, dem Du die Welt erklären mußt.“

            Also Kostya, eine ironische Formlierung sollte man schon vertragen können. Und davon abgesehen „erklärt mein Kommentar nicht die Welt“, sondern beinhaltet eine präzise Argumentation.

            „Ich weiß, daß Spiritualität natürlich keine konservative politische Haltung bedingt, aber danke der Belehrung.

            Als ich das letzte Mal hier auf einen transpersonalen Psychologen verwies, kam es leider zu (inhaltlich falschen) „Rechts-Vorwürfen“, nachzulesen hier:

            https://allesevolution.wordpress.com/2017/09/13/selbermach-mittwoch-129-13-09-2017/

            Daher kann es schon sinnvoll sein zu erwähnen, dass transpersonale Psychologen oft linksliberale politische Einstellungen haben.

            „(#all: Simone Weil zum Beispiel. Großartige Frau, tiefe Verbindung von Mystik und sozialem Engagement.)“

            Ja, und des Weiteren war sie eine Vertreterin des Anarcho-Syndikalismus.

            „Ich kenne die Transpersonale Psychologie, Ken Wilber etwa. Aber danke, daß Du mir Hausübungen zuteilst, um meinen Horizont zu erweitern.
            (#all: Ken Wilber – Eros Kosmos Logos — großes Buch! Große Empfehlung!)“

            Wenn du „Eros, Kosmos, Logos“ gelesen hast, ist es m.E. aber erstaunlich, wie unkritisch du das Schwarz-Weiß-Denken von Jordan Peterson siehst.

            Zwischen dem geisteswissenschaftlichen Niveau von Ken Wilbers Postmodernismus-Kritik und der von Jordan Peterson liegen übrigens Welten. Ken Wilbers Kritik am französischen Poststrukturalismus stimme ich weitgehend zu.

            „Ich verorte mich selbst politisch in vielerlei Hinsicht links. Danke aber, daß Du mir mitteilst, wie ich deshalb zu denken hätte.“

            Habe ich nicht, ich habe lediglich darauf hingewiesen dass bei Jordan Peterson seine persönliche jungianische Interpretation von Spiritualität nicht mit Wahrheitsorientierung, Verantwortungsgefühl und diffferenziertem Denken in anderen Bereichen einhergeht und dass dies in der Transpersonalen Psychologie glücklicherweise in der Regel anders ist.

            „Trotz Deiner intellektuellen Qualität langweilst Du mich nun.“

            Da habe ich wohl mal wieder nicht ausreichend berücksichtigt, wie sensibel religiöse Menschen manchmal auf Kritik an für ihre religiösen Einstellungen relevante Dinge reagieren.

            Aber wenn es um eine Person geht, die sich so vehement und aggressiv in der Öffentlichkeit zu Wort meldet wie Jordan Peterson, dann muss eben auch deutliche Kritik erlaubt sein. Das müssen Jordan-Peterson-Fans dann schon aushalten.

            Interessanterweise scheint dich Jordan Petersons offensichtlicher Furor und Dominanzgehabe übrigens nicht so zu stören.

          • P.S.: „Ein Mensch, der sich etwas auf seine Intelligenz einbildet, ist wie ein Sträfling, der mit einer großen Zelle prahlt.“
            (Simone Weil)

          • Noch Mal P.S.: Mein erstes P.S. – das ein wenig böse ist – war abgeschickt, bevor ich Deine nun freundlichere Antwort gelesen habe.
            Schließen wir Frieden!

            K.

          • @ Kostya

            „Schließen wir Frieden!“

            Klar!
            Unser kleiner Disput war ja nichts, weswegen man sich persönlich streiten sollte.

  1. Das Interview war super und Peterson hat die kleine Blondine völlig auseinander genommen.

    Sie hat sich blamiert und als Pererson am Ende über sie lachte, könnte ich nicht anders als mitlachen.

    • Ich glaube direkt nach dieser Stelle fragte sie auch „What is in it for women?“. Ich fand diese Frage sehr bezeichnend. Warum müssen den Frauen irgendwelchen Nutzen daraus ziehen? Reicht es nicht, dass es Männern Sinn im Leben stiftet?
      Man muss sich das ganze mal andersherum vorstellen. Wenn ich bei irgendwelchen Selbstverwirklichungsratgebern für Frauen frage, was denn der Nutzen für Männer sei. Ich wäre mit Sicherheit ein ganz übler Frauenfeind. Dieser Vorwurf wäre noch nicht einmal komplett unangebracht.

      Bei solchen Sachen muss ich immer an die Worte meines Religionslehrers denken. Er erwähnte einmal nebenbei, dass die Aussage „Meine Kinder/Meine Frau/Meine Religion ist mein ein und alles“, die Aussage eines Trottels sei. Ich glaube er könnte damit Recht haben.
      Eine Gesellschaft, die sich nur auf die Interessen einer Gruppe (in diesem Fall Frauen) auslegt, kann auf Dauer nicht stabil sein. Man sieht jetzt schon die Auflösungserscheinungen.

      • „Warum müssen den Frauen irgendwelchen Nutzen daraus ziehen? Reicht es nicht, dass es Männern Sinn im Leben stiftet?“

        in der Tat würde es reichen. Aber es ist eben als Frage ein guter Ansatz, um Fallgruben für ihn vorzubereiten. Etwa ob es sinnvoll ist, dass man Frauen nicht mit einbezieht (weil der Feminismus das ja auch macht) ob er überhaupt an die Probleme von Frauen denkt etc. So hoffte man vielleicht ihm eine misogyne Haltung besser unterstellen kann.
        Deswegen finde ich auch seine Antwort sehr gut: Sie kann kaum dagegen argumentieren, dass jemand interesse an einem selbstbewußten, starken Partner hat. Sonst ist sie offensichtlich die böse

        • Sie kann kaum dagegen argumentieren, dass jemand interesse an einem selbstbewußten, starken Partner hat. Sonst ist sie offensichtlich die böse

          Sie kann nicht sagen und zugeben, was offensichtlich feministische Strategie ist. Die „Dekonstruktion der Männlichkeit(en)“ hat ein Ziel und dieses Ziel ist, männliches Selbstverständnis zu unterminieren und sie somit zu schwächen. Deshalb muss jeder Ansatz, der Männern eine positive Identität zu vermitteln versucht, von Feministen abgelehnt werden. Für Feministen ist nur eine schwache männliche Identität wünschenswert, weil im feministischen Universum männliche Stärke mit Dominanz, Hegemonie und Unterdrückung assoziiert wird. „Männlich“ ist in deren Anschauung nie positiv konnotiert. Daraus folgt zwingend, dass ein positives männliches Selbstverständnis bedrohlich ist.

          • @Pjotr

            „Die „Dekonstruktion der Männlichkeit(en)“ hat ein Ziel und dieses Ziel ist, männliches Selbstverständnis zu unterminieren und sie somit zu schwächen.“
            Nichts macht verständlicher, warum dieser Feminismus so herrschaftskompatibel ist.
            Solidarität ist Männerbündelei, männliche Kritik ist (mikro-)aggressiv, Stärke ist Unterdrückung.
            Es sind nicht zufällig männliche Eigenschaften, die sich im Kampf, im Widerstand herausgebildet haben und die nun alle als negative Eigenschaften denunziert werden.

            „Daraus folgt zwingend, dass ein positives männliches Selbstverständnis bedrohlich ist.“
            Ja und eins, das von dieser *Beziehung* unabhängig, also autonom ist.
            In allen den genannten Aspekten geht es immer um ein *Beziehungsverhältnis* zwischen den Geschlechtern, darauf baut die gesamte Argumentation auf.

            „Dominanz, Hegemonie und Unterdrückung“ macht nur Sinn, wenn ein Geschlecht Interesse am anderen hat, weil darin eine Beziehung verhandelt wird, von der aber vorausgesetzt ist, *dass* sie existiert.
            Deshalb kommt dieser Feminismus bei MGTOW auf die Idee, man müsse als MGTOWler Frauen hassen, weil durch „Hass“ wenigstens eine *emotionale Verbindung* existiert und dann ist es wieder eine Beziehung. Dass einem Frauen egal sind, macht die ganze weiblich-feministische Logik kaputt. 😉

        • Das ist auch ziemlich genau der Grund warum ich zwar immer gegen das Appeasment wettere, aber auch einsehe, dass Anti-Feministen soetwas wie „die Mission“ benötigen, also eine Einrichtung die die Leute überzeugt, und nicht nur gegen Feministen kämpft.

          Könnte ich an diesem Punkt nicht mehr (also mit Feministen diskutieren), die Niederträchtigkeit ist einfach zu offensichtlich an diesem Punkt.

      • Was haben Frauen davon? Nun, sie werden nicht verhungern, das wäre ihr Vorteil.
        Gesellschaften werden von Männern entworfen, gebaut und gewartet. Haben unsere Prinzessinnen wohl vergessen.

  2. Ch4 scheint das Interview ja schon zu reframen und es so darzustellen dass da irgendwie weiße Männer Schuld haben oder sich irgendwie falsch verhalten, statt zuzugeben das sie unvorbereitet und es selbst waren, die sich unprofessionell verhielt, in dem sie versuchten ihm jedes Wort umzudrehen oder zu einem gotcha Moment zu treiben bei dem er dann irgendwas sagt mit dem sie im dann Frauenfeindlichkeit oder sowas vorwerfen können.

    • Hier ist ein Twitter-Stream mit einer guten Prognose, wie die Geschichte weiter gehen soll.

      • Ich könnte fast Mitleid haben. Sie haben argumentativ nur so begrenzte Möglichkeiten, weil alle ihre Theorien von richtiger Wissenschaft zerlegt werden und alles zudem darauf aufbaut das Frauen gut sind und Männer immer nur schlechtes im Sinn und bestraft gehören (it is so important), was aber jeder mit offenen Augen für sich selbst widerlegen kann. Das einzige was ihnen bleibt ist Kritiker Frauenfeindlichkeit und dergleichen zu unterstellen. Was anderes können sie nicht.

        Die Wölfe kommen! Die Wölfe kommen!

        Der Interviewerin blieb nichts anderes übrig außer nichts zu sagen. Sie musste diesen Schritt gehen und sich wie ein dummer Bully verhalten und demjenigen der einen gerade durch Argumente oder Schlagfertigkeit dumm hat aussehen lassen, eine reinhauen um das Gesicht zu waren – in ihrer Vorstellung.

        Wirklich erstaunlich ist, dass die Medien das im so großen Stil fast geschlossen mitmachen. Die werden fast jedes Mal in den Kommentaren zerlegt und machen trotzdem mit den gleichen billigen Lügen weiter.

  3. Ich glaube direkt nach dieser Stelle fragte sie auch „What is in it for women?“. Ich fand diese Frage sehr bezeichnend. Warum müssen den Frauen irgendwelchen Nutzen daraus ziehen? Reicht es nicht, dass es Männern Sinn im Leben stiftet?
    Man muss sich das ganze mal andersherum vorstellen. Wenn ich bei irgendwelchen Selbstverwirklichungsratgebern für Frauen frage, was denn der Nutzen für Männer sei. Ich wäre mit Sicherheit ein ganz übler Frauenfeind. Dieser Vorwurf wäre noch nicht einmal komplett unangebracht.

    Bei solchen Sachen muss ich immer an die Worte meines Religionslehrers denken. Er erwähnte einmal nebenbei, dass die Aussage „Meine Kinder/Meine Frau/Meine Religion ist mein ein und alles“, die Aussage eines Trottels sei. Ich glaube er könnte damit Recht haben.
    Eine Gesellschaft, die sich nur auf die Interessen einer Gruppe (in diesem Fall Frauen) auslegt, kann auf Dauer nicht stabil sein. Man sieht jetzt schon die Auflösungserscheinungen.

  4. Die postmoderne Political Correctness, die keinesfalls mit dem ursprünglichen französischen Poststrukturalismus gleichgesetzt werden darf, der nicht politisch korrekt war, die Meinungsfreiheit bejahte und Identitätspolitik ablehne,

    hat – das ist eine Binsenweisheit – hemmende und lähmende Auswirkungen auf das kritische Denken sowie auf die Bereitschaft von der postmodernen PC abweichende Meinungen zu äußern.

    Ich hatte dazu ja einmal geschrieben, dass ich vermute, dass politisch korrekte Diskursstrategien auch deshalb funktionieren, weil sie dazu tendieren archaische evolutionär-psychologische Mechanismen bei vielen Menschen zu aktivieren, die noch aus einer Zeit stammen als Menschen in kleinen Stämmen zusammen lebten.

    Meine Hypothese diesbezüglich ist: Politisch korrekte Diskursstrategien aktivieren bei vielen Menschen eine archaische Angst vor Ausschluss aus dem eigenen Stamm. Nun leben wir heute zwar nicht mehr in kleinen Stämmen und sind nicht mehr auf deren Kooperation angewiesen, aber die entsprechenden evolutionär-psychologischen Mechanismen existieren noch und deshalb empfinden viele Menschen irrationale Angst, wenn ihnen durch argumentfreie politisch korrekte Diskursstrategien quasi symbolisch der Ausschluss aus der Gemeinschaft angedroht wird.

    Der frühe Kritiker jeder Form von Political Correctness Theodor W. Adorno hat vermutlich an etwas Ähnliches gedacht als er die negativen Auswirkungen argumentfreier politisch korrekter Diskursstrategien (die freilich in allen politischen Lagern in spezifischen Varianten auftreten) einmal folgendermaßen kritisch analysierte:

    „Nicht wenige Fragen gibt es, über die ihre wahre Ansicht zu sagen, fast alle mit Rücksicht auf die Folgen sich selbst verbieten. Rasch verselbständigt sich eine solche Rücksicht zu einer inneren Selbstzensurinstanz, die schließlich nicht nur die Äußerung unbequemer Gedanken, sondern diese selbst verhindert.“

    (aus: Theodor W. Adorno – Auf die Frage: Was ist deutsch, in: Gesammelte Schriften Band 10: Kulturkritik und Gesellschaft II. Eingriffe. Stichworte., Suhrkamp, 2003, S. 692)

    „Das Über-Ich, die Gewissensinstanz, stellt nicht allein dem einzelnen das gesellschaftlich Verpönte als das An-Sich-Böse vor Augen, sondern verschmilzt irrational die alte Angst vor der physischen Vernichtung mit der weit späteren, dem gesellschaftlichen Verband nicht mehr anzugehören, der anstatt der Natur die Menschen umgreift.“

    (aus: Theodor W. Adorno – Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie, in: Gesammelte Schriften Band 8: Soziologische Schriften, Suhrkamp, 2003, S. 47)

    Die postmoderne PC führt – wie jede andere Form von Political Correctness, wenn diese gesellschaftlich einflussreich wird (es gibt linke, liberale und konservative/rechte Formen von PC) – einerseits zu Desinformation, andererseits zu einer Angst abweichende Meinungen öffentlich zu äußern, (selbst wenn diese rational und humanistisch begründet sind).

    Dass große Teile der Bevölkerung in einer solchen Situation also entweder uninformiert/fehlinformiert sind oder sich nicht trauen rationale Argumente gegen die postmoderne PC vorzubringen, begünstigt, dass sich vor allem bestimmte Personen/Gruppen hinsichtlich der Kritik an der postmodernen PC oder Teilaspekten davon zu Wort melden:

    – Personen mit konservativen/rechten Ansichten.

    – Personen mit spezifischen problematischen Persönlichkeitsstilen oder Persönlichkeitsstörungen, die gerade aufgrund dieser Persönlichkeitskonstellationen trauen sich zu Wort zu melden.

    (In diese beiden Kategorien fällt für mich auch Jordan Peterson, den ich für einen Narzissten und rechten Demagogen halte.)

    – Personen, die in irgendeiner Weise von negativen Folgewirkungen der postmodernen PC konkret betroffen sind.

    – Personen mit gut entwickelter (gesunder) Ich-Stärke, die die postmoderne PC oder Teilaspekte davon aus einer aufklärerisch-menschenrechtlichen, humanistisch-universalistischen und herrschaftskritisch-emanzipatorischen Perspektive kritisieren.

    Zu diesem Spektrum zähle ich z.B. viele linke und liberale PC-Kritiker, linke und liberale Männerrechtler, linke und liberale Feminismus-Kritiker, linke und liberale Gender-Kritiker, linke und liberale Multikulturalismus-Kritiker usw.. Es ist dieses Spektrum der Kritik an postmoderner PC, mit welchem ich mich solidarisiere und welches ich fördern möchte, daher verweise ich z.B. häufig auf Schriften aus diesem Spektrum.

    Eine Situation, in der viele Menschen uninformiert sind oder sich nicht trauen sich mit rationalen und humanistischen Argumenten gegen die postmoderne PC zu Wort zu melden, begünstigt nun leider, dass ein aggressiver rechter Demagoge mit gewissen rhetorischen Fähigkeiten wie Jordan Peterson in den Vordergrund gelangt, seine eigene Variante konservativer/rechter PC – die ähnlich autoritär ist wie die linke PC-Variante – mit rationalen Argumenten gegen die postmoderne PC verbindet und dass dieses Gemisch aus Wahrheit und Lüge, reaktionärer Ideologie und begründeter Kritik an postmoderner PC dann Anhänger findet.

    Dass jemand, der gerne in der Öffentlichkeit steht und gewisse rhetorische Fähigkeiten besitzt sowie über rationale Argumente gegen den heute in westlichen Gesellschaften vorherrschenden Feminismus informiert ist, keine großen Probleme damit hat in einer öffentlichen Diskussion mit einer Anhängerin des Mainstream-Feminismus fertig zu werden, ist des Weiteren nicht gerade verwunderlich.

    Die autoritären und sexistischen Ideologien des klassischen Radikalfeminismus und des (vulgär-)poststrukturalistischen Gender-Feminismus stehen beide sowohl in wissenschaftlicher wie in ethischer Hinsicht auf sehr schwachen Füßen und überlebten nur aufgrund ihrer Institutionalisierung, eine Institutionalisierung, die sie primär dem Umstand zu verdanken haben, dass sie den Interessen neoliberaler ökonomischer und politischer Herrschatseliten stark entgegenkommen.

    Und dass Peterson Anhänger auch unter (jungen) Männern findet, deren spezifische Probleme, die zeigenössische politisch korrekte postmoderne Linke ignoriert, dass eine Linke, welche unter radikal/gender-feministischen Einfluss geraten ist und Diskriminierungen, soziale Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen von denen Jungen und Männer betroffen sind, nicht berücksichtigt, dazu führt, dass sich junge Männer von der Linken abwenden, ist ebenfalls nicht gerade überraschend.

    All dies ist aus soziologischer und sozialpsychologischer Perspektive wenig erklärungsbedürftig.

    Wichtiger und interessanter ist für mich die Frage, wie es gelingen kann das Spektrum aufklärerisch-menschenrechtlicher, humanistisch-universalistischer und herrschaftskritisch-emanzipatorischer Kritik an der postmoderner PC (oder Teilaspekten davon wie Gender-Kritik oder Multikulturalismus-Kritik) stark zu machen, was man also tun kann, um sowohl der postmodernen PC als auch der konservativen/rechten PC-Variante, wie unter anderem Jordan Peterson sie vertritt, eine wahrheitsorientiere und humanistische Alternative öffentlichkeitswirksam entgegenzusetzen.

    • Ich verstehe nicht so ganz, warum du, Leszek, dich derart an Peterson abarbeitest,
      Er hat sich entschieden gegen ideologisch motivierte Sprachregelungen ausgesprochen und hat sich dagegen gewehrt. Das ist gut so.
      Als Psychologe aber ist er als Analytiker gesellschaftspolitischer Bedingungen nicht sonderlich erhellend. Da ist der Materialist in einer kapitalistisch organisierten Wirtschafts- und Gesellschaftsform wesentlich besser aufgestellt.
      Es ist geradezu eine Krankheit der Psychologen, dass sie die psychische Verfasstheit eines Menschen analysieren, ohne die materiellen Grundlagen und Voraussetzungen angemessen zu berücksichtigen. Da wird Ursache und Wirkung eben mal so vertauscht. Das Bewusstsein bestimmt das Sein in deren Anschauung, was nicht ganz zufällig wunderbar in die Illusion der meritokratischen Gesellschaft, aka. kapitalistische Gesellschaft und Wirtschaftsform passt. Seine Gesellschaftskritik ist keine, sondern der untaugliche Ansatz, die Kritik am einzelnen Individuum fest zu machen. Er ist somit lediglich eine Gouvernante.

    • @Leszek:
      „was man also tun kann, um sowohl der postmodernen PC als auch der konservativen/rechten PC-Variante, wie unter anderem Jordan Peterson sie vertritt, eine wahrheitsorientiere und humanistische Alternative öffentlichkeitswirksam entgegenzusetzen.“

      Eine gute und schwere Frage, die zu beantworten ich mir weder zutraue, noch anmaßen würde.

      Aber, wenn ich die persönlichen Bezüge mal ausblende ( da ich, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, von Peterson keine Ahnung habe ), so könnte Dein Text durchaus eine brauchbare Einleitung ( oder zumindest ein Teil davon ) zu einer aufklärenden Schrift über PM-PC sein, der zumindest hier in dieser ( nicht allzu hermetischen ) Filterblase schon mal ein paar Leute erreicht.
      Insofern bist Du doch schon unterwegs in diese Richtung.

      Wobei ich die PM-PC ( so ganz für mich ) eigentlich eher als eine postmodernistische ( resp. antimoderne ) Erscheinung betrachte, da die Vehemenz, mit der sie betrieben wird, m.E. mindestens hart an einen Ismus grenzt, wenn nicht nicht die Grenze längst überschritten hat.
      Es geht ja scheinbar um nichts anderes, als die wissenschaftlichen und aufklärenden Errungenschaften der späten Moderne in manchen Bereichen maximal zu verwässern, verdrehen, oder ganz abzuschaffen, z.T. sogar in das glatte Gegenteil zu wenden ( aufkommender Neoviktorianismus, mit sämtlichen üblen Facetten des alten, in lediglich bunt übertünchten Adaptionen – offizielle Prüderie, starre Glaubenssysteme, bei gleichzeitig kaum kaschierten wilden Ausschweifungen z.B. – und noch lange nicht so mörderisch, aber das ist m.E. eine reine Frage von Zeit und Gelegenheit ).

    • @Leszek:
      „Wichtiger und interessanter ist für mich die Frage, wie es gelingen kann das Spektrum aufklärerisch-menschenrechtlicher, humanistisch-universalistischer und herrschaftskritisch-emanzipatorischer Kritik an der postmoderner PC (oder Teilaspekten davon wie Gender-Kritik oder Multikulturalismus-Kritik) stark zu machen, was man also tun kann, um sowohl der postmodernen PC als auch der konservativen/rechten PC-Variante, wie unter anderem Jordan Peterson sie vertritt, eine wahrheitsorientiere und humanistische Alternative öffentlichkeitswirksam entgegenzusetzen.“

      Indem du es auf die Wahrheit beschränkst und die Humanismus-Ideologie (und alle anderen auch) mal draußen lässt.

      Auf dem Stand waren wir gesellschaftlich auch schonmal (zumindest mehr als heute).

      Jede Ideologie erfordert Interpretation von Tatsachen, ist nie ganz konsistent, bildet NIE die Wahrheit komplett ab, hat immer irgendwelche Tabus. Sobald man Ideologie in seine Betrachtung einbringt (und der Humanismus ist eine sehr aufdringlich-totalitäre und dabei sehr unscharfe), engt man die Diskussion ein, muss Vertreter anderer Ideologien aussperren und schafft eine Schützengrabenmentalität, bei der sich jeder im Besitz der Wahrheit wähnt und sie erbittert verteidigt.

      Genau das, was wir jetzt haben. Und das unscharfe Humanismusverständnis der meisten Menschen hat einen gerüttelten Anteil daran. Erinnern wir uns: angeblich soll, aus Menschenrechtsgründen, jeder Mensch weltweit bei uns Vollversorgung beanspruchen können. Das ist zwar vollkommen irrational, aber alle Gegner kann man als Menschenfeinde brandmarken und damit zum Schweigen bringen.

      Was wir brauchen ist eine Rückbesinnung auf Wahrheit und Meinungsfreiheit. Wir müssen die PC-Gefühlsdusel wieder so behandeln, wie es ihnen entspricht: sie zum Nervenarzt schicken oder wenigstens auslachen…

  5. Danisch liefert gerade Überlegungen dazu, wie immer „neural“ argumentiert:
    http://www.danisch.de/blog/2018/01/21/berlin-schrumpft-hirn/

    Zitat:
    „Je mehr ich drüber nachdenke: Ist der Männerhass des Feminismus, generell der Hass-Krieg gegen den „weißen, heterosexuellen Mann” letztlich nur der Versuch, Ideologie und Amygdala unter einen Hut zu bringen?
    Die Amygdala wähnt sich im Zustand permanenter Bedrohung und will einen Feind identifizieren und bekämpfen. Die Ideologie verbietet jedoch Kritik an allen geschützten Gruppen, alles was als homophob oder rassistisch gelten könnte. Also muss der von der Amygdala geforderte Feind das sein, was die Ideologie als einziges nicht schützt: Der weiße Mann.“

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