Interview zur neuen Meldestelle für Antifeminismus

Die Taz hatte – gefunden über Arne – ein Interview zu der neugeschaffenen „Meldestelle für Antifeminismus“:

Interviewt wird Ans Hartmann:

Ans Hartmann

leitet die Meldestelle Antifeminismus der Amadeu Antonio Stiftung, die seit dem 1. Februar unter antifeminismus-melden.de online ist. Hartmann arbeitete zuvor beim Bundesverband für Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe am Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“.

Das Interview

(…)

Warum gibt es die Meldestelle?

Bisher gibt es keine systematische Erfassung von antifeministischen Vorfällen. Wir wollen dokumentieren, wie alltäglich Antifeminismus ist, wie differenziert er sich äußert und vor allen Dingen auch, in welchen Bereichen er eine Rolle spielt. Es wird eine Art Evaluation und Kategorisierungen geben, um zu gucken, welche Ebenen von Antifeminismus wir sehen.

Wir wollen aber nicht nur sammeln, wir wollen Antifeminismus als Problem benennen und das sichtbar machen und nach außen tragen. Das heißt, wir werden jährlich ein Lagebild zu Antifeminismus veröffentlichen, in dem wir die verschiedenen Problemfelder aufzeigen wollen. Wir wollen es in den Fachaustausch und die Bildungsarbeit tragen, aber damit auch an die Politik herantreten.

Ein für so etwas sehr dankbares Projekt. Es ist ja ganz egal, was eingeht, solange etwas eingeht. Daraus kann man dann beliebige Nachrichten machen. Wenn zuwenig eingeht, dass trauen sich die Leute nicht und man braucht mehr Geld. Geht zu viel ein, dann braucht man mehr Aktionen gegen Antifeminismus und damit noch mehr Geld. Gehen nur Beiträge ein, die die Berechtigung des Antifeminismus deutlich machen sollen und spotisch Frauenfeindlichkeit im Feminismus aufzeigen, dann nennt man einfach eine Zahl ohne nähere Auswertung des Inhalts und konzentriert sich auf die besseren Beispiele.

Es ist schade, dass es so etwas in der Art nicht zu Männerfeindlichkeit gibt bzw das dafür eben keine Stiftung Geld bereit stellen wird und keine Fördergelder bewilligt werden.

Mit welchen Vorfällen rechnen Sie bei der Meldestelle?

Da sich Antifeminismus vielschichtig äußert, hoffen wir, dass auch viele verschiedene Meldungen bei uns ankommen. Dazu gehören Vorfälle wie die sogenannte Gehsteigbelästigung vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen oder vor Arztpraxen, die Abtreibungen vornehmen.

Das kann, wenn man jetzt in bestimmten Botschaften denkt, auch ganz simpel ein Plakat mit einer Schmiererei sein. Ich sehe aktuell viele beschmierte Wahl-Plakate mit Begriffen wie „Massenmörder (Paragraf 218)“ und „Homosexverbrecher“. Was sicherlich auch eine Rolle spielen wird, sind Angriffe auf queere Veranstaltungen, zum Beispiel am Rande von einem Christopher Street Day.

Homosexverbrecher ist antifeministisch?

Das heißt, auch der Kontext spielt eine Rolle?

Wenn Menschen mit queerfeindlichen Aussagen auf einer Demo angegriffen oder körperlich verletzt werden, kann man davon ausgehen, dass es eine antifeministisch motivierte Tat ist. Antifeminismus ist an sich ja nicht als Strafbarkeitsbestand fassbar. Die meisten Sachen, die bei uns ankommen werden, liegen wahrscheinlich unter der sogenannten Strafbarkeitsschwelle.

Der Radikale Feminismus ist damit antifeministisch. Aber das ist ja nur fair, aus Sicht der Radfems sind die transaktivisten auch Männerrechtler

(…)Was ist das eigentlich, Antifeminismus?

Antifeminismus wendet sich gegen Emanzipationsbestrebungen und äußert sich häufig als organisiertes Vorgehen gegen Geschlechtergerechtigkeit und körperliche sowie geschlechtliche Selbstbestimmung.

Das ist eine interessante Definition. Mit ziemlich vielen „unbestimmten Begriffen“. Emanzipationsbestrebungen beispielsweise sind eben auch Männer, die mehr Rechte an ihren Kindern wollen oder Aufmerksamkeit für Gewalt gegen Männer. Was ist Geschlechtergerechtigkeit? Man würde ja meinen der Kampf gegen ungerechte Quoten könnte da durchaus drunter erfasst werden. „Körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung“ ist auch ein recht weiter Begriff. Sind lesbische Radfems, die sich dagegen wehren, dass man sie als Terfs bezeichnet weil sie nicht mit Transfrauen mit Penis schlafen wollen Kämpfer für „Geschlechtliche Selbstbestimmung?“

Man kann sagen, dass Antifeminismus eine Ideologie ist, die eine als natürlich angenommene Geschlechterordnung und die Aufrechterhaltung heteronormativer Geschlechterverhältnisse verteidigt. Das antifeministische Weltbild baut auf Sexismus, Frauen- und Queerfeindlichkeit auf.

Auch schön weit-

Welche Rolle spielt dabei Rassismus?

Wir wissen, dass antifeministisch motivierte Gewalt Menschen, die von Rassismus betroffen sind, noch einmal in einer besonderen Qualität und Quantität trifft. Thematisch sieht man das stark in der rassistischen Instrumentalisierung von Frauenrechts- und Gewaltschutzthemen. Es wird gesagt, „wir“ müssen Frauen vor Gewalt schützen. Aber Gewalt gegen Frauen wird gegen alle Fakten als alleiniges Problem nicht-weißer Täter dargestellt, um die rassistische Stimmung anzuheizen, um Einfluss auf Migrations- und Asylpolitik zu nehmen.

Rassismus muss bei Antifeminismus natürlich eine Rolle spielen, denn Feminismus ist ja intersektional.

Und inwiefern geht Antifeminismus in andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit über?

Ein aktuelles Thema ist Transfeindlichkeit. Auf dieses Thema hat man sich übergreifend quasi geeinigt, darin sieht man großes Mobilisierungspotenzial. Die Themen, die im Antifeminismus drin sind, wir sprechen häufig von antifeministischen Narrativen, die verbinden viele verschiedene antifeministische Akteur_innen.

Transfeindlichkeit ist eines der größten aktuellen Mobilisierungselemente rechter und religiös fundamentalistischer Bewegung. Dazu muss man sagen, dass die Narrative und Einstellungen auch in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte zu finden sind.

Radfems sind eben keine echten Schotten äh Feministen, und daher Antifeministen.

Ist der Politik denn das Problem des Antifeminismus bewusst?

Ich glaube, was massiv unterschätzt wir­d:­ An­ti­fe­mi­nis­mus und antifeministische Ideen sind sowas wie eine Einstiegsdroge in rechte und extrem rechte Bewegungen und rechtes Gedankengut. Das sieht man auch bei verschiedenen rechtsterroristischen Attentaten in den letzten Jahren.

Zum Beispiel in Halle.

Genau. Wenn man sich die Manifeste der Täter hinterher durchliest, spielt Hass auf Frauen, Incel-Ideologie und ein manifestes antifeministisches Weltbild immer eine Rolle in der Begründung und Radikalisierung.

Da wird hübsche alles in einen Topf geworfen und dann ordentlich umgerührt.

Welche Rolle spielt denn allgemein das Internet?

Das Internet ist grundlegend für die Verbreitung und Aufbereitung antifeministischer Erzählungen. Antifeminismus ist immer auch eine Diskursstrategie. Gleichzeitig äußert sich Antifeminismus im Netz als organisierte Angriffe auf Bewegungen, Menschen und Stimmen, die für Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung stehen.

Klar, das Internet ist für jede Bewegung wichtig, weil damit Grenzen überwunden werden und Menschen leichter Gruppen bilden können, weil Entfernung keine Rolle mehr spielt.

Das ist das Ziel von antifeministischen Akteur_innen – dass diese Menschen sich nicht mehr äußern, nicht mehr sichtbar sind und zurückgedrängt werden. Da, wo die Räume für zivilgesellschaftliches Handeln immer kleiner werden, spricht man auch von Shrinking Spaces.

Auch nett wenn man berücksichtigt, dass die Cancel Culture und die Boykottaufrufe bei nicht genehmen Verhalten im intersektionalen Feminismus sehr beliebt sind.

Es gibt auch strukturellen Antifeminismus, der in den Institutionen verankert ist – beispielsweise vor Gericht, wenn es um das Umgangsrecht von Kindern geht. Wie gehen Sie damit bei der Meldestelle um?

Das wäre auf jeden Fall ein Thema. Das kann ja ein Urteilsspruch sein oder bestimmte schlimme Urteilsbegründung, an denen man sieht, dass zum Beispiel die Väterrechtslobby ein paar Talking Points gesetzt hat, die wir dann auch gut sichtbar machen wollen, in der Art und Weise, wie wir es auswerten.

Strukturellen Antifeminismus beim Umgangsrecht von Kindern? Weil die bösen Männer einfach Umgang mit ihren Kindern wollen?

Sie haben gerade die Väterrechtslobby angesprochen. Wie antifeministisch ist die?

Das, was die Väterrechtslobby macht und die Aussagen oder Narrative, die sie bedient, sind grundlegend antifeministisch. Letztendlich sind es sehr frauenfeindliche Konzepte, die sie in die Gerichte einbringen. Beim Parental Elimination Syndrom (Eltern-Kind-Entfremdung durch manipulatives Verhalten eines Elternteils, Anm. d. Red.) ist schon lange bewiesen, dass es nicht in der Form existiert, in der die Väterrechtslobby es verwendet. Wenn man sieht, welche Netzwerke und Lobbyarbeit dahintersteckt und wie lange das schon betrieben wird, ist es ein klassisches antifeministisches Betätigungsfeld.

Auch schön. Vollkommen inhaltsarm. Sie sind einfach antifeministisch, was soll man da auf die obige Definition näher eingehen? Und PES kann natürlich nur etwas sein, was nicht existiert.

Was sind drei Themen, die im Moment relevant sind im Bereich Antifeminismus?

Ein großes Thema, was ja quasi der Dauerbrenner ist, sind Angriffe und Einschüchterungen auf Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. Ich denke da zum Beispiel an den Shitstorm gegen Sarah-Lee Heinrich von den Grünen. Oder Gleichstellungsbeauftragte und Lokal-Politikerinnen im ländlichen Raum. Frauen werden fertiggemacht und haben letztendlich gar keine Lust oder sichere Möglichkeit mehr, tätig zu sein. Das betrifft ja genauso gut Frauen, die im Netz sichtbar sind.

Zu Sarah-Lee Heinrich hatte ich auch was. Aber eben auch dazu, dass männliche Politiker weitaus mehr unter Beschuss stehen als weibliche.

Das schließt sich ja nicht aus: Sarah-Lee Heinrich wurde ja auf Twitter angegriffen.

Genau. Das ist ein großes Thema, Verunmöglichung von Repräsentanz, von Sichtbarkeit.

Was wäre ein zweites wichtiges Thema?

Ein sehr großes Thema ist Trans- beziehungsweise Queerfeindlichkeit, wo sehr viel Mobilisierung und sehr viel Hass gerade verbreitet wird, auch rund um das geplante Selbstbestimmungsgesetz. Man konnte quasi zusehen in den letzten Jahren, wie relevant das geworden ist und etwa an die Diskurse aus den USA oder aus Großbritannien angeknüpft wird. An der Lebensrealität von trans Personen sieht man, wie wirkmächtig so was ist.

Inwiefern?

Es gibt Meldungen, die zeigen, dass Gewalt gegen trans Personen im öffentlichen Raum massiv zugenommen hat. Aber das passiert ja nicht einfach so. Es ist eine strategische Entscheidung, so ein Thema stark zu bedienen.

Das kann natürlich auch nicht daran liegen, dass Transaktivisten immer mehr Forderungen stellen und ihrerseits aus Sicht anderer Shrinking Spaces herbeiführen wollen.

Und als drittes Thema?

Wir merken, dass die christlich-fundamentalistischen Akteur_innen sich immer weiter radikalisieren und weltweit vernetzen, zum Beispiel in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche und in Deutschland gegen die Streichung von Paragraf 218.

Das finde ich ja noch ganz interessant. Was sind denn da die führenden Seiten?