via Arne
Siehe auch:
Das Bundesarbeitsgericht hat eine interessante Entscheidung zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen gemacht.
Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts:
Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.
Das ist insofern interessant, weil es ein Stück Verhandlungsfreiheit wegnimmt, wenn ich das richtig verstehe (man wird natürlich den Langtext abwarten müssen). Da Frauen üblicherweise zurückhaltender beim Fordern sind wäre damit beim Arbeitgeber ein gewisses Problem vorhanden, dass er, wenn er einem gut verhandelnden Mann mehr Lohn gibt das evtl auch anderen Mitarbeiterinnen geben muss (aber nicht den schlecht verhandelnden männlichen Mitarbeitern?)
Der letzte Punkt macht es auch etwas merkwürdig: Im Schnitt mögen Männer eher härter verhandeln als Frauen, aber individuelle Männer können dennoch zurückhaltende Verhandler sein. Gut, es könnte sich insofern lohnen einen schlechten Verhandler einzustellen, am besten einen von beiden Geschlechtern, auf die man dann immer verweist und somit den Verdacht entkräftet, dass man es wegen des Geschlechts gemacht hat.
Die Klägerin ist seit dem 1. März 2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500,00 Euro brutto. Ab dem 1. August 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der ua. die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Die für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah ein Grundentgelt iHv. 4.140,00 Euro brutto vor. In § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags heißt es: “Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120,00 €/brutto in den Jahren 2018 bis 2020“ (Deckelungsregelung). In Anwendung dieser Bestimmung zahlte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. August 2018 ein Grundentgelt iHv. 3.620,00 Euro brutto, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.
Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1. Januar 2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt iHv. 3.500,00 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, dh. für die Zeit bis zum 31. Oktober 2018 ein höheres Grundentgelt iHv. 4.500,00 Euro brutto. Die Beklagte gab dieser Forderung nach.
Klingt als würde es dadurch gerade für kleinere Betriebe problematisch. Wobei ich noch nicht ganz verstanden habe, wie der zweite Mann bezahlt worden ist, wenn der auch schlechter bezahlt worden wäre, dann wäre eine Widerlegung, dass es nur aufgrund ihres Geschlechts erfolgt ist zumindest eher möglich
Nachdem die Beklagte dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Klägerin – ein Grundentgelt iHv. 3.500,00 Euro gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab dem 1. Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000,00 Euro brutto. Zur Begründung berief sie sich ua. darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab dem 1. August 2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das sich in Anwendung der „Deckelungsregelung“ des § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags auf 4.120,00 Euro brutto belief.
Das ist ja eigentlich ein interessanter Punkt. Und ich vermute mal die Beklagten haben sich darauf verlassen, dass das Argument zieht: Wenn man einen Mann so bezahlt wie die Frau, die vorher auf dem Posten war, dann kann es ja schlecht an dem Geschlecht des Mannes liegen. Aber durch den Wechsel von Frau auf Mann wäre es dann anscheinend – mal sehen ob da der Langtext mehr bringt – eine Diskriminierung. Das mag nur daran liegen, dass sie nicht dazu vorgetragen haben, dass gerade diese Stelle auch einen höheren Lohn rechtfertigt, weil sie sich auf das Argument der vorherigen Frau mit gleicher Bezahlung verlassen haben.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 iHv. monatlich 1.000,00 Euro brutto, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2017 iHv. 500,00 Euro brutto sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 iHv. monatlich 500,00 Euro brutto. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung iHv. mindestens 6.000,00 Euro. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Gleiche Arbeit, gleiches Gehalt. Klingt ja durchaus einfach. Allerdings ein Urteil, welches dann natürlich dazu führen wird, dass man beim nächsten Fall dieser Art wesentlich anders vortragen wird und den Unterschied zwischen den beiden Stellen mehr herausarbeiten wird. Hier hatten die Vorinstanzen die Klage abgewiesen, man fühlte sich da vermutlich noch relativ sicher, weil es eben auf anderen Verhandlungen beruhte, was ja mit dem Geschlecht erst einmal nichts zu tun hat.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ganz überwiegend Erfolg.
Die Beklagte hat die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV*, § 3 Abs. 1** und § 7 EntgTranspG*** auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG****, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.
Auch hier wäre wieder die Urteilsbegründung interessant. Vielleicht muss man dann einfach mehr zu der Verhandlung ausführen, darlegen, dass sie besonders schnell zugestimmt hat und er ganz anders aufgetreten ist etc. Und man wird wahrscheinlich auch anführen müssen, warum die Mitarbeiterin besser bezahlt war.
Für den Zeitraum ab dem 1. August 2018 ergibt sich der höhere Entgeltanspruch der Klägerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet die „Deckelungsregelung“ in § 18 Abs. 4 Haustarifvertrag auf die Klägerin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hat.
Der Senat hat dem auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG***** gerichteten Antrag der Klägerin teilweise entsprochen und dieser eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts iHv. 2.000,00 Euro zugesprochen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21 –
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 3. September 2021 – 1 Sa 358/19 –*Art. 157 Abs. 1 AEUV:
Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.
**§ 3 EntgTranspG (Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts):
(1) Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.
***§ 7 EntgTranspG (Entgeltgleichheitsgebot):
Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.
****§ 22 AGG (Beweislast)
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
*****§ 15 AGG (Entschädigung und Schadensersatz)
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
Ich werde mal nach dem Volltext schauen.