„Was für eine Leistung ist es, nicht gewalttätig zu sein? Für männlich gelesene Menschen: Respekt!“ (emotionale Arbeit)

Über „Gib dein Geld an Frauen“ habe ich schon mal berichtet. Es geht darum, dass Frauen angeblich die ganze unbezahlte emotionale Arbeit machen und deswegen dafür entlohnt werden müssten:

Dazu findet sich ein dieses Konzept preisender Artikel in dem Missy Magazin:

Viele Verhaltensweisen, die ich grob unter „nett sein“ verbuchen würde, sind stark weiblich gegendert, das heißt, ich (und leider nicht nur ich) verbinde dieses Verhalten unsinnigerweise eher mit Menschen, die als Mädchen oder Frauen gegendert werden. Das heißt, von ihnen erwartet die Gesellschaft eher als von Männern (sorry, mehr Geschlechter gibt es in diesem Fall nicht) eine bestimmte Art des Zuhörens und Reagierens, der Fürsorglichkeit, der Zugewandtheit bis zum mütterlichen Märtyrerinnentum. (…)

Geld verdienen und die Familie ernähren wäre dann mit Menschen, die als Männer oder Jungen gegendert sind verbunden und würde von ihnen mehr erwartet werden. Und natürlich würden Männer nie fürsorglich sein, oder jemanden zugewandt, oder gar zuhören oder noch besser tatkräftig helfen.

Den Begriff der Arbeit zu verwenden, kontrastiert ein Verständnis von Fürsorge, das diese als weibliche Tugend naturalisiert und im gleichen Atemzug ein Stück weit entwertet. Weiberkram. Dem so gedachten „Wesen der Frau“ nach sind Frauen einfach so, mit der zweiten Betonung auf einfach. Es ist für sie keine Anstrengung, daher auch keine Leistung. Männer, bekanntlich das Gegenteil von Frauen, sind dementsprechend von Natur aus nicht so nett und fühlig, weshalb es ungerecht wäre, hier nicht mit zweierlei Maß zu messen. Unverständlich, warum sich seine Freundin von ihm trennte, obwohl er sie doch niemals geschlagen oder betrogen hat! Unverständlich, warum er noch nie eine Freundin hatte, obwohl er sie doch niemals schlagen oder betrügen würde! Diese undankbaren Schlampen.

Also bei Frauen erwartet man, dass sie nett sind und deswegen belohnt man es nicht (anscheinend auch nicht andere Frauen und natürlich erst recht nicht Männer) und bei Männern erwartet man es erst gar nicht, weswegen sie sich benehmen können, wie die Axt im Walde und für alles einen Freischein bekommen. Ein nettes Bild hat die Autorin da von den Geschlechtern.

Solche Dinge sagen nicht nur sexistische Amokläufer, sondern auch ganz normale Exfreunde. Seine Partnerin nicht wegzumördern oder zu betrügen, zählt allerdings noch nicht zu Emotional Labor, sondern eher zu den Basics menschlichen Miteinanders, auch wenn selbst das nicht sicher sitzt. Was für eine Leistung ist es, nicht gewalttätig zu sein? Für männlich gelesene Menschen: Respekt! Für alle anderen: Hm ja, normal?

Ich weiß wirklich nicht, wie Leute auf die Idee kommen, dass Feminismus männerfeindlich sein könnte. Keine Ahnung. Dabei erkennen sie einfach nur, wie leicht es Männer haben, bei ihnen wird schon anerkannt, dass sie nicht gewalttätig bist.

Aber während etliche Männer sich erfolgreich (!) an solchen (für die anderen, haha) existenziellen Hürden abrackern, ohne je ein Wort des Dankes zu hören, rollen schon die nächsten Ansprüche heran: sich an Geburtstage erinnern, den Müll unaufgefordert rausbringen, bei einer Familienfeier auch mal selbstständig den Abwaschberg angehen, eine neue Klopapierrolle aufhängen. Ja, das sind Kleinigkeiten, die alle nur sagen: Ich erkenne, dass es andere Menschen gibt und dass andere Menschen nicht meine Sidekicks sind. Hilfreich wäre sicher, wenn dieser Grundsatz nicht an eine arbiträre Hälfte der Menschheit gerichtet würde.

Klar, und diverse Sachen reparieren, das Wischwasser am Auto nachfüllen und gegenüber Dritten auftreten sollte auch nicht an eine arbiträre Hälfte der Menschheit gerichtet sein, um mal ähnlich klischeehaft zu antworten.

Zugegeben, das mit der Resozialisation ist ein zähes Geschäft. Und es mag der Einwand kommen, dass wir doch nicht mehr in den Fünfzigern leben (Glückwunsch an alle, die einen signifikanten Unterschied vernehmen) oder dass Männer dafür immer noch so quasi das Geld ranschaffen, also wie in den Fünfzigern. Gut. Schafft das Geld ran! Pay up! #GiveYourMoneyToWomen heißt der von Lauren Chief Elk-Young Bear (@ChiefElk) mit @cheuya, @BardotSmith und @YeoshinLourdes gestartete Hashtag. Die Idee: Frauen und insbesondere marginalisierte Frauen leisten Emotional Labor nicht mehr selbstverständlich gratis und unlimitiert, sondern bewusst und gegen Bezahlung.

Das halte ich teilweise für eine sehr gute Idee: Wenn sie nicht dafür bezahlt werden, dann belehren sie einen bis man sie bezahlt nicht mehr über Feminismus etc. Ich würde diese Theorie gerne von allen Feministinnen übernommen wissen. Der zweite Vorteil wäre, dass viele Frauen merken, dass ihre Leistung den Männern nicht das wert ist, was sie dafür ansetzen.

Jeder, dessen Antikapitalismus an ausgerechnet dieser Stelle zuckend erwacht, möge innehalten und sich fragen, wieso. Warum sollen Frauen, die disproportional eine bestimmte Arbeit umsonst leisten, hierfür keine Bezahlung von Leuten verlangen, die andere Arten der Reziprozität verweigern? Ein Paradebeispiel hierfür ist Sexarbeit und ja, wirklich, wieso sollte überhaupt noch irgendwer mit heterosexuellen Männern gratis Sex haben, so als Prämisse?

Interessanterweise scheint keiner der Männer, mit dem die Autorin schläft genug an ihr interessiert zu sein um sich irgendwie um sie zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es ihr gut geht. Sie scheinen mehr oder weniger einfach nur auf ihr zu onanieren und sie meint nun, dass das normal ist. Sonst wäre es mir nicht verständlich, warum sie der Auffassung ist, dass Sex sich für Frauen nicht auszahlt und daher eine Belohnung in Geld bei jedem Sex fällig ist.

Echte Menschen erledigen Emotional Labor natürlich nicht so schablonenhaft, wie das binäre Denken von Cisgeschlechtlichkeit mit all seinen Implikationen es suggeriert. Der Begriff schafft ein grobes Analyseinstrument für soziale Interaktionen. Benutze ich bestimmte Menschen ständig in dieser Hinsicht? Werde ich ausgenutzt, gibt es Gegenseitigkeit? Und er legitimiert das diffuse Gefühl von Erschöpfung, das ich in Bezug auf manche Menschen haben kann, wenn diese nur nehmen, nehmen, nehmen. Emotional Labor zu leisten erfordert kein angeborenes Talent, sondern ist immer Aufwand, der nicht zu gering geschätzt werden sollte. Emotionale Arbeit hält die Welt am Laufen.

Interessant ist, dass sie dennoch dafür als Frau nicht zahlen will, wenn Männer sie für sie erledigen. Ein #giveyourmoneyforemotionallabour wäre zwar lang, aber würde wenigstens die Geschlechterbinarität nicht so betonen. Als ob Transpersonen oder die vielen anderen nichtmännlichen Geschlechter keine emotionale Arbeit leisten würden!!! 1