„Nein heißt Nein“ und das Thunsche Kommunikationsquadrat

In einem bereits etwas älteren Kommentar hatte ich mal etwas zu „Nein heißt nein“ geschrieben. Es geht darum, dass „Nein heißt Nein“ lediglich auf die Sachebene abstellt, aber die anderen Ebenen, auf denen üblicherweise kommuniziert wird, und aus denen sich der Gesamtzusammenhang einer Aussage ergibt, dabei nicht berücksichtigt wird:

Mir fällt da zB Schulz von Thun und sein Kommunikationsquadrat ein:

  • Die Sach-Ebene beinhaltet die reinen Sachaussagen, Daten und Fakten, die in einer Nachricht enthalten sind.
  • In der Selbstoffenbarung vermittelt der Sprecher bewusst oder unbewusst – etwas über sein Selbstverständnis, seine Motive, Werte, Emotionen etc.
  • Auf der Beziehungs-Ebene wird ausgedrückt bzw. aufgenommen, wie der Sender zum Empfänger steht und was er von ihm hält.
  • Der Appell beinhaltet einen Wunsch oder eine Handlungsaufforderung.

Nein heißt Nein betrifft die Sachebene. Nein heißt Nein.

  • In der Selbstoffenbarung kann Nein heißen, dass die Neinsagerin deutlich machen, dass ihre Wert einen One-Night-Stand nicht zulassen oder aber auch nur, dass sie deutlich machen will, dass sie nicht mit jedem ins Bett steigt, sondern es schon ein besonderer Anlass sein muss oder aber, dass sie diese bestimmte Handlung nicht mag oder aber, dass es ihr zu schnell geht und sie noch etwas mehr Sicherheit benötigt, dass er sie nicht verurteilt oder sie als Schlampe abwertet. Dies alles steht nicht zwangsläufig gegen Sex.
  • in der Beziehungsebene kann mit dem Nein angesprochen werden, dass man sich zu fremd für Sex ist oder aber auch nur, dass sie sich nicht klar ist, ob man eher ein Freund ist oder wirklich auch ein Liebhaber. Vielleicht will sie deutlich machen, dass sie nicht nur eine Bettgeschichte ist oder nicht nur eine Kerbe in seinem Bettpfosten, sondern sicher sein muss, dass sie danach in einer respektvollen Beziehung stehen werden.
  • der Appell kann sein, dass man sofort aufhören soll, er kann aber auch sein „versichere mir, dass du mich liebst/auch nach dem Sex noch an mir interessiert bist/unsere Freundschaft nicht kaputt geht/du nicht jedem erzählen wirst, dass ich mich dir geschlafen habe und ich als Schlampe dastehe/du einfühlsam sein wirst/du meine Grenzen beim Sex akzeptierst.

Hier kann es natürlich zu Missverständnissen wie bei jeder Kommunikation kommen. Eine gründliche Analyse im Sinne eines Einfühlens ist dabei sicherlich erforderlich. Andererseits ist meine Erfahrung, dass Frauen den Appell durchaus recht deutlich machen. Sie starten mit einem Nein und schieben, wenn man es nicht versteht zur Not ein Nein, echt nicht, lass es“ oder ein „Nein, verdammt, ich habe doch gesagt ich will das nicht“ hinterher. Dann sollte man natürlich sofort lassen.

Aber die meisten Frauen sind auch nicht aus Zucker. Wenn man miteinander im Bett liegt wissen sie auch, dass der Mann in aller Regel was versuchen wird. Und nehmen es auch nicht übel, wenn man nach der leichtesten Zurückweisung noch etwas weiter probiert, solange man dabei mit etwas Einfühlungsvermögen vorgeht. Auch die Körpersprache gibt viele Anhaltspunkte. Wird sie Steif, sucht sie nach Kleidung, hält sie ihre Hände vor den Körper, lässt sie auch keine Berührungen der Arme zu, will sie vielleicht doch noch zumindest kuscheln, so dass man etwas Vertrauen und Nähe aufbauen kann, ihr erzählen kann welche wunderbaren Pläne man für eine gemeinsame Zukunft hat und warum man sie als Mensch schätzt? Bei letzteren finde ich, dass man irgendwann durchaus einen neuen Versuch starten kann und die beim Aneinanderkuscheln von ihr auf den Bauch zurückgeschobene Hand langsam nach oben wandern kann, weil zB die Beziehung klar gestellt ist und der Appellcharakter der Aufforderung umgesetzt wurde. Wenn sie dann die Hand wieder runterschiebt, aber auf dem Bauch lässt muss man eben wieder von vorne anfangen oder schauen, was der eigentlich Grund war, aber sicherlich nicht aufhören. Schlägt sie die Hand weg und keift „ich habe doch gesagt nur kuscheln“, dann hingegen sollte man eher zurückhaltend sein.

Davon abzugrenzen wäre ja die Forderung, ob man ein Nein, selbst wenn es eher „Ja“ oder „Vielleicht“ oder sonstwas heißt immer als „Nein“ behandeln sollte. Das ist aber etwas vollkommen anders. Hierfür gibt es Argumente und ich kann diese nachvollziehen, teile aber den Ansatz in dieser Ausschließlichkeit nicht.

So meine damaligen Ausführungen. Ich füge noch mal etwas aus der Wikipedia zu dem „Kommunikationsquadrat“ an:

Das übergeordnete Ziel bei dieser Modellbildung besteht darin, zu beobachten, zu beschreiben und zu modellieren, wie zwei Menschen sich durch ihre Kommunikation zueinander in Beziehung setzen. Dabei wendet Schulz von Thun sich den Äußerungen (den „Nachrichten“) zu. Diese können aus vier unterschiedlichen Richtungen angesehen und unter vier unterschiedlichen Annahmen gedeutet werden – dies sind die vier Aspekte oder Ebenen, die Schulz von Thun als „Seiten einer Nachricht“ bezeichnet:[4]

  • Auf die Sache bezogener Aspekt: die beschriebene Sache („Sachinhalt“, „Worüber ich informiere“)
  • Auf den Sprecher bezogener Aspekt: dasjenige, was anhand der Nachricht über den Sprecher deutlich wird („Selbstoffenbarung“, „Was ich von mir selbst kundgebe“)
  • Auf die Beziehung bezogener Aspekt: was an der Art der Nachricht über die Beziehung offenbart wird („Beziehung“, „Was ich von dir halte oder wie wir zueinander stehen“)[A 1]
  • Auf die beabsichtigte Wirkung bezogener Aspekt: dasjenige, zu dem der Empfänger veranlasst werden soll („Appell“, „Wozu ich dich veranlassen möchte“)

Auf diese Weise kann die „Nachricht als Gegenstand der Kommunikationsdiagnose“ verwendet werden. Störungen und Konflikte kommen zustande, wenn Sender und Empfänger die vier Ebenen unterschiedlich deuten und gewichten. Das führt zu Missverständnissen und in der Folge zu Konflikten. Ein bekanntes, von Schulz von Thun in seinem Hauptwerk Miteinander Reden zuerst verwendetes Beispiel ist ein Paar im Auto vor der Ampel. Die Frau sitzt am Steuer, und der Mann sagt „Du, die Ampel ist grün!“ Die Frau antwortet: „Fährst du oder fahre ich?“.[6] Die Äußerung kann in dieser Situation auf den vier Ebenen folgendermaßen verstanden werden: als Hinweis auf die Ampel, die gerade auf Grün geschaltet hat (Sachebene); als Aufforderung, loszufahren (Appell-Ebene), als Absicht des Beifahrers, der Frau am Steuer zu helfen, oder auch als Demonstration der Überlegenheit des Beifahrers über die Frau (Beziehungsebene); als Hinweis darauf, dass der Beifahrer es eilig hat und ungeduldig ist (Selbstoffenbarung). So kann der Beifahrer das Gewicht der Nachricht auf den Appell gelegt haben. Die Fahrerin könnte die Aussage des Beifahrers dagegen als Herabsetzung oder Bevormundung auffassen.

In Bezug auf den Hörer und seine Gewohnheiten erweitert Schulz von Thun das Vier-Seiten-Modell zu einem „Vier-Ohren-Modell“. Je ein Ohr steht für die Deutung einer der Aspekte: Das „Sach-Ohr“, das „Beziehungs-Ohr“, das „Selbstoffenbarungs-Ohr“ und das „Appell-Ohr“.[7]

Sachebene/Sachinhalt
Auf der Sachebene vermittelt der Sprecher Daten, Fakten und Sachverhalte. Aufgaben des Sprechers sind Klarheit und Verständlichkeit des Ausdrucks. Mit dem „Sach-Ohr“ prüft der Hörer die Nachricht mit den Kriterien der Wahrheit (wahr/unwahr), der Relevanz (von Belang/belanglos) und der Hinlänglichkeit (ausreichend/ergänzungsbedürftig). In einem eingespielten Team verläuft dies meist problemlos.

Selbstoffenbarung
Jede Äußerung bewirkt eine nur teilweise bewusste und beabsichtigte Selbstdarstellung und zugleich eine unbewusste, unfreiwillige Selbstenthüllung (siehe Johari-Fenster). Jede Nachricht kann somit zu Deutungen über die Persönlichkeit des Sprechers verwendet werden. Das „Selbstoffenbarungs-Ohr“ des Hörers lauscht darauf, was in der Nachricht über den Sprecher enthalten ist (Ich-Botschaften).

Beziehungsebene
Auf der Beziehungsebene kommt zum Ausdruck, wie der Sprecher und der Hörer sich zueinander verhalten und wie sie sich einschätzen. Der Sprecher kann – durch die Art der Formulierung, seine Körpersprache, Tonfall und anderes – Wertschätzung, Respekt, Wohlwollen, Gleichgültigkeit, Verachtung in Bezug auf den Anderen zeigen. Abhängig davon, was der Hörer im „Beziehungs-Ohr“ wahrnimmt, fühlt er sich entweder akzeptiert oder herabgesetzt, respektiert oder bevormundet.

Appell
Wer sich äußert, will in der Regel auch etwas bewirken. Mit dem Appell will der Sprecher den Hörer veranlassen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Der Versuch, Einfluss zu nehmen, kann offen oder verdeckt sein. Offen sind Bitten und Aufforderungen. Verdeckte Veranlassungen werden als Manipulation bezeichnet. Auf dem „Appell-Ohr“ fragt sich der Empfänger: „Was soll ich jetzt denken, machen oder fühlen?“

Ich denke, dass eine Analyse nach diesen Gesichtspunkten weitaus mehr Interpretationen möglich macht als das strikte Abstellen darauf, dass ein „Nein“ immer bedeuten muss, dass man alles abbrechen muss. Und das die Unterscheidungen in dem Bereich eben auch Ausdruck sozialer Kompetenz sind, die mit den eher an einen Autismus erinnernden Auslegungsverständnis des Feminismus nicht wirklich demonstriert werden.