Was ist „Macht“

Kardamon schlug in den Kommentaren eine eigene Diskussion dazu vor, wie man Macht eigentlich definieren muss.

Er schrieb dazu:

Das Ding mit „Macht“…

Ich hab damals noch die Weber’sche Definition gelernt, die da hiess: „Macht ist Chance zur Einflussnahme“..

Und weiter wurde von meinem Soziologie-Professor gelehrt:

„Verdammen Sie „Macht“ nicht. Dadurch verschwindet sie nicht. „Macht“ ist immer da. Es kommt nur darauf an, wer sie ergreift.“

Im wesentlichen haben wir drei Faktoren, die Macht begründen:

– Macht durch Besitz: „das ist mein Unternehmen, also sag ich, welche Regeln hier gelten“

– Macht durch Organisation: „wir haben uns miteinander abgesprochen – diese Regeln akzeptieren wir nicht“

– Macht durch Können: „ich beherrsche diesen Fertigungsprozess, wenn du als Boss jene Regel weiterhin durchsetzen willst, dann schau, wie du jemand anderen findest, der diesen Fertigungsprozess beherrscht“

Für mich sind diese Definitionen einleuchtend. Immer noch. Hat auch was von Occam’s Razor

Dagegen scheint mir all das post-moderne, relativistische, post-strukturalistische Gesabbel über Wirkungsmächtigkeit, Diskurs-Hoheit, Privilegien, etc…“ eine Vernebelungstaktik zu sein, um die Machtlosen machtlos zu halten…

Die Wikipedia schreibt dazu:

Macht bezeichnet sozialwissenschaftlich einerseits die Fähigkeit einer Person oder Interessengruppe, auf das Verhalten und Denken einzelner Personen, sozialer Gruppen oderBevölkerungsteile einzuwirken. Andererseits stellt eine Extremposition der Macht die Durchsetzungsfähigkeit dar, einseitig definierte Ziele zu erreichen, ohne sich selbst äußeren Ansprüchen gegenüber beteiligten Personen zu unterwerfen oder diesen entgegenkommen zu müssen (wollen). Dies ist bei Vorliegen der Möglichkeit einer Einflussnahme mittels Strafandrohung der Fall, wobei auf die Zielpersonen ein unterdrückender Zwang ausgeübt wird, sich zu fügen. Im Falle von gegensätzlichen oder unvereinbaren Interessenpositionen der Zielpersonen ist es daher beispielsweise für Personen, die absolute Macht ausüben, nicht erforderlich, ein Austauschverhältnis oder einen Kompromisseinzugehen. Vor allem diesbezüglich grenzen sich die in weiten Teilen deckungsgleichen Begriffe Macht und Einfluss voneinander ab, wobei die Übergänge fließend sind. Die beiden Sichtweisen werden auch als „Macht über… haben“ und „Macht zu tun“ umschrieben. Als zentraler Begriff der Sozialwissenschaften ist Macht in seinem Bedeutungsumfang umstritten.

Gemäßigte (alltägliche) Machtverhältnisse beschreiben hingegen mehrseitige (Austausch-)Verhältnisse, bei denen oft eine Seite die stärkere Ausgangs- oder Verhandlungsposition ausübt (beispielsweise durch die verfügbare Möglichkeit der Einflussnahme durch Belohnung, Bevorzugung oder durch überlegenes Wissen) und das von anderer Seite akzeptiert wird. Von anderer Seite wird auf Widerspruch verzichtet, nichts gegen die Ausübung der Macht unternommen, oder eine Duldung, Befolgung oder Anpassung vollzogen.

Macht spielt praktisch in allen Formen des menschlichen Zusammenlebens eine Rolle und bedingt auf unterschiedliche Weise das Entstehen von Sozialstrukturen mitausdifferenzierten persönlichen, sozialen oder strukturellen Einflusspotenzialen.[1][2][3] Bezüglich der Wortherkunft von Macht (siehe unten) kann der Begriff auch so verstanden werden, dass soziale Macht nur einen – wenn auch sehr bedeutenden – Unterfall eines grundsätzlicheren Machtbegriffs bildet.

Und unter Begriffsgeschichte findet sich dort:

Auch wenn sozial legitimierte bzw. politische Machtausübung nur eine Erscheinungsform von Macht ist, steht sie doch im Mittelpunkt der Theoriebildung und des Denkens.

Zuerst beschäftigte sich die griechische Sophistik aus philosophischer Sicht mit dem Machtproblem. Thukydides behandelt im Melierdialog die Frage der inneren Macht desRechts. Während sich die Abgesandten der Insel Melos auf den Nutzen des Gerechten berufen, vertreten die Athener ihnen gegenüber die reine, nicht weiter zu legitimierende Machtposition einer Großmacht: Recht gebe es nur bei Gleichheit der Kräfte. Machtausübung sei somit in der menschlichen Natur fundiert. Platon setzt sich mit dieser sophistischen Position im Gorgias auseinander: Die anscheinend Mächtigen seien in Wirklichkeit ohnmächtig, da sie nicht das tun, was eigentlich das Ziel jedes vernünftigen Strebens sei, sondern nur, was ihnen gerade als das beste erscheine; d. h., sie tun nicht, was sie „eigentlich“ wollen würden, wüssten sie es „besser“. Aristoteles behandelt das Machtproblem im Rahmen der Theorie von Herrschaft und Knechtschaft. Politische Herrschaft sei im Unterschied zur Despotie eine Herrschaft von Freien über Freie, die sich im Herrschen und Beherrschtwerden ablösen.

Im lateinischen Sprachbereich wird zuerst bei Cicero zwischen potestas im Sinne von Amtsgewalt und auctoritas im Sinne von Ansehen als zwei Formen der Macht explizit unterschieden. Anknüpfend an diese Unterscheidung geht Augustin davon aus, dass Menschen eigentlich nicht über Menschen herrschen können, sondern nur über dasVernunftlose. Die Scholastik hat daraus die Frage abgeleitet, ob der gedachte paradiesische Urzustand ohne alle Formen von Herrschaft gedacht werden muss. Thomas von Aquin schränkt die Machtausübung auf vernünftige Formen der Herrschaft über Freie ein, die zum Guten hinführen. Wilhelm von Auvergne spezifiziert, dass potentia eine Form der potestas sei, die nur durch den Gehorsam der Untergebenen wirksam ist. Wilhelm von Ockham fokussiert vor allem die Aneignungsmacht der Menschen gegenüber der herrenlosen Natur durch die gemeinsame Herrschaft der Menschen gegenüber der Natur. Im Eigentum wiederum liegt nach Ockham eine wichtige Machtquelle und zugleich die materielle Grundlage für eine politische Zwangsgewalt, die von der göttlichen Macht unabhängig, jedoch von der Zustimmung der Beherrschten abhängig ist. Deren Widerstand gegen politische Machtausübung ist damit nicht länger Widerstand gegen die gottgewollte Ordnung, wie es Paulus im Kap. 13 des Briefs an die Römer fordert: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet.“[8]

Marsilius von Padua geht noch weiter in der Delegitimierung geistlicher Machtausübung: Diese ist für ihn ein Widerspruch in sich. Zur Aufrechterhaltung des Friedens dürfe es nur eine einheitliche Macht geben, die mit Zwangsgewalt ausgestattet ist. Die Macht leite sich zwar von Gott her, aber zu ihrer Durchsetzung benötige sie Zwangsinstrumente, die am ehesten in einer Wahlmonarchie gegeben sind. Während sich die Spätscholastik bis zu Calvin hin weiter um die Rechtsbegründung von Macht konzentrierte, begriffMachiavelli die Macht umgekehrt von ihren Auswirkungen her; sie bedürfe anders als die Autorität nicht der Legitimation, sondern ist eine praktische Tatsache, die nur beschrieben und quasi technologisch optimiert werden kann. Jean Bodin fordert demgegenüber die Stärkung des Souveräns durch Legitimitätsbeschaffung, was jedoch nicht heißt, dass dieser in seinem Handeln durch Gesetze gebunden ist.[9]

Für Thomas Hobbes ergibt sich aus der Theorie der natürlichen Aneignungsmacht der Menschen gegenüber der Natur und den naturbedingten Machtunterschieden die Vorstellung eines naturrechtlich begründeten Herrschaftsanspruchs eines jeden auf alle anderen. Nur durch Machtkonzentration auf ein von der Rechtsordnung erschaffenes Subjekt – den Staat – kann der aus diesen konfligierenden Ansprüchen aller gegen alle folgende Krieg verhindert werden. Damit löst Hobbes in seinem Werk Leviathan das Problem der Begründung von Macht vollständig aus dem Rahmen der Rechtstheorie der Macht.

Im Gegensatz zu Thomas Hobbes liefert Spinozas Naturzustand keine normativen Kriterien für den Machtgebrauch. Das natürliche Recht eines Jeden erstreckt sich auf alles das, was durchzuführen in seiner Macht steht. Damit werden natürliches Recht und Macht gleichgesetzt. Aber auch Tugend ist an Macht gebunden, und Macht erscheint als Tugend, wenn sie aus sich heraus Wirkungen produziert und sich der Mensch an diesen Wirkungen erfreut, ohne dass er dieses durch die Überwindung von Widerständigkeit definiert.[10] Kant entpersonalisiert den Machtbegriff, denkt ihn unabhängig von persönlicher Herrschaft und setzt die Staatsmacht des Obrigkeitsstaates, dem man Gehorsam schuldet, mit Gewalt gleich, ohne deren rechtliche Legitimation als zwingend mitzudenken.[11] Gewalt ist eine Macht, die dem Widerstand anderer Mächte übergeordnet ist.

Die Versuche zu einer theoretischen Bestimmung der Macht in der politischen Philosophie des Deutschen Idealismus, der Romantik und der Restauration zu Beginn des 19. Jh. sind durch die Erfahrung der Französischen Revolution und des politisch-militärischen Zusammenbruchs der deutschen Kleinstaaten im Gefolge der Napoleonischen Kriegebestimmt. Sie reflektieren die bedrohliche Radikalität einer durch die Auflösung konstitutionell-monarchischer Macht freigesetzten Gewaltsamkeit der innerstaatlichen Auseinandersetzungen und identifizieren sich zugleich teils enthusiastisch mit der durch nationale Vereinheitlichung und bürokratische Zentralisierung möglich gewordenen Machtpolitik. So wendet sich die politische Philosophie Fichtes, Hegels und Adam Müllers zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Voraussetzungen nationalstaatlicher Machtpositionen im Sinne einer Renaissance machiavellistischer Politik, aber auch in zunehmendem Maß den geistig-moralischen und religiösen Legitimationsgrundlagen politischer Macht zu.[12]

Fichte führt unter dem Einfluss der von ihm republikanisch gedachten Verfassung zunächst Macht und Recht wieder enger zusammen. An die Stelle der Staatsgewalt tritt bei ihm der Begriff der durch Vertrag zu legitimierenden Staatsmacht, die Angreifern entgegentritt; potestas und potentia sind nicht mehr geschieden. Für Adam Müller ist nur eine auf kollektiven Glaubensvorstellungen basierende Macht im Unterschied zur rein physischen Macht legitim.

Im Rahmen von Hegels metaphysischer Begriffstheorie, der Lehre von der begrifflichen Natur alles Seienden, ist die Macht als die Macht des Allgemeinen bestimmt, d. h. als die Macht des Übergreifens des machthabenden Begriffs gegenüber den ihm untergeordneten Momenten. Gegenüber der mächtigen Sphäre des Privatrechts und des Privatwohls stellt der Staat die übergeordnete sichernde Macht des Allgemeinen dar, so Hegel in § 261 der Grundlinien der Philosophie des Rechts. Zugleich erscheint Hegels Machtbegriff modern insofern, als er quasi interaktiv im Sinne eines Verhältnisses zum Anderen ausgeweitet ist. Macht ist endlich, solange ihr ein Nein entgegengesetzt und sie mit Gewalt ausgeübt wird. Sie ist absolut erst als Freiheit.[13]

Aus diesem Gedanken, dass Macht dort am größten ist, wo sie unsichtbar ist, entwickelt sich im 19. Jahrhundert die kreative Übertragung des Machtbegriffs und der Analyse machtdominierter Verhältnisse auf viele andere gesellschaftliche Bereiche, z. B. durch die Analyse der Religion als Machtphänomen durch Nietzsche oder die Analyse der Klassenbeziehungen durch Karl Marx und Friedrich Engels.

Für Marx und Engels stellt die Verwandlung von persönlichen Machtverhältnissen in sachliche Machtverhältnisse das Eigentümliche moderner Gesellschaften dar, welches alstranszendentale Macht des Geldes und als Herrschaft des Kapitals zum Ausdruck kommt.[14]

Einen anderen Ausgangspunkt der Theoriebildung zum Phänomen der Macht bildet Friedrich Nietzsches Wille zur Macht, eine Formel zur Bezeichnung des unersättlichen Verlangens nach Ausübung der Macht, eines schöpferischen Triebs, der elementares Motiv alles Lebendigen ist und jenseits jeder moralischen Wertung steht. Dieses Konzept einer trieb- und elitentheoretischen Begründung von Macht wird im 19. Jahrhundert weiter ausgebaut zum postulierten Gegensatz zwischen vitalistischer Aktivität und kultureller Verfeinerung bzw. Dekadenz. Es macht sich vor allem in den antimarxistischen Elitentheorien – etwa bei Vilfredo Pareto – geltend.

Für Max Weber ist der Machtbegriff „soziologisch amorph“; er definiert ihn wie folgt: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.“[15] Diese unterschiedlichen Machtbasen werden in der Folge in der soziologischen undsozialpsychologischen Theoriebildung immer weiter differenziert.

Zudem werden dort verschiedene Theorien zur Macht behandelt:

Hannah Arendt[3] definiert in ihrer Studie Macht und Gewalt „Macht“ positiv als das Zusammenwirken von freien Menschen im politischen Raum zugunsten des Gemeinwesens. Dabei geht es nicht um die Durchsetzung privater Interessen. Obwohl die Individuen pluralistisch handeln und unterschiedliche Perspektiven einnehmen, schließen sie sich dennoch zeitlich und örtlich begrenzt zu einer Gemeinsamkeit des Sprechens und Handelns zusammen, z. B. beim Volksaufstand in Ungarn 1956. Diese Macht tritt nicht hierarchisch als Institution oder Rechtsordnung auf, sondern als Möglichkeit, die Geschichte zu beeinflussen. Sie kann in Verfassungen, Institutionen usw. einfließen, die aber wiederum wandelbar sind. Im Unterschied zu Webers Definition kann Macht nach Arendt nicht gespeichert werden und kann somit begrifflich leicht – und in der Konsequenz streng – von Ressourcen und Gewalt unterschieden werden. Dabei setzt Arendt nicht voraus, dass die beteiligten Menschen gemeinsame Meinungen, Prämissen oder Ideologien vertreten. In jeder neuen Generation können demnach freie Individuen erneut im politischen Raum Vereinbarungen treffen und umsetzen. Ansätze einer Verwirklichung sah sie in der Revolution in den Vereinigten Staaten, die zu der Verfassung der Vereinigten Staaten führte, und in den Versuchen, direkte Demokratie in Form von Räten einzurichten.
Zygmunt Bauman beschreibt die Macht in der Postmoderne als etwas Flüssiges bzw. Flüchtiges. Sie bewegt sich für ihn mit der Geschwindigkeit elektronischer Signale durch die postmoderne Gesellschaft und ist unabhängig von Zeit und Raum. Diesen Zustand der Macht charakterisiert er als „post-panoptisch“.[19] Sie konkretisiert sich im Setzen gesellschaftlicher Bedingungen und im Ausüben von Herrschaft. In der Postmoderne sind für ihn diejenigen herrschend, die sich im globalen Raum frei bewegen können und dazu über die ökonomischen, rechtlichen und sozialen Ressourcen verfügen.[20]
Michel Foucault entwirft das Konzept der strategischen-produktiven Machtvorstellung. Macht wird dabei nicht von einer gesellschaftlichen Instanz (sei sie Individuum oder Gruppe) besessen und ausgeübt, sie existiert im heterogenen Verhältnis der Instanzen (also zwischen z. B. Herrschenden und Beherrschten). Machtbeziehungen sind überall da, wo es Gesellschaft gibt. Siehe auch: Pastoralmacht, Bio-Macht, Gouvernementalität.
Norbert Elias beschreibt Macht als Aspekt jeder menschlichen Beziehung, d.h. als mehr oder weniger labile, veränderliche Stärkeverhältnisse innerhalb eines Beziehungsgeflechts bzw. einer Figuration. Die offene, tatsachenbezogene Erörterung der Allgegenwart von Machtaspekten sei jedoch ein tief verwurzeltes Tabu, dessen Bruch Menschen unangenehm und peinlich ist, weshalb Machtphänomene verschleiert werden[21]. Aufgrund der Missverständlichkeit des Machtbegriffs zieht Elias den Begriff der Machtbalance vor, um verdinglichende Implikationen (‚Macht besitzen‘)[22] und unbewusst-emotionale Wertungen zu reduzieren [23] sowie die Labilität von Beziehungsstärke zu verdeutlichen[24]. Zur näheren Beschreibung von Machtphänomenen, -prozessen und -dynamiken entwickelt er u.a. die Theorie von Etablierten-Außenseiter-Beziehungen, die Theorie der Ausbildung von Zentralpositionen (genannt Königsmechanismus), die Symboltheorie, theoretische Ansätze der Wissens- und Wissenschaftssoziologie[25][26] und die Theorie vom Zusammenhang von Psychogenese und Soziogenese im Prozess der Zivilisation. Elias‘ gesamte Prozesssoziologie ist insofern eine „Theorie der Machtbeziehungen“[27].
John R.P. French Jr. und Robert Alan Dahl: Ihr Konzept nennt sich positionelle Macht. Laut French/Dahl ist Macht „die Fähigkeit von Akteur A einen Akteur B zu einer Handlung zu bewegen, etwas zu tun, was Akteur A von ihm verlangt, abzüglich der Wahrscheinlichkeit, dass der Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.“[28] J. French und R. Dahl ist es mit dieser Definition gelungen, Macht in einer Formel auszudrücken, die wiederum wie bei Max Weber von der Quelle der Macht abstrahiert und ergebnisbezogen angewendet werden kann.[29]
Björn Kraus setzt sich aus einer erkenntnistheoretischen Perspektive mit dem Thema Macht auseinander. Er fragt also nicht nach der Bewertung oder Verteilung von Macht, sondern danach, was mit diesem Begriff überhaupt beschrieben werden kann.[30] Ausgehend von Webers Macht-Definition[31] kommt er zu dem Schluss, dass der Begriff der Macht differenziert werden muss. Zentral für seinen Ansatz ist dann die Differenzierung des Machtbegriffs in „instruktive Macht“ und „destruktive Macht“.[32] Konkret bezeichnet instruktive Macht die Chance, das Verhalten oder Denken eines anderen zu bestimmen.[33] Destruktive Macht bezeichnet die Chance, die Möglichkeiten eines anderen zu reduzieren.[33] Die Relevanz dieser Unterscheidung wird vor allem an der Möglichkeit der Verweigerung gegenüber Machtbestrebungen deutlich. Gegenüber instruktiver Macht ist Verweigerung möglich – gegenüber destruktiver Macht nicht. Mit dieser Unterscheidung können Machtverhältnisse differenzierter analysiert und erst damit etwa Fragen der Verantwortung adäquat reflektiert werden.[34]
John J. Mearsheimer: Macht ist für ihn rein materieller Natur. Sie wird auch als relationale Macht bezeichnet. Sie ist von Ressourcen abhängig. Als relevante Ressourcen gelten: Territorium, Rohstoffe, Export, Bevölkerungszahlen und Finanzstärke. Die wichtigste Ressource ist die militärische Fähigkeit, sie ist das universelle Machtpotenzial. Mearsheimers Definition ist eine politische. Sie lässt deutlich seine realismusbehaftete Theorieperspektive erkennen.
Im Rahmen seiner Engpasskonzentrierten Strategie sieht Wolfgang Mewes den jeweiligen Minimumfaktor als entscheidenden Machtfaktor. Insbesondere ökonomische Gesellschaften (Abteilungen, Betriebe, Märkte, Volkswirtschaften) hätten die Eigenart, dass nicht jeder der benötigten Faktoren, sondern nur der jeweils knappste bestimme, wie weit sie sich entwickeln und wachsen können. Danach hätten in jeder Organisation und in jedem Markt diejenigen Macht, die den limitierenden Faktor besitzen bzw. freien Zugang zu ihm haben. Weil Menschen Wünsche, Bedürfnisse, Probleme, Engpässe und Sehnsüchte haben, besitze derjenige potentiell Macht, der sie befriedigen kann. Macht werde dadurch ausgeübt, dass die ersehnten Dinge (z. B. das Glas Wasser für den Verdurstenden) gewährt oder verweigert werden.[35]
Hans Morgenthau sieht Macht als zentrales Ziel der Staaten in den internationalen Beziehungen. In Politics among nations schrieb er, jeder Staat handele nach einem „im Sinne von Macht verstandenen Begriff von Interesse“.[36] Macht ist bei Morgenthau Selbstzweck und kann erworben, vergrößert und demonstriert werden.
Joseph Nye: Von ihm stammt das Modell der „weichen Macht“ (soft power). Dieses Konzept bezeichnet die Fähigkeit, einen Akteur durch bestimmte (meist immaterielle) Mittel dahingehend zu beeinflussen, dass er identische Ziele und Bestrebungen entwickelt, wie der handelnde Akteur sie selbst besitzt. Die Mittel, einen anderen Akteur dazu zu bewegen, dasselbe zu wollen, was man selbst will, wird als Soft power ressources bezeichnet. Sie sind die Quelle der Macht (vgl. „Wen man nicht zum Feinde haben will, den soll man sich zum Freunde machen“, auch wenn der Spruch etwas abgewandelt ist). Soft power ist zusammengefasst eine Machtkonzeption, die sich aus positioneller, relationaler und struktureller Macht addiert.[37]
Heinrich Popitz[38] definiert Macht in seiner soziologischen Abhandlung „Phänomene der Macht“ als das Vermögen, sich als Mensch gegen andere Kräfte durchzusetzen. Macht ist Verändernkönnen. Im Sinne von „Verändernkönnen“ ist die Geschichte der menschlichen Macht die Geschichte des menschlichen Handelns.
Marshall B. Rosenberg[39] spricht im Kontext seines Modells der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) von zwei verschiedenen Formen von Macht: strafender und beschützender Macht. Strafende Machtanwendung hat zum Ziel, Menschen in den Einklang mit moralischen Vorstellungen zurückzuweisen, von denen sie, laut Ansicht der Machtanwender, Abstand genommen haben. Beschützende Anwendung von Macht stellt laut diesem Modell im Konfliktfall den Frieden wieder her und hat zum Ziel, dass die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten berücksichtigt und gewahrt werden.
Susan Strange: Sie prägte den Begriff der strukturellen Macht. Für Strange bedeutet er das Machtpotenzial, das Strukturen wie Sicherheit, Kreditkapazitäten, Wissenschaft und die Produktion auf die beteiligten Akteure haben. Akteure sind „mächtig“, wenn sie Macht über diese Strukturen besitzen. Mächtig sind Akteure also immer dann, wenn sie in der Lage sind, Strukturen so anpassen zu können, dass es dem eigenen Vorteil gereicht und sich die anderen Konkurrenten/Akteure anpassen müssen. So besitzen sowohl Strukturen selbst als auch alle, die auf sie einwirken können, Macht. Stranges Modell ist sehr vielschichtig und komplex. Es bezieht sich auf globalsoziale Interaktionen und schafft es daher, eine Vielzahl von Größen der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung zu vereinen und in ein machttheoretisches Konzept einzubauen.
Max Weber: Für Weber ist Macht eine Form der Willensdurchsetzung. In seiner Definition ist Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“[40]
Michael Mann: Im Rahmen seiner dreibändigen „Geschichte der Macht“ entwickelte Mann das IEMP-Modell, das die vier Machtquellen (ideological, economic, military, political) zusammenfasst.
Niklas Luhmann: In Luhmanns Systemtheroie representiert Macht ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium.
Arnold Brecht: Er unterscheidet vier verschiedenen Typen nach ihren jeweiligen Machtressourcen: rohe Gewalt oder ihre Androhung, Prestige oder Autorität, finanzielle Mittel oder aber persönliche Anziehung.
Hanna F. Pitkin: Sie unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Machtarten: Die Macht über andere Personen (power over) und die Fähigkeit, irgendetwas zu tun (power to).
Gerhard Göhler: Er stellt eine alternative Unterscheidung vor zwischen „transitiver Macht“, die den eigenen Willen auf andere überträgt und auf diese Weise Einfluss nimmt, und „intransitiver Macht“, die in sich selbst, in der Gesellschaft erzeugt und aufrechterhalten wird.

Ich würde auch darauf abstellen, dass es beim Machtbegriff letztendlich darum gehen muss,wer seinen Willen eher umsetzen kann.

Eine Definition des Machtbegriffs kann die Betrachtung, wer Macht hat, ändern. Sie kann daher für Betrachtungen in der Geschlechterdiskussion durchaus interessant sein. Feministische Theorie scheint mir aber weniger eine ausgefeilte Definition zu verwenden, sondern eher einfach sehr selektiv zu gucken und die Frage, ob jemand Macht ausübt nur in ganz bestimmten Konstellationen zu prüfen, in anderen aber nicht.