„Dass es Männer so schlecht geht, ohne das man es merkt, zeigt wie privilegiert sie sind“

Fabian Köhler hat für die Stiftung der Grünen einen Artikel dazu geschrieben, dass es Männern leider noch immer nicht schlecht genug geht.

Er findet es unglaublich, dass eine Gruppe, die für so viel Schlechtigkeit verantwortlich ist, etwa den Großteil der Morde und Vergewaltigungen, so wenig stigmatisiert wird (dem umgekehrten Beispiel, dass Männer auch für ein Großteil der Wirtschaftsleistung, des Steueraufkommens, der Erfindungen verantwortlich ist, dass man also dem einen Extrem auch gut das andere Extrem entgegenstellen könnte und es immer noch in beiden Fällen eine Apex Fallacy wäre, würde er wohl nicht zustimmen).

Dann kommt ein Absatz, der aus meiner Sicht eine neue Stufe der Entmenschlichung erreicht:

Von der „größten existenziellen Krise, die sein Geschlecht je erlebt hat“, weiß die Brigitte und meint freilich nicht, dass auch Männer unter der fehlenden Problematisierung von typisch Männlichem (Obdachlosigkeit, Alkoholsucht, Depressionen…) leiden. Stattdessen konstituiert die Autorin die Krise aus einem sich verbesserten Modegeschmack, verschlechterter Potenz und im Vergleich zu Frauen geringerer Bildung. Die Krise und damit der gesellschaftliche Machtverlust des Mannes zeige sich auch darin, dass Frauen mittlerweile statistisch häufiger Abitur machen. So steht es auch in anderen Exemplaren der Krisenliteratur. Dabei belegt das Beispiel genau das Gegenteil. Dass Männer Frauen in vielen Fällen unterlegen sind, ohne es jemals zu merken, bezeugt gerade die Krisenresistenz einer gesellschaftlichen Gruppe, die trotz schlechterer Bildung, geringerer Lebenserwartung und eines höheren Risikos für Drogenabhängigkeit, Diabetes, Übergewicht, Aids, Leberzirrhose und Selbstmord am Ende eben trotzdem den Job bekommt.

Das finde ich durchaus genial: Der Umstand, dass man Männern keine Opferrolle zugestehen will, dass man Erschwernisse bei ihnen nicht wahrnehmen will, dass man anführt, dass sie nicht benachteiligt sein können, belegt, dass sie privilegiert sind. Denn wären sie nicht privilegiert, dann würde man ja erkennen, dass sie schlecht sind. Dass man ihre Sorgen nicht akzeptiert, belegt, dass es ihnen gut geht.

Auch nett, dass den Männern unterstellt wird, dass sie eine Unterlegenheit in vielen Bereichen nicht bemerken. In dieser Sicht merkt der Obdachlose, der Verzweifelte, der sich umbringen will, der Drogenabhängige, gar nicht, dass er am Boden ist, er geht als Mann anscheinend davon aus, dass er in Kurze einen Vorstandsjob bekommt und der Frau vorgezogen wird.

Die Gruppe Mann bekommt eben den besseren Job, damit sind alle Probleme ausgeglichen. E zeigt aus meiner Sicht die ganze Unmenschlichkeit der Betrachtung aus dieser Sicht. Es gibt keine Individuen, es gibt nur die Gruppe Mann und wenn diese es in bestimmten Bereichen gut hat, dann ist sie eben privilegiert und es geht ihr noch zu gut.

Letztlich sind es eben doch die alten Privilegien des Mannes, statt einer „Neuen Männlichkeit“ die darüber entscheiden, wen die realexistierende Krisen unserer Gesellschaft treffen. Die sogenannte „Krise des Mannes“ ist da oft nicht mehr als das Störfeuer, hinter denen sich die tatsächliche Privilegien verbergen lassen. Denn wer ohnehin schon in der Krise steckt, der kann nicht auch noch gesellschaftliche Verhältnisse ändern.

Ein genialer Plan der Männer . Wir tun so als hätten wir eine Krise und heimlich knallen die Champagner, wenn die anderen abgelenkt sind. Heimlich mal gerade Jungs in der Schule schlechter abschneiden lassen und Obdachlos werden, Heimlich mal gerade häufiger Selbstmord machen, heimlich mal so tun als wäre man verwirrt, weil die Gesellschaft den maskulinen Mann verdammt, viele Frauen ihn aber im Partnerschaftsbereich nach wie vor fordern. Wir sind schon echt pfiffig.

Ein Prinzip, das die männliche Krisenberichterstattung übrigens schon länger begleitet: „Du kennst die geschniegelten jungen Männer, Bart und Haupthaar glänzend, ganz aus dem Schmuckkästchen: nichts Mannhaftes kannst du von ihnen erhoffen, nichts Gediegenes“, schrieb der römische Schriftsteller und einer der privilegiertesten Männer seiner Zeit Seneca im 1. Jahrhundert nach Christus über die Krise seiner Gattung. 2000 Jahre später schreibt Die Welt „Er trägt einen gepflegten Bart. Der deutsche Mann sieht kerniger aus denn je, aber steckt trotzdem in einer Existenzkrise.“ Schön wär’s. 

Schön wäre es, lässt hier die Stiftung einer im Bundestag vertretenen Partei auf einer ihrer Seiten schreiben, wenn der Mann in einer Krise stecken würde. Leider täuscht er die Krise nur vor, der miese Kerl. Würde es dem Mann doch endlich richtig schlecht gehen, wie schön wäre dann die Welt!