Franca Lehfeldt und Nena Brockhaus: Alte WEISE Männer: Hommage an eine bedrohte Spezies

Franca Lehfeldt (Welt und Frau von Lindner) und Nena Bockhaus (Bild) haben ein Buch geschrieben:

Alte WEISE Männer: Hommage an eine bedrohte Spezies
Eben nicht weiße Männer, sondern weise Männer.
Über Arne bin ich auf ein Interview dazu gestoßen:

In ihrem neuen Buch brechen die Moderatorinnen Franca Lehfeldt und Nena Brockhaus eine Lanze für „alte weiße Männer“. Wir fragen nach.

Es stimmt ja, der „alte weiße Mann“ hat in den letzten Jahren ganz schön auf die Mütze bekommen, und ja, Menschen nach Geburtsjahr, ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht zu kategorisieren sollte eigentlich von vorgestern sein. Doch Hilfe naht! Die Moderatorinnen Nena Brockhaus (30) und Franca Lehfeldt (33), haben ein Buch herausgebracht. „Alte weise Männer – Hommage an eine bedrohte Spezies“, heißt es.

Das klingt fast satirisch, doch schon im Vorwort verteidigen die beiden Autorinnen den „alten weißen Mann“ mit dem Ernst von Umweltaktivistinnen, die eine dem Aussterben nahe Lurch-Art vor einem Bauprojekt schützen wollen. Er werde vom „feministischen Zeitgeist in die Ecke gestellt“, wirke zuweilen „scheu“, doch wenn man sein Vertrauen gewonnen habe, sei er „konstruktiver und ehrlicher“ als manche Frau.

„Gleichzeitig faszinieren uns die alten weisen Männer, weil sie aus einer Welt stammen, in der wir beide nur allzu gerne leben würden. Einer Welt ohne Gendersternchen, Twitter-Shitstorm und ohne belehrenden Zeigefinger“, schreiben die beiden Karrierefrauen. Von diesen goldenen Zeiten berichten in Interviews nun Männer, die über jeden Verdacht erhaben sind: Schauspieler Mario Adorf (92) oder CSU-Politiker Edmund Stoiber (81) zum Beispiel. Probleme wie Sexismus oder ungleiche Bezahlung sind weniger Thema. Im Interview fragte diese Redaktion nach.

Wenn ich es richtig sehe, dann haben sie bestimme Männer zu Wort kommen lassen.

Frau Lehfeldt, Frau Brockhaus, warum dieses Buch?

Franca Lehfeldt: Das Buch ist eine Überzeugungstat. Wir sind beide befreundet mit unterschiedlichen alten Herren, die uns beeindrucken, die uns motivieren, die für uns Mentoren sind. Es sind für uns keine alten weißen Männer, sondern alte weise Männer. Und deshalb wollen wir ihr Wissen, ihre Erfahrungen in einem Buch festhalten.

Nena Brockhaus: Mein Interview mit Mario Adorf hat mich beispielsweise enorm berührt. Alte Menschen wie er, die noch den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, sehen auch den Ukraine-Krieg noch mal mit ganz anderen Augen als wir. Es lohnt sich, ihnen zuzuhören.

Einer dieser interviewten Männer ist Ihr Vater, Frau Lehfeldt. Warum haben Sie ihn interviewt?

Lehfeldt: Zum einen als Augenöffner für Frauen, die überkritisch auf Männer schauen. Denn wir alle haben Väter, die wir lieben und die Vorbilder sind. Zum anderen hat mein Vater eine Lebensgeschichte, die Romanstoff ist. Er kommt aus einer Generation, die langsam von uns geht. Deren Lehren festzuhalten, ist mir ein Anliegen. Es gibt Männer, die haben female empowerment gelebt, als es das Wort noch nicht gab. Sie verstanden darunter die Betrachtung der Leistung unabhängig vom Geschlecht. Deshalb sollte das Geschlecht heute nicht unabhängig von der Leistung eine Rolle spielen.

Eigentlich ein schönes Projekt. Es scheint gar nicht so kritisch zu sein, wie ich erst dachte, sondern einfach ein Buch, in dem man Männer zu ihrem Leben befragt ohne sie wegen ihres Mannseins und ihrer Hautfarbe abzuwerten.

Mal sehen wie kritisch Feministinnen reagieren.

Sie haben nicht nur Ihren Vater interviewt, sondern auch weitere Bekannte und Freunde. Kann man denn kritisch fragen, wenn man sich so gut kennt?

Lehfeldt: Wir wollten keine Klageschrift vorlegen, sondern Portraits. Die Leserinnen und Leser können sich ihr Urteil bilden.

Brockhaus: Es sind auch durchaus Männer dabei, die wir vorher nicht kannten, etwa Heiner Lauterbach, Edmund Stoiber, oder Mario Adorf.

Lehfeldt: Mir ist durch die Gespräche deutlich geworden, dass diese Männer ein anderes Wertesystem haben. Die Lebensleistung der Männer über 70 darf nicht relativiert werden, indem wir sie alle in eine Schublade stecken.

Auch schön. Einfach mal aus dem Feindbild rauskommen und anerkennen, dass Leute da gute Sachen gemacht haben.

Haben Frauen denn weniger Lebensleistung erbracht als Männer?

Brockhaus: „Alte weiße Frau“ ist glücklicherweise kein Feindbild. Wir wollen mit Feindbildern aufräumen. Es juckt mich aber in den Finger, auch mal Geschichten von alten, weisen Frauen aufzuschreiben. Vielleicht kommt ein Nachfolge-Buch.

Da ist schon wieder dieses Gruppendenken. Nur weil man zugesteht, dass bestimmte Männer tolle Sachen gemacht haben schließt das ja nicht aus, dass Frauen auch tolle Sachen gemacht haben

Wie konnte der alte, weiße Mann denn zum Feindbild werden?

Lehfeldt: Meine These ist, dass aus der Frauenbewegung eine Identitätspolitik wurde, die ein Feindbild brauchte. Es ist eben leichter, sich gegen etwas zu definieren als eigene Werte zu setzen.

Keine schlechte These. Das Gruppen gegeneinander stellen und die klare, aber auch sehr einfache Positionierung hat auch aus meiner Sicht maßgeblich zum Erfolg der intersektionalen Theorien beigetragen. Man war entweder per Gruppenzugehörigkeit und mit Anerkennung des damit verbundenen Opferstatus gut oder man konnte sich als „Ally“ mit der Gruppe solidarisieren und dadurch gut werden. Dazu noch die Möglichkeit diverse andere Identitäten anzunehmen um nicht mehr zu den Bösen zu gehören, etwa als „Nonbinärer“

Es gibt nun aber auch viele Männer, die richtig Mist gebaut haben. Die Frauen ausschließen, sie nicht zu Wort kommen lassen, sie belästigen….

Lehfeldt: Das bestreitet doch niemand. Im Gefängnis sitzen übrigens auch Frauen. Aber wen meinen Sie denn zum Beispiel?

Harvey Weinstein zum Beispiel. Er hat viele Frauen zu Stars gemacht – und sie im Gegenzug zum Sex gezwungen. Wird so jemand denn zu Unrecht gecancelt?

Brockhaus: Das ist kein alter, weißer Mann, sondern ein verurteilter Straftäter…

Lehfeldt: …und als solcher ist er nicht die Regel, sondern die Ausnahme in seiner Generation und für sein Geschlecht. Es wäre absurd zu sagen, alle Männer seien Weinsteins und müssten so behandelt werden.

Es ist erstaunlich, dass man so etwas sagen muss. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein Leute nicht nur nach der Gruppenzugehörigkeit zu verurteilen oder abzuwerten.

Brockhaus: So wie nicht alle alten Männer schlecht sind, sind auch nicht alle jungen Frauen toll. Wie oft wurde mir in meiner Karriere von einer Frau die Tür zugeschlagen? Diskriminierung am Arbeitsplatz oder dass man schlecht behandelt wird, ist nicht rein männlich. Das ist mir auch schon oft mit Frauen passiert.

Erfrischend. Eine Feministin wird vielleicht einwenden, dass das auch nur am Patriarchat liegt, dass die Frauen dazu bringt Frauen schlecht zu behandeln, weil sie sich so an die Gruppe der Männer anbiedern können. „Ich bin eine von euch, ich hasse Frauen auch“ oder etwas in der Art.

Trotzdem: 70 Prozent der deutschen Führungskräfte sind Männer. Die reichsten Deutschen sind Männer. Im deutschen Fernsehen sind zwei von drei Personen Männer. Sind Männer also wirklich eine „bedrohte Spezies“ und brauchen ein Buch, das ihnen eine Stimme gibt?

Lehfeldt: Wir wollen eine Debatte anstoßen. Am Ende profitiert die Frauenbewegung, wenn sie sich von Feindbildern löst.

Brockhaus: Wir wollen ja hinterfragen: Warum denken wir in diesen Kategorien? Wann ist es endlich egal, ob jemand männlich, weiblich, Schwarz oder weiß ist?

Lehfeldt: Es gibt in diesen zehn Kapiteln nicht einen einzigen Mann, der sich gegen Frauen positioniert. Im Gegenteil: Sie sind Förderer.

Was könnte es nur für Gründe geben???1 Alles andere als Diskriminierung wäre ja frauenfeindlich.

Ihre Antworten finde ich schön. Ein Blick auf das Individuum statt auf die Gruppe.

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Wie kommt denn dann so etwas wie der Gender-Pay-Gap zustande, wenn die Männer alle Förderer sind?

Brockhaus: Lassen Sie uns doch lieber darüber reden, was bereits in der Erziehung von Mädchen falsch läuft. Untersuchungen zeigen, dass viele Mädchen ab dem Alter von fünf Jahren denken, dass sie nicht so klug und leistungsfähig sind wie Jungen. Im sogenannten Dream Gap liegt ein wesentlicher Grund für Ungleichheit. Der Gender-Pay-Gap ist individuell.

Der Gender-Pay-Gap ist ein strukturelles, gesellschaftliches Phänomen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Frauen wirtschaftlich schlechter dastehen als Männer.

„Der Gender Pay Gap ist individuell“ ist eine Aussage, die Feministen wahrscheinlich gar nicht verstehen können.

Die Interviewer hingegen haben sich über sehr einfache feministische Lektüre hinaus anscheinend noch nie mit dem Gender Pay Gap beschäftigt. Denn das Frauen wirtschaftlich schlechter dastehen als Männer ist auch nur wahr, wenn man nicht Familieneinkommen betrachtet oder die Entscheidungen, die dazu führen, berücksichtigt.

Lehfeldt: Aber daraus leite ich nicht ab, dass Männer Frauen bewusst schlechter behandeln. Wir müssen an die Ursachen ran. Frauen ergreifen andere Berufe als Männer, verhandeln weniger selbstbewusst, müssen mangels Kinderbetreuung die Karriere wegen der Kinder bremsen. Wir zeigen Männer, die dagegen arbeiten und beweisen, wie es anders geht.

Frauen müssen an sich Arbeiten?? Was ist denn das für eine Ketzerei!

Dann sprechen Sie also nur mit den Guten?

Da müssen doch irgendwo böse Männer sein!!

Brockhaus: Ich würde nicht sagen, dass alle Männer über 70 großartig sind. Aber ich glaube, es gibt in jeder Altersstufe und in jeder Kategorie gute und böse Menschen, tolle und schlechte Beispiele. Es gibt übrigens auch furchtbare junge Frauen. Doch hätten wir junge Frauen interviewt, gäbe es ausnahmslos Applaus. Reicht es heute jung und weiblich zu sein? Unser Buch ist eine Hommage an das Alter, an Erfahrung, an Lebensleistung.

Eine differenzierte Sicht außerhalb des Gruppendenkens. Schlimm. Sie will noch nicht einmal zugeben, dass alle Frauen von allen Männern unterdrückt werden.

Heiner Bremer sagt im Interview: „Ich habe in meinem Leben keine Vorteile gehabt, weil ich ein weißer Mann bin.“ Kann man eine solche Aussage tatsächlich stehen lassen?

Er leugnet seine Privilegien! Ich bin entsetzt.

Lehfeldt: In welches Milieu man geboren wird, das hat immer Auswirkungen. Andere Männer seiner Generation haben aber keine vergleichbare Biografie. Das zeigt eben doch, dass sein Lebensweg Ausdruck von Leistung ist. Genauer, dass bei ihm Leistung wichtiger war als sein Geschlecht. Gerade bei Heiner Bremer ist übrigens spannend, wie er Frauen im Journalismus gefördert und lieber mit Frauen gearbeitet hat als mit Männern.

Dass er ein Frauen-Förderer ist, hat doch nichts damit zu tun, ob er während seines Werdegangs Privilegien aufgrund seiner Herkunft, seiner Hautfarbe und seines Geschlechts hatte.

Lehfeldt: Im Gegenteil, das zeigt für mich, dass es in dieser Generation Männer gab und gibt, die ihre Startvorteile genutzt haben, um Gleichstellung voranzutreiben. Auch Menschen wie ihm verdankt es sich, dass wir es heute leichter haben. Umso wichtiger, dass wir nicht jeden zum Opfer oder Täter stilisieren.

Es darf eben keine Verdienste geben, sie werden grundsätzlich durch die Privilegien auf Null gesetzt.

 

Zu sagen, dass es andere schwerer hatten als man selbst, ist keine Täter- oder Opferrolle, sondern einfach eine Erkenntnis.

Lehfeldt: Daraus sollte aber kein Feindbild erwachsen, sondern Handeln. Die Männer, die wir portraitiert haben, stehen eben genau dafür.

Man sieht wirklich, dass sie aus zwei vollkommen unterschiedlichen Denkwelten kommen.

Heiner Brehmer sagt im Interview auch „Früher hat ein Flirt niemanden aufgeregt, ein stilvoller Flirt war eine wunderbare Form des Kompliments“. Hat die Sensibilität, die unter anderem durch die MeToo-Bewegung entstanden ist, die Situation von Frauen Ihrer Meinung nach verbessert oder verschlechtert?

Was für eine Kombination! Ein stilvoller Flirt hat ja erst einmal gar nichts mit Metoo zu tun. Natürlich kann man da verschiedener Auffassung sein, was stilvoll ist: Der eine kann es als Belästigung ansehen und der andere als Flirt. Aber grundsätzlich sind es vollkommen verschiedene Sachen.

Brockhaus: Wir finden die MeToo-Bewegung sehr wichtig. Da wurden Sexualstraftäter aufgedeckt. Es muss aber klar sein, dass das was Anderes ist, als wenn ein Chef seiner Mitarbeiterin ein Kompliment macht. Es ist nicht alles MeToo.

Lehfeldt: Es ist immer die Frage der Verhältnismäßigkeit. Natürlich ist jede Form der übergriffigen sexuellen Handlung absolut zu verurteilen. Aber ein Kompliment ist etwas Wunderbares, das darf nicht in Verruf geraten. Wir wollen dazu ermutigen, dass man einer Frau heute noch die Tür aufhält oder ihr sagt, dass sie ein schönes Kleid anhat. Wir müssen entspannt bleiben.

Eine entspannte Sicht.

Würden Sie sich eigentlich als Feministinnen bezeichnen?

Brockhaus: Ja, Feminismus ist für mich die Gleichberechtigung von Frau und Mann und dafür stehe ich. Deshalb bin ich Feministin. Aber ich habe das Gefühl, dass viele Feministinnen heutzutage die Männer vergessen.

Lehfeldt: Ich würde mich in diesem Sinne eher als Individualistin sehen. Mir ist es gleich, welches Geschlecht, Alter oder Hautfarbe jemand hat. Es kommt darauf an, welche Werte sie oder er lebt.

Interessant wäre ob die Interviewer sie als Feministen bezeichnen würden. Brockhaus ist etwas ausweichend, Gleichberechtigung ist ja in der Tat okay, soweit Chancengleichheit gemeint ist.

Lehfeldt ist wunderbar auf das Individuum bezogen.

Sie leben beide emanzipierte Leben. Frau Lehfeldt, Sie sind die Ehefrau des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP), und machen dennoch als Politik-Journalistin Karriere. Frau Brockhaus, Sie arbeiten bereits kurz nach der Geburt Ihres Sohnes wieder. Hätten Sie diese Möglichkeiten, wenn sich nicht Feministinnen seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen stark gemacht hätten?

Lehfeldt: In kompletter Abhängigkeit als Ehefrau und ohne Selbstbestimmung wollte ich nicht leben. Unsere Freiheit ist eine Errungenschaft, die von unseren Urgroßmüttern, Großmüttern und Müttern erkämpft wurden. Deren Kampf ums Wesentliche relativieren wir, wenn wir aus der Frauenrechtsbewegung ein identitätspolitisches Süppchen machen.

Brockhaus: Ich bin den Frauen, die uns den Weg bereitet haben, sehr dankbar. Frauen haben ihr Leben riskiert, damit wir heute arbeiten und wählen gehen können. Das weiß ich zu schätzen. Aber heute gilt als Feminismus ein pinkfarbener Hashtag bei Instagram. Das brauche ich nicht. Und deshalb bin ich da ganz bei Alice Schwarzer, die mit dem Feminismus von heute hadert.

Bei Schwarzer? Oh weh, da hat sie sich ja direkt dem Teufel angeschlossen.

Aber ein schönes Bekenntnis gegen die Identitätspolitik.

Wie würde Alice Schwarzer wohl Ihr Buch finden?

Lehfeldt: (lacht) Wir werden ihr mal eine Ausgabe schicken.

Brockhaus: Da bin ich gespannt. Alice Schwarzer wurde ja von ihrem Großvater großgezogen. Ein schönes Zitat von ihr: „Mein Großvater war meine Mutter.“ Für Schwarzer war es selbstverständlich, dass ihr Opa sich um die Kinder kümmert und ihre Oma über Politik redet. Scheint, als wäre Schwarzers Großvater ein perfekter Interviewpartner für unser Buch gewesen.

Und dann endet das Interview auch noch mit einer positiven Meinung zu Schwarzer.