Queer.de liegt (neben anderen Seiten) wohl ein aktueller Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes vor:
Keine Gerichtsverfahren mehr
Dem bisherigen Transsexuellengesetz liege ein „medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit“ zugrunde, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf. Künftig soll für eine Änderung des Geschlechtseintrags keine Person mehr ein Gerichtsverfahren durchlaufen müssen oder ärztliche Bescheinigungen und teure Sachverständigengutachten benötigen. Es reicht eine einfache Erklärung beim Standesamt. Das Gesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an trans, inter und nichtbinäre Menschen. Gerechnet wird mit etwa 4.000 Änderungen pro Jahr.
Mal sehen wie es sich auswirkt, dass nur noch auf die Selbstauskunft abgestellt wird. Es lädt natürlich zu Mißbrauch ein, wenn man Hürden beseitigt, allerdings ist Geschlecht eben auch ein so integraler Bestandteil unseres seins, dass es gegenwärtig viele merkwürdig finden würden das Geschlecht zu ändern. Interessant wird es, wenn jemand bestimmte Vorteile entdeckt und es dann cool wird einfach das Geschlecht für ein Jahr zu wechseln um diese wahrzunehmen. Ein Beispiel wäre etwa eine fast automatisch bessere Schulnote im Schulsport, die den Schnitt entsprechend verbessert (wobei das anscheinend ausgenommen ist): Wenn da genug andere Jungs mitmachen verliert es eben seinen beeinträchtigenden Charakter.
Versicherung auf dem Standesamt
Die Angst vor missbräuchlichen oder unüberlegten Änderungen des Geschlechtseintrags zieht sich durch den gesamten Entwurf. So tritt eine Änderung erst nach drei Monaten in Kraft und bleibt für mindestens ein Jahr unumkehrbar. Antragsteller*innen müssen zudem eine zusätzliche Versicherung abgeben. Im SBGG heißt es dazu: „Neben den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen können geschäftsfähige Erwachsene den Geschlechtseintrag und die Vornamen ändern, indem sie eine entsprechende Erklärung vor dem Standesamt abgeben und zusätzlich versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag ihr Geschlechtsidentität am besten entspricht und ihnen die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.“
Die drei Monate bremsen wahrscheinlich zumindest Leute aus, die „noch schnell auf einem Frauenplatz bei den Grünen“ kandidieren wollen, wobei da die Debatte interessant wird: Denn wenn sie angeben, dass sie Frauen sind wären sie nach dem Frauenstatut ja Frauen, insbesondere wenn sie dann nach drei Monaten auch rechtlich unangreifbar Frauen wären.
Regelungen für Minderjährige
Auch Kinder und Jugendliche können nach dem Entwurf Vornamen und Geschlechtseintrag ändern. Bei unter 14-Jährigen müssen die Eltern oder Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben. Über 14-Jährige können dies selbst tun, benötigen dafür jedoch eine Erlaubnis der Eltern oder Sorgeberechtigten. Falls diese ihre Zustimmung verweigern, soll bei über 14-Jährigen ein Familiengericht entscheiden.
Eigentlich wäre bei 14jährigen eine gerichtliche Überprüfung gar nicht verkehrt, auch bei Zustimmung der Eltern. Denn dann könnte man zumindest hinterfragen, ob es für die Entwicklung des Kindes wirklich gut ist oder hier nur die Eltern ein Projekt verwirklichen. Immerhin braucht man wegen des Wohl des Kindes auch bei einer Adoption durch den Mann, der einen seit der Geburt als Vaterfigur betreut ein entsprechendes Verfahren, in dem festgestellt wird, dass es auch wirklich gut für einen ist und es reicht nicht die Auskunft beider.
Die Frauensauna und das Hausrecht
In dem Streit zwischen Justiz- und Familienministerium um das Hausrecht von Frauensaunen hat sich FDP-Minister Buschmann durchgesetzt, auch wenn die Ausformulierung im Vergleich zu früheren Äußerungen abgemildert wurde. „Die Rechtslage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bleibt unverändert„, heißt es im Gesetzentwurf. „Es ist daher etwa im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich, aus sachlichem Grund, etwa um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (zum Beispiel beim Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen) im Einzelfall zu differenzieren.“ Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes interpretiert die Rechtslage ganz anders (queer.de berichtete).
Auch schön, dass man dort im Prinzip einen offenkundigen Streitpunkt offen lässt. Nämlich die Frage, wie die Konkurrenz zwischen dem Hausrecht und dem AGG gelöst wird. Denn dort ist eben verboten eine Frau anders zu behandeln als einen Mann. Und das wirft eben das „Frauensauna“-Problem auf. Ist es ein Grund, dass die Frau hier eben nur nach der Legaldefinition eine Frau ist aber den Körper eines Mannes hat?
Keine Selbstbestimmung im Krieg
Ganz neu wurde ein bislang nicht diskutierter Paragraf zum Verteidigungsfall in den Gesetzentwurf aufgenommen. Damit will die Regierung offenbar verhindern, dass sich cis Männer durch eine Änderung des Geschlechtseintrags einer Einberufung entziehen. Befindet sich Deutschland im Krieg, darf der Geschlechtseintrag nicht mehr von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ geändert oder ganz gestrichen werden, heißt es im SBGG, „sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde“.
Die Klausel ist natürlich der Hammer. Klar seid ihr Frauen, aber eben nicht wenn es ernst wird. Dann habt ihr gefälligst Kriegsdienst zu leisten. Oder wie es hier auf Twitter formuliert wurde:
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