„Sozialer Aufstieg durch Heirat wird schwieriger“

Der Spiegel berichtet darüber, dass inzwischen eher Menschen gleicher Bildung heiraten:

Der Arzt heiratet nicht mehr die Krankenschwester – er heiratet eine Ärztin.

Diese Entwicklung hat einen Nebeneffekt: Der soziale Aufstieg durch Heirat wird immer schwieriger – und das verringert die Aufstiegschancen generell. Sogar die steigende Einkommensungleichheit in westlichen Gesellschaften lässt sich zum Teil mit den veränderten Heiratsverhalten erklären.

Es ist aus meiner Sicht verständlich, dass sich die Schema verschieben. Denn Gleichheit ist zum einen ein in der Partnerwahl wichtiges Merkmal, zum anderen aber entsteht dies auch schlicht daraus, dass man sich im Studium oder über den Beruf kennen lernt und dann später heiratet. Eine weitere Quelle sind Freunde von Freunden, die eben dann meist auch aus einem ähnlichen sozialen Umfeld kommen.

Eine Untersuchung von Hunderttausenden US-Paaren zwischen 1960 und 2005 brachte die Erkenntnis, dass die soziale Mobilität durch sogenannte homosoziale Ehen in der Gesellschaft ab- sowie die Ungleichheit der Haushalte in Sachen Einkommen zunimmt. Auch in einer 2011 veröffentlichten Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)wird die „Tendenz zur Paarung unter Gleichen“, als ein Grund für die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft genannt.

In Deutschland gibt es Studien, die eine ähnliche Entwicklung nahelegen: „Der Anteil der aufwärtsheiratenden Frauen hat über die Generationen hinweg deutlich abgenommen“, schreiben etwa dieSoziologen Hans-Peter Blossfeld und Andreas Timm. Es gibt jedoch auch eine Untersuchung der Soziologen Hans-Jürgen Andreß und Martin Spitzenpfeil, die auf Deutschland bezogen zu einem anderen Ergebnis kommt: Demnach sei der Anteil der homogamen Haushalte über dreißig Jahre hinweg relativ konstant geblieben.

Aufwärtsheiraten – wir hatten es hier schon einmal in einer Kommentardiskussion – kann man natürlich auch, wenn man innerhalb bestimmter Schichten heiratet. Etwa wenn die Sozialpädagogin den erfolgreichen BWLer heiratet oder den gut verdienenden Ingenieur. Oder die Richterin den Anwalt aus der Großkanzlei.

In der Tat dürfte das aber die sozialen Unterschiede vergrößern: Nicht nur haben solche Familien mehr Einkommen, sie haben im Schnitt auch intelligentere Kinder (aufgrund der Vererbbarkeit von Intelligenz), die sie gleichzeitig besser fördern können (sowohl selbst als auch finanziell).

Ich finde allerdings sowieso, dass das Abstellen auf die Unterschiede ein schlechtes Kriterium ist, dass allenfalls in einer Neiddebatte verwertbar ist. Wichtiger dürfte sein, wie die Lebenmöglichkeiten an sich in dem jeweiligen Land sind. Ich sehe auch nicht wirklich, wie man große Unterschiede verhindern will: Nehmen wir mal als Beispiel Larry Page, Mitgründer von Google, mit einem Vermögen von 23 Milliarden Dollar. Natürlich ist das unverschämt reich. Sogar grotesk reich. Aber will wirklich jemand, dass er Google in andere Hände geben muss und seine Anteile verkaufen muss, weil es eine Obergrenze gibt, vielleicht gar an den Staat?  Oder an beliebige Investoren? Und danach muss er das Geld zwangsverprassen bis er unter eine bestimmte Grenze fällt? Da würde man sich wohl einiges an Unternehmertum abschneiden (und viele Leute müssten wohl einfach noch luxuriöser leben, damit sie das Geld selbst ausgeben und nicht weggeben müssen). Und welche Obergrenze soll das sein? Sind ein paar Millionen okay oder weniger? Die meisten Menschen dürften abgesehen von ihrem Neid Vorteile davon haben, dass es entsprechende Konzerne gibt, in denen viele schlaue Menschen wieder Arbeit finden und sich ebenfalls einen hohen Standard aufbauen können.

Aber zurück zu Männer und Frauen:

Fakt ist, dass es vor 50 Jahren für Männer noch extrem schwierig war, Partnerinnen mit demselben Bildungshintergrund zu finden. In den Universitäten gab es nur wenige Frauen. Die Studenten waren also gezwungen, ihre Partnerinnen in anderen Umgebungen zu suchen. Etwa in der Kneipe oder bei Tanzveranstaltungen.

Das hat sich geändert: Der Anteil von gebildeten Frauen in westlichen Gesellschaften ist in den vergangenen Jahrzehnten rapide gestiegen, das Verhältnis bei Abiturienten und Studienanfängern ist heute ausgeglichen. Es greift nun, was Soziologen als „Gelegenheitsstruktur“ bezeichnen: Es ist eben einfacher, als Student auf eine Studentin zu treffen als auf eine Fabrikarbeiterin. Und Gelegenheit macht Liebe. „Menschen fällt es leichter, sich in andere Personen zu verlieben, die einen ähnlichen Habitus haben, ähnlich denken und fühlen, gleiche Werte teilen, den selben Geschmack haben“, sagt Kultursoziologe Günter Burkart.

Gleiche Interessen und gleiche Vorstellungen machen die Sache in der Tat häufig leichter. Zumindest ein gewisses gleiches Bildungsniveau kann da einiges ausmachen. Wobei ja auch in der Gruppe „Studenten“ ganz erhebliche Unterschiede im denken und Fühlen und in den Werten vorhanden sein können.

Die Frauen haben es in der Hand: Sie müssen bei derPartnerwahl nicht mehr nach oben gucken – denn dort sind sie bereits angekommen. „Nun könnten sie ihrerseits nach unten schauen – doch warum sollten sie das tun? Es gibt ja viele potenzielle Partner mit einem ähnlichen Hintergrund“, sagt Burkart. Und wenn die Frau tatsächlich mehr verdient oder einen höheren Abschluss hat als der Mann? „Dafür brauchen beide ein großes Selbstbewusstsein, sonst ist dieses Modell konfliktbelastet“, sagt Burkart: „Es muss ihnen egal sein, wenn etwa Freundinnen oder Freunde über den Partner herziehen.“

Das ist auch eine schöne Weise die Aussage zu umgehen, dass viele Frauen sich sehr ungern nach unten orientieren. Und das ein gewisses Ungleichgewicht dadurch hineinkommen kann, dass Status und ein guter Job Männer attraktiver machen, Frauen aber nicht unbedingt. Und das dadurch eben Frauen auf einer hohen Position eher Probleme haben einen passenden Mann zu finden, weil Männer auf gleicher Stufe dann eben eher eine zwar auch studierte Frau, aber aus der niedrigeren Stufe auswählen.