Kündigung wegen sexueller Belästigung („Busengrapscher-Fall“)

Gerade sorgt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 – für Schlagzeilen:

Der Leitsatz lautet:

Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob sie im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität.

Die Sachverhaltsschilderung des Landesarbeitsgerichts als Vorinstanz ist etwas länger, dort war folgendes zu finden:

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die seitens der Beklagten unter dem Datum vom 31.07.2012 ausgesprochene fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat
Der am 23.01.1978 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.09.1996 als Kfz-Mechaniker zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.050,00 EUR brutto beschäftigt
Mit Schreiben vom 31.07.2012 hat die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.
Anlass für die Kündigung war ein Vorfall am Freitag, dem 27.07.2012. Nachdem der Kläger an diesem Tag seine Arbeit beendet hatte und sich umziehen wollte, begegnete er in den Sozialräumen der bei einem externen Reinigungsunternehmen angestellten Reinigungskraft M. N., die mit der Reinigung der Sozialräume beschäftigt war. Bei Eintreffen des Klägers lehnte Frau N. in der Tür zwischen Waschraum und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Der Kläger begab sich ebenfalls in den Waschraum, um sich Hände und Gesicht zu waschen. Nachdem seine beiden Kollegen den Waschraum verlassen hatten, führten der Kläger – während er sich wusch – und Frau N., die er zuvor noch nicht kennengelernt hatte, ein Gespräch. Im Verlaufe dieses Gesprächs stellte Frau N. sich zunächst vor das Waschbecken und sodann neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe schöne Brüste und berührte sie dann an einer Brust. Frau N. erklärte, dass sie das nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab, zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau N. arbeitete weiter. Sie hat den Vorfall ihrem Arbeitgeber geschildert, der sodann an die Beklagte herangetreten ist.
Am 31.07.2012 hat die Beklagte mit dem Kläger wegen des Vorfalls vom 27.07.2012 ein Personalgespräch geführt. Der Kläger hat den Vorfall eingestanden und erklärt, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. Der Vorfall tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich dafür und so etwas würde sich nicht wiederholen.
Mit Schreiben vom 31.07.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos.
Der Kläger hat ein an Frau N. gerichtetes Entschuldigungsschreiben zur Akte gereicht, wegen dessen Inhalt auf Bl. 14 – 15 der Akte Bezug genommen wird.
Am 10.12.2012 hat der Kläger über die Kooperationsgemeinschaft für den Täter-Opfer-Ausgleich „Balance“ mit Frau N. einen Täter-Opfer-Ausgleich herbeigeführt und sich mit ihr auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 EUR geeinigt. Ausweislich der Bescheinigung der Kooperationsgemeinschaft „Balance“ vom 10.12.2012 hat Frau N. die Entschuldigung des Klägers angenommen und versichert, die Sache sei mit diesem Gespräch jetzt für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung.
Dennoch ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet worden, das jedoch ausweislich des zur Akte gereichten Schreibens der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
Der Kläger hat vorgetragen, dass es sich bei seinem Verhalten um einen unentschuldbaren Vorfall handele, für den er sich schäme. Wie es dazu gekommen sei, könne er heute selbst nicht mehr verstehen. Er habe den Eindruck gehabt, dass Frau N. ein bisschen mit ihm geflirtet habe und dann sei es irgendwie zu einem plötzlichen Blackout gekommen und er habe sich zu dem Übergriff hinreißen lassen. Sein Fehlverhalten tue ihm leid und er habe sich dafür bei Frau N. schriftlich entschuldigt. So unentschuldbar sein Fehlverhalten gegenüber Frau N. sei, rechtfertige dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus arbeitsrechtlicher Sicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die fristlose Kündigung jedoch nicht. Angesichts des völlig störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses über einen Zeitraum von 16 Jahren sei die Annahme gerechtfertigt, dass es sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt habe. Die Zukunftsprognose sei somit nicht negativ und die Beklagte könne die Kündigung nicht darauf stützen, nach den Umständen sei damit zu rechnen, dass sich so etwas wiederholen werde. Die Interessenabwägung müsse nach den Umständen zu seinen Gunsten ausgehen.

Soweit der Vortrag in der zweiten Instanz. Das Bundesarbeitsgericht fasste den Vortrag für die Revision dann wie folgt zusammen:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese – Frau M. – in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger – während er sich Hände und Gesicht wusch – und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe – subjektiv unstreitig – den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

Demnach kam es also wohl zu einem Gespräch, bei dem er meinte, dass sie mit ihm flirtete. Sie kam ihm dann immer näher, erst in die Nähe des Waschbeckens, dann genau neben ihn. Dann hat er ihr gesagt, dass sie schöne Brüste hat und sie an einer Brust berüht. Sie sagte, dass sie das nicht wollte, und er ließ es sofort. Mich würde ja noch interessieren, wie viel Zeit zwischen dem sagen und dem berühren vergangen sind und was so der Inhalt der Gespräche war, aber das ist anscheinend nicht vorgetragen worden.

Er hat dann in einem Gespräch sogleich den Vorfall gestanden und dargelegt, dass er sich vergessen habe und das es nie wieder erfolgt. Er ist verheiratet, seit 16 Jahren dort eingestellt, ohne das es ähnliche Vorfälle gab.

Zum Verfahrensgang heißt es in dem Urteil des BAG noch:

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Das Arbeitsgericht (1. Instanz) hat die Kündigungsschutzklage demnach abgewiesen, das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben, die Kündigung also als unberechtigt angesehen, das Bundesarbeitsgericht hat es so gesehen, wie das Landesarbeitsgericht.

Zuerst also die Begründung des LAG:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Berufungskammer den mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts belegten Ausführungen des Arbeitsgerichts dazu, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorfall um einen solchen handelt, der an sich geeignet ist, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen, uneingeschränkt folgt. Diese in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen macht die Berufungskammer sich – auch zur Vermeidung von Wiederholungen – ausdrücklich zu eigen.

Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist allerdings abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG, Urteil vom 25.03.2004, 2 AZR 341/03, m.w.N., zitiert nach juris).

Dies berücksichtigend ist die Berufungskammer der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere kann unter den gegebenen Umständen nicht von der zur Rechtfertigung der Kündigung erforderlichen Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung überwiegen die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Interessen der Beklagten an dessen Beendigung. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 16.12.2010, 2 AZR 485/08, zitiert nach juris).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, zitiert nach juris). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, dass die Kündigung des Arbeitgebers wegen des Kündigungsgrundes notwendig und nicht durch für den Arbeitnehmer mildere Mittel zu vermeiden sein muss.
Liegen arbeitsvertragliche Vertragsverletzungen vor, werden sie kündigungsrechtlich relevant, wenn der Arbeitgeber daraus schließen kann, dass das Vertragsverhältnis auch in Zukunft gestört wird. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung gehört daher zur sozialen Rechtfertigung eine negative Prognose, für die die bereits erfolgte Störung der maßgebende Anknüpfungspunkt ist. Der Arbeitnehmer soll allerdings für ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten durch die Kündigung nicht bestraft werden. Vielmehr soll der Arbeitgeber durch die Kündigung von seinem Recht Gebrauch machen können, weitere zu erwartende Vertragsverletzungen zu verhindern.
Die insoweit anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen (vgl. BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris).
Unstreitig liegt auf den Kläger bezogen keine Abmahnung vor, aus der auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden könnte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auf eine Wiederholungsgefahr jedenfalls nicht dadurch geschlossen werden, dass der Kläger – wie die Beklagte wohl meint – gegenüber Frau N. zwei sexuelle Belästigungen begangen haben soll, nämlich zum einen eine verbale und zum anderen eine körperliche Belästigung.
Nach Auffassung der Berufungskammer handelte es sich bei dem Vorfall vom 27.07.2012 um einen Vorgang, der nicht in zwei Vorgänge aufgespaltet werden kann, um damit eine wiederholte sexuelle Belästigung zu begründen. Der Auffassung der Beklagten würde die Berufungskammer sofort und uneingeschränkt folgen, wenn Frau N. sich gegen die anzügliche Bemerkung des Klägers zur Wehr gesetzt und der Kläger sie trotzdem – statt von ihr abzulassen – an der Brust berührt hätte. In einem derartigen Fall wäre zu konstatieren, dass der Kläger zwei sexuelle Belästigungen begangen hat und eine Wiederholungsgefahr schon deshalb besteht, weil er sich trotz einer Abwehr der Frau N. von einer weiteren noch deutlich tiefergreifenden sexuellen Belästigung nicht hat abschrecken lassen. So war es vorliegend jedoch nicht. Die Bemerkung über die Brust und das Berühren der Brust waren nach dem unstreitigen Sachverhalt ein einheitlicher Vorgang, der Frau N. keine Zeit ließ, sich zu der Bemerkung des Klägers zu äußern, andernfalls wäre nicht nachzuvollziehen, warum sie es nicht bereits zu diesem Zeitpunkt getan hätte. Danach geht die Berufungskammer davon aus, dass es sich um einen einheitlichen Vorgang handelte, der ohne wenn und aber schwerwiegend ist, nicht aber in zwei gesonderte Vorgänge aufgespaltet werden kann.
Danach stellt sich vorliegend die Frage, ob dieser einmalige Vorfall so gravierend ist, dass auch ohne vorhergehende Abmahnung und ohne dass ein – wenn auch nicht abgemahntes – wiederholtes Fehlverhalten vorliegt, die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründet bzw. dieser einmalige Vorfall das Arbeitsverhältnis derart auch für die Zukunft belasten wird, dass die Beklagte zur fristlosen Kündigung berechtigt war.
Die Berufungskammer legt Wert darauf zu betonen, dass auch aus Sicht der Berufungskammer ein gravierender Vorfall gegeben ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, die „ohne wenn und aber“ den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigen. Dies berücksichtigend führt das vom Kläger eingeräumte „Augenblicksversagen“ nach Auffassung der Berufungskammer entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu der Annahme, dass der Kläger nach seiner eigenen Einlassung „jeden Augenblick“ wieder versagen kann, sondern rechtfertigt nur die Annahme, dass es sich um einen einmaligen Vorfall unter besonderen Umständen handelte, der nicht geeignet ist, grundsätzliche Zweifel daran zu hegen, dass der Kläger sein diesbezügliches Verhalten steuern kann.
Auch das Bundesarbeitsgericht hält eine einmalige „Entgleisung“ für einen zu berücksichtigenden Umstand. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris, ausgeführt:
„Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt [……]. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.“
Ausgehend von diesen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts stellt sich das Verhalten des Klägers in einem anderen, milderen Licht dar. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es nicht der Kläger war, der sich der Frau N. unerwünscht genähert hat, sondern Frau N. ist auf den Kläger zugegangen. Der Kläger hat sich gewaschen und Frau N. ist – statt im Türrahmen stehen zu bleiben – nicht nur bis vor das Waschbecken getreten, sondern hat sich neben den sich waschenden Kläger gestellt. Nach seinem unwidersprochenen und unwiderlegten Vorbringen hatte der Kläger den Eindruck, dass Frau N. mit ihm flirtete. Für die Berufungskammer ist nachvollziehbar, dass sich dieser Eindruck beim Kläger dadurch verstärkt haben kann, dass Frau N. sich ihm näherte. In dieser Situation kam es zu dem Übergriff seitens des Klägers.
Es bedarf keiner besonderen Betonung, dass es auch in einer derartigen Situation nicht zu einem sexuellen Übergriff kommen darf. Es soll Frau N. als Opfer dieser Situation auch in keinster Weise eine Art „Mitverschulden“ zugewiesen werden. Kündigungsrechtlich ist jedoch nach Auffassung der Berufungskammer zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Klägers unter diesen Umständen in einem „milderen Licht“ zu sehen ist. Zwar kann der Kläger sich grundsätzlich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand (BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris).
Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Kläger Frau N. nicht fortgesetzt und hartnäckig bedrängt hat. Er hat sofort von ihr abgelassen und sich entfernt, nachdem Frau N. ihm zu verstehen gegeben hat, dass sie ein derartiges Verhalten nicht wünsche. Dass Frau N. sich nicht weiter vom Kläger bedrängt fühlte, zeigt sich auch daran, dass sie nach dem Vorfall ihre Reinigungsarbeiten in den Sozialräumen fortsetzte.
Schließlich ist auch das Verhalten des Klägers nach dem Vorfall zu berücksichtigen. Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Frau N. bei dem Personalgespräch sofort eingeräumt und erklärt, dass er sich dafür schäme. Aus diesem Verhalten ist nach Auffassung der Berufungskammer zu schließen, dass der Kläger über sein eigenes Verhalten ehrlich erschrocken war. Schließlich hätte der Kläger den Vorfall auch abstreiten können, denn er war unstreitig mit Frau N. alleine im Waschraum.
Die vorliegende Pflichtverletzung weist danach Besonderheiten auf, die im Rahmen der negativen Zukunftsprognose zu berücksichtigen sind und nicht den Schluss zulassen, der Kläger werde sich eine scharfe Abmahnung nicht zur Warnung gereichen lassen.
Auch die in jedem Fall gebotene Interessenabwägung muss nach Auffassung der Berufungskammer zugunsten des Klägers ausgehen. Auf Seiten des Klägers sind dessen langjährige und unbeanstandete Betriebszugehörigkeit und die Besonderheiten, unter denen der Vorfall sich ereignet hat, zu berücksichtigen. Er hat den Vorfall sofort eingeräumt, sich schriftlich bei Frau N. entschuldigt und sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht. Zu berücksichtigen ist auch, dass Frau N. unter den Folgen der Tat nicht leidet, die Entschuldigung des Klägers ausdrücklich angenommen und versichert hat, die Sache sei mit dem Gespräch im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs erledigt. Dies ergibt sich aus dem zur Akte gereichten Schreiben der Mediatorin H. C., die das Gespräch mit dem Kläger und der Frau N. geführt hat.
Der Beklagten ist als besonders hoch zu wertendes Interesse zuzugestehen, dass sie Schutzpflichten sowohl gegenüber ihren eigenen weiblichen Mitarbeitern als auch gegenüber Mitarbeitern von Fremdunternehmen hat. Die Beklagte hatte gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, das heißt eine Wiederholung ausschließen (vgl. BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris). Wie bereits ausgeführt kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Kündigung nicht die Bestrafung für einen Vorfall in der Vergangenheit sein darf, sondern dazu dient, zukünftig zu erwartende Vertragsverstöße zu beenden, hätte es vorliegend auch unter Berücksichtigung der der Beklagten obliegenden Schutzpflichten genügt, dem Kläger eine „scharfe“ Abmahnung zu erteilen.
Weitere Interessen, die zu der Annahme führen könnten, dass der in der Vergangenheit liegende, einmalige Vorfall weitere belastende Auswirkungen auch für die Zukunft hat, hat die Beklagte selbst nicht behauptet. Zwar hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Beklagte habe befürchten müssen, dass der Arbeitgeber der Frau N. den Vertrag kündigen werde oder in der Öffentlichkeit ein negativer Eindruck von der Beklagten entstehen könnte, wenn dem Kläger nicht gekündigt würde. Zutreffend hat der Kläger allerdings in der Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass die Beklagte dies selbst nicht behauptet hat. Auch nach dieser Rüge des Klägers hat die Beklagte sich im Berufungsverfahren nicht auf derartige Auswirkungen berufen. Schließlich wäre die Beklagte bei Erteilung einer Abmahnung auch nicht untätig geblieben. Sie hätte den Pflichtverstoß des Klägers „geahndet“, allerdings mit dem nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotenem Mittel. Dies hätte auch gegenüber dem Arbeitgeber von Frau N. klargestellt werden können.
Soweit die Beklagte befürchtet, es könne sich ein erneuter Vorfall mit Frau N. oder einer anderen Reinigungskraft ereignen – wovon die Berufungskammer unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände nicht ausgeht – so könnte dieses Problem dadurch gelöst werden, dass die Reinigungskräfte angewiesen werden, die Wasch- und Umkleideräume nicht zu betreten, wenn sich dort männliche Mitarbeiter aufhalten, die sich waschen und umziehen.Dies dürfte auch grundsätzlich geboten sein. Dafür, dass der Kläger in anderen Situationen nicht dazu in der Lage sein sollte, sein Verhalten gegenüber weiblichen Mitarbeitern der Beklagten oder einer Fremdfirma zu steuern, sind für die Berufungskammer keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr steht zu erwarten, dass der Kläger – gewarnt durch den streitgegenständlichen Vorfall – sein zukünftiges Verhalten so ausrichten wird, dass es zu keinen weiteren diesbezüglichen Pflichtverletzungen kommt.
Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis auch nicht als – ggf. umzudeutende (§ 140 BGB) – ordentliche Kündigung beendet, auf die der Arbeitgeber sich zudem selbst nicht berufen hat, denn auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wäre nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Abmahnung erforderlich gewesen.
Die Kündigung ist danach unwirksam. Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts mithin abzuändern.

Ich habe ein paar Punkte hervorgehoben, die denke ich wichtig sind. Das Gericht stellt hier keinen „Freischein für Belästigung“ auf oder erlaubt das Begrabschen von Frauen. Es prüft einen Einzelfall, und die dortige Wertung scheint mit nachvollziehbar. Es ist hier unstreitig, dass sie mit ihm geflirtet hat und ihm immer näher gekommen ist. Er durfte daher zumindest annehmen, dass sie an ihm interessiert ist. Er hat dann – nach seiner Darstellung durch ein Augenblicksversagen – das Interesse überinterpretiert und ist übergriffig geworden. Er hat dann sofort abgelassen und sie hat sogar noch zu Ende geputzt. Auch ansonsten gibt sie an, dass sie nicht zu Schaden gekommen ist, die Angelegenheit ist zwischen beiden geklärt. Das Gericht geht hier insofern davon aus, dass man ihm deswegen nicht kündigen muss, sondern eine Abmahnung gereicht hätte und das es ggfs geboten ist, den Reinigungskräften mitzuteilen, dass sie den Waschraum nicht putzen sollen, wenn sich da gerade Männer waschen – was ich auch für grundsätzlich geboten halte.

Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung wie folgt:

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 684/13 – Rn. 39; 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 15, BAGE 146, 203).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.
1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 16 mwN).
2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.
a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 18 mwN).
b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes – entgegen der Ansicht der Revision – nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun(zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.
III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.
1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.
a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 47; 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 15 mwN).
b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 47; 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 16).
c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen – wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung – zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 28 mwN).
d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 42 mwN)
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.
a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.
aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.
(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG„ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.
(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer – drohenden – Kündigung und eines – drohenden – Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und – auch ausweislich seiner späteren Bemühungen – seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.
b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und – wie hier – alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 31 mwN).
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 38).
bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 44; 14. Februar 1996 – 2 AZR 274/95 – zu II 4 der Gründe).
c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.
B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 38).
C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen
Hier ist also noch einmal – neben den Punkten, die bereits das Landesarbeitsgericht hervorgehoben hat, darauf abgestellt worden, dass der Mann hier nicht belästigen wollte. Er hat vielmehr fälschlicherweise angenommen, dass sie nichts dagegen haben werde, weil sie sich ihm eben entsprechend genährt hat und mit ihm geflirtet hat. An ihrer Reaktion hat er dann erkannt, dass er sich geirrt hat und die Belästigung sofort eingestellt.

Ich halte das für eine gelungene Abgrenzung. Sie stellt differenziert auf die konkrete Situation ab und macht auch deutlich, dass dies in einem anderen Zusammenhang nicht hinzunehmen wäre und eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Das Gericht hält ihm zugute, dass er sich geirrt hat – er ist nicht „böse“ gewesen, sondern „blöd“. Jemand der einfach nur übergriffig wird, weil er meint das Recht dazu zu haben oder der mit einem „komm, du willst es doch auch“ die Belästigung fortgesetzt hätte, kann sich auf dieses Urteil nicht berufen.

vgl.

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