Im Rahmen der gestrigen Diskusssion bin ich noch einmal auf dieses Passage aus einem Vortrag von Doris Bischof Köhler gestoßen:
Mädchen gehen eher indirekt vor. Sie suchen bei anderen Mädchen Anerkennung, die sie entweder erhalten oder die ihnen verweigert wird. Aggression äußert sich kaum brachial, sondern vor allem als sogenannte Beziehungsaggression, die im Wesentlichen auf soziale Ausgrenzung abzielt. Zwei reden beispielsweise abfällig über eine dritte oder ein Mädchen droht einem anderen Mädchen an, es nicht mehr mitspielen zu lassen oder es nicht zum Geburtstag einzuladen, um so seinen Willen durchzusetzen. Typisch für Mädchen mit Ranganspruch ist ferner, daß sie sich um das seelische Wohlbefinden der anderen kümmern, sie also im Fall von Kummer zu trösten suchen. Dieses Sich-kümmern kann schnell einmal die Form ungefragter Ratschläge annehmen. Die Psychologie spricht hier von “prosozialer Dominanz”, wobei es sich um eine Mischung aus Besorgtheit einerseits und Bevormundung andererseits handelt. Schon kleine Mädchen im Kindergarten erklären anderen gern, was gut für sie ist und was sie machen dürfen und was nicht.
Da hätten wir im Vordergrund die Suche nach Anerkennung und dann die Mittel, wie man diese im Hierachiekampf einsetzt. Dabei steht soziale Ausgrenzung relativ weit oben. Diese erfolgt entweder, indem man diejenige von Aktivitäten ausschließt oder sie bei anderen hinabsetzt.
Eine hohe Stufe des Rangs ergibt sich dann daraus, dass man diejenige nicht mehr von Aktivitäten ausschließen kann, sondern sie bestimmt, wie bestimmte Sachen durchgeführt werden, man sich also nach ihr richten soll.
Irgendwie erinnert mich das etwas an die Grundlagen von IDPOL und dem Genderfeminismus. Jede versucht nach Möglichkeit in der Gruppe anerkannt zu werden und hat Nagst vor Ausgrenzung. Zudem versucht man sich in eine Position zu bewegen, wo der Ausschluss von einem selbst negativ auf den Ausschließenden zurückfällt, eben indem man eh schon Opfer ist.
Eine tiefergreifende Kritik ist in dem Fall eine „Nichtanerkennung“ und wird daher vermieden, sofern man nicht meint, die nötige „prosoziale Dominanz“ zu haben, um den anderen mit einer Mischung aus Besorgtheit und Bevormundung behandeln zu können. Ich zitiere dazu mal aus dem Text, der der Mädchenmannschaft Förderung der Rape Culture vorwarf:
Wir sind es von Maskulisten, Antifeministen und anderen Frauenfeinden gewöhnt, dass sie die Grenze zwischen gewolltem und erzwungenem Sex aufzuheben oder zu verwischen versuchen. Und leider ist das auch im Alltagsdenken noch ziemlich stark verankert. Dagegen versuchen Feministinnen üblicherweise anzugehen. Wir als Initiative machen das zum Beispiel mit unserem Medienradar. Jetzt ist allerdings die Mädchenmannschaft in diesen Radar geraten und wir müssen leider innerfeministische Aufklärungsarbeit leisten (…)
Gewalttaten als akzeptable Handlung darzustellen gehört zum Alltagsinstrumentarium des Patriarchats, um männliche Herrschaft und Machtmißbrauch zu kaschieren und zu normalisieren. Aus patriarchaler Perspektive ja auch völlig verständlich. Nur wie kommt ein bekannter feministischer Blog, der normalerweise ambitioniert und tiefgreifend gegen jegliche Diskriminierung und Machtmißbrauch anschreibt, dazu, solcherart zu argumentieren? Das bleibt eine offene und ziemlich verwirrende Frage. Wir sind allerdings weniger an einer Antwort darauf interessiert, sondern vielmehr daran, dass diese unsägliche Verharmlosung aus der Linksammlung der Mädchenmannschaft verschwindet.
Da wird bevormundend die richtige Vorgehensweise erklärt und Besorgnis in den Raum geworfen, dass die Mädchenmannschaft vom rechten Weg abgekommen ist, auf den die Störenfriedas sie zurückführen wollen.
Die Mädchenmannschaft reagiert mit ignorieren und ausblenden der Kritik einschließlich schließen der Kommentare. Keine Anerkennung für die Störenfriedas.
Neuer Peter schrieb hier einmal in einem Kommentar zu verschiedenen Gesprächsstilen:
- Die Feministen reden über Alltagserfahrungen und sind frustriert, wenn die Maskulisten auf dieser Grundlage stets eine Grundsatzdiskussion führen wollen und eine Positionierung zur feministischen Theorie verlangen. Aus ihrer Sicht muss das wie eine Verharmlosung dieser Erfahrungen, wie ein eristrisches Derailing wirken.
- Die Maskulisten reden über theoretische Grundlagen, über politische Strukturen und über biologische Dispositionen. Und sind frustriert, weil sie es mit einem Gegenüber zu tun haben, der sich schlicht weigert, sich zu irgendeinem wie auch immer gearteten Standpunkt zu bekennen. Aus ihrer Sicht kommt ihnen das Gespräch vor wie ein unredliches Katz-und-Maus-Spiel, ein immerwährendes Spiel des moving target.
Wenn man davon ausgeht, dass in Diskussionen unter Frauen die Anerkennung eine wichtigere Rolle spielt als der Spaß an der Auseinandersetzung, der Wettstreit der Ideen, dann wäre es verständlicher, wenn es häufig kracht. Mit der Nichtanerkennung der feministischen Positionen lehnt man dann aus dieser Sicht gleich die Person ab und grenzt aus bzw. würde diejenige zwingen sich selbst aus der „feministischen Gemeinschaft“ auszugrenzen.
Abgesehen davon finde ich den Gedanken interessant, dass über das „Sich um jemanden kümmern“ ein Machtanspruch bzw. ein Rangplatz erkämpft wird.
Das rückt das Mädchen, welches eine Teeparty mit ihren Puppen macht, in der sie all diese Rollen spielt und sich um sie kümmert, in ein anderes Licht. Sie fantasiert sich insofern einen Freundeskreis, indem sie sich um alle kümmern und ihnen etwas vorschreiben kann, also eine Position mit hohem Rang.
Und auch eine Prinzessin ist damit als Wunschfigur gut verständlich, denn auch hier hat man eine hohe Position aus der heraus man „prosoziale Dominanz“ entwickeln kann.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum „Mansplaining“ so kritisch gesehen wird. Es ist ja eine Form der „prosozialen Dominanz“ bei der man bevormundend auftritt um dem anderen zu helfen, also in gewisser Weise Rangspiele betreibt.
Möglicherweise sehe ich gerade etwas viel prosoziale Dominanz in allen Bereichen, weil ich es als Konzept interessant finde und es neue Betrachtungen intrasexueller Konkurrenz unter Frauen bietet.
Prosoziale Dominanz kann natürlich auch positiv eingesetzt werden, wenn man die richtige Balance zwischen dem Wohl der anderen und der eigenen Kompetenz erkennt und daraus ein gewisses Selbstvertrauen ableitet. Allerdings klingt „prosoziale Dominanz“ auch gleich wieder ganz anders als etwa „Fürsorglichkeit“, als die sie gerne in Erscheinung treten will.
Ich werde es jedenfalls mal im Auge behalten.