„Feministen“ ist kein neutraler Begriff

Auf „Drei Hälften“ überlegt die Autorin, warum andere es problematisch finden, wenn Männer sich als Feministen bezeichnen bzw. ein Männermanifest als feministisch.

Das Gegenargument wäre, dass der Begriff negativ belastet ist, was die Autorin für sich nicht findet.

Auch das Argument, dass der Begriff eben im Wortstamm bereits davon spricht, dass Frauen, und nicht Männer vertreten werden überzeugt die Autorin nicht:

Er geht davon aus, dass Feminismus vor allem etwas mit Frauen zu tun hat, wahrscheinlich wegen des Wortbestandteils ‘femin’. Diese Assoziation ist zunächst verständlich, aber die Veränderung der Lebensverhältnisse, des Rechtsstatus usw.  von Frauen ist in unserer zweigeschlechtlichen Welt aufs Engste mit Veränderungen für das ‘andere’ Geschlecht verknüpft. Wenn das bisher (vor allem von Nicht-Feminist_innen) wenig reflektiert worden ist, ist das kein Grund, zu behaupten, Feminismus habe erst in zweiter Instanz etwas mit Männern zu tun.Er geht davon aus, dass Feminismus vor allem etwas mit Frauen zu tun hat, wahrscheinlich wegen des Wortbestandteils ‘femin’. Diese Assoziation ist zunächst verständlich, aber die Veränderung der Lebensverhältnisse, des Rechtsstatus usw. von Frauen ist in unserer zweigeschlechtlichen Welt aufs Engste mit Veränderungen für das ‘andere’ Geschlecht verknüpft. Wenn das bisher (vor allem von Nicht-Feminist_innen) wenig reflektiert worden ist, ist das kein Grund, zu behaupten, Feminismus habe erst in zweiter Instanz etwas mit Männern zu tun.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass solche Argumente aus der feministischen Ecke kommen, die ja gerade im Bereich sprachlicher Genauigkeit ihrerseits erhebliche Forderungen aufstellt.

Übertragen wir die Forderung auf einen anderen Bereich:

Feministen gehen davon aus, dass „Bürger“ vor allem etwas mit Männern zu tun hat, wahrscheinlich wegen des Fehlens des Wortbestandteils ‘-in’ für Bürgerin. Diese Assoziation ist zunächst verständlich, aber die Benennung der Bürger unter einer neutralen Bezeichnung ist in unserer Gesellschaft üblich. Wenn das bisher (vor allem von Feministinnen) wenig reflektiert worden ist, ist das kein Grund, zu behaupten, Bürger habe erst in zweiter Instanz etwas mit Frauen zu tun.

Wenige Feministen werden dem zustimmen.

Zudem verkennt die Argumentation auch das Folgende:

Es stehen sich zwei Gruppen gegenüber, die jeweils andere Probleme und Interessen haben. Interessenpolitik kann dabei bedeuten, dass man die Probleme gerecht löst oder aber zugunsten eine der Parteien.

Feminismus enthält als sprachlicher Kern eine Interessenvertretung der Frauen und nicht der Männer. Natürlich kann auch eine Interessenvertretung der Frauen eine gerechte Lösung wollen, aber sie muss dies eben nicht. Es ist müssig darüber zu diskutieren, welche Art von Feminismus man vertritt, weil es nun einmal einen Randbereich des Feminismus gibt, der männerfeindlich ist (genauso wie es einen gibt, der an einer gerechten Lösung interessiert ist). Genauso wie auch der Maskulismus Strömungen hat, die rein frauenfeindlich sind und solche, die auf ein Miteinander hinauswollen.

„Interessenvertretung für Männer“ wird nicht mit dem Begriff Feminismus verbunden. Viele Männer werden aber erwarten, dass ein „Männermanifest“, das von Männern aufgestellt wurde, auch aus einer männlichen Sicht geschrieben ist und damit auch Männerinteressen vertritt (wenn vielleicht auch in einer Form, mit der beide Geschlechter leben können).

Um es an einem Beispiel zu erläutern:

Die Staatsanwaltschaft ist gehalten auch alles an entlastenden Material zusammen zu tragen und eine neutrale Entscheidung zu treffen. Sie bezeichnet sich deswegen auch gerne als die „neutralste Behörde der Welt“. Dennoch würde man einem Strafverteidiger, der sich als „Staatsanwalt“ bezeichnet merkwürdig anschauen, weil er sich nach der Position benennt, die auch die Anklagepunkte gegen einen vorgebracht hat.

Oder ein anderes Beispiel:

Die SPD sagt zur CDU: „Warum streiten wir uns denn eigentlich? Wir wollen doch beide das Beste für alle! Lasst uns eine gemeinsame Politik der Kompromisse machen, und die nennen wir dann SPD-Politik!“

Bereits dieser Interessenkonflikt und diese Gruppierung macht deutlich, warum Feminismus als Oberbegriff nicht geeignet ist: Weil in jedem Lager eine Positionierung mitschwingt, selbst wenn man diese nicht vertritt. Und weil eine offene Diskussion zum Thema Geschlecht eben Argumente zulassen muss, die den jeweiligen Denkrichtungen nicht entsprechen und eben beispielsweise nicht mehr feministisch sind, ohne sich in diesen Bereich einordnen zu müssen.

Die Bezeichnung als Feminist (sofern nicht tatsächlich rein feministische Themen vertreten werden) behindert diese Debatte und führt zu Verwirrung. Das zeigt beispielsweise schon die Kommentarpolitik zB der Mädchenmannschaft, die bestimmte Argumente einfach sperrt, weil sie nicht feministisch sind. Wenn aber jede Diskussion über Gleichberechtigung Feminismus wäre und dies Konsens wäre, dann wäre dies sinnlos.

Schließlich beraubt einen die Ausweitung des Begriffes „Feminismus“ auch der Positionierung. Wie soll man dann zB typischerweise Frauen dienende Argumentationen, Positionen und Aktionen bezeichnen? Es geht also Klarheit verloren.

Einfacher wäre es sich nach der jeweiligen Zielsetzung zu benennen. Also Männerrechtler, wenn man die Interessen der Männer vertreten will, Frauenrechtler, wenn man die Interessen der Frauen vertreten will. Problematisch ist die Mittelbezeichnung.

Postpatriarchalisches Denken wird beiden Seiten nicht gefallen, weil Patriarchat ein Kampfbegriff ist. Postfeminismus bedroht den Begriff Feminismus und lässt ihn veraltet erscheinen.

Vielleicht ist es besser hier Zusätze zum Hauptbegriff zu wählen, wie gemäßigter Feminismus oder Gleichheitsfeminismus. Es bliebe ansonsten nur einen neuen Begriff zu konstruieren.

Schade eigentlich, dass „Sexist“ schon negativ besetzt ist.

13 Gedanken zu “„Feministen“ ist kein neutraler Begriff

  1. Feminist ist dann kein neutraler Begriff und entsprechend vorbelastet, wenn davon ausgegangen wird, dass Männer und Frauen zwei Interessengruppen sind, deren Interessen einander widersprechen, wie bei Staatsanwalt vs. Strafverteidiger und CDU vs. SPD vorausgesetzt ist. Aber zumindet letztere treffen sich auch mal in einer Koalition und ich gehe davon aus, dass eine bessere Welt nur im Miteinander aller Geschlechter

  2. Eben, in einer Koalition treffen sich CDU und SPD und versuchen einen Mittelweg zu finden. Und das heißt dann nicht SPD-Parteitag, sondern Koaltionsverhandlung zwischen SPD und CDU.

    Ich sehe Mann und Frau ähnlich, es gibt verschiedene Positionen, die für die jeweilig andere wichtig sind. Den Prozess der Einigung Feminismus zu nennen, einen Begriff, der Radikalfeminismus mit umfasst und jedenfalls begrifflich nicht neutral ist errichtet eher Blockaden, weil er eine Deutungshoheit und Begriffshoheit begründet – die Gespräche finden nicht mehr auf neutralen Boden statt.

    Es ist ja auch das klassische Schema der Problemlösung: These – Antithese – Synthese

    Siehst du keine verschiedenen Interessen zwischen Mann und Frau (sei es aufgrund biologischer Unterschiede oder verschiedenen Rollenbildern) die gelöst werden müssen?

  3. Die Gesellschaft, in der wir leben, geht davon aus, dass es solche Interessenskonflikte gibt, aber ich bezweifele, dass die wirklichen Probleme aus einer solchen Perspektive gelöst werden können. ‚Mann‘ und ‚Frau‘ gibt so pauschal als Kollektive einfach mal nicht. Wir sind alle individuell und divers und noch tausend anderes außer das Geschlecht, dass uns zugewiesen wird.
    Ich denke, ich bestehe so auf einer Positionierung zum Feminismus, die über Tiraden gegen den Radikalfeminismus hinausgehen, weil solche Grundlagen feministischer Theorie wahrgenommen werden müssen, wenn eine produktive Diskussion entstehen soll. Ich gehe davon aus, dass wer sagt, er sei Feminist, schon mal geschaut hat, was das heißt, und sich ein bisschen mit grundlegenden Erkenntnissen auseinandergesetzt hat.
    Das ist wahrscheinlich eine zu starke Prämisse und ich hoffe jetzt einfach auf produktive Aneignungen feministischen Wissens, auch wenn das Kind dann einen anderen Namen bekommt. Welchen? Und warum noch mal kann es keine Weiterentwicklung geben, wenn die Begriffe beibehalten werden? Die Queen ist (im 21. Jahrhundert) auch nicht mehr das, was sie mal (im 16. Jahrhundert) war.

  4. Ich wäre dafür, dass alle Argumente beider Seiten wahrgenommen werden. Bei einem Blog mit dem Namen „Alles Evolution“ wird es dich nicht verwundern, wenn ich damit auch solche Argumente meine, die im Feminismus gerne mit einem schlichten „Biologismus“ abgetan werden.
    Natürlich sollte jemand, der sich mit dem Thema beschäftigt sich mit den Argumenten der Gegenseite vertraut machen, ich denke aber das gilt auch für den Feminismus, der aus meiner Sicht einiges an Denkverboten aufstellt.
    Damit meine ich kein schlichtes „Männer sind immer besser aus biologischen Gründen“. Aber schon Dawkins oder Matt Ridley, alles keine Antifeministen sondern schlicht Evolutionsbiologen, zeigen hier interessante Unterschiede auf.
    Oder Warren Farrell, der als langjähriger Feminist ein Buch aus Sicht der Männer geschrieben hat. Könntest du dir vorstellen diese Positionen mit einzubeziehen?
    Ich muss sagen ich würde gerne mal eine Besprechung von „The Myth of male Power“ auf einem feministischen Blog sehen.
    Mir scheint aber das eben gerne auf „den Grundlagen feministischer Theorie“ bestanden wird, eine Bestimmungshoheit über die Theorie aus Frauensicht erklärt wird. Das sehe ich als erhebliche Behinderung der Debatte.

  5. Soweit ich da Einblick habe, ist Evolutionsbiologie vor allem eine Theorie, die versucht menschliches Verhalten in der Gegenwart als Ergebnis evolutionärer Prozesse zu erklären und das Geschlechterverhältnis auf diese Weise enthistorisiert. Als Historikerin und Feministin bin ich davon einfach nicht zu überzeugen. Und zwar nicht nur wegen meiner intellektuellen Verortung, sondern auch aus strategischen Gründen:

    Wenn die ‚Natur‘ oder ‚Evolution‘ für die Geschlechterdifferenz verantwortlich gemacht wird, bleibt für gesellschaftliche Veränderungen kein Raum. Den braucht es aber dringend, denn so wie es ist, ist nichts gut. Es geht nie darum, die Geschlechterdifferenz und ihre Wirkungsmacht abzustreiten, sondern um eine Analyse und Unterwanderung der Verhältnisse in unserer Gesellschaft. Da sind Konstruktivismus und Dekonstruktivismus mE die besseren Grundlagen für feministische Interventionen.

    PS: Zeitmanagement – ich lese kein Buch, über das ich mich eh nur aufrege und das mich auf meinen eigenen Baustellen nicht weiter bringt. Evolutionsbiologie gehört gerade nicht dazu, falls sich das ändert, gebe ich dir Bescheid.

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