„Das Problem mit den Vanilla Boys“

Ein Artikel in der Welt behandelt „Vanilla Boys“ und „Harte Männer“ und ist super klischeehaft:

Nach fünf Jahren Beziehung mit einem sogenannten Vanilla Boy, also einem weichen, lieben Mann, sehnte ich mich allmählich nach jemand Härterem. Mein Freund und ich nahmen eine Auszeit voneinander. Dann traf ich einen „Alpha“. Und alles änderte sich.
Meine Beziehung mit Nick ging nun ins fünfte und dann doch verflixte Jahr. Es war leider nur noch öde zwischen uns. Bevor es eskalieren und wir im Streit alles kaputt treten würden, beschlossen wir, eine Auszeit voneinander zu nehmen.
Mittlerweile waren wir wie Katz und Maus. Wenn einer knallhart war, war der andere eher wie Weichspüler. Es wurde wirklich schwierig. Wenn wir Gewürze wären, wäre ich eine balkanische Pfeffermischung und mein Vanilla Boy wäre definitiv Mehl. Wäre ich der vierte Gang eines Wagens, dann wär Nick einfach der Leerlauf. Nick weinte vor Ergriffenheit bei schnulzigen Telenovelas, während ich Witze über die miese schauspielerische Leistung der Darsteller machte. Wenn ich etwas auf die leichte Schulter nahm, wusste ich schon im Voraus, dass Nick sich damit sicherlich schwertun würde.
Wir wären nicht so lange zusammen gewesen, hätten wir nicht auch gute Zeiten miteinander gehabt. Nick berührte mein Herz mit seiner einfühlsamen Art. Wir teilten viele Interessen wie beispielsweise die Leidenschaft für Romane aus vergangenen Zeiten. Nick hatte super Seiten an sich. Er besorgte mir oft unauffällig meine Lieblingsschokolade und ging mit mir auf Demos für Feminismus. Eine lange Zeit war er mein Traumpartner. Es war schön, Nicks Freundin zu sein.
Eigentlich ja der feministische Traummann. Steht zu seinen Gefühlen, besorgt Schokolade und geht sogar auf Demos für Feminismus.
Aber leider langweilig.
Was fehlt: Kritik an ihr. Sie ist knallwart, er ein Weichspüler. Sie ist eine tolle Gewürzmischung, er nur Mehl. Sie unbekümmert und optimistisch, er leicht zu verunsichern.
„Wir beschlossen eine Auszeit zu nehmen“ und darüber „ich sehnte mich allmählich nach jemand Härteren“. Lässt es sehr nach „Ich beschloss, dass wir eine Auszeit nehmen“ Was sie für ihn macht, ob er in der Beziehung glücklich war, kommt nicht wirklich vor. Aber gut, es geht ja auch um ihre Probleme keine langweilige Beziehung zu führen.
Und doch hatten wir, wie die meisten Paare, unsere Schwierigkeiten. Beispielsweise wurde einmal im Urlaub mein Auto direkt vor unseren Augen abgeschleppt, weil wir falsch geparkt hatten. Nick rief dem Abschleppwagen zweimal hinterher und resignierte gefühlt im selben Augenblick, notierte sich jedoch, deutsch wie er war, akribisch die Abschleppfirma, Uhrzeit, Kennzeichen und Fahrerbeschreibung.
Ich hingegen, als wirklich schnelle Läuferin, rannte dem Abschleppwagen hinterher. Mensch gegen Maschine. Für einen Moment schaffte ich es sogar, den Abschleppwagen einzuholen und brüllte mit der Luft, die mir noch übrig blieb, so laut ich konnte ins Beifahrerfenster, dass sie doch anhalten sollten. Doch ich hatte keine Chance. Keuchend, aber vor allem wütend, gab ich auf und machte mir letztlich Balkan-Style-mäßig Luft, indem ich meinen Turnschuh nach dem Wagen warf. Weitwurf war zudem bei den Bundesjugendspielen schon meine Königsdisziplin. Zum glorreichen Abschluss der Misere blieb mein Sneaker auf dem Laster hängen und ich humpelte auf Socken zu meinem „ach Mensch, menno“ murmelnden Mann zurück.
Die Stimmung war im Keller. Nicht nur, weil wir unser Auto falsch geparkt hatten, sondern auch wegen Nick, der die Situation einfach so tatenlos hinnahm. Alles, was von ihm kam, war: „Super, Volltreffer!“ Innerlich platzte ich vor Wut, aber ich wusste, er hatte recht. Es war in der Tat ein astreiner Wurf!
Ich hatte mal einen ähnlichen Vorfall, an den mich das erinnert: Ich war mit einer damaligen Freundin in einem Schwimmbad. Und dort spielten ein paar Jugendliche (14 würde ich sagen),  die einen Ball etwas ungeschickt warfen, der sie direkt traf. Und wegen Schmerz und Überraschung war sie super wütend und schrie die Jugendlichen an und wandte sich dann an mich, warum ich sie nicht verteidigen würde bzw bei der Verteidigung unterstützen würde. Es war aber nicht wirklich etwas zu verteidigen, die Jungs hatten es ja nicht absichtlich gemacht und ich kann ja schlecht handgreiflich gegen 14 jährige werden. Aber der Blick war echt böse und darin lag, auch wenn sie sonst eine sehr vernünftige Frau war, pure Verachtung dafür, dass ich mich nicht mit denen anlegte und mich quasi schützend vor die Frau warf und sie verprügelte.
Aber auch hier ist sie wieder toll und er auch nicht so richtig an etwas schuld, aber er hatte eben – ebenso wie ich – nicht gehandelt und da wird das Gehirn eine entsprechende Nachricht gesandt haben, dass das nicht okay ist. Sie hatte zwar auch nichts erreicht, aber er war schuld (obwohl er die Nummer notiert hatte und sie so den Wagen wieder raus verlangen konnten)

Von Vanilla zu Kink

Abgesehen von meiner sportlichen Glanzleistung, hätte ich mir gewünscht, dass ER hinterherrennt. Dass ER seinen Turnschuh wirft. Dass ER vor Wut tobt. Dass ER dem Fahrer den Mittelfinger zeigt. Aber davon träumte ich bei diesem Kerl vergebens. Er war eben kein Alpha, kein „Ich-regel-das-für-dich!“-Typ.
Da merkt man wieder, welche Wertungen da unterbewusst ablaufen. Und sie ist noch nicht mal in der Lage das wirklich zu reflektieren. Sich deutlich zu machen, dass ihre Gefühle irrational sind.
Der ganze Spaß kostete uns 350 Euro plus ein paar neue Jordans. Ätzend! Nichts regelte Nick für uns. Weder das Zurückholen des abgeschleppten Fahrzeugs noch gemeinsame Termine. Ich vereinbarte Treffen und machte auch sonst gefühlt einfach alles. Ich sagte ihm, wann er den Müll herunterbringen soll, welche Kleidung ihm steht, und wie und wann wir mit Familie und Freunden verfahren. Nur seinen Job erledigte er eigenständig und das sogar ziemlich erfolgreich. Es gab unzählige Erlebnisse mit Nick, bei denen er sich mit seinem Vanilla-Verhalten schlichtweg als Spaßbremse für unseren gemeinsamen Alltag entpuppte.
Ich würde wirklich gern seine Version hören. Ich könnte mir vorstellen, dass er da ein ganz gemütlicher Mensch und sie „etwas anstrengend“ ist. Ich glaube er war nicht die Spassbremse für den gemeinsamen Alltag, sondern nur für ihren gemeinsamen Alltag.
Wie scheint sehr dominant zu sein und ihn gut im Griff gehabt zu haben. Er wäre wahrscheinlich auch mit der Kleidung glücklich, die er rausgesucht hätte.
Die Auszeit war bitter nötig. Wir liebten uns zwar, aber brauchten für eine Zeit Abstand voneinander. Ich sehnte mich nach jemandem, der männlicher war. Jemandem, der, wenn er das Fahrradschloss nicht mit Schlüssel und Händen öffnen konnte, es mit seinen Zähnen versuchte.
Man stelle sich den Text von einem Mann vor. „sie war zu langweilig und auch langsam etwas alt. Ich brauchte eine 20jährige mit einem heißen Körper um etwas mehr Spass zu haben. Eine Auszeit war bitter nötig“-
Der Raum roch nach Schweiß, Sperma und Alkohol

Es fiel mir nicht leicht, aber ich schmiss mich in die Dating-Welt. Der Gegensatz zu den Vanilla-Boys wären die Kink-Boys gewesen. Na, man muss ja nicht gleich übertreiben, doch ein bisschen tougher als meine Mehlmischung wäre schon wünschenswert.
Es dauerte nicht lange, bis ich einen neuen Mann kennenlernte. Witzigerweise hieß er auch Nick. Gleicher Name, unterschiedliches Programm. Gegensätzlicher könnten diese Nicks nicht sein.
Nick 2 war Bauleiter, strotzte vor Bizeps und Trizeps, hörte Metal und aß viermal die Woche Innereien, weil sie die meisten Nährstoffe enthielten. Er war der Antiheld zu Nick 1. Wenn Nick 1 und Nick 2 im gleichen Raum gewesen wären, hätte es nicht den geringsten gemeinsamen Nenner gegeben.
Nick 2 war am Anfang wie eine erholsame Kur von Nick 1. Ich fühlte mich mit ihm wie im Urlaub, aber ohne abgeschleppten Wagen, 350 Euro minus auf dem Konto und fehlenden Turnschuh. Wären wir noch Höhlenmenschen, würde Nick 2 das Mammut erledigen und ich wäre für die Wandmalerei verantwortlich. Nick 1 hätte sich stattdessen mit dem Mammut befreundet und wir wären alle ausgestorben.
Das gute Gefühl mit Nick 2 war allerdings von kurzer Dauer. Dass sich Popeye-Nick schnell zum Macho-Mann etablierte, ging schneller um als mein Monatszyklus. Dieser sexistische Macker besaß den Hohn, mir zu sagen, was ich anziehen solle und was er für zu freizügig empfinde. Er kommandierte, wann der Müll zu voll wäre, las keine Bücher, und war „Fast & Furious“-Fan, der am Wochenende sein Supercar tunte. Nick 2 war ein regelrechter „Sonntags-Aral-Chiller“.
Da wäre eigentlich zumindest die etwas deutlichere Einsicht interessant gewesen, dass er etwas wie sie war und sie das fürchterlich fand. Aber auch etwas ungewöhnlich. Bauleiter ist ja eigentlich ein Beruf, bei dem man einiges an Wissen und sozialen Geschick braucht, wenn sie nicht meint, dass er einfach nur eine Art Vorarbeiter war.

Andrew Tate als Vorbild

Das war aber noch nicht alles. Als meine beste Freundin mich zu ihrer Geburtstagsfeier einlud, fanden Nick 2 und ich uns plötzlich in einer endlosen Diskussion wieder. Für ihn stellte es ein No-Go dar, wenn ich als „seine“ Frau auf einer Party wäre, auf der auch andere männliche Gäste eingeladen waren. Seine Ansätze wurden immer irrationaler – in welcher Welt hat denn jemand nur weibliche Freunde und Familienmitglieder?
Er hatte stets die Sorge, dass ich untreu werden könnte. Immer und bei jedem hatte er die Befürchtung, dass ich fremdgehen würde. Wie konnte so ein vier mal vier Meter Mann ein dermaßen geringes Selbstbewusstsein besitzen?
Sie hat echt eine fürchterlichen Männergeschmack und natürlich sind die Männer schuld. Wie können sie nicht einfach so sein, wie sie das will? Klar, da wird eine Überzeichnung zum Wohle der Kolumne drin sein, aber warum so billig? Erst ein absolutes Weichei (aus ihrer Sicht) und dann einen dummen Macho, der ihr alles vorschreibt (aber sie bleibt anscheinend trotz ihres feministischen Ansatzes eine gewisse Zeit mit ihm zusammen).
Sagt alles mehr über sie aus als über die Männer.
Nick 1 wäre nie auf die Idee gekommen, meine Kleidung zu kommentieren oder in anderen Männern eine Gefahr zu sehen.
Letztlich log ich meine Freundin an, dass ich krank wäre und wir zu zweit nachfeiern würden. Dabei kann man Geburtstage gar nicht nachholen. Sie sind an diesem einen Tag im Jahr und nicht später.
Die Liaison mit Nick 2 war wahrlich kein Besuch auf dem Ponyhof. Fast alle dreißig Minuten gab es eine neue Diskussion. Ich konnte die Uhr danach stellen. Sobald wir in Streitsituationen kamen, war er nie deeskalierend, sondern ich musste mir immer Sorgen machen, ob es nicht gleich zu einer Schlägerei ausarten würde. Unser Miteinander war wie ein Lauf auf Eierschalen – man wusste nie, wie lange es gut geht. Er zerrte an meinen Nerven. Ich war nach ein paar Wochen mit Nick 2 völlig ausgemerzt.
Warum dann die paar Wochen? Wollte sie ihn zähmen, weil sie ja selbst so hart ist? Oder kreiert sie ein billiges Abziehbild der Fehler eines harten Mannes für eine Geschichte, die dann darstellen soll, dass der „weiche Mann“ doch der richtige ist?
Sein Vorbild als Person und Sportler war Andrew Tate. Dass ich bei all diesen Red Flags nicht schon die Beine in die Hand genommen habe, kann ich rückblickend selbst nicht mehr nachvollziehen. Er tat alles ab, was Nick 1 als gut und mutig an mir empfand. Im Gegensatz zu Nick 1 machte Nick 2 mich zu einer unsicheren, sozial isolierten Variante von mir selbst.
Das konnte ich nicht zulassen. Damit war jetzt Schluss. Dieser Protz war mir einfach eine Spur zu krass. Ich sehnte mich nach meinem Softy Vanilla Boy. Ich wollte keine Tough Love. Ich wollte meinen Puppy Boyfriend zurück.
Wer hätte es gedacht.
Nick 2 loszuwerden war fast so anstrengend wie mit ihm zu sein, doch ich beendete das Tête-à-Tête mit dem Innereien-fressenden Tyrannen. Nick 2 beschimpfte mich noch eine ganze Weile auf allen Kanälen. Sein Alpha-Ego war angekratzt. Nach ein paar Wochen kamen noch die letzten zwei Ausläufer seinerseits, die besagten, dass ich sowieso unter seinem Niveau, ohnehin hässlich und gar nicht sein Typ war. Am Ende hatte auch er langsam die Nachricht verdaut, dass ich einfach keinen Kontakt mehr zu ihm wollte.
Natürlich kann Nick2 nicht von ihr lassen. Wie könnte ein Mann jemals?
Nick 1 hatte die Auszeit zwischen uns besser genutzt als ich. Sein neues Hobby war Golfen. Immer noch lahm, aber was soll’s. Ich entschied mich, ihn darin zu unterstützen und wurde sein Caddy. Wir hatten immer einen kleinen Flachmann dabei und wenn er einlochte, gab es einen Shot. Außerdem macht es Spaß, angetrunken mit dem Golfcart über den landschaftsgärtnerisch-perfekten Zierrasen zu heizen. Nick 1 findet das zwar immer ein bisschen peinlich, aber mittlerweile sagt er nichts dazu und freut sich über seine feurige Freundin, mit der es einfach nicht langweilig wird.
Natürlich hat sie seine Langweiligkeit dann noch ausgeglichen und natürlich hat Nick einfach auf sie gewartet, welcher Mann würde das nicht? Und natürlich liebt er sie auch wenn sie sich beim Golfspielen betrinkt, denn wie könnte er nicht? Und natürlich ist er immer noch langweilig.
Ich hasse Frauen, die so über ihren Freund reden und für mich wäre das schon ein Grund niemals mit einer solchen Frau eine Beziehung anzufangen. Gut, Nick ist vielleicht einfach ausgedacht, so flach wie er als Charakter ist und wie vorhersehbar der feministische Handlungsbogen ist, bei dem man sicher sein kann, dass sie am Ende den „weichen Mann“ und nicht den Macho mag, aber mit dem Twist, dass sie ihn spannend macht.
Aber dennoch fürchterlich.
In dieser Beziehung war ich nicht nur mit ihm glücklich, sondern auch mit mir selbst. Ich mochte uns wieder. Ich wusste wieder, wie sehr ich ihn schätze. Den lasse ich nicht mehr los! Sicher sind Vanilla Boys nicht für jeden etwas, aber sie sind es für mich.
Ich bin heilfroh, dass Nick 1 mich so liebt, wie ich bin. Vanilla Boys sind Feministen, Pazifisten und im Grunde braucht unsere Gesellschaft mehr Vanilla Boys in einer Welt voller Andrew Tates.
Da sie einen Mann braucht, den sie sich überlegen fühlen kann, ist er vielleicht wirklich der Richtige für sie. ,
Aber wirklich: was für eine plumpe Geschichte und ihr hätte beim Schreiben auffallen müssen, wie schlecht sie dasteht und das es natürlich bessere „Harte Männer“ gibt. Aber anderseits hätte sie dann eine intelligente Geschichte schreiben müssen und die Botschaft wäre nicht so deutlich geworden.
Und das geht nicht.