Die Welt interviewt drei Jungs zu den Problemen von Männern und der woken Welt.

Ein interessanter Bericht über die Sicht junger konservativer Jungen/Männer:

Sie sind jung, sie sind männlich – und sie sind konservativ: Wir haben drei Berliner Freunde an der Grenze zum Erwachsenwerden gefragt, wie sie die Welt sehen. Ein offenes Gespräch über Gendern, linke Lehrer, Angriffe im Park, Eisbaden – und die Frage, was sie von der AfD halten.
Junge Männer werden immer konservativer – das stellte im Februar eine Analyse der Londoner Zeitung „Financial Times“ fest, der verschiedene Umfragen zugrunde liegen. Die Datenbasis war dünn, aber das weltweite Echo zeigt, dass diese These einen Nerv trifft. Zum ersten Mal sei eine ganze Altersgruppe gespalten: Junge Frauen linksliberal, Männer konservativ. Aber warum?
Wir haben drei junge Männer gefragt, was sie denken. Robin und Emil werden demnächst 18, Nico ist 16. Die drei Berliner sind Freunde, Joggen zusammen, spielen Playstation und unterhalten sich viel über Politik – auch über ihren Lieblings-Podcast „Hoss und Hopf“ oder den Unternehmer und Influencer Andrew Tate. Sie wollen anonym bleiben, weil sie für ihre ehrliche Meinung viel Ärger in ihrem Umfeld befürchten – alle Namen sind geändert.
Da sind sie alle erst einmal noch minderjährig, aber es ist ja interessant, dass hier mal konkret in dieser Gruppe nachgefragt wird, wobei natürlich ein Interview mit drei Jungen nicht repräsentativ sind. Insofern ist es eher ein kleiner sehr selektiver Einblick.
Nico: Ich mach das hier nur mit, wenn wir die Namen verändern.
Emil: Mir ist es egal, ich stehe auch mit meinem Namen dazu.
Robin: Nee, das kannst du nicht machen, das gibt Ärger.
Nico: Wenn du deinen echten Namen zeigst, kommt vielleicht irgendwer drauf, wer wir beide sind. Ich sehe schon die Antifa vor meiner Haustür.
Das ist ja etwas, was generell zugenommen hat: Das Gefühl, dass man Sachen nicht sagen darf. Das führt zu unausgesprochenen oder jedenfalls nur privat geäußerten Ansichten, die weit verbreitet sein können und zu Unzufriedenheit führen.
WELT: Wir wollen uns über Männlichkeit und eure politischen Ansichten unterhalten. Warum glaubt ihr, dass ihr nicht offen sprechen könnt?
Nico: Mir wurde schon in einer Diskussion mit Mitschülern an den Kopf geworfen, dass ich nur ein weißer Privilegierter bin.
Emil: Die Linken dominieren gefühlt alles. Das macht es schwer.
Robin: Ich glaube, früher war Linkssein etwas ganz anderes. Da wäre ich sogar auf deren Seite gewesen. Heute ist die Ideologie so hoch, dass alle Andersdenkenden massiv ausgegrenzt und sozial niedergemacht werden.
Das dürfte ein verbreitetes Gefühl sein. In den intersektionalen Theorien hat man eben recht und damit auch das Recht alle, die eine andere Meinung vertreten niederzumachen.
WELT: Seid ihr konservativ?
Nico und Emil: Ja!
Robin: Ich bin eher so Mitte. Es ist aber immer schwerer geworden, das zu definieren. Aus linker Sicht ist heute jeder rechts, der nicht genau ihrer Meinung ist.
Nico: Ich bin ziemlich unzufrieden mit der Politik und auch der Art, wie diskutiert wird. Auch an der Schule. Alle Seiten werden immer extremer, es gibt überhaupt keine Mitte mehr.
Robin: Ich bin in der Mitte!
Nico: Du bist diese Mitte, die ansonsten nicht existiert. Für dich gibt’s aber auch keine Partei.
Dazu gibt es ja diese Grafik hier in vielen Versionen:
Dazu eben noch die starke Frontenbildung in den intersektionalen Theorien, die alles in richtig oder falsch sortiert und bei „Richtig“ ein Widerstand gegen ungerechte Zustände ausmacht und bei „Falsch“ eine Erhaltung dieser Zustände, die man, wenn man auf der richtigen Seite ist nicht hinnehmen kann.
Robin: Ich passe auch zu keiner Partei. Zum Beispiel macht es für mich keinen Sinn, wenn erst viele Flüchtlinge aufgenommen werden und die Regierung sich dann nicht um Arbeit für die kümmert. Aber das ist für mich nicht links oder rechts, sondern einfach nur logisch.
Natürlich rechts. Aber ernsthaft: Die Arbeitsverbote für Flüchtlinge galten ja insbesondere, weil bei höherer Arbeitslosigkeit die Flüchtlinge eben nicht als Konkurrenz wahrgenommen werden sollten. Wie das gegenwärtig ist? Keine Ahnung. Die Forderung, die Sozialausgaben in dem Bereich möglichst gering zu halten erscheint mir aber auch logisch.
WELT: Zurzeit kursiert die Beobachtung, junge Männer werden immer konservativer, Mädchen dagegen seien eher links. Wie kommt das?
Robin: Mädchen sind zum Beispiel sehr für LGBTQ, weil es für sie eher okay ist, sich auch dem eigenen Geschlecht anzunähern. Für Jungs gilt dagegen eher das alte Bild des harten Mannes, wie er schon immer war.
Nico: LGBTQ+ heißt es ja eigentlich, und das Plus meint noch andere Sachen, pansexuell oder so. Ein Junge aus meiner Klasse ist pan. Das heißt, dir ist das Geschlecht egal, du stehst nur auf Charakter.
Emil: Die Gesellschaft widmet sich im Moment sehr den Minderheiten. Nur wenige sind schwul oder lesbisch, aber es wird unglaublich viel davon geredet. Oder: Die Minderheit will gendern und wir müssen alle mitmachen.
Wäre interessant, ob da ein Unterschied besteht. Ich hatte ja mal einen Artikel zu den evolutionären Wurzeln der Homophobie. Da hatte ich auch angeführt, dass der Ruf Schwul zu sein evtl mehr Nachteile bei der Fortpflanzung hat als lesbisch sein bei der Frau. Bi-tendenzen oder Lesbisch sein bedeutet erst einmal immer noch, dass man schwanger werden kann und sich dann evtl zwei Frauen die Kosten der Aufzucht des Kindes teilen. Für den Vater muss das nicht schlecht sein. Schwul sein kann bedeuten, dass der Mann keine feste Bindung zu der Frau eingeht und diese dann ein evtl Kind allein erziehen kann.
WELT: Was denkt ihr über das Gendern, mit einem Sternchen und dann „innen“ am Wortende?
Nico: Das ist Quatsch und gehört nicht zur deutschen Sprache. Ist eigentlich verboten und sollte es auch sein.
Robin: Ich finde, jeder möge es machen, wie er will, aber das in der Schule tun zu müssen, ist übertrieben.
Emil: Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sind dagegen, hab ich gelesen, aber an der Schule, in den Medien und auf Spotify wird es einem aufgezwungen. Wir gehen schon über zehn Jahre zur Schule. Früher gab es das absolut nicht. Dann plötzlich, vor vier Jahren oder so, überall. Man kann die Texte nicht vernünftig Lesen, kein normaler Mensch kommt damit klar. Für die Gleichberechtigung tut es überhaupt nichts.
Da liegen sie glaube ich durchaus im Mainstream der Meinung, wenn auch nicht unbedingt der öffentlichen Meinung. Auch wenn das ja gerade etwas aufzubrechen scheint, wenn man bedenkt, dass Bayern und jetzt auch Hessen dem Gendern im öffentlichen Dienst erst einmal einen Riegel vorgeschoben haben. Aber die drei sind ja auch in Berlin. Da dürfte es vermutlich am schlimmsten sein.
Nico: Es gibt so Moden, was man zu denken hat. LGBTQ und depressiv ist gerade in.
Emil: Jetzt hat sich alles ins Gegenteil verkehrt. Es mag ja sein, dass Frauen früher viele Nachteile hatten. Aber wir werden jetzt erwachsen und kommen in eine Welt, in der wir als Männer nicht erwünscht sind. Auf viele Jobs brauche ich mich nicht zu bewerben, ich bin keine Frau und keine Minderheit.
Wäre interessant, was sie da erleben und inwieweit sie das einschätzen können. Ich kann mir vorstellen, dass es evtl in einigen Bereichen schwieriger ist, aber ja lange nicht in allen. Viele Betriebe suchen ja auch händeringend nach Auszubildenden oder Angestellten. Bei Beföderungen könnte ich es mir schon eher vorstellen, da wollen sicherlich einige Unternehmen ihre Frauenquote erhöhen.
Nico: Viele Dinge sind im Ungleichgewicht. Wenn man jetzt online Mode kauft, sind auf einmal alle Models schwarz, Albinos oder komplett übergewichtig. Models bekommen doch diesen Job, weil sie schön sind, nicht weil sie einer Minderheit angehören. Bei den Serien ist es noch suspekter. In der Serie zu „Herr der Ringe“ sind jetzt Schwarze, Asiaten, Transsexuelle und so weiter drin. Obwohl das zu den Büchern und den alten Filmen nicht passt. Ich finde, wenn mir jetzt ein dunkelhäutiger lesbischer Zwerg aufgenötigt wird, in den Minen von Moria, dann bin ich langsam genervt von diesen Minderheiten. Meiner Meinung nach hat niemand in Deutschland einen geringeren Status aufgrund seiner Hautfarbe oder so.
Auch da dürfte er nicht ganz alleine sein. Woke Filme oder Serien, gerade solche wie die Amazon Herr der Ringe sind ja auch beim Publikum durchgefallen. Andere, wie etwa „House of the Dragon“, die es nicht so plump gemacht haben und zumindest ein schwarzes Volk erfunden haben ohne zu wild zu mischen sind besser angekommen. Gerade die Kombination von „starker unabhängiger Heldin, die alles kann ohne sich anzustrengen“ und „Dumme unfähige Männer, die nichts auf die Reihe bekommen“ will kein Mensch wirklich sehen. Mal sehen wann diese Erkenntnis bei den Filmstudios zu echten Reaktionen führt.
Emil: Weiße Männer sind die neue Minderheit. Keiner mag sie mehr.
Robin: Das würde ich nicht sagen, aber normale Männer sind die leiseste Gruppe von allen. Für die kämpft niemand.
Nico: Es ging ja um Moden gerade. Da fällt mir auf, es gibt viele Schwule und Lesben an meiner Schule. Das ist gerade ein Trend, und dann werden das viele auf einmal.
Emil: Eigentlich sind wir ja so aufgewachsen, dass Homosexualität total normal ist. Gibt es auch in meiner Familie, war schon immer ein ganz normaler Teil des Lebens. Jetzt plötzlich, durch diese übertriebene Debatte und die Regenbogen-Flaggen überall, denkt man wieder viel mehr darüber nach und nimmt die wieder als Minderheit wahr.
Nico: Eine aus meiner Klasse war früher zuerst bi, dann ist sie lesbisch geworden, und dann wollte sie ein Junge werden. Jetzt hat sie einiges an Hormonen genommen und hat ebenso einige gesundheitliche Probleme dadurch bekommen. So ein Theater! Es ist normal, dass man mit 13 oder ähnlich seine Identität finden muss. Da muss nicht gleich jeder trans werden.
Es ist eigentlich interessant, dass die Theorien, die früher das komplette männliche und weibliche Verhalten darauf zurückgeführt haben, dass es Rollenvorgaben gibt, wie man sich benimmt nun vehement bestreiten, dass „woke“ Rollenvorgaben zB Transsexualität oder andere Bereiche interessant machen können. Und das sich da einige Rollen mehr oder weniger anbieten. Bi-Sein etwa ist noch vergleichsweise leicht umzusetzen, gerade für eine Frau. Sie hat dann eben mal ein Mädchen geküsst und jetzt ist sie seit 5 Jahren mit einem Jungen zusammen, aber eben nur weil sie sich jetzt in den verliebt hat. Schon ist sie nicht mehr langweilig, sondern eine Minderheit. Oder nonbinär. Man kann auf irgendwelche Teile von Geschlechterrollen verweisen, die man nicht so mag, schon ist man nonbinär. Oder zumindest he/they Pronomen
WELT: Woher wisst ihr so viel über die sexuelle Orientierung der Mitschüler?
Nico:Aus Instagram. Die Leute präsentieren sich online, und schreiben in ihre Beschreibung: „Ich bin pansexuell”.
Robin: Vieles daran ist eine Aufmerksamkeitsmache. Die Leute wollen Aufmerksamkeit. Und jetzt nutzen Sie das Geschlechter-Thema. Früher war ich dies, heute bin ich jenes, morgen bin ich wieder etwas anderes.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass einiges Aufmerksamkeit ist. Und einiges allgemeine Verwirrung und Pubertät.
Emil: Ein Mann ist biologisch und von den Hormonen her einfach nicht so gemacht, dass er die ganze Zeit tiefe Gefühle zeigt und weint. Das geht gegen seine Natur.
Robin: Findest du? Würde ich nicht unbedingt so sagen. Aber es gibt mehr Wettkampf unter Männern, es ist immer ein bisschen Battle, wer der krassere ist.
Nico: Zurzeit werden überall Fakten verändert. Es gibt Mann und Frau, biologisch gesehen. Warum muss man das verändern? Wie die Leute sich darüber hinaus definieren, ist mir egal. Sollen sie. Mit den Models, das ist auch so unnötig. Wer fett ist, bekommt gesundheitliche Probleme und ist kein Vorbild.
Emil: Die meisten finden das alles unsinnig, und fast alle Jungs sowieso. An den Schulen gibt es einen kleinen heimlichen Kulturkampf. Alle Jungs finden den ganzen Gender-Kram unnötig. Das grenzt uns aus. Aber zurzeit ist an der Schule alles außer sehr links sein verboten. An der Schule haben die Leute linksradikale Sticker auf ihrem Chromebook, für die Lehrer ist das ok. Aber wenn du da „AfD” drauf hättest, gäbe es Stress. Beide radikalen Seiten müssten ganz klar bekämpft werden.
Wäre ja interessant, wenn der Unterschied da wirklich so deutlich ist und Jungs und Mädchen da so weit auseinander liegen. Wäre ja auch schlecht für Beziehungen etc. Aber man scheint es ja auch nicht eskalieren zu lassen, wenn es ein heimlicher Kulturkampf ist. Natürlich gehen die intersektionalen Theorien auch ansonsten eher zu Lasten der Jungs: Sie sind ja quasi die bösen, gerade wenn sie auch noch weiß sind.
Robin: Es gibt aber auch ein paar gute Sachen. Die neue Generation ist viel gesundheitsbewusster als die früher. Ich denke, das kommt durch Social Media.
Nico: Also an meiner Schule gibt es viele, die saufen und kiffen.
Robin: Das ist doch eine Minderheit.
Emil: An meiner alten Schule bekam man auch Tilidin oder Speed. Manche nehmen es vor den Klausuren.
WELT: Tilidin, Speed – habt ihr das probiert?
Emil: Gar nichts davon. Wir leben vernünftig und gesund.
Nico: Ich schätze, bei den Männern in unserem Alter gehen 70 Prozent trainieren, bei den Frauen vielleicht etwas weniger.
Das mehr bzw zumindest viele Männer trainieren gehen kann ich mir vorstellen. Auch bei Männerkörpern sind mehr Muskeln durch die Medien als Bild verbreiteter geworden bzw man steht in einer anderen Konkurrenzsituation durch soziale Medien, Tinder etc.
WELT: Wo informiert ihr euch?
Emil: Social Media, ich lese aber auch „Handelsblatt“ und weitere. Also nur online. Aber ich wollte vielleicht eine Zeitung abonnieren. Und „Hoss und Hopf“ höre ich. Gegen die haben ja auf einmal auch alle was. Dabei sind das ganz legitime Personen.
Soziale Medien sind für viele die neuen Zeitungen. Man bekommt große Ereignisse auch viel schneller mit, weil sie einem direkt in jede Timeline gespült werden, gerade auf Twitter und Co. Man findet auch über Kommentare schnell Berichte von unterschiedlichen Seiten oder mehr Hintergrundinformationen als früher.
Das Hoss und Hopf in den Medien waren hatte ich auch mitbekommen. Die beiden sagen mir aber nichts. Wer da etwas beitragen kann: Gerne in den Kommentaren
WELT: Im „Stern” erschien der Bericht einer erregten Mutter, die befürchtet, dass ihr Sohn durch diesen Podcast rechtsradikal werde.
Emil: So ein Unsinn, wegen so etwas lese ich keine Magazine. „Hoss und Hopf“ sprechen wichtige Dinge an. Stichwort Fahrradwege in Peru, Feminismus in Afghanistan, das sind Dinge, die unsere deutsche Regierung fördert. Dabei wird hier Geld gebraucht. Das habe ich dort erfahren.
Robin: Ihr geilt euch jetzt an so einzelnen Punkten auf!
Nico: Ja, Bro! In unserem Land passiert so viel Unsinn.
Ein Medium als Quelle zu haben ist immer problematisch. Es lohnt sich immer noch etwas über den „Bubblerand“ hinaus zu recherchieren. Aber genauso kann es schlecht sein einzelne Quellen einfach zu verdammen und generell jede Relevanz abzusprechen. Und leider sind eben viele Medien, gerade auch der ÖRR sehr selektiv in ihren Inhalten und Meinungen.
WELT: In einem Podcast über den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein sagen „Hoss und Hopf“ nebenbei pauschal, Israel und die „israelische Religion“ – dabei müsste es „jüdische“ heißen – seien verwickelt in seine dunklen Geschäfte. Das wird dann nicht weiter aufgelöst. Da wird doch ein falsches und gefährliches Stereotyp befördert.
Nico: Das kann schon sehr antisemitisch wirken, weil die Juden ja oft für Verschwörungstheorien genommen worden sind. Ich glaube die beiden steigern sich in das Gespräch rein und merken das gar nicht, dass etwas wie Hetze wahrgenommen werden könnte. Das war sehr gewagt, das hätte ich an deren Stelle auch nicht so gesagt.
Robin: Ich habe die Folge nicht gehört, aber es klingt, als wenn er das irgendwo gegoogelt hat und das dann für interessant hielt. Das machen die so. Ich finde es auch fragwürdig, was für Theorien es manchmal in den Podcast schaffen. Aber das unterhält die Leute, etwas über interessante Vermutungen zu hören, egal ob wahr oder falsch.
WELT: Aber ihr nehmt das ernst, was die sagen?
Emil: Das sind zwei ganz normale, nahbare Typen, sie reden entspannt über dies und das, meist politische Themen. Die interessieren sich für vieles, was auch mich interessiert. Alternativen zur aktuellen Politik, die Cancel-Culture zu beobachten, die Rolle als Mann von dem schlechten Ruf zu befreien.
Tja, das ist der Nachteil, wenn bestimmte Meinungen und Ideen anderweitig ausgeblendet werden. Dann wird gerade in den Zeiten moderner Medien und Podcasts und Youtube eben jemand diese Lücke füllen. Und das ist einfach geworden als jemals. Und in der Tat gibt es da viele gute Quellen für junge Männer sich den intersektionalen Theorien entgegen zu stellen. Ich würde sogar behaupten, dass die Gegentheorien oft besser belegt und durchdacht sind, weil intersektionale Theorien ja Dogmen aufstellen, die gar nicht zur Diskussion stehen und damit auch weniger logisch werden.
Nico: Wenn eine Mutter in einem Magazin sich aufregt, ist das doch nicht objektiv. Die Frau ist sicher links. Von mir aus eine legitime Meinung. Ich nehme es aber anders auf. „Hoss und Hopf“ belegen das, was sie sagen, und wenn sich etwas doch als falsch herausstellt, sagen sie das im nächsten Podcast völlig legitim und offen.
WELT: Also bei der Zeitung prüfen wir vorher, ob alles stimmt.
Nico: Das kann man nicht vergleichen. Ein Podcast ist wie ein Gespräch zwischen Freunden, und man kann zuhören. Wie ein Gast. Für die ist das Freizeit, das sind ja keine Politiker oder Journalisten.
Naja liebe Welt, ihre stellt auch genug dar, bei dem ihr einfach Meinungen darstellt oder einen stark meinungsgeprägten Artikel veröffentlicht. Natürlich ist das bei einem Podcast, bei dem man ja „live“ ein Gespräch aufnimmt und nicht unterbricht um mal gerade etwas nachzuschlagen noch etwas anfälliger. Dafür hat man vielleicht beim Podcast zwei Personen, die ganz andere Gedanken im Gespräch austauschen können als in einem Zeitungsartikel.
Robin: „Hoss und Hopf“ und viele junge Männer haben eben so ein Mindset, dass sie allen sagen: Verdiene Geld, mach dich unabhängig! Das mögen dann manche Mütter nicht.
WELT: Unabhängig zu sein ist euch wichtig?
Emil: Mein Ziel ist es, viel Geld verdienen und für meine Frau und Kinder zu sorgen. Sie soll arbeiten, wenn sie es möchte. Müssen tut sie aber gar nichts!
Nico: Als ich kleiner war, wollte ich YouTuber werden und das schnelle Geld machen. Der Drang ist groß bei vielen. Heute gehen wir das vernünftiger an. Auch mit Hilfe von „Hoss und Hopf“. Die sind zum Beispiel ganz offen gegen das Party-Leben, also sich die Birne vollzusaufen, davon raten sie total ab. Die sagen: Geh lieber ins Gym, geh Eisbaden, bau dir finanziell etwas auf, mach dir einen Plan für das Berufsleben, lies viele Bücher.
Emil: Das sind keine Rechtsradikalen, und ich finde es lächerlich, wie sie jetzt abgestempelt werden. Ich traue überhaupt nicht mehr dem, was das ZDF sagt. Da kommen irgendwelche von Steuergeld finanzierten Journalisten und bilden sich überhaupt keine objektive Meinung.
Das klingt ja durchaus nicht so unvernünftig wobei ich den Podcast wie gesagt nie gehört habe. Und geht auch wieder etwas in die Richtung seinem Leben einen Sinn zu geben und etwas aus sich zu machen. Das scheint Jungs anzusprechen und merkwürdigerweise mehr als die intersektionalen Theorien, die anführen, dass Karriere machen etwas ist, was, wenn es Männer machen, anderen, zB Frauen, etwas wegnimmt.
WELT: Podcaster wie „Hoss und Hopf“ können schon manchmal wie Machos wirken, die alles besser wissen.
Nico: Nö, gar nicht, eher im Gegenteil.
Emil: Sie sagen ja gerade nicht, dass sie die einzige Wahrheit verkünden. Anders als ARD und ZDF und „Stern“ oder wie sie alle heißen.
Robin: „Hoss und Hopf“ regen sich schon sehr über den deutschen Staat auf. Vielleicht empfinden das manche als rechts.
WELT: Sie zweifeln auch die herrschende Meinung zum Klimawandel an, das finden viele unzulässig.
Nico: Die beiden sind sich gar nicht einig und führen eben ein Gespräch darüber. Hopf glaubt nicht an die schlimmen Prognosen des Klimawandels, weil es wohl ein Dokument gibt, von vielen Wissenschaftlern unterschrieben, dass es weniger drastisch ist als immer gesagt wird. Hoss glaubt schon an einen drohenden Klimawandel und kritisiert aber, dass nur die Armen unter den Maßnahmen dagegen leiden.
Nico: Zu Fridays for Future gehen viele reiche, privilegierte Kinder, deren Eltern viel mehr CO2 ausstoßen als andere. Die wollen dann den Armen auf dem Land eine Benzinsteuer aufzwingen. Das ist unfair.
Robin: Ja, aber wenn am Ende die Welt untergeht?
Nico: Mein Opa, der auf dem Land wohnt, geht vorher unter.
Robin: Das ist aber egoistisch gedacht.
Ein Podcast in den Ideen ausgetauscht werden und Themen diskutiert werden regt immer das Denken an.
Als ich diesen Blog hier gestartet habe wollte ich auch, dass es ein Ort des Austausches ist, etwas in dem man über Feminismus und Geschlechterthemen diskutiert und idealerweise Männer und Frauen aus allen Richtungen. Das hat auch eine Weile durchaus geklappt, auch wenn das jetzt stark nachgelassen hat. Das mag einmal daran liegen, dass der Feminismus damals noch nicht so intersektional war und man da noch eher diskutierte und es zum anderen auch zB über die Mädchenmannschaft noch feministische Blogs mit Kommentarfunktion gab, was eine gewisse Verbindung schaffte. Gibt es heute noch wirklich Orte in denen auf diese Weise diskutiert wird?
WELT: Heute ist an viele Mauern in den Städten „Kill Patriarchy” gesprüht, tötet das Patriarchat. Ihr wollt gerade Männer werden. Wie wirkt das auf euch?
Nico: Ich hab auch mal „Kill all men” an einer Hauswand gesehen. Katastrophal. Ich war immer dafür, dass Männer und Frauen gleiche Rechte haben. Ich sehe keine Unterschiede mehr zwischen Mann und Frau in Berlin. Trotzdem soll immer weiter gekämpft werden. Unsinnig und nervig!
Emil: Wenn ich mich darüber ärgern würde, würde ich sterben in Berlin. Überall nur Anarchie, gegen Männer, gegen das Kapital. Die ganze Stadt ist damit verdreckt.
Das ist glaube ich ein typischer Start. Man will gleiche Rechte für Männer und Frauen. Und liest sich dann in das Thema ein oder kommt anderweitig zu Kritik. Und schon ist man Antifeminist, weil es dort eben nicht um Gleichberechtigung geht, sondern um Gleichstellung.
WELT: Leben wir denn in einem Patriarchat?
(Alle schweigen ein paar Sekunden.)
Emil: Wäre es denn etwas Schlechtes? Wenn ein Mann mehr verdient als eine Frau im selben Job, ist das Sexismus und nicht richtig. Das weiß jeder. Aber dass Männer in bestimmten Dingen eine wichtigere Rolle spielen, etwa bei harter körperlicher Arbeit, finde ich in Ordnung. Und warum soll man nicht sagen, Frauen sind sehr gut als Mütter, sie können das mit den Kindern einfach besser als wir?
Nico: Die Ukraine wurde angegriffen von Russland. Frauen und Kinder durften schnell raus. Männer nicht, weil die das Land verteidigen müssen. Da ruft dann niemand nach Feminismus. Komisch, oder?
Robin: Männer wollen aber eigentlich auch nicht an die Front gehen.
Nico: Doch. Ich will mein Land verteidigen, wenn irgendein Diktator angreift.
Das ist auch so eine Fangfrage. Man müsste da erst einmal Patriarchat definieren und dann fragen, ob bestimmte Männer oder Männer an sich die Macht haben. Und dann warum die Männer eher in diesen Positionen sind und nicht die Frauen.
WELT: Auch der Influencer Andrew Tate ist bei jungen Männern beliebt, bei anderen umstritten. Er sitzt oben ohne mit Sonnenbrille vor der Kamera, redet vom Reichtum, seinen Autos und Maskulinität. Folgt ihr dem?
Robin: Den kennt jeder. In der Schule oder so – jeder. Er will auch provozieren, ganz klar.
Emil: Ich hab sehr viel davon konsumiert und eine Zeit lang auch für seine Akademie bezahlt, habe bestimmt mehr als 100 Stunden gesehen. Ich sehe da einen Mann, der sich kaum politisch ausdrückt, sondern direkt Männer anspricht. Er sagt: Sei diszipliniert, verdiene viel Geld, beschütze deine Familie.
Nico: Im ZDF wurde gesagt, er ist Menschenhändler und Vergewaltiger. Er wurde aber inzwischen freigesprochen, das meldet dann niemand. Da wird wieder jemand abgestempelt. Die Journalisten haben Vorurteile.
Emil: Es werden viele solcher Clips gezeigt, aus dem Zusammenhang gerissen, wo er sagt: „Greif die Schlampe an den Hals.” In dem Video hatte er aber nur vorgespielt, was irgendwelche Brutalos sagen würden. Das reißen die Fernsehleute dann aus dem Zusammenhang. Sogar Leute, die ihn nicht mögen, widersprechen in den Kommentaren.
Nico: Er will Menschen motivieren. Ist doch gut. Aber er ist konservativ und maskulin. Das hassen derzeit alle.

Er scheint einen gewissen Essentialismus zu vertreten: Männer sind so, Frauen sind so in Abgrenzung zu „Männer sind im Schnitt so, Frauen sind im Schnitt so“.

Hier gleich noch mal die Langversion in der er auch andere  Ansichten verteidigt. Gerade der Punkt mit „sie ist sein Mädchen also schuldet sie ihm Geld, wenn sie etwas auf Only Fans macht“ ist schon eine sehr merkwürdige Ansicht.

Sein Vorteil ist, dass er sich nicht beirren lässt und ein gutes Selbstvertrauen hat. Er entschuldigt sich für nichts, er führt an, dass das eben seine Meinung ist, dass andere andere Meinung haben können, er führt auch einige Statistiken und Konzepte an, die schlicht stimmen (Forschung zu mehr intelligente, aber auch mehr dumme Männer), vermischt sie dann aber zu einer traditionellen Weltsicht, die man keineswegs teilen muss. Er führt beispielsweise richtigerweise an, dass ein Mann mit mehreren Frauen aus guten Gründen ein weit verbreiteteres Konzept war als eine Frau mit vielen Männern, aber sein Hang zu Jungfrauen den er wohl vertritt ist eben mit heutigen Verhütungsmitteln nicht mehr so zeitgemäß.

Insofern scheinen mir ihre ein sehr traditionaler Blick auf die Welt, eine große Schnauze und ein großes Selbstvertrauen, eine gewisse Machoeinstellung etc zusammenzukommen und das provoziert.

Es ist schade, dass es in den Medien aus der Mode gekommen ist einmal zu differenzieren zwischen den Punkten, bei denen er interessantes sagt, denen, die man anders sehen kann und denen, bei denen er etwas falsches sagt.

WELT: Seid ihr gern Männer?
Nico: Auf jeden Fall. Ich will das auch ausleben und nicht dafür gecancelt werden.
Emil: Ich bin auch froh. Aber ich vertrete schon zum großen Teil traditionelle Werte.
Die meisten Männer sind gerne Männer und die meisten Frauen gerne Frauen. Das ist auch wenig verwunderlich.
WELT: Wie schafft die AfD es, bei jungen Leuten so präsent zu sein?
Emil: Wir sind nicht rechtsaußen. Aber die sind sehr viel auf sozialen Plattformen zu sehen, und da hört man dann hin, weil es gegen den dummen Mainstream geht. Und dann haben sie mitunter recht. Das muss doch okay sein, das zu sagen: Manchmal haben sie Recht.
Nico: Immerhin nennen sie die Probleme beim Namen. Berlin ist wirklich total am Arsch gerade. Man sieht Rentner auf der Straße Flaschen sammeln, und wir hatten in Neukölln ein Drive-By-Shooting, in Kreuzberg wurde auf der Straße einer abgeknallt.
Emil: Und beide Schießereien hatten mit Migranten zu tun.
Nico: Mir fällt noch was ein, warum Männer eher konservativ werden: Die erleben mehr schlimme Sachen. Schlägereien, angegriffen werden, auf der Straße abgezogen werden, das erleben Männer eben mehr als Frauen. Wenn eine Frau körperlich angegriffen wird, ist sie natürlich viel traumatisierter danach, ganz klar. Aber bei Männern gehört Gewalt einfach mehr zum Alltag.
WELT: Ihr lebt alle in Kreuzberg oder Neukölln, das verzerrt hier vermutlich euren Blick. In dieser Gegend haben wir zwar einen hohen Migrationsanteil, aber noch mehr Armut und Verwahrlosung und Süchtige auf der Straße. Da kommt ungewöhnlich viel zusammen.
Emil: Wir sind ja nicht bescheuert. Meine Freundin hat Migrationshintergrund. Und einige gute Jungs aus der Schule auch. Aber als Nico und ich letzte Woche im Park angegriffen wurden, waren das eben acht junge Männer, die untereinander arabisch sprachen. Zu uns haben sie geschrien: „Geld her, oder wir machen euch tot.” Wir sind gerannt. Weil wir viel trainieren, waren wir schneller.
Nico: Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand grundsätzlich etwas gegen Menschen hat, die entweder Ausländer sind oder irgendwie ein Elternteil aus dem Ausland haben. Das wäre ja Quatsch. Aber dass die Politik versagt hat und wir in unserem Umfeld ganz viele Probleme haben, das ist doch klar.
Da liegen eben die Probleme, um so schlimmer, wenn man sie nicht ansprechen darf.
WELT: Ihr trainiert viel, aber andere hängen durch und kiffen, habt ihr gesagt. Warum kommen manche Männer nicht in Gang?
Emil: Die Playstation spielt sicher eine Rolle.
Nico: Im Spiel kann man leicht Erfolg haben, seine ganze Energie da hineinlegen, das ist einfach simpler als das echte Leben.
Robin: Frauen sind eher auf TikTok aktiv und drehen Filmchen. Frauen spielen nicht so viel.
WELT: Habt ihr denn das Gefühl, das die Mädchen sich wohlfühlen? An der Schule, unter Teenagern?
Emil: Nein auf keinen Fall. Sie denken immer, sie müssen irgendwas. Feministisch sein, aber auch sexy, und immer gut drauf, und dann klappt gar nichts davon. Viele sind depressiv und ritzen sich und zeigen das auch ganz offen. Nicht nur wir Jungs haben ein Problem. Die ganze Jugend steckt in der Krise.
Computerspiele sind sicherlich auch Segen und Fluch zugleich. Ein toller Zeitvertreib, aber man kommt eben nicht so viel unter Leute und verliert sich vielleicht in einer digitalen Welt.
Wäre natürlich interessant, wenn sie danach noch ein Interview mit drei Mädels gemacht hätten. Falls ich das übersehen habe: Gerne einen Hinweis in den Kommentaren.

Selbermach Samstag

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade?

Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs? (Schamlose Eigenwerbung ist gerne gesehen!)

Welche Artikel fandet ihr in anderen Blogs besonders lesenswert?

Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Für das Flüchtlingsthema oder für Israel etc gibt es andere Blogs

Zwischen einem Kommentar, der nur einen Link oder einen Tweet ohne Besprechung des dort gesagten enthält, sollten mindestens 5 Kommentare anderer liegen, damit noch eine Diskussion erfolgen kann.

Ich erinnere auch noch mal an Alles Evolution auf Twitter und auf Facebook.

Wer mal einen Gastartikel schreiben möchte, auch gerne einen feministischen oder sonst zu hier geäußerten Ansichten kritischen, der ist dazu herzlich eingeladen

Es wäre nett, wenn ihr Artikel auf den sozialen Netzwerken verbreiten würdet.

Welche Botschaft sendet Gendern und welche kommt an?

Ich hatte mal wieder eine Diskussion zum Thema ´Gendern.
Dabei führte ich an, dass Gendern sich nicht durchsetzen will, weil es keine zusätzlichen tatsächlichen Inhalte transportiert, nur eine zusätzliche politische Botschaft, die beim typischen Sprechen in einem normalen Umfeld keine Bedeutung hat.

Der Satz „Chef, ich muss morgen zum Arzt, ist es okay, wenn ich eine halbe Stunde später komme? transportiert den gleichen Inhalt wie der Satz „Chef, ich muss morgen zur Ärzt*in, ist es okay wenn ich eine halbe Stunde später komme?“

Mit gewisser Wahrscheinlichkeit denkt evtl  der Chef, dass sie eine Ärztin hat, während er bei der klassischen Variante einfach registriert, dass sie irgendwie behandelt wird.

Im folgenden ging es darum, dass die Art wie man redet und was man sagt ja auch immer eine Zusatzbotschaft neben der eigentlichen Aussage darstellen kann, die einen Inhalt hat.
Ich schrieb dazu:

Natürlich kann man neben den eigentlichen Inhalt andere Botschaften mit Sprache versenden. Mit Thun würde ich sagen: man macht es zwangsläufig. Allerdings können sich gesendete Botschaft und empfangene Botschaft unterscheiden. Und ein wesentlicher Faktor ist der allgemeine Sprachgebrauch. Das N-Wort zB könnte nichtbeleidigend und beschreibend sein und war es ja auch seiner Zeit.
Genderbefürworter meinen sie senden die Nachricht: „Ich bin inklusiv“. Gehört wird häufig: „ich bin ein Idiot, der die Sprache unnötig kompliziert machen möchte und anderen seine Ideologie aufzwingen will und andere abwerten wird für normale Sprache. Ich halte mich für besser“
Gehen wir es mal durch:

Auf der Sachebene des Gesprächs steht die Sachinformation im Vordergrund, hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte. Dabei gelten drei Kriterien:

  • wahr oder unwahr (zutreffend/nicht zutreffend)

  • relevant oder irrelevant (sind die aufgeführten Sachverhalte für das anstehende Thema von Belang/nicht von Belang?)

  • hinlänglich oder unzureichend (sind die angeführten Sachhinweise für das Thema ausreichend, oder muss vieles andere zusätzlich bedacht werden?)

Da hätten wir auf der Seite des Sendenden:

  • es ist wahr, dass der Arzt männlich, weiblich oder divers sein kann
  • diese Information ist höchst relevant, weil unsere Gesellschaft Männer bevorteilt

Auf der Seite des Empfangenden, der nicht gendern möchte hätte man dann vielleicht

  • es ist wahr, dass der Arzt männlich, weiblich oder divers sein kann, auch wenn diverse kaum eine Rolle spielen und überaus selten sind
  • diese Information ist absolut irrelevant

Für die Selbstkundgabe gilt: Wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich. Jede Äußerung enthält gewollt oder unfreiwillig eine Kostprobe der Persönlichkeit – der Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse. Dies kann explizit („Ich-Botschaft”) oder implizit geschehen.

Während der Sender mit dem Selbstkundgabe-Schnabel implizit oder explizit, bewusst oder unbewusst, Informationen über sich preis gibt, nimmt der Empfänger diese mit dem Selbstkundgabe-Ohr auf: Was ist das für einer? Wie ist er gestimmt? Was ist mit ihm? usw.

Auf der Senderseite:

  • Ich bin progressiv/Woke/ein Anhänger der intersektionalen Theorien/ein Feminist 😊
  • Mir ist es wichtig alle Menschen einzubeziehen, ich stehe für Inklusivität aller!

Auf der Empfängerseite:

  • progressiv/Woke/ein Anhänger der intersektionalen Theorien/ein Feminist 🤢
  • da muss ich aufpassen, was ich sage/der wird anstrengend für mich

Auf der Beziehungsseite gebe ich zu erkennen, wie ich zum Anderen stehe und was ich von ihm halte. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt.

Der Sender transportiert diese Hinweise implizit oder explizit. Der Empfänger fühlt sich durch die auf dem Beziehungsohr eingehenden Informationen wertgeschätzt oder abgelehnt, missachtet oder geachtet, respektiert oder gedemütigt.

Auf der Senderseite:

  • schön, wie inklusiv wir alle sind.  Wenn du nicht auch genderst bin ich aber besser als du

Auf der Empfängerseite:

  • ich vermute mal es ist ein gewisses Gefühl der Ablehnung, wenn man nicht gendert.

Die Einflussnahme auf den Empfänger geschieht auf der Appellseite. Wenn jemand das Wort ergreift, möchte er in aller Regel etwas erreichen. Er äußert Wünsche, Appelle, Ratschläge oder Handlungsanweisungen.

Die Appelle werden offen oder verdeckt gesandt. Mit dem Appell-Ohr fragt sich der Empfänger: Was soll ich jetzt (nicht) machen, denken oder fühlen?

Auf der Senderseite:

  • Ich gendere, gendere du auch! Wir müssen inklusiver werden für eine gerechtere Welt

Auf der Empfängerseite:

  • Gendere sonst bist du ein sexistisches Schwein!

Natürlich: Eher eine Art Brainstorming.

Geschlechterunterschiede beim Darts

Ein interessanter Bericht aus der Dartsszene:

Noa-Lynn van Leuven hat innerhalb weniger Tage bei Darts-Turnieren gegen Frauen und Männer gewonnen. Als Transfrau wird sie dafür kritisiert. Zwei ihrer Teamkolleginnen sind bereits aus Protest zurückgetreten.
Die niederländische Dartsspielerin Noa-Lynn van Leuven, die als erste Transfrau sowohl im gemischten als auch im Frauenwettbewerb der Professional Darts Corporation (PDC) Turniersiege errungen hat, steht nach ihren Erfolgen im Auge eines Sturms. Der jüngste Sieg auf der PDC Women’s Series in der englischen Stadt Wigan, bei dem sie unter anderem die britische Weltranglistenerste Beau Greaves besiegte, löste eine Welle von Kritik aus – sowohl online als auch unter den eigenen Teamkollegen.

Das dürfte sehr ungewöhnlich sein: Ein Sieg sowohl in der „offenen Kategorie (also Männer und Frauen, wenn ich es richtig verstehe) als auch in der Kategorie für Frauen. Allerdings ist, wie ich der Wikipedia entnehme, die Challenger Tour eine „Turnier zweier Klasse“ an dem alle Teilnehmen können, die nicht in der Profiserie starten

Secondary Tour Events
Bei den Secondary Tour Events handelt es sich um zwei Turnierserien, welche rangmäßig unterhalb der Pro Tour angesiedelt sind und ebenfalls aus sogenannten Floor-Turnieren bestehen (kein Publikum, keine TV-Kameras, mehrere Boards gleichzeitig). Die Top 2 der jeweiligen Rangliste zum Ende einer Saison qualifiziert sich hierbei für die PDC World Darts Championship und erhält eine Tour Card für die kommenden zwei Jahre.

Die Challenge Tour ist eine weitere Turnierserie der PDC. Sie besteht aktuell aus 24 Turnieren in Milton Keynes, Hildesheim und Leicester. An ihr können alle Teilnehmer der Q-School teilnehmen, welche keine PDC Tour Card erringen konnten.

 

Noa-Lynn van Leuven

Noa-Lynn van Leuven

 

Transsexuelle Dartsspielerin gewinnt gegen Männer und Frauen

Van Leuven ist 2022 der PDC Women’s Series beigetreten – ein Jahr nach ihrer Geschlechtsanpassung. Laut dem britischen „Express“ kam ihr Triumph in Wigan nur eine Woche, nachdem sie auf der Challenge Tour in Hildesheim Geschichte geschrieben hatte, indem sie die erste transsexuelle Frau wurde, die ein PDC-Turnier gewann. Dieser Erfolg markierte einen Meilenstein, da sie als erste Transgender-Dartsspielerin sowohl ein Frauenevent als auch ein gemischtes Event gewinnen konnte.

Zu der Women Series auch noch aus der Wikipedia:

Die PDC Women’s Series wurde 2020 zum ersten Mal ausgetragen und richtet sich ausschließlich an weibliche Dartspielerinnen. Die Top 2 dieser Turnierserie, welche zu den Floor-Events zählt, qualifiziert sich für die PDC World Darts Championship. 2024 besteht sie aus 24 Turnieren. 2022 wurde außerdem mit dem Women’s World Matchplay erstmals ein reines Damen-TV-Turnier ausgespielt. Erste Siegerin wurde Fallon Sherrock. Aktuelle Titelträgerin ist Beau Greaves.

Also ein recht junges Turnier.

Die Erfolge van Leuvens haben jedoch zu internen Spannungen in der niederländischen Darts-Nationalmannschaft geführt. Wie die britische Nachrichtenseite „ LBC “ berichtet, zogen sich ihre Teamkolleginnen Aileen de Graaf und Anca Zijlstra aus Protest aus dem Team zurück. Zijlstra erklärte, sie habe sich geschämt, unter diesen Umständen weiter für das niederländische Team zu spielen. Deshalb sei es für sie Zeit, zu gehen.

Teamkolleginnen treten zurück: „Ich kann es nicht gutheißen“

Laut „Express“ ergänzte Zijlstra zudem: „Ich habe versucht, das zu akzeptieren, aber ich kann es nicht gutheißen oder dulden. Ich glaube, dass Sport ein gleichberechtigtes und faires Feld sein sollte, das mit gutem Gewissen gehandhabt und akzeptiert werden sollte. Schließlich haben wir so hart daran gearbeitet, in diesem Sport relevant und wettbewerbsfähig zu sein.“ Auch de Graaf äußerte sich nun mit emotionalen Worten.

Da stellt sich ja zunächst die Frage: Besteht ein unfairer Vorteil? Bei Darts liegt das ja nicht ohne weiteres auf der Hand. Immerhin ist es keine Sportart, die besondere Körperkraft benötigt.

Ich habe dazu diese Studie hier gefunden:

Biological sex is a marked individual difference, yet sex differences obtained on cognitive tests are often slight. In general, males excel on psychometric tests of spatial ability, whereas females enjoy an advantage on tests of verbal and fine motor ability. In a previous study on hand preferences, substantial sex differences favouring males were found on two target-directed motor tasks: dart-throwing and projectile interception. This advantage was not readily attributable to sex differences in physique or athletic experience.

Such tasks may employ a more fundamental form of spatial ability, relating to real world target analysis. In the present study, these sex differences were examined along with established measures of spatial function, and a novel visualization test (Viewfinding Test). In contrast to the large sex differences found for the motor tasks, only weak trends were found on the paper-and-pencil spatial tests. Males were significantly better on the Viewfinding Test, however. The paper-and-pencil tasks and the Viewfinding Task generally intercorrelated amongst themselves, but were uncorrelated with accuracy on the target-directed motor tasks. Thus, target-directed motor tasks may employ a type of spatial function that is somewhat separable from traditionally-measured spatial abilities. The importance of human ethology for the study of sex differences is discussed.

Quelle: Nontrivial sex differences in throwing and intercepting: Relation to psychometrically-defined spatial functions

Und noch eine Studie:

A series of experimental and quasi-experimental research were conducted to investigate gender differences and differences across levels of skill amongst elite dart players.
Experiments 1 and 1a employed an identical experimental setting and were designed to investigate gender differences in target throwing accuracy and attitudes towards target throwing among undergraduate students and elite dart players. A further aim was to investigate differences between level of skill for the elite players. Results showed an overall significant superiority for men in target throwing accuracy, moreover, analyses of questionnaire data found significant gender differences in attitudes towards target throwing.
Experiment 2 examined whether gender differences in target throwing accuracy may be eliminated if elite dart players undertook the same target throwing task as in Experiment 1 a using their non-preferred hand. The results of Experiment 2 showed that when using their non-preferred hand gender differences in target throwing accuracy were eliminated.
In Study 1 data from the same elite dart players employed in Experiments 1 a and 2 were correlated with archival data, in the form of single dart averages, taken from a ‚real world‘ dart playing environment. A strong relationship was found between the two dependent measures for the men’s data whereas results for women, although in the same direction, did not reach statistical significance.
Using single dart averages as the dependent measure, Study 2 investigated the extent of gender differences across three levels of skill. Results showed that the extent of gender differences was far-reaching with data from the lowest skill level of men players 8 being significantly superior to that of the highest skill level for women players. There were also uniformly predictable significant within gender differences for men across levels of skill but, interestingly, this was not the case for women.
Study 3 explored whether physical and experiential factors, namely, height, arm length and career span may have an impact on the significant gender differences found in dart playing performance. Analysis of the data found that even when physical and experiential factors were controlled for there were still significant gender differences in dart playing performance.
By way of an ex-post facto research approach Study 4 employed a semi-structured interview technique, similar to that used by Ericsson, Krampe and Tesch-Romer (1993), the aim of which was to investigate the development of elite dart players representing two levels of skill. The results revealed no significant differences on demographic variables namely, age, starting age and career span. Variables related to particular dart playing activities were also investigated. In brief, results showed evidence to suggest that deliberate practice could account for differences in performance across levels of skill but not for the superiority of men over women.
Implications of these findings and suggestions for follow up research are discussed.

Quelle: Gender differences in target throwing skills and dart playing performance: evidence from elite dart players

und noch eine:

Contemporary accounts of sex differences in perceptual-motor performance differ in their emphasis on nature and nurture. Study 1 examined the effect of extensive training on one of the largest sex differences, namely accuracy in dart throwing, and found that physical differences in height and reach could not explain sex differences in regional/national level dart players. Study 2 rejected accounts of sex differences based on participation rates by showing that male players recruited from a relatively small pool of club players were superior to the best female players selected from a much larger pool at the international level. Alternative accounts of the source of sex differences in darts, based on male and female players‘ differential development and practice histories, are discussed.

Quelle: In Search of the Loci for Sex Differences in Throwing

Es wird dort immer wieder deutlich, dass ein deutlicher Geschlechterunterschied besteht und Männer gerade im Dartbereich deutlich besser abschneiden. Teilweise ist der schlechteste männliche Dartspieler besser als der beste weibliche Dartspieler

Die PDC folgt den Richtlinien der Darts Regulation Authority, die sich wiederum an den Kriterien des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) orientiert. Zu den wichtigsten Grundsätzen des IOC gehören „keine Vermutung eines Vorteils“ und „Inklusion“. Der Sport wird angehalten, „unverhältnismäßige Vorteile“ auf individueller Basis zu berücksichtigen, um unfaire Vorteile zu vermeiden.

Tja, das könnte schwierig werden. Die Studien sprechen recht deutlich für einen Vorteil und das ist aus meiner Sicht nicht wirklich verwunderlich. Räumliches Denken an sich ist bereits ein Bereich mit großen Geschlechterunterschied und es spricht vieles dafür, dass Männer in Kämpfen und auf der Jagd wesentlich mehr mit gezielten Werfen zu tun haben und insoweit eine besondere Selektion in dem Bereich unterlagen. Ich vermute, dass vieles davon pränatal ausgebildet wird und dann eben eine Hormonumstellung auch wenig an den Vorteilen ändert.

Noa-Lynn van Leuven will Trubel vermeiden

Noa-Lynn van Leuven selbst, die sich in den vergangenen Jahren zur Weltspitze emporgearbeitet hat, äußerte sich zurückhaltend zu dem Trubel, den sie ausgelöst hat. Wie „ dartsnews.de “ berichtet, sagte sie: „Ich habe nicht wirklich das Bedürfnis, mich weiter damit zu befassen. Das war ihre Entscheidung und nicht meine. Ich denke, das einzige, was ich an diesem Thema bedaure, ist, dass viele Leute vergessen, dass ich auch ein Mensch bin.“

Aber eben ein Mensch, der eine männliche prenatale Phase und eine männliche Pubertät durchlaufen hat. Es wäre eigentlich das einfachste, wenn man da sagen würde: „Klar könntest du in der Frauenkategorie eintreten, aber du bist eben eine Frau mit starken Doping in der prenatalen Phase und der Pubertät (wenn auch natürlichen Doping über Hoden) deswegen bist du als Frau leider gesperrt.“

Laut Studien des Deutschen Bundestages zeigten Transfrauen nach einem Jahr Hormontherapie verbesserte sportliche Leistungen im Vergleich zu Nicht-Transgender-Frauen, obwohl sich die Leistungen insgesamt anglichen. Auch ein Jahr nach Beginn der Hormontherapie war ihre Körperkraft weitestgehend erhalten. Testosteronhemmer führten zwar dazu, dass die Leistung von Trans- und Nicht-Trans-Frauen sich angleicht, die bisher vorhandenen Muskeln bilden sich aber nur geringfügig zurück.

Es scheint ja schon gewisse Reaktionen im Sportbereich zu geben, die eher für Ausschlüsse sorgen. Mal sehen wie es auch da weiter geht.

 

Ein Bericht aus der woken Unternehmenskultur bei Google

Nachdem die künstliche Intelligenz von Google so darauf ausgerichtet war, schwarze Menschen in jedes Bild zu bringen, auch als Nazi-Soldaten, wurde noch einmal deutlich, dass die dortige Unternehmenskultur sehr woke ist.

Das war ja auch bei dem Vorfall um Damore ersichtlich, hier wird weiteres dazu ausgeführt:

David Kiferbaum, a Google business manager who worked at the company from 2015 to 2023, said he experienced pressure to recruit minorities after Damore was fired. He said he began hearing things like “We’re really looking for diverse candidates for this role,” which he took to mean “a non-white, a non-hetero” applicant.

“I was like, ‘Whoa, I can’t believe this person is saying this out loud,’ ” he said.

Maguire says at first, he supported initiatives to hire more diverse candidates—until he realized his colleagues were pushing to prioritize applicants’ race and gender over their qualifications for the jobs. He said a diversity working group at Google Ventures, which formed around the second half of 2017, started making “unreasonable demands.”

“The demands included the insistence that senior leaders hire at least two additional female general partners—which is the senior role I was promised I’d get once I reached three years with the company,” Maguire said. “One of those hires, the group demanded, needed to happen within six months. If leadership refused, about a quarter of the firm, or 20 people out of the 80 employees at Google Ventures, threatened to quit.”

Erstaunlich, dass sich Google erpressen lassen kann. Ein Konzern von dieser Größe und sie lassen sich von ihren Mitarbeitern auf der Nase herum tanzen. Vermutlich fürchtete man eher, dass es dann heißt, dass man zu sexistisch war und keine Frau befördern wollte, aber trotzdem.

Maguire says he believed hiring a female general partner was “a good goal, but they were trying to force a timeline that would ultimately lead to lowering standards. Hiring general partners into a venture firm is a very hard, laborious process, because the positions are so senior and require finding the right fit. The hiring process normally takes anywhere between one to two years.”

But, Maguire said, within a year Ventures’ CEO, “like all of the senior leadership across Google, proved to be spineless in the face of these employee threats. Within a year, he hired a new female general partner, who was really smart but who wasn’t qualified for the job. Because of her lack of experience, she was never treated on the same level as the other general partners, which I believe was ultimately unfair to her.”

Da sieht man auch dann wieder die Nachteile solcher Aktivisten. Ob das Ergebnis gut ist ist egal, Hauptsache eine Frau wird befördert. Und es passt zu den Filmen über Frauen, die kein Training brauchen, sondern einfach automatisch besser sind als alle Männer – leider passiert das in der realen Welt nicht. Aber der Gedanke, dass man Zeit und Training braucht und sich der bessere durchsetzt ist ja auch sexistisch.

“Meanwhile, over the next two years, I started to notice the dynamics of our team change. Instead of highly experienced founders and seasoned investors, young people from minority backgrounds were coming in with virtually no investment experience whatsoever,” Maguire recalled. “In this time, Ventures promoted a 25-year-old black woman to investment partner—the same position I held at the time—who had not yet made a single investment decision in her entire career.”

Man versteht, warum Elon Musk so viel Personal abbauen konnte, als er Twitter übernommen hat. Anscheinend ist Google zu reich um die Folgen dieser Politik schon zu merken, aber ich vermute mal irgendwann wird sich eine Situation ergeben, bei der der Wettbewerb intensiver wird und man umdenken muss.

When asked for comment, a Google Ventures spokesperson told The Free Press: “These claims from Sequoia Capital Partner Shaun Maguire regarding his time at GV from 2016–2019 are baseless and factually inaccurate. GV’s decisions around hiring and promotion are solely based on merit and ability.”

Multiple ex-staffers told us they were expected to express their progressive bona fides in the workplace wherever possible.

Natürlich ist die Frage, wer Recht hat. Aber die Ergebnisse auch bei der künstlichen Intelligenz sprechen schon dafür.

Selbermach Mittwoch

Bitte Kommentare bündeln, wenn sie nur aus einzelnen Tweets und kurzem Kommentar bestehen und man sehr viele davon plant.

Zwischen einem Kommentar, der nur einen Link oder einen Tweet ohne Besprechung des dort gesagten enthält, sollten mindestens 5 Kommentare anderer liegen, damit noch eine Diskussion erfolgen kann.

Sophia Fritz: Toxische Weiblichkeit

Sophia Fritz hat ein Buch mit dem interessanten Titel „Toxische Weiblichkeit“ geschrieben:

 

Aus einem Interview:

Lange galt „toxische Männlichkeit“ als zentrales Problem der Gesellschaft. „Männerbashing bringt uns nicht weiter“, sagt nun die Autorin und Tantra-Masseurin Sophia Fritz dazu. Sie findet viele „weibliche“ Verhaltensmuster ebenso problematisch – nicht nur gegenüber Männern.
Sophia Fritz ist 1997 geboren und hat Drehbuch an der Filmhochschule in München studiert. Neben dem Schreiben von Romanen und Zeitungsartikeln arbeitet sie als Sterbebegleiterin und Tantramasseurin. Nun ist ihr Buch „Toxische Weiblichkeit“ bei Hanser Berlin erschienen.
WELT: Sie fangen Ihr Buch mit einer langen Erklärung an, wie Sie den Titel meinen. Haben Sie Angst, missverstanden zu werden?
Sophia Fritz: Am Anfang hatte ich Angst, dass Männer sich über das Buch freuen, à la „endlich sagt es mal eine“. Dabei habe ich es nicht geschrieben, um der Männerwelt ein Geschenk zu machen, sondern damit wir unsere weibliche Prägung besser verstehen und uns dadurch nachhaltiger empowern können. Es war auch ganz essenziell, andere feministische Stimmen, Gespräche mit Freundinnen und popkulturelle Referenzen einzubeziehen. Wenn ich im Buch meine eigene misogyne Prägung spüre, versuche ich das transparent zu reflektieren. Zum Beispiel, wenn ich über die „Bitch“ schreibe. In diesem Kapitel habe ich gemerkt, dass ich Vorurteile habe. Aber ich will das offenlegen, damit wir im Thema weiterkommen. Ich glaube nicht, dass die Anklage noch sein kann, das Buch sei frauenfeindlich. Ich kann mir vorstellen, dass es für manche zu weich ist, zu sehr in die Versöhnung geht. Aber das ist für mich okay.
Also erst einmal ein feministisches Buch für Frauen. Ich vermute mal sie ist keine intersektionale Feministin, aber mal sehen, was sich im Laufe des Interviews ergibt.
WELT: Im Buch schreiben Sie: „Toxische Weiblichkeit ist die Performance einer Unterordnung, hinter der sich doch der Versuch, Macht und Kontrolle zu erringen verbirgt.“ Wonach sollen feministische Frauen streben, wenn nicht nach Macht?
Fritz: Die Idee, dass man nach Macht streben muss, wenn man nicht untergehen will, finde ich perfide. Wenn es um Macht geht, gibt es immer jemanden, der entmächtigt wird.
WELT: Man kann sich auch über sich selbst ermächtigen. Das eigene Leben selbstbestimmter führen.
Fritz: Ja, aber das klingt für mich sehr abstrakt. Was würde das im Alltag bedeuten? Natürlich sage ich nicht, Frauen sollen nicht nach Macht streben. Dann bleiben wir beim Status quo. Und der ist, dass wir heute noch nicht in der gleichberechtigten Gesellschaft leben, die wir gerne hätten. Was mich an bloßen Machtdebatten stört, ist die angespannte Grundhaltung. Das schließt Sehnsucht und Berührbarkeit aus und macht automatisch defensiv. Anstatt zu sagen: Worauf habe ich Lust? Wie soll die Welt aussehen? Heißt es: Wogegen muss ich mich wehren? Dabei bräuchten wir neben der defensiven Abwehrhaltung auch positive Visionen.
Das klingt etwas nach dem Traum von der besseren Welt in der keiner mehr „Macht“ hat. Oder nach „wir machen alle, was uns Spass macht und irgendwie ist die Welt dann schön. Aber mal sehen, was sie will
Ich glaube, wir dürfen die Debatte um toxische Weiblichkeit nicht so führen, wie die über toxische Männlichkeit, weil wir sie nicht gut geführt haben. Da wurde viel mit Beschämung gearbeitet. Das öffnet mehr Gräben, als dass es progressiv zusammenführt. Mein größtes Anliegen ist zu sagen: Wie kommen wir ins Gespräch, wie kommen wir zu Vertrauen und Entspannung, anstatt uns weiter voneinander zu entfernen.
Das ist ja erst einmal eine interessante Erkenntnis, die durchaus richtig ist. Ins Gespräch kommen klingt auch gut. Weg von der Vorstellung, dass Männer und Frauen zwei feindliche Lager sind, die sich gegenüberstehen.
WELT: Was ist Ihre Definition von „toxisch“?
Fritz: Das Wort ist als popliterarisches Phänomen ziemlich neu. Für mich ist „toxisch“ eine Form der Dysfunktionalität, die bewirkt, dass ich einer anderen Person nicht auf Augenhöhe begegnen kann. Häufig nutzen wir Geschlechterstereotype, um uns über- oder unterzuordnen. In dem Kontext ist toxische Männlichkeit leichter zu erkennen, weil sie sich tendenziell in Macho-Gehabe und im Mythos des Alpha-Mannes über der anderen Person verortet. Toxisch weibliches Verhalten ist ambivalenter, weil wir uns aufgrund der soziokulturellen Prägung tendenziell unterordnen beziehungsweise untergeordnet werden. Aber auch das sind Rollen — zum Beispiel aufopferungsvolle, gefällige Rollen — über die ich Macht ausüben kann.
Also Macht durch eine gewisse Unterordnung. Ich vermute mal in dem man eben den Mann für sich arbeiten lässt und sich auf Kinder zurückzieht? Oder indem man das Opfer ist ohne wirklich daran zu arbeiten, dass man es nicht ist?
WELT: Diese Rollen bilden auch die Kapitel Ihres Buchs. Da gibt es „Das gute Mädchen“, „Die Mutti“, „Die Bitch“, „Das Opfer“ und „Die Powerfrau“.
Fritz: Ja. Ich habe mich für misogyne Begriffe entschieden, weil wir in einer misogynen Gesellschaft leben. Nicht, um sie zu reproduzieren, sondern um irgendwann entspannt mit ihnen umgehen zu können. Ich wollte sie mir aneignen, um zu sehen, inwiefern sie mich geprägt haben, aber auch beleuchten, welche Ressourcen hinter den spöttischen Zuschreibungen liegen, die vielleicht noch nicht so häufig als solche gesehen wurden.
„Das gute Mädchen“ ist vermutlich brav und fleissig und fällt nicht weiter auf. Die Mutti vermutlich hauptsächlich in einer Mutterrolle, vielleicht auch in Bezug auf ihren Mann? Die „Bitch“ könnte auf das sexuelle bezogen sein. „Das Opfer“ ist die ewig unterdrückte Frau. Und die „Powerfrau“ vermutlich die, die sich auf Karriere konzentriert (aber evtl trotzdem noch die Kinder betreut?)
WELT: Können Sie Beispiele nennen, wo Sie toxische Weiblichkeit bei sich entdeckt haben? Ich fand das Kapitel der „Mutti“ da sehr interessant.
Fritz: Im Mutti-Kapitel gehe ich erstmal von dem Mythos der unschuldigen Mutter aus, der durch starke, archetypische Figuren wie die Mutter Gottes, Mutter Teresa oder den „Mutterinstinkt“ genährt wird. Die Gefahr ist relativ hoch, die Mutterrolle aufgrund dieser Verklärung unterbewusst auszunutzen. Durch Fürsorge und Aufopferung kann zum Beispiel sehr schnell emotionale Erpressung stattfinden. Genauso, wie wir an Männern den sexualisierten Blick auf Frauen kritisieren, könnten wir uns auch mal den infantilisierenden Blick von Frauen auf Männer genauer anschauen — Frauen, die ihre Partner nicht ernst nehmen und sie mit ihren Anmerkungen verkindlichen.
Das ist ja immerhin eine ganz interessante Figur und eine interessante Gleichsetzung. Wo Männer sexualisieren würden Frauen dann verkindlichen und als Mutter die Kompetenz an sich ziehen oder zu stark bemuttern.
Im Buch spreche ich auch über den „Moms Gaze“ in Anlehnung zum „Male Gaze“ – der ständige, kritische Blick von Frauen auf ihre Kinder. Ich kenne keinen Vater, der zu seinem Sohn sagen würde: „Das Hemd steht dir aber nicht, magst du damit wirklich rausgehen?“ Das ist schon eine sehr weibliche Prägung, hinter der steht, dass Frauen, um sicher zu sein, immer noch unsichtbar, im Sinne von möglichst angepasst sein sollten. Der mütterliche Blick ist schützend gedacht, und erhält doch patriarchale Strukturen.
Den Satz „Das ist schon eine sehr weibliche Prägung, hinter der steht, dass Frauen, um sicher zu sein, immer noch unsichtbar, im Sinne von möglichst angepasst sein sollten“ verstehe ich in dem Zusammenhang auch mit dem obigen Beispiel zusammen nicht. Inwiefern ist die Frau angepasst, wenn ihr Sohn ein anderes Hemd anzieht? inwiefern ist sie unsichtbar und was hat das mit ihrer Sicherheit zu tun?
Aber klar kann ein „schützender Blick“ auch eine gewisse Dominanz haben oder etwas bestimmendes (ich nehme an, das meint sie mit patriarchal). Einfach weil sie ja direkt eine Aufforderung ausspricht doch bitte das Hemd zu wechseln auch wenn sie es als Frage stellt.
WELT: Sie beschreiben bei Freundschaften die Dynamik, dass Frauen sich gegenseitig meistens bestätigen. Die neuen Schuhe und der Haarschnitt sind immer schön. Warum ist das so?
Fritz: Im Kapitel über das „Gute Mädchen“ geht es auch um die Angst, bestraft zu werden, wenn man anders ist. Das Gleichsein wird zur Bedingung einer Freundschaft. In der Schule hatten wir Mädchen Freundschaftsarmbänder, wir waren BFFs. Symbiose wurde zur Bedingung für Beziehung. Und das ermöglicht kein individuelles Dasein.
Das hat auch was damit zu tun, dass man Frauen grundsätzlich mehr natürliche Bösartigkeit unterstellt und sie deshalb immer bemüht sind, das Gegenteil zu beweisen. Man enttarnt sie sonst als Schlange oder als Bitch. Ein Fehltritt reicht, und man ist als falsch „geoutet“. Vereinzelte fiktionale Männerfiguren kennen wir schon lange, sie sind durch ihre Einsamkeit nicht existenziell bedroht, sondern werden darin auch glorifiziert: als cooler Cowboy, als genialer Erfinder, als verschrobenes Genie. Andersherum wurden andersartige Frauen über Jahrhunderte als Hexen bezeichnet und verbrannt.
Unterstellt man Frauen mehr Bösartigkeit? Oder wissen Frauen, dass Statuskämpfe unter Frauen einfach subtiler ausgetragen werden und sind deswegen besonders hellhörig, was bestimmte Äußerungen angeht? Eben weil Mittel der Wahl dann Rufzerstörung oder Ausgrenzung sind, während Männer das auch durch eine Hierarchie regeln können.
Der coole Cowboy als Einzelgänger dürfte seinen Grund darin haben, dass intrasexuelle Konkurrenz dort eben anders ausgetragen werden kann: Der Einzelne, der sich gegen viele Andere durchsetzt beweist eben deutlicher seinen höheren Platz in der Konkurrenz. Das ist bei Frauen schwieriger, weil sie weniger in die direkte Konfrontation gehen.
WELT: Haben sich Ihre persönlichen Beziehungen verändert, seitdem Sie das Buch geschrieben haben?
Fritz: Ja. Ich verstehe etwa schneller, wann ich mich schäme. Und ich habe ein bisschen was von der Furcht verloren, Freundinnen auf Verhaltensweisen anzusprechen, die ich nicht verstehe. Etwa, wenn sich jemand jahrelang über die Beziehung beschwert, aber nichts ändert. Jetzt kann ich sagen: Damit ich emotional anwesend sein kann, während du mir das erzählst, muss ich verstehen, warum du in dieser Opferrolle bleibst. Ich bin da, glaube ich, ehrlicher zu mir und zu anderen geworden. Ich möchte sie häufiger in eine liebevolle Selbstverantwortung holen und da selbst auch reingeholt werden. Ich bin ja nicht besser.
Das immerhin könnte ein echter Fortschritt sein, denn Selbstverantwortung ist etwas seltenes in feministischen Strömungen
WELT: Es geht Ihnen darum, dass Frauen sich ihre eigenen destruktiven Verhaltensweisen anschauen sollen, um dann zu überlegen, woher sie kommen und wie sie sie ändern können?
Ein ganz neuer Ansatz. Bisher würde man sich ja beschweren, dass man unterdrückt wird und im intersektionalen Feminismus Männer auffordern ihre Privilegien zu hinterfragen.
Fritz: Ja, und das ist wichtig, weil Frauen im Patriarchat darauf trainiert werden, gut und lieb zu sein. Dann fällt es schwer, sich die Situationen anzuschauen, in denen man gemein oder neidisch war.
Da ist es wieder das nebelhafte Patriarchat. Was es ist, wie es angeblich trainiert: Muss man hier zumindest in diesem Interview nicht weiter erläutern. Das Frauen vielen Konflikten und direkten Konfrontationen eher ausweichen, weil sie in der evolutionären Vergangenheit wesentlichen häufiger schwanger waren und wesentlich häufiger unselbständige Kinder von ihnen abhängig waren und es daher ungünstig war, wenn sie die Kosten einer direkten Konfrontation tragen müssen  wäre eine Erklärung, die ganz ohne das Patriarchat auskommt.
WELT: Ist es ein Appell an Frauen, aus der Opferrolle herauszutreten?
Fritz: „Das Opfer“ war für mich das komplizierteste Kapitel. Letztendlich muss ich dazu sagen, die Antwort ist „Ja und“. Wir brauchen Menschen, die sich als Betroffene in einem öffentlichen Diskurs als solche zu erkennen geben. Weil wir nur über eine öffentliche Opferhaltung Täter und missbräuchliche Strukturen sichtbar machen können. Gleichzeitig wäre ein Bewusstsein für die Trennung zwischen öffentlicher Opferhaltung und Eigenverantwortung im Privaten hilfreich.
Da habe ich versucht, eine Trennlinie zu ziehen: Was brauchen wir in einem öffentlichen Diskurs an Opfer- und Täterrollen, um Druck auf Täter aufzubauen und Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen, um sexistische, aber auch rassistische und ableistische Strukturen aufzuzeigen? Und wo nehmen wir uns im Privaten durch diese Schablonen Potenzial an Wachstum und ebenbürtiger Beziehung?
Also missbräuchliche Strukturen anzeigen, dann aber auch in der Eigenverantwortung stehen diese zu beseitigen bzw um diese herum zu kommen?
WELT: Haben wir uns zu sehr angewöhnt, Opfer nicht mehr im Hinblick auf Situationen zu verstehen, sondern als Teil der Identität?
Fritz: Genau das ist dann die Frage der Selbstdefinition.
Das eine Selbstdefinition als Opfer sehr viele negative Seiten haben kann, gerade dann wenn es Teil der Identität wird, so dass man es gar nicht ändern will, war hier auch schon häufiger Thema.
WELT: Sie sprechen eher sanft über den Feminismus. Können Sie mit Begriffen wie „Geschlechterkampf“ und „feministischer Kampftag“ was anfangen?
Fritz: Ja, aber den Fokus des Buchs habe ich an eine andere Stelle gelegt. Außerdem fürchte ich, dass wir in dem System stecken bleiben könnten, das wir verändern wollen, wenn wir nur die Machtrollen tauschen. Unsere Gesellschaft ist durch Hierarchien strukturiert, einige müssen oben und einige müssen unten sein. Um an Macht zu gelangen, tun wir dann häufig so, als seien wir nicht berührbar. Und das finde ich so albern, dass man die Berührbarkeit verlieren muss, um irgendwo aufzusteigen. Das finde ich ermüdend. Ich möchte nicht die nächsten sechzig Jahre unberührbar sein.
Da wäre interessant, was sie mit Berührbarkeit meint. Das man sich abhärtet? Aber das wird ohne ja auch gar nicht gehen.
WELT: Sie sind neben Ihrem Beruf als Autorin auch als Tantramasseurin und Sterbebegleiterin tätig. Wie hat das Ihren Feminismusbegriff geprägt?
Fritz: Schon sehr, vor allem das Tantra.
WELT: Worum geht’s da genau?
Fritz: Im Prinzip ist eine Tantramassage ein Ganzkörper-Verehrungsritual. Man berührt zwei Stunden den Körper des anderen mit einer absichtslosen, liebevollen Haltung.
WELT: Wie viele Frauen und wie viele Männer kommen zur Massage?
Fritz: Es kommen ungefähr gleich viele männliche und weibliche Gäste zwischen 20 und 80 Jahren, darunter sind auch nonbinäre Personen. Die Arbeit prägt mich sehr.
Einige kommen mit Missbrauchserfahrungen für traumasensitive Berührungen, andere wollen sich fallen lassen. Es geht um eine Ziellosigkeit, darum, Zeit zu haben für emotionale Prozesse, Sexualität und tiefgreifendere Entspannung. Sexualität ist ja sonst oft an Leistung gekoppelt, daran, dass man zum Beispiel dem Partner gefallen möchte. In der Tantramassage bekommt man die Zeit und den Raum, bei sich zu bleiben und die Empfindungen im eigenen Körper wahrzunehmen.
Das kann an mir liegen, aber Tantramassage scheint mir nicht der beste ideologische Ansatz zu sein aus dem heraus man Geschlechterthemen behandelt. Vielleicht kommt da auch die Berührbarkeit her.
WELT: Hat das Ihren Blick auf Männer verändert?
Fritz: Auf jeden Fall. Es kommen Männer mit unterschiedlichen Berufen, unterschiedlichen Lebensentwürfen. Banker, Landwirte, Automobilhändler, Redakteure, Juristen. Durch die Arbeit wird mir immer wieder bewusst gemacht, dass wir ja alle Menschen sind. Und das vergesse ich schnell, wenn ich Feminismus als Kampf und Männer nur als Autoritäten begreife.
Im Kontext von Tantramassagen begegnet man sich auf Augenhöhe und sagt einfach: Schön, dass du hier bist. Aus dieser Haltung heraus ist das Buch entstanden. Ich verstehe die systemischen und individuellen Gründe hinter dem „alte weiße Männer“-Tenor und das Männerbashing, aber ich glaube, dass es uns nicht weiterbringt.
Eine Feministin entdeckt, dass Menschen Menschen, Individuen,  sind. Nicht falsch verstehen, dass ist eine wichtige Einsicht, die auch im radikalen Maskulismus zu kurz kommen kann.
Es ist jedenfalls ein Gedanke, der in der Geschlechterdiskussion wichtig ist.
Ich hätte es interessant gefunden etwas mehr über die „Systemischen und individuellen Gründe“ die sie versteht zu erfahren, aber vielleicht führt sie das ja im Buch mehr aus. Von Männerbashing in dem Zusammenhang zu sprechen ist jedenfalls ganz erfrischend-
Zeitgleich wäre es hilfreich, wenn sich Männer besser untereinander organisieren würden. Ich wäre wirklich interessiert an einer feministischen Männerbewegung.
Eine „feministische Männerbewegung“ ist ja zum Scheitern verurteilt. Weil sie eben in den ganzen feministischen Unterdrückungsmythen drinsteckt und da nicht raus kommt. Mal sehen, was ihr Bild ist.
WELT: Was meinen Sie genau mit „Männerbewegung“?
Fritz: Es gibt einzelne Männer, die sagen, ich bin ein Feminist – womit sie sich häufig nur von anderen Männern abgrenzen wollen. Eigentlich sind das Pick-Me-Männer.
Pick-Me Männer wären Männer, die eine Ansicht nur vertreten, damit die Frauen sie positiv sehen und was mit ihnen anfangen wollen.
Menschen mit männlicher Prägung fällt es schwer, eine kollektive Opfergeschichte zu erzählen. Dabei könnten sie die erzählen — und ich glaube auch, dass sie uns fehlt. Männer sind statistisch häufiger im Gefängnis, sie sterben häufiger an Drogen, an Suiziden, in Unfällen und Gewaltverbrechen. Männer müssen seit Jahrhunderten aufgrund ihres Geschlechts in den Krieg ziehen. In „King Kong Theorie“ schreibt Virginie Despentes, dass die Körper der Frauen den Männern nur dann gehören, wenn die Körper der Männer in Friedenszeiten der Produktion und in Kriegszeiten dem Staat gehören. Aus diesem Blickwinkel ließen sich definitiv Opfergeschichten erzählen. Aber wir schaffen es irgendwie noch nicht, da in eine solidarische und konstruktive Opferstory einzutauchen, die nicht selbstmitleidig oder frauenfeindlich ist.
Das ist ja eine interessante Kritik. Eine feministische Männerbewegung, die eine männliche Opfergeschichte darstellt, aber nicht selbstmitleidig und nicht Frauenfeindlich ist.
Aber das ist eben das Problem: Ein Opfer braucht einen Täter. Sonst ist es kein Opfer. Und wer sollte der Täter sein, wenn nicht die Frau? Klar könnte es das Patriarchat sein, dass versuchen ja einige Strömungen mit „Das Patriarchat schadet eben auch Männern“, aber dann sind sie eben in der Doppelrolle von Täter und Opfer.
Deswegen bringt der Opferbegriff nichts.
WELT: Geht das, eine Opfergeschichte, die nicht selbstmitleidig ist?
Fritz: Ich glaube schon, wenn sie sich solidarisch zeigt und Strukturen kritisiert. Ich würde mir so wünschen, dass Männer Strukturen anprangern und sich füreinander einsetzen. Das ist etwas, dass viele Frauen füreinander schon besser können, was man an Bewegungen wie #MeToo gesehen hat.
Da hat sie durchaus recht. Die Frauenlobby ist wesentlich besser als die Männerlobby.
WELT: Was müssen wir ändern, um die festgefahrene Debatte wieder zu bewegen?
Fritz: Wir müssen uns wieder an die eigentliche Frage erinnern. Ich habe das Gefühl, die haben wir vergessen. Die Frage ist ja: Wo wollen wir hin? Was wollen wir erreichen? Unsere Debattenkultur ist so sehr auf Ego und Repräsentation ausgerichtet. Es geht um Gewinnen und Verlieren. Wie anders wäre es, wenn wir lernen würden, dem Körper in Diskussionen mehr Raum zu geben. Wenn wir sagen könnten: „Deine Körperspannung macht mich gerade nervös“, oder: „Ich habe gerade einen Kloß im Hals“. Wenn man ansprechen könnte, was gerade da ist. Das würde, glaube ich, schon einiges ändern. Vielleicht könnten wir dann allmählich eine wirkliche Transformationskompetenz entwickeln.
Das Problem ist ja, dass viele Männer gut damit zurechtkommen, dass vieles auf Ego und Status ausgerichtet ist und viele Frauen gut damit zurechtkommen, dass ihr Mann beruflichen Status hat und sie Zeit mit den Kindern.
Das Problem ist, dass Frauen anfangen müssten ihre Opferhaltung zu hinterfragen und nicht aus Ungleichheiten auf Benachteiligungen schließen.

Evolutionäre Diskrepanz oder Mismatch-Theorie oder evolutionäre Falle

Eine interessante Theorie meint, dass es Unstimmigkeiten zwischen unserer modernen Welt und unserer evolutionär relevanten Zeit gibt, die im wesentlichen davon geprägt war, dass wir Jäger und Sammler waren.

Evolutionäre Diskrepanz, auch bekannt als Mismatch-Theorie oder evolutionäre Falle, ist ein Konzept in der Evolutionsbiologie, das sich auf entwickelte Merkmale bezieht, die einst vorteilhaft waren, aber aufgrund von Veränderungen in der Umwelt nicht mehr adaptiv wurden. Dies kann bei Mensch und Tier stattfinden und wird oft auf schnelle Umweltveränderungen zurückgeführt.

Die Mismatch-Theorie repräsentiert die Idee, dass Merkmale, die sich in einem Organismus in einer bestimmten Umwelt entwickelt haben, in einer anderen Umgebung nachteilig sein können. Der Umweltwandel, der zu evolutionären Diskrepanzen führt, kann in zwei Hauptkategorien unterteilt werden: zeitlich (Veränderung der bestehenden Umwelt im Laufe der Zeit, z. B. ein Klimawandel) oder räumlich (Einführung von Organismen in eine neue Umgebung, z. B. eine Migration der Bevölkerung).[1] Da der Umweltwandel natürlicherweise und ständig eintritt, muss es Beispiele für evolutionäre Diskrepanz im Laufe der Zeit geben. Da jedoch groß angelegte natürliche Umweltveränderungen – wie eine Naturkatastrophe – selten sind, wird dieser Fall seltener beobachtet. Eine häufigere Art von Umweltveränderung ist anthropogen (vom Menschen verursacht). In letzter Zeit hatten Menschen große, schnelle und nachverfolgbare Auswirkungen auf unsere Umwelt und schufen so Szenarien, in denen es einfacher ist, evolutionäre Diskrepanz zu beobachten.[2]

Aufgrund des Evolutionsmechanismus durch natürliche Selektion bestimmt („wählt“) die Umwelt („Natur“), welche Merkmale in einer Population bestehen bleiben. Daher wird es über mehrere Generationen hinweg ein allmähliches Auskräutern aus benachteiligten Merkmalen geben, da sich die Bevölkerung besser an ihre Umwelt anpasst. Jede signifikante Veränderung der Merkmale einer Population, die nicht auf andere Faktoren (wie genetische Drift und Mutation) zurückgeführt werden kann, wird auf eine Veränderung der Umgebung dieser Population reagieren; mit anderen Worten, die natürliche Selektion ist von Natur aus reaktiv.[3] Kurz nach einem Umweltwandel sind Merkmale, die sich in der vorherigen Umgebung entwickelt haben, unabhängig davon, ob sie vorteilhaft oder neutral waren, in der neuen Umgebung über mehrere Generationen hinweg bestehen. Da die Evolution schrittweise erfolgt und Umweltveränderungen oft sehr schnell auf geologischer Ebene stattfinden, gibt es immer eine Zeit des „Aufholens“, während sich die Bevölkerung weiterentwickelt, um sich an die Umwelt anzupassen. Es ist diese vorübergehende Zeit des „Ungleichgewichts“, die als Diskrepanz bezeichnet wird.[1] Nicht übereinstimmende Merkmale werden letztendlich auf eine von mehreren möglichen Arten angegangen: Der Organismus kann sich so entwickeln, dass das maladaptive Merkmal nicht mehr ausgedrückt wird, der Organismus kann aufgrund des nachteiligen Merkmals abnehmen und/oder aussterben, oder die Umwelt kann sich ändern, so dass das Merkmal nicht mehr ausgewählt wird.[1]

Das ist eigentlich auch recht klar: Ein deutlicheres Beispiel wäre der Dodo. Ich hatte es schon einmal bei der Frage, inwiefern die Evolution ein Ziel hat oder einen Sinn umsetzt dargestellt. Die Flugunfähigkeit und die fehlende Vorsicht des Dodos war auf einer Insel ohne Feinde, die ihn fressen wollten vorteilhaft. Natürlich konnte er aber nicht evolutionär reagieren als dann die Schiffe mit Menschen die Inseln entdeckten.

Das leuchtet auch bei so kurzen Reaktionszeiten ein, aber auch unsere Vergangenheit als Jäger und Sammler ist evolutionär gesehen erst sehr kurz her, es sind gerade mal etwa 10.000 Jahre. Das klingt sehr viel, sind aber gar nicht mal so viele Generationen und der vorherige Zeitraum hielt je nach Betrachtung mehrere Millionen Jahre an.

Aus der deutschen Wikipedia zu der Veränderung und den diskutierten Fällen:

Die Neolithische Revolution: Transitionaler Kontext

Die Neolithische Revolution brachte bedeutende evolutionäre Veränderungen beim Menschen mit sich; nämlich dem Übergang von einem Jäger-Sammler-Lebensstil, in dem Menschen nach Nahrung suchten, zu einem landwirtschaftlichen Lebensstil. Diese Änderung ereignete sich vor etwa 10.000 bis 2.000 Jahren.[10][11] Der Mensch begann, sowohl Pflanzen als auch Tiere zu domestizieren, was die Aufrechterhaltung konstanter Nahrungsressourcen ermöglichte. Dieser Übergang veränderte schnell und dramatisch die Art und Weise, wie Menschen mit der Umwelt interagieren, wobei Gesellschaften Praktiken der Landwirtschaft und Tierhaltung aufgreifen. Der menschliche Körper hatte sich jedoch so entwickelt, dass er an seinen früheren Nahrungslebensstil angepasst wurde. Das langsame Tempo der Evolution im Vergleich zum sehr schnellen Tempo des menschlichen Fortschritts ermöglichte das Fortbestehen dieser Anpassungen in einer Umgebung, in der sie nicht mehr notwendig sind. In menschlichen Gesellschaften, die jetzt ganz anders funktionieren als der Jäger-Sammler-Lebensstil, führen diese veralteten Anpassungen jetzt zum Vorhandensein von maladaptiven oder nicht übereinstimmenden Merkmalen.

Es gab in der Tat ja auch noch lange auf dieser Erde Jäger und Sammler, und deren Körper funktionieren nicht anders als die der Völker, die das schon länger aufgegeben haben. Sicherlich gab es gewisse Anpassungen, beispielsweise auch im Immunsystem, welches bei Vielzucht und engen Städten zwangsläufig mehr Kontakt zu Krankheiten hat, aber die Grundlagen sind überall relativ gleich. Ein Buch mit der Darstellung von Selektionen innerhalb der letzten 10.000 Jahre findet man hier (und es gibt auch einige Diskussionen dazu im Blog)

Einige moderne menschliche Populationen engagieren sich in Jäger-Sammler-Praktiken.

Adipositas und Diabetes mellitus
Menschliche Körper sind prädisponiert, die Homöostase aufrechtzuerhalten[13], insbesondere wenn sie Energie als Fett speichern. Dieses Merkmal dient als Hauptgrundlage für die „thrifty gene hypothesis“, die Idee, dass „Fest- oder Hungerzustände während der menschlichen evolutionären Entwicklung natürlich für Menschen ausgewählt wurden, deren Körper bei der Verwendung von Nahrungskalorien effizient war“.[14] Jäger-Sammler, die früher unter Umweltstress lebten, profitieren von dieser Eigenschaft; es gab eine Unsicherheit darüber, wann die nächste Mahlzeit sein würde, und sie würden die meiste Zeit damit verbringen, ein hohes Maß an körperlicher Aktivität auszuüben. Daher würden diejenigen, die viel Nahrungsenergie verbrauchen, die zusätzliche Energie als Fett speichern, auf das sie in Zeiten des Hungers zurückgreifen konnten.

Der moderne Mensch hat sich jedoch zu einer Welt sitzender Lebensstile und Convenience-Lebensmittel entwickelt. Die Menschen sitzen während ihrer Tage mehr, sei es während der Hauptverkehrszeit in ihren Autos oder während ihrer Vollzeitarbeit in ihren Kabinen. Weniger körperliche Aktivität im Allgemeinen bedeutet weniger Energieverbrauch pro Tag. Die menschliche Ernährung hat sich in den 10.000 Jahren seit dem Aufkommen der Landwirtschaft erheblich verändert, mit mehr verarbeiteten Lebensmitteln in ihrer Ernährung, denen der Nährwert fehlt und die dazu führen, dass sie mehr Natrium, Zucker und Fett konsumieren. Diese energiereichen, nährstoffarmen Lebensmittel führen dazu, dass die Menschen mehr Nahrungsenergie zuführen, als sie verbrauchen. Fast Food in Kombination mit verminderter körperlicher Aktivität bedeutet, dass das „thrifty Gen“, das einst menschlichen Vorgängern zugutekam, jetzt gegen sie wirkt, wodurch ihr Körper mehr Fett speichert und zu einem höheren Maß an Adipositas in der Bevölkerung führt.

Adipositas ist eine Folge von nicht übereinstimmenden Genen. Bekannt als metabolisches Syndrom, ist dieser Zustand auch mit anderen gesundheitlichen Bedenken verbunden, einschließlich Insulinresistenz[15], bei denen der Körper nicht mehr auf die Insulinsekretion anspricht, so dass der Blutzuckerspiegel nicht gesenkt werden kann, was zu Typ-2-Diabetes führen kann.

Das ist in der Tat ein Problem der Neuzeit: Unsere Körper könnten heute wesentlich früher satt sein, müssten Fett und Zucker nicht so stark mögen und müssten weit weniger Reserven bilden. Wir müssen uns heute anstrengen nicht zu stark zuzunehmen statt hinreichende Fettreserven aufzunehmen und viele Menschen wären wahrscheinlich sehr glücklich, wenn eine Evolution dazu führen würde, dass wir alle sportlich schlank wären.

Osteoporose
Eine weitere menschliche Störung, die durch die Diskrepanztheorie erklärt werden kann, ist der Anstieg der Osteoporose beim modernen Menschen. In fortgeschrittenen Gesellschaften sind viele Menschen, insbesondere Frauen, während des Alterns bemerkenswert anfällig für Osteoporose. Fossile Beweise deuten darauf hin, dass dies nicht immer der Fall war, wobei Knochen von älteren Jäger-Sammler-Frauen oft keine Hinweise auf Osteoporose zeigten. Evolutionsbiologen haben behauptet, dass der Anstieg der Osteoporose in modernen westlichen Bevölkerungsgruppen wahrscheinlich auf unseren erheblich sitzenden Lebensstil zurückzuführen ist. Frauen in Jäger-Sammler-Gesellschaften waren sowohl von klein auf als auch bis weit in ihr spätes Erwachsenenleben körperlich aktiv. Diese ständige körperliche Aktivität führt wahrscheinlich dazu, dass die maximale Knochenmasse bei Jäger-Sammler-Menschen erheblich höher ist als bei modernen Menschen. Während das Muster des Abbaus der Knochenmasse während des Alterns angeblich sowohl für Jäger-Sammler als auch für moderne Menschen gleich ist, könnte die höhere Spitzenknochenmasse, die mit mehr körperlicher Aktivität verbunden ist, dazu geführt haben, dass Jäger und Sammler eine Neigung entwickeln konnten, Osteoporose während des Alterns zu vermeiden.

Ich zitiere mal von einer Osteoporoseseite:

Der Knochenaufbau wird insbesondere durch Bewegungen gefördert, bei denen die Knochen wiederholt durch das eigene Körpergewicht belastet werden. Dazu gehören Treppensteigen, Joggen oder Bergwandern, nicht aber Schwimmen oder Radfahren. Schwimmen und Radfahren können allerdings andere Vorteile haben und die Ausdauer und Muskulatur stärken.

Neben einem aktiven Alltag ist ein Training mit speziellen Übungen sinnvoll. Sie zielen darauf, die Knochen zu stärken, die Muskeln zu kräftigen und das Gleichgewicht zu schulen. Eine gezieltes Training ist nicht nur zur Vorbeugung und Behandlung von Osteoporose sinnvoll. Es senkt auch das Risiko für Stürze – der Hauptursache für Knochenbrüche im Alter.

Ich vermute auch, dass Jäger und Sammler da weitaus weniger Bedarf hatten zu wenig Bewegung zu haben.

Hygienehypothese[
Die Hygienehypothese, ein Konzept, das ursprünglich von Immunologen und Epidemiologen theoretisiert wurde, hat sich in Studien des letzten Jahres als stark mit der evolutionären Diskrepanz verbunden erwiesen. Die Hygienehypothese besagt, dass die tiefgreifende Zunahme von Allergien, Autoimmunerkrankungen und einigen anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen mit der verringerten Exposition des Immunsystems gegenüber Antigenen zusammenhängt. Eine solche reduzierte Exposition ist häufiger in Industrieländern und insbesondere in städtischen Gebieten, wo die entzündlichen chronischen Krankheiten auch häufiger beobachtet werden.[17][18] Jüngste Analysen und Studien haben die Hygienehypothese und die evolutionäre Diskrepanz miteinander verbunden. Einige Forscher schlagen vor, dass die übermäßig sterilisierte städtische Umgebung die Zusammensetzung und Vielfalt der Mikrobiota verändert oder erschöpft. Solche Umweltbedingungen begünstigen die Entwicklung der entzündlichen chronischen Krankheiten, da der menschliche Körper ausgewählt wurde, um sich in der Geschichte der Evolution an eine pathogenreiche Umgebung anzupassen.[19] Zum Beispiel haben Studien gezeigt, dass Veränderungen in unserer Symbiontengemeinschaft zur Störung der Immunhomöostase führen können, die verwendet werden kann, um zu erklären, warum der Einsatz von Antibiotika in der frühen Kindheit zu einem höheren Asthmarisiko führen kann.[19] Da die Veränderung oder Erschöpfung des Mikrobioms oft mit der Hygienehypothese in Verbindung gebracht wird, wird die Hypothese manchmal auch als „Biome-Erschöpfungstheorie“ bezeichnet.

Sicherlich eine Möglichkeit.

Menschliches Verhalten

Verhaltensbeispiele für die Theorie der evolutionären Diskrepanz sind der Missbrauch dopaminerge Wege und das Belohnungssystem. Eine Handlung oder ein Verhalten, das die Freisetzung von Dopamin stimuliert, einem Neurotransmitter, der dafür bekannt ist, ein Gefühl des Vergnügens zu erzeugen, wird wahrscheinlich wiederholt, da das Gehirn so programmiert ist, dass es kontinuierlich nach solchem Vergnügen sucht. In Jäger-Sammler-Gesellschaften war dieses Belohnungssystem vorteilhaft für das Überleben und den reproduktiven Erfolg. Aber jetzt, da es weniger Herausforderungen für das Überleben und die Reproduktion gibt, nutzen bestimmte Aktivitäten in der gegenwärtigen Umgebung (Glücksspiel, Drogenkonsum, Essen) dieses System aus, was zu Suchtverhalten führt.

Wir führen nicht mehr den Kampf um das tägliche Überleben und haben häufig Tätigkeiten ohne besonderen Kick. Also muss das Belohnungssystem anderweitig stimuliert werden.

Arbeitsstress
Beispiele für evolutionäre Diskrepanz treten auch am modernen Arbeitsplatz auf. Im Gegensatz zu unseren Jäger-Sammler-Vorfahren, die in kleinen egalitären Gesellschaften lebten, ist der moderne Arbeitsplatz groß, komplex und hierarchisch. Menschen verbringen viel Zeit damit, mit Fremden unter Bedingungen zu interagieren, die sich stark von denen unserer angestammten Vergangenheit unterscheiden. Jäger-Sammler trennen die Arbeit nicht von ihrem Privatleben, sie haben keine Chefs, denen sie rechenschaftspflichtig sein können, oder keine Fristen, an die sie einhalten müssen. Unser Stresssystem reagiert auf unmittelbare Bedrohungen und Chancen. Der moderne Arbeitsplatz nutzt entwickelte psychologische Mechanismen aus, die auf ein sofortiges Überleben oder eine längerfristige Fortpflanzung abzielen. Diese grundlegenden Instinkte fehlzünden am modernen Arbeitsplatz und verursachen Konflikte bei der Arbeit, wie zum Beispiel Burn-out, Entfremdung des Arbeitsplatzes und schlechte Managementpraktiken.

Wir haben sicherlich andere Strukturen als Jäger Sammler und bedienen diese teilweise mit einem sehr alten System. Wenn einen ein Chef anschnauzt, dann kann er uns vielleicht in vielen Fällen weniger als Chef früher, der einen vielleicht sogar töten oder verstoßen konnte. Aber er gefährdet unseren Status vielleicht subjektiv nachhaltiger, weil ein Häuptling das früher eben nur bei schweren Verstößen machen könnte, während der Chef evtl nicht auf das Wohlwollen des restlichen Stammes aus sein muss. Also eine merkwürdige Gemengelage. Wir haben auch evtl kein so klares Ziel mit einer persönlichen Bedeutung (Nahrung jagen für den nächsten Tag) mehr und wir haben auch genug Arbeit um darin unterzugehen, während der Jäger und Sammler Nahrung nicht im Überfluss brauchte, weil sie sonst nur verdarb

Glücksspiel

Es gibt zwei Aspekte des Glücksspiels, die es zu einer süchtig machenden Aktivität machen: Zufall und Risiko. Chance verleiht dem Glücksspiel seine Neuheit. Damals, als Menschen nach Nahrung suchen und jagen mussten, war die Suche nach Neuheit für sie von Vorteil, insbesondere für ihre Ernährung. Mit der Entwicklung von Casinos ist diese Eigenschaft, Neuheiten zu verfolgen, jedoch nachteilig geworden. Die Risikobewertung, das andere Verhaltensmerkmale, das beim Glücksspiel gilt, war auch für Jäger und Sammler angesichts der Gefahr von Vorteil. Die Arten von Risiken, die Jäger und Sammler bewerten mussten, sind jedoch deutlich anders und lebensbedrohlicher als die Risiken, denen Menschen jetzt ausgesetzt sind. Die Anziehungskraft auf Glücksspiele ergibt sich aus der Anziehungskraft auf risiko- und belohnungsbezogene Aktivitäten.[

Eine große Chance haben war früher eine Herde jagdbarer Tiere, die auftauchte und die Weiterzuziehen drohte oder vielleicht die Option etwas von einem anderen Stamm zu stehlen ohne das sie es bemerkten. Aber heute kann man mit Geld und mit der Möglichkeit beliebigen Reichtum anzuhäufen ganz andere Glücksspiele spielen als früher.

Drogensucht
Pflanzenfresser haben selektiven Druck für Pflanzen geschaffen, bestimmte Moleküle zu besitzen, die den Pflanzenkonsum abschrecken, wie Nikotin, Morphin und Kokain. Pflanzliche Medikamente haben jedoch verstärkende und lohnende Auswirkungen auf das menschliche neurologische System, was auf ein „Paradoxon der Drogenbelohnung“ beim Menschen hindeutet.[23] Menschliche evolutionäre Diskrepanz erklärt den Widerspruch zwischen Pflanzenentwicklung und menschlichem Drogenkonsum. In den letzten 10.000 Jahren fanden die Menschen das dopaminerge System oder Belohnungssystem besonders nützlich bei der Optimierung der darwinistischen Fitness.[24] Während Drogenkonsum ein gemeinsames Merkmal früherer menschlicher Populationen war, ist Drogenkonsum mit starken Substanzen und verschiedenen Aufnahmemethoden ein relativ zeitgemäßes Merkmal der Gesellschaft. Menschliche Vorfahren lebten in einer Umgebung, in der es an Drogenkonsum dieser Art mangelte, so dass das Belohnungssystem in erster Linie zur Maximierung des Überlebens und des reproduktiven Erfolgs verwendet wurde. Im Gegensatz dazu leben die heutigen Menschen in einer Welt, in der die derzeitige Natur von Drogen das Belohnungssystem maladaptiv macht. Diese Klasse von Drogen löst fälschlicherweise einen Fitnessvorteil im Belohnungssystem aus, so dass Menschen anfällig für Drogenabhängigkeit sind.[25] Das moderne dopaminerge System stellt Schwachstellen für den Unterschied in der Zugänglichkeit und sozialen Wahrnehmung von Drogen dar.

Drogen sind eigentlich schon etwas perverses: Stoffe, die es schaffen bestimmte Gefühle direkt in unserem Gehirn ablaufen zu lassen. Eigentlich ein deutliches Zeichen, wie sehr unsere Biologie uns bestimmt und Wünsche kreieren kann, die wir attraktiv finden, selbst wenn sie auf etwas so unlogisches wie ein weißes nicht nahrhaftes Pulver gerichtet sind.

Essen
In der Ära der Nahrungssuche wussten Jäger und Sammler selten, woher ihre nächste Mahlzeit kommen würde. Infolgedessen war es von Vorteil, ihren Magen mit viel Nahrung zu füllen, da das Essen knapp war. Der intensive Verbrauch von hochenergetischen Lebensmitteln wurde ausgewählt, wenn die Verfügbarkeit von Lebensmitteln gering war und es schwieriger war, sie zu finden. Jetzt sind Lebensmittel leicht verfügbar, und das neurologische System, das den Menschen einst geholfen hat, die Überlebensvorteile des essentiellen Essens zu erkennen, ist jetzt nachteilig geworden, da es übermäßiges Essen fördert. Dies ist nach dem Anstieg der verarbeiteten Lebensmittel besonders gefährlich geworden, da die Popularität von Lebensmitteln mit einem unnatürlich hohen Zucker- und Fettgehalt deutlich zugenommen hat.[26]

Hatte ich oben schon besprochen.

Theoretisch könnte man hierunter noch sehr viel anführen. Unser gesamtes Partnerwahlsystem und Sexualverhalten könnte hier eingeordnet werden, weil vieles davon nur noch eingeschränkt Sinn macht und wir mit anderen Kriterien vielleicht viel glücklicher wären, wenn wir uns unsere eigene Biologie erschaffen könnten. Vielleicht würden dann Brüste bei der Frau ihre Wirkung verlieren, weil sie in der modernen Partnerwahl keine wirklichen Vorteile bringen, vielleicht Muskeln beim Mann oder dessen Status und Geld oder gar die Dunkle Triade. Vielleicht könnte man Partnerschaften und Sex als bindendes Element gleich ganz abschaffen und auf allgemeine Kooperation setzen, wenn wir künstliche Gebärmuttern hätten.

Aber gegenwärtig finden wir eben -soweit heterosexuelle Männer betroffen sind – weiterhin Fett- und Bindegewebe an der richtigen Stelle sehr attraktiv.