Mirna Funk: „Wir brauchen einen Feminismus, der nicht frauenfeindlich ist“

Von Mirna Funk hatte ich hier schon Texte besprochen:

Und das sah man auch ganz gut, dass sie keine Anhängerin der intersektionalen Strömungen ist, sondern eher eines klassischeren Feminismus, vielleicht eher Richtung Beauvoir, die ja noch eine gewisse Verantwortung gesehen hat, dass Frauen an sich arbeiten, aber eben auch, wie man an dem zweiten Artikel sieht, recht gut gegen Männer austeilt.
Ich zitiere noch mal aus dem Artikel:

Warum gehen die Themen Weiblichkeit und Zukunft für dich Hand in Hand?

„Weil das Jetzt schon weiblich ist. Soziale Netzwerke sind weiblich. Das Internet ist weiblich. Digitalisierung ist weiblich. Deswegen bäumen sich ja auch die alten weißen Männer gerade noch mal auf. Wie ein Tier kurz vorm Tod. Sie spüren sehr wohl, dass die Zeit für sie gekommen ist.

Was ist entscheidend dafür, dass Netzwerke gut funktionieren und etwas bewegen können?

„Das man lernt in diesen Netzwerken zu kommunizieren. Narzissmus-frei zu kommunizieren. Im Moment dienen Netzwerke dem Ego. Es ist ein ständiges Monologisieren aneinander. Wir müssen also lernen, auch ohne direktes Gegenüber zuzuhören. Dem anderen zuhören. Und nicht nur uns selbst.“

Was müssen wir jetzt bewegen, damit die Zukunft sich für alle in eine positive Richtung wendet?

„Wir müssen eine feministische Terror-Gruppe gründen und die alten weißen Männer aus dem Weg schaffen.“

Hinter dem letzten Satz wurde später noch ein „(lacht) ergänzt nach dem die Kritik an der dortigen Männerfeindlichkeit aufkam und auch thematisiert wurde, dass das strafrechtlich relevant sein könnte.

 

Jetzt gibt es einen neuen Text von ihr in der Welt:

Die Welt wäre eine bessere, wenn Frauen die Macht hätten? Ich kann es nicht mehr hören: Warum sollten Menschen, die menstruieren, auch moralischer sein? Wer Frauen die Opferrolle zuweist, unterdrückt sie – und verkennt die wahre Potenz der Geschlechter.
Ich sage ja: Sie hält nichts vom intersektionalen Feminismus. Denn dort geht es nicht ohne Opferrolle.  Und sie hat recht: Die Darstellung als Opfer und die Externalisierung aller Schuld ist für eine Fortentwicklung vollkommen kontraproduktiv.
Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch, der gerne von Frauen, aber auch von männlichen Feministen ständig und überall rausgehauen wird: Wenn Frauen die Welt regierten, wäre sie ein besserer Ort. Immer, wenn ich diesen Spruch höre, frage ich mich, ob man eigentlich dieses dichotome Geschlechterbild reflektiert hat oder jemals reflektieren wird und ob man sich historisch zumindest ein einziges Mal mit relevanten Frauenfiguren auseinandergesetzt hat. Die Antwort ist natürlich ganz einfach: Nein!
Letztens bei einem Dinner war es wieder soweit. Große Gesten, große Reden, wenn Frauen die Welt und so weiter und so fort. Man fuhr fort, es habe nie Terroristinnen gegeben, Frauen seien per se auf Kollaboration und weniger auf Kampf aus, schließlich wollten sie für ihre Kinder eine friedlichere Welt. Hach, wie schön wäre es, wenn sie nun endlich die Zügel in der Hand hielten. Der Planet würde sich in eine bunte Blumenwiese verwandeln, wo man nur noch lächelnd durch die Gegend läuft und keiner mehr Gewalt erlebt. Fast scheint es, hier würde von einem paradiesischen Zustand ausgegangen, so als habe Eva herself nicht alles daran gesetzt, diesen langweiligen Ort schleunigst zu verlassen und ihr und Adam ein bisschen Fun in der wirklichen Welt zu bescheren. Im Judentum, im Übrigen, wird der christliche Sündenfall als erster Moment der freien Wahl interpretiert.
Nun ist es so, dass ich mein Gesicht nicht kontrollieren kann. Weder auf Bühnen noch im Fernsehen, geschweige denn bei Abendessen. Es entgleitet mir, wenn ich etwas völlig Absurdes höre und genauso wenig, wie ich mein Gesicht kontrollieren kann, kann ich mich selbst kontrollieren. Ich versuchte deshalb zu intervenieren und erinnerte an die Terroristinnen der RAF. Ich erinnerte an Königinnen, die sehr wohl Leid über ihr Volk gebracht hatten und auch an politische Führerinnen. Nicht zu vergessen die Gattinnen unsäglicher Männer in der Geschichte, die nicht immer nur zwangsverheiratet, sondern eben auch aus freien Stücken ein gemeinsames Leben mit ihnen führten.
Hehe, da kann ich mir vorstellen, dass das der Runde vielleicht nicht so gut gefallen hat. Da denken sie sich eine schöne Welt zusammen, in der sie die Retter der Welt sind, und dann kommt jemand mit der Realität, dass Frauen auch nur (gute und schlechte) Menschen sind. Und dann auch noch aus freien Stücken und nicht nur aufgrund der Unterdrückung durch die Männer!
Die Vorstellung Frauen wären himmlische Heilerinnen mit Engelsflügeln, die über der Welt ihren Elfenstaub verteilen würden, erinnert doch arg an ein eher chauvinistisches Frauenbild. Die Frau als Heilige, Mutter, Hausfrau und trieblose Gebärmaschine, die am allerliebsten Tulpen im Vorgarten pflanzt. Dabei sind Frauen so viel mehr. Sie haben den Willen zur Macht, Rachewünsche und sind sehr wohl in der Lage, auch physische Gewalt gegen andere auszuüben. In der israelischen Armee verteidigen 40 Prozent von ihnen das Land. Im Panzer, Flugzeug oder in einer Kampfeinheit auf dem Boden. Auch wenn diese Stellung der Frau weltweit kaum woanders zu finden ist. Umso tragischer, dass viele Feministinnen diese emanzipatorische Errungenschaft als Liberal Feminism abtun und gleichzeitig kritisieren.
Ein wesentlich anderes Bild von Frauen: Da haben sie eine eigene Agenda und handeln, weil sie auch Macht wollen, üben Gewalt aus. Das gibt es im intersektionalen Feminismus gar nicht (jedenfalls nicht ohne den Hinweis „Weiße Frauen“ oder „CIS-Frauen“ und dann eben auch nur in der „Gegenkategorie“, also etwa gegen schwarze Frauen oder Trans Frauen.
Denn das große Problem ist, dass der sogenannte Third Wave Feminism den Frauen ihre gesamte Potenz geraubt hat. Auch, weil er sich gegen klassisch liberale Werte stellt und sich dafür stark am Marxismus orientiert. Das heißt, die Potenz des Individuums musste allgemein der Idee der Menschen als Unterdrücker oder Unterdrückte weichen. Frauen bekamen selbstverständlich den Titel der Unterdrückten. Völlig egal, ob sie aus einer Bildungsdynastie stammten und einem Mann aus dem Arbeitermilieu begegneten.
Die dritte Welle wäre noch Butler, wobei der Höhepunkt der Opferstellung dann eher in der vierten Welle kommt, dem intersektionalen Feminismus. Interessant ist in der Tat, dass diese Bewegungen sich immer mehr von dem vorher in der linken sehr beliebten Gesellschaftsklasse als Merkmal verabschiedet haben und Kriterien wie Geschlecht, Rasse etc immer wichtiger wurden.

Frauen sind gar nicht so anders

An dieser Stelle muss eindeutig gesagt werden, dass Frauen natürlich Jahrhunderte benachteiligt wurden und sie ohne die Errungenschaften der Industrialisierung und des Kapitalismus sowie der großen Kämpfe für Gerechtigkeit, die sie selbst führten, möglicherweise immer noch am Waschbrett stünden, anstatt alles schnell in die Waschmaschine zu schmeißen und als Führungspersönlichkeit ein Unternehmen an die Börse zu führen. Die Welt ist eben nicht so eindeutig, wie man es sich gemeinhin von der linken Seite wünscht.
Natürlich muss das gesagt werden.  Das verbindende Merkmal aller feministischen Strömungen ist ja: „„Sie beginnen regelmäßig damit, dass Frauen (und gelegentlich Männer) die Quellen der Unterdückung in ihrem Leben suchen und versuchen, sich von diesen zu befreien“. In ihrer Ausrichtung sind Frauen natürlich auch Opfer einer Unterdrückung, sie legt ihnen nur mehr Verantwortung bei der Frage auf, wie sie sich davon befreien. In der vierten Welle müssen sich gefälligst die Männer ändern und ihre Unterdrückung beenden. In der ersten und zweiten (und teilweise der dritten) hingegen mussten die Frauen schon selbst ran.
Trotzdem müssen wir uns offen mit der Frage beschäftigen, wieso – insbesondere an einem Tag wie diesem – altbackene Frauenbilder geradezu zelebriert werden. Was ist falsch an der Frau als mutige Kämpferin? Was ist falsch daran, zu erinnern, dass auch Frauen Eigenschaften und Vorstellungen haben, die sich nicht mit hypermoralischen Idealen decken? Mord und Totschlag gibt es auch bei menstruierenden Menschen.
Das Aushalten, dass Frauen nicht unschuldige Lämmer mit Engelsflügeln sind, würde auch dabei helfen, etwaige Diskrepanzen in Hinblick auf Solidaritäten besser nachvollziehen zu können. Denn dasselbe Geschlecht heißt erst mal noch gar nichts. Gar nichts. Es sagt auch nichts darüber aus, ob man einander unterstützt oder sich gegenseitig zerfleischt. Davon kann ich ein Lied singen. Die größten Shitstorms, die ich hatte, wurden von Frauen ausgelöst, die politisch nicht meiner Ansicht waren und deshalb versuchten, mich mit Lügen und falschen Behauptungen zu diskreditieren, zu diffamieren und letztlich stumm zu schreien. Am Ende geht es nämlich immer um Wertevorstellungen und politische Einstellungen. Da sind wir eben gar nicht so anders als Männer. Und das ist doch eigentlich gut. Auch, wenn es negative Auswirkungen hat.
Das ist einer der Vorteile der vierten Welle. Man muss keine Anforderungen an sich selbst stellen und auch anderen Frauen nur sehr eingeschränkt etwas vorwerfen. Sie sind eben alle benachteiligt und die anderen sollen gefälligst ihre Privilegien abbauen! Man selbst muss das auch, aber eben nicht als Frau, sondern zB als weiße. Als Frau hingegen ist man unterdrückt. So kann sich jeder seinen Bereich der Unterdrückung suchen, muss dafür aber anderen auch diese Bereiche lassen.
Das jüngste Beispiel sind die hundertfach von der Hamas und palästinensischen Zivilisten vergewaltigten, geschändeten, gefolterten, ermordeten und entführten Israelinnen. Während es sonst wegen jedes falsch angewendeten Pronomens von den Feministinnen dieser Welt lautes Aufbegehren gab und man selbst wegen der Mikroaggression „Auf den Po starren“ sofort mit einer Cancel-Fackel durch die Gegend jagte, kam es nach dem 7. Oktober zu einem kollektiven Schweigen. Das liegt insbesondere daran, dass die aktuell führenden feministischen Bewegungen marxistisch-antiimperialistisch geprägt sind. Und für sie gibt es nur Unterdrücker und Unterdrückte und den Kampf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Dieser Kampf darf mit allen Mittel geführt werden. Und weil die Israelis die Unterdrücker sind, sind die Israelinnen, denen man in ihre Genitalien schoss auch nur gemeine Unterdrücker, die den „Befreiungsvergewaltigungen“ zum Opfer fielen.
Ich schalte mit dem Fettdruck schon mal den Leszek-Scheinwerfer an, der groß „Kulturmarxismus“ an den Himmel projiziert und würde mich freuen, wenn er sich meldet.

Wenn der weiße, heterosexuelle, christliche Mann nicht mehr der oberste Schurke ist, dann stimmt einfach die dortige Hierarchie nicht mehr und man müsste, wie es der Text auch erwähnt, den weißen Mann „aufwerten“ und gleichzeitigt PoCs angreifen. Während man bestimmte Umstände in anderen Ländern noch auf die Kolonialzeit zurückführen kann und so wieder dem „weißen Mann“ zuordnen kann, wird dies beim Islam, der nie wirklich einen weißen Hintergrund hatte, schwierig.

Damit wäre Kritik am Islam nahe am Rassismus, da er das Dogma der Schuld des weißen Mannes in Frage stellt. Es wäre auch problematisch, weil der Islam nicht in  die klassischen Schemata einzuordnen ist, die eben vorgeben, dass die, die gesellschaftlich die meiste Macht haben, die sein müssen, die die Regeln vorgeben und die anderen unterdrücken. (…)

Palästina ist insofern der sichere Kandidat, da dort eher PoCs sind. Dazu mag kommen, dass in den USA auch verschiedene Schwarzenbewegungen Verbindungen zum Islam hatten, etwa über die Nation of Islam, der etwa auch Malcolm_X zugehörte. Schon deswegen würde es zu Konflikten kommen, bei denen man rassistisch sein würde, wenn man die falsche Seite wählt.

In dem relativ einfachen Gruppendenken intersektionaler Theorien ist es eben egal, was der andere macht. Wichtig ist, ob er in der richtigen Kategorie ist. Dann können auch Vergewaltigungen etc problemlos ausgeblendet werden.
Diese materialistischen terrorverherrlichenden Feministinnen sind es auch, die den Diskurs in den letzten Jahren angeführt haben. Sie haben Begriffe wie Care-Arbeit in den Ring geworfen und behauptet, Kinderkriegen und Arbeit schließen sich aus. Sie haben erklärt, dass Kopftuchtragen feministisch ist und sogar die spießige Flucht in den Haushalt um ein Vielfaches emanzipatorischer sei als die eklige Lohnarbeit.
Haben sie das? Beim Kopftuch würde ich zustimmen, aber bei der Care-Arbeit wird ja eher betont, dass die Frauen da quasi unterdrückt sind oder alternativ, dass sie dafür bezahlt werden sollten. Das Care-Arbeit emanzipatorisch ist habe ich jetzt noch nicht gelesen.
Einzig und allein die freie Entscheidung sei hier Gradmesser des emanzipatorischen Handels, obwohl gleichzeitig bestritten wurde, dass emanzipatorisches Handeln in einem Patriarchat überhaupt möglich ist. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen, deshalb müsste das Falsche erstmal zerstört werden. Das Ergebnis war eine Art regressive Utopie. Dabei wurde, statt Frauen die Möglichkeit zu geben, ihre männlich-konnotierten Eigenschaften zu leben, das Männliche als das Böse umgedeutet. Dabei hätte es vor allem statt einer Verteufelung eine Erweiterung gebraucht.
Das ist eine sehr kurze Herleitung, die mir etwas schnell geht. „es gibt kein richtiges Leben im falschen“ ist ja auch in der vierten Welle aktuell, aber natürlich mit den üblichen Zwidenken: Einer muslimischen Frau mit Kopftuch, die Hausfrau sein will, könnte man natürlich nichts sagen. Einem deutschen „Tradwife“ hingegen schon. Und einer Frau, die die Carearbeit übernehmen muss, weil der Mann sich drückt und sie ja auch weniger verdient kann man das auch nicht vorwerfen, dem Mann hingegen schon.
Männliches Verhalten bei Frauen wird auch nicht unbedingt verteufelt. Männer an sich aber schon.

Ich will keine Geschlechter auflösen

Solidarität ist nämlich nichts anderes als Handlungsspielräume zu vergrößern. Kämpfe ich mich als Frau nach vorne, in die höchste Position des Unternehmens, kann ich weitreichende Veränderungen für nachfolgende Generationen einleiten. Auch für die Frauen, die nach mir kommen. Von nichts kommt eben nichts. Und mit Liebe erklimmt niemand einen 100 Meter hohen Baum, sondern mit Kraft, Mut und Tapferkeit. Dafür braucht es aber nicht die Ideologie des von Geburt an besseren Menschen: der Frau.
Wie jetzt man soll dafür arbeiten? Sich mit Kraft, Mut und Tapferkeit nach oben kämpfen? Einfach so statt Quote? Klingt nach einem fiesen Vorwurf an Frauen und Victimblaming.
Es braucht das Bestreben nach einem komplexen Geschlechterbild. In einer Welt der Komplexitäten backen Männer einen Kuchen, und Frauen fliesen das Bad. Dort holen Frauen die Kinder vom Kindergarten ab, und Männer bohren das Regal an die Wand. Dort weinen beide. Dort sind beide tapfer. Denn es braucht Soft-Skills und Hard-Skills, um langfristig Dinge im Leben und der Gesellschaft zu erreichen, aber auch verändern zu können. Die Hard-Skills immer nur als schlecht zu konnotieren, hilft wirklich niemandem. Schlecht ist vor allem, Frauen die Fähigkeit abzusprechen, Scheiße zu bauen und zu behaupten, Männer könnten nichts als Krieg und Verwüstung und der Sekretärin unter den Rock fassen.
Da legt sie durchaus einen Finger in die Wunde der feministischen Theorien.
Dafür gibt es sogar einen Begriff: Racism of Low Expectations. Wer Männer und Frauen nicht als mündige Subjekte anerkennt, die Verantwortung übernehmen können, handlungsfähig sind sowie gute und schlechte Eigenschaften haben, diskriminiert.
Der Begriff scheint eher auf Bush bzw seinen Redenschreiber zurückzugehen und zwar als „soft bigotry of  low expectations“, jedenfalls habe ich dazu etwas gefunden:
„The practice of expecting less from members of a disadvantaged group and thus implicitly encouraging those people not to reach their full potential.“
Das ist eigentlich ein interessantes Konzept. Ich schaue da noch mal rein.
Ich will an keinem Tisch mehr sitzen, wo Männer Scherze über Blondinen machen oder Frauen behaupten, sie wären die besseren Menschen. Ich möchte an Tischen sitzen, wo Männer die Ambitionen, den Mut und Gestaltungswillen von Frauen loben und Frauen glücklich darüber sind, dass ihre Partner sich um die Kinder kümmern und die Spülmaschine ausräumen. Ich will an Tischen sitzen, an denen Frauen über ihre bösen Seiten sprechen und Männer auch.
Tja, für die meisten Leute ist allerdings das Private nicht politisch und sie wollen ihr Leben nicht bestimmten Vorstellungen unterordnen, was dazu führt, dass häufig eher ganz andere Konstellationen der Arbeitssteilung das Leben bestimmen. Natürlich loben auch dort Männer ihre Frauen und die freuen sich, wenn der Mann Kinder betreut und im Haushalt hilft. Aber das bewirkt eben keine große Veränderung.
Damit will ich keine Geschlechter auflösen, im Gegenteil, ich glaube sehr wohl daran, dass wir unterschiedlich sind. Ich wünsche mir eine Erweiterung der Geschlechtsvorstellungen und die Integration und Annahme männlich-konnotierter sowie weiblich-konnotierter Eigenschaften, die beide notwendig sind und ihre Berechtigung haben. Ich wünsche mir Solidarität nicht nur unter Frauen, sondern unter beiden Geschlechtern. Ich wünsche mir, dass wir so etwas wie einen Frauentag irgendwann gar nicht mehr nötig haben. Auch weil sich dann jeder weniger entweder als Unterdrücker oder Unterdrückter empfindet, sondern versteht, dass wir je nach Situation und Umstand immer beides sind. Schluss mit diesen niedrigen Erwartungen, die wir an das andere Geschlecht stellen und her mit den hohen Ansprüchen, die wir an Individuen stellen dürfen.
„Solidarität unter beiden Geschlechtern“ wäre ja dann in der Abgrenzung auch „Solidarität unter Männern“, da ist der Patriarchatsvorwurf nicht weit. Aber rauszukommen aus dem Nonzero-Sum-Game wäre in der Tat ganz gut. Und das Individuum betonen auch.