Alpträume eines feministischen Allys

Mal wieder ein männlicher Feminist, der einem erklären will, warum der Feminismus gut für Männer ist:

Er beginnt mit einem Alptraum (für einen feministischen Ally):

Seine Männlichkeit neu zu justieren macht keinen Spaß, ist anstrengend und verfolgt einen bis in den Schlaf. Tja, Pech, da müssen wir durch.

Neben mir schlägt die Kollegin theatralisch die Stirn auf die Tischplatte, was mich aus dem Konzept bringt. Gerade hatte ich der versammelten Belegschaft einen Vortrag gehalten über – habe ich vergessen, aber geredet habe ich. „Kannst du mal BITTE aufhören, von Dingen zu labern, von denen du nichts verstehst?“, sagt die Kollegin. „Und überhaupt, wie sitzt du eigentlich da?“ Ich gucke an mir runter und stelle fest, dass ich so breitbeinig sitze, dass es kein Manspreading mehr ist, sondern fast Yoga. Im selben Moment wird mir klar, dass ich seit mehreren Minuten ohne Inhalt vor mich hin monologisiere. Alle in der Runde starren jetzt auf meinen Schritt. Ich wache schweißgebadet auf.

Was für ein schreckliches Szenario. Er redet – und versteht nichts davon. Und alle schauen auf seinen Schritt.

Seid ihr zufrieden, Netzfeminist*innen?, denke ich und ditsche mit dem Pikser ein Loch in mein Frühstücksei, bevor ich den Kocher auf „außen hart und innen ganz weich“ einstelle. Immerhin tu ich doch schon mein Bestes. Hey, ich schreibe eine Männerkolumne – und da werde ich gar noch im Schlaf von der Angst verfolgt, etwas falsch zu machen!

Schon eigenartig, wenn das seine schlimmsten Alpträume sind. Er labert etwas zu viel und sitzt breitbeinig. Meint er wirklich, dass das seine einzigen Verfehlungen als Mann ist? Hat er vergessen, dass er eine Rape Culture aktiv mit unterstützt mit seinem Mann sein?

Vermutlich will er hier rüberbringen, dass er wirklich bemüht ist, so bemüht, dass es ihm schon Albträume macht. Aber im Feminismus – das vergessen männliche Feministen immer  -gibt es keine Kekse für Selbstverständliches.

Beim Neujustieren der Männlichkeit müssen wir Männer erst mal mit folgendem Gedanken klarkommen: „Alles, was ihr bisher für richtig haltet, ist möglicherweise falsch.“ Was wir bisher für hilfreiche Ratschläge hielten, könnte in Wahrheit Mansplaining sein. Selbstbewusstes Auftreten war womöglich Dominanzgehabe. Komplimente sind vielleicht Belästigung. Leistung entpuppt sich als Privileg. Und Handcreme als gar nicht mal so übel, guck mal, weißt du noch, wie rau meine Fingerkuppen früher waren?

Mitunter ist Leistung aber auch schlicht Leistung und Selbstbewußtsein als etwas schlechtes abzuwerten, bei dem man nur Dominant ist, wird einen auch nicht weiter bringen. Es muss wirklich eine merkwürdige Sicht auf sich selbst sein, aber wir hatten ja schon festgestellt, dass Leid auch glücklich machen kann und einem Leben Sinn geben kann.

Interessanter wäre es aus meiner Sicht, wenn der Feminismus mal einsehen würde, dass ihnen bzw Frauen an sich niemand etwas schuldet, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und das man im Leben nicht weiter kommt, wenn man alle Schuld für eigenes Nichtvorankommen auf andere verlagert und verlangt, dass die die bei einem selbst bestehenden Probleme lösen sollen.

Kein Wunder, dass regelmäßig irgendwer irgendwo „Stopp jetzt mal“ ins Feuilleton schreit. Das macht nämlich überhaupt keinen Spaß, dieses ewige Alles-infrage-Stellen. Mehr noch, es verunsichert und verkriselt einen total – vor allem uns Herren des Bildungsbürgertums. Schließlich haben wir längst Etikette und korrektes Verhalten gegenüber Frauen eingebläut bekommen. Jetzt also noch mal alles von vorne? Komplett anders? Bisweilen widersprüchlich? Und obendrein bekomme ich keine Medaille, sondern allenfalls Albträume ob der kaltschweißenen Angst vorm feministischen Fettnapf? Ihr Männer, die ihr immer sagt, wie übertrieben dieser ganze Dauerfeminismus sei: Ihr habt recht. Er macht uns kaputt, verfolgt uns im Schlaf. Und bringt uns nichts.

Die wenigsten Männer dürfte es im Schlaf verfolgen. Weil sie eine etwas realistischere Sicht auf die Welt haben, in der von ihnen keine Frauen unterdrückt werden.

Aber es wäre ja kein feministischer Text, wenn  nicht noch eine Wende kommt:

Außer natürlich denjenigen Männern, die auch unter Männlichkeit leiden, weil sie etwa schwul, schüchtern, schmächtig oder schwuchtelig sind. Oder denjenigen Männern, die sich ungern dröhnend den Raum nehmen. Oder denen, die Wert auf einvernehmliche statt erpresste Nähe legen. Und denen, die Töchter, Mütter, Schwestern und Enkelinnen haben, von denen sie wollen, dass es ihnen gut geht.

Also eine simple Botschaft: Ihr müsse an euch arbeiten, damit die Welt für andere besser wird. Und das wird sie durch den Feminismus, der löst nämlich die bösen Männlichkeitsbilder auf. Und für eure Töchter etc.

Nur das es eben falsch ist, weil der Feminismus diese Ziele gar nicht umsetzt. Er predigt Hass und hetzt Gruppen mit vermeintlichen Nullsummenspielen gegeneinander, die sonst weitaus lieber kooperieren würden. Er meint, dass mein Zweifeln an mir selbst, mein Abwerten meines Selbstvertrauens, dass Infragestellen meiner Leistung dazu führt, dass andere Männer Frauen nicht belästigen. Was für eine absurde Annahme. Es hilft niemanden und verkennt die vielen, vielen positiven Aspekte der gegenwärtigen Männlichkeit, wie Fortschritt und Wohlstand.

Er meint, dass die ohne Fehl ja aufhören können. Aber im Feminismus gibt es immer fehl am Mann. Er kann nie aufhören, weil er ja immer dafür verantwortlich ist, wie die Gruppe Mann sich verhält.  Weil dann das Männlichkeitsbild anscheinend noch nicht gut genug verändert worden ist

Diese Männer müssen leider weiter schwitzen und mal schlecht schlafen, damit sich Männlichkeit verändert. Alle anderen: Ihr habt meine Erlaubnis, sofort mit dem ganzen Feminismusquatsch aufzuhören.

Nur das deine Erlaubnis nichts zählt. Denn du bist ein Mann und hast keinerlei Mitspracherecht im Feminismus.