Warum verstehen Feministinnen so selten was „im Schnitt“ bedeutet?

Viele gerade aus dem Lager der Feministinnen (aber nicht nur dort) scheinen mir erhebliche Schwierigkeiten damit zu haben, dass „im Schnitt“ nicht bedeutet, dass man diese Eigenschaft nicht generell allen Männern und Frauen zuweist, sondern innerhalb der Gruppen erhebliche Unterschiede auftreten können und zudem auch zwischen den Gruppen erhebliche Überlappungen vorliegen können.

 Dazu hatte ich eigentlich schon einige Artikel:

 Kürzlich hatte ich auch eine weitere Diskussion zum Thema mit Nick. Dieser schrieb in einem Kommentar:

“Im Schnitt” ist für Feministinnen offenbar deshalb per se eine Essenzialisierung, weil von der eigenen Denke auf andere geschlossen wird. Wie auch sonst sollte die ganze “Männlichkeitskritik” “begründet” werden?

Dass nicht alle Männer deshalb Vergewaltiger sind, weil die Mehrheit der Vergewaltiger männlich ist geht gerade noch rein in den Kopf – allerdings ist damit regelmäßig felsenfest “belegt”, dass es sich um eine art “Spitze des Eisberges” handelt.

Nur allzu folgerichtig wird deshalb die Aussage “Im Schnitt sorgen Verheiratete Eltern besser für ihre Kinder” als Aussage dahingehend gewertet, dass nichtverheirtete Eltern ein inhärentes Manko hätten.

Der Gedanke, dass die Kausalität beispielsweise umgekehrt sein könnte, nämlich dass “bessere” Eltern im Schnitt eine stärkere Tendenz zum Heiraten haben, kommt lieber nicht auf, denn dann müsste man ja so einige Aspekte seines Weltbildes infrage Stellen: Wenn der Schluß von der Verteilung in der Gruppe der Verheirateten auf Eigenschaften Verheirateter nicht möglich ist, dann wäre auch der Schluß von der Kriminalstatistik auf Eigenschaften von Männern nicht möglich.

Ich schrieb dazu noch:

@Nick

““Im Schnitt” ist für Feministinnen offenbar deshalb per se eine Essenzialisierung, weil von der eigenen Denke auf andere geschlossen wird. Wie auch sonst sollte die ganze “Männlichkeitskritik” “begründet” werden?”

Es scheint der Gedanke schwer zu fallen, dass eine Eigenschaft, die im Schnitt in einer gewissen Höhe vorliegt, dennoch ganz verschieden ausgeprägt ist. Dabei muss man sich ja nur Äußerungen wie “Im Schnitt sind Männer größer als Frauen” vorstellen.
Das schließt eben kleine Männer und große Frauen nicht aus, eine alltägliche Beobachtung.
Dennoch wird ja bei so etwas mit dem alten “der unterschied innerhalb der Gruppe ist größer als zwischen den Gruppen” argumentiert, was dann die Eigenschaft beliebig machen soll.

Die Essenzialisierung findet dann ja auch bei “Frauen verdienen 23% weniger” statt, bei dem auch so getan wird, als würde in jeder Arbeit jede Frau 23% weniger verdienen als ihr Kollege neben ihr.

“Dass nicht alle Männer deshalb Vergewaltiger sind, weil die Mehrheit der Vergewaltiger männlich ist geht gerade noch rein in den Kopf – allerdings ist damit regelmäßig felsenfest “belegt”, dass es sich um eine art “Spitze des Eisberges” handelt.”

Wobei der Unterschied bei “Schrödingers Vergewaltiger” ja wieder teilweise aufgehoben ist. Jeder Mann ist potentiell eine Vergewaltigungsgefahr, weil die Mehrheit der Vergewaltiger männlich ist.

“Nur allzu folgerichtig wird deshalb die Aussage “Im Schnitt sorgen Verheiratete Eltern besser für ihre Kinder” als Aussage dahingehend gewertet, dass nichtverheiratete Eltern ein inhärentes Manko hätten.”

Vielleicht trägt dazu bei, dass man ja von gesellschaftlichen Formungen ausgeht, die Männer und Frauen als Gruppe betreffen, wobei gleichzeitig alle Menschen abgesehen davon gleich wären, wenn es eben diese Formungen nicht geben würde. In der Denkweise ist es einfach, solche “Im Schnitt” Aussagen der kompletten Gruppe zuzuordnen, denn dieser Unterschied muss ja durch die Gesellschaft entstanden sein, also der gesellschaftliche Druck auch jede Frau betreffen.
Verbindet man das mit der Auffassung, dass jede Zuweisung einer negativen Eigenschaft, die eine Minderheit oder eine Personengruppe, der die jeweilige Person sich zugehörig fühlt oder mit der sie (ggfs wegen ihr nahestehender Personen) sympathisiert, ein gesellschaftliches Vorurteil ohne Grundlage sein muss, dann ergibt sich natürlich auch, dass dieses Vorurteil eben nur diese Gruppe als ganze treffen kann.
Wenn der einzige Weg, wie nichtverheiratete Eltern schlechtere Eltern sein können, Vorurteile oder jedenfalls externe Erschwernisse sind, dann müssen diese die Einzelpersonen aus der Gruppe betreffen, es wäre dann ein Schnitt mit sehr geringer Varianz.

“Der Gedanke, dass die Kausalität beispielsweise umgekehrt sein könnte, nämlich dass “bessere” Eltern im Schnitt eine stärkere Tendenz zum Heiraten haben, kommt lieber nicht auf, denn dann müsste man ja so einige Aspekte seines Weltbildes infrage Stellen: Wenn der Schluß von der Verteilung in der Gruppe der Verheirateten auf Eigenschaften Verheirateter nicht möglich ist, dann wäre auch der Schluß von der Kriminalstatistik auf Eigenschaften von Männern nicht möglich.”

Ja, das stimmt.
Die Frage ist, ob vom Ziel oder vom Grund her gedacht wird. Ich vermute es ist eher der Grund

 Demnach wäre es vielleicht darauf zurückzuführen, dass Theorien, die von gesellschaftlichen Prägungen und einer strikten Beeinflussung durch Geschlechterrollen ausgehen, letztendlich auf einen starken Essentialismus zurückgreifen müssen. Nur in diesem Bild kann ja eine Geschlechterrolle letztendlich greifen. Theorien, die davon ausgehen, dass Menschen als Teil der Gruppe bestimmten Regeln unterliegen an die sie sich halten, können eigentlich weniger Abweichungen zulassen und dies um so mehr, um so deutlicher ihre Theorien auf einen starken Gruppenzwang abstellen.