Ein Artikel in der FAZ vergleicht einen bestimmten Typ Frauen mit Daisy Duck:
Daisy Duck hat zwar keine roten Fingernägel, dafür eine rosafarbene Schleife auf dem Kopf. Ihr größtes Problem ist, dass es ihr sehr gutgeht, sie aber selten zufrieden ist. Schuld daran sind stets die anderen, vor allem Männer. Die seien Bestien, schimpft Daisy einmal in der Barks-Episode „A sticky situation“, denn sie würden nur essen, schreien und das Haus in Unordnung bringen. Besonders oft kriegt es Donald ab, denn der ist besonders oft für sie da. Einmal etwa kutschiert er sie mitten in der Nacht zum Flughafen, um stundenlang mit ihr auf eine berühmte Primaballerina zu warten, deren Ankunft in Entenhausen Daisy miterleben will. Schließlich aber schimpft sie Donald aus – weil er die Tänzerin nicht kennt. Mit hochgerecktem Schnabel und maximalem Distinktionsgewinn straft Daisy ihn ab: „Keinen blassen Schimmer von der Kunst des Tanzens . . . pah!“ Will Donald in der Hängematte entspannen, überrumpelt Daisy ihn mit einer Einladung zu ihrer Lotterie-Reihe „Sonntag im Park“. Natürlich grauenvollstes Socializing, wie Daisy auch indirekt zugibt: „Aber wie sieht das denn aus, wenn mein Freund nicht daran teilnimmt?“ Donalds Einwand, sie wisse doch genau, dass der Sonntag sein freier Tag sei, kontert sie mit Schmollmiene: „Du bist ein Miesepeter.“
Ich fand Daisy Duck schon immer eine interessante Figur: Man weiß nicht so richtig, was sie macht, sie ist richtig Fies zu sowohl Donald Duck als auch Gustav Gans, der in dieser Hinsicht anscheinend gerade kein Glückspilz ist, denn sonst würde er eine vernünftige Frau/Ente/Gans kennenlernen, die tatsächlich an ihm interessiert ist und ihn nicht nur gegen seinen Konkurrenten ausspielt.
Es ist auch interessant, dass diese Quelle weiblichen Entitlements im Feminismus nicht wahrgenommen wird: Kinder wachsen damit auf, dass ihnen eine Frau gezeigt wird, die beliebige Bedingungen stellen kann, die dann von ihren Interessenten erfüllt werden müssen, ohne das sie etwas für diese macht. Es reicht, dass sie da ist, dann müssen alle nach ihrer Pfeife tanzen. Sie lebt ansonsten ein unbeschwertes Leben, anscheinend auch ohne finanzielle Sorgen.
Sie hat insofern einen Anspruch darauf, dass Donald und Gustav sich um sie bemühen, kraft ihres Frau seins. Klar kann man da auch anführen, dass sie eben gerade nur ein Objekt der jeweiligen Begierden ist, aber sie bleibt dabei ja höchst aktiv: Sie ist es, nach der sich alle richten und die auswählt. Sie kann sie benehmen wie sie will. Es ist eine Form des Entitlements, wenn sich alles nach ihr richten soll.
Aber das ist wahrscheinlich auch nur wieder wohlwollender Sexismus.
Dann leitet sie über zum Feminismus:
Daisys Unzufriedenheit ist von der Art, mit der auch die Kundinnen bei Starbucks die leere Milchkanne anprangern und die Marketing-Redaktion-Werbe-Singles auf „gutem“ Kaffee bestehen. Diese Unzufriedenheit hat im Leben der meisten anderen Frauen gar keinen Platz; denn der ist mit anderem besetzt. Trotzdem sollen sie sich fortwährend für die Daisyduckisierung interessieren.
Die Zeitungen und Blogs sind voll mit Daisy-Themen und besonders mit Daisy-Feminismus. Dauernd guckt einem beispielsweise von irgendwoher die gefeierte Feministin Lena Dunham entgegen und zählt ihre berühmten Zwangsneurosen auf. Frauen, die sich auch in irgendetwas hin eingezwungen fühlen (Beziehungen, Jobs, dumme Gesellschaften), sind anscheinend erleichtert über so viel Offenheit. Dunham spielt in der von ihr konzipierten Fernsehserie „Girls“ ein Girl, das Schriftstellerin werden will. Allerdings kann sie von ihren Schreibversuchen nach dem Abschluss des Colleges nicht leben. Ihre Eltern streichen ihr den monatlichen Zuschuss, und so muss sie selbst arbeiten. Zeitweise sogar in einem Kaffeeladen. Allerdings in einem für Brooklyner Hipster, und das auch nur vorübergehend, weil dann wieder was ganz anderes passiert.
Das Recht sich über beliebige aufzuregen und zu erwarten, dass den eigenen diesbezüglichen Gefühlen Vorrang eingeräumt wird, das Gefühl etwas besseres zu sein und sich auch entsprechend verhalten zu dürfen. Lena Dunham ist keine attraktive Frau (NSFW), ihre Partner in der Serie sind hingegen wesentlich näher am klassischen Schönheitsideal für Männer. Anforderungen an Daisy Duck dürfen eben nicht gestellt werden, sie hingegen darf Ansprüche stellen. Es ist insofern ein Spiegelbild der Privilegientheorie: Auch dort ist der Mann privilegiert und muss seine Privilegien ablegen, darf keine Anforderungen stellen, das wäre Shaming oder Aufrechterhaltung der Rollenbilder, jedenfalls aber Unterdrückung.
Die Daisys sind sogenannte Protagonistinnen eines modernen, also „netzaktiven“ Feminismus, sie haben „über 100.000 Follower“ oder sind wenigstens „sehr aktiv auf Twitter“ (so die Buchverlage über ihre einschlägigen Autorinnen). Frauen, die nicht so netzaktiv sind, sind demnach unmodern und müssen weiter Kaffee ausschenken, und zwar nicht bloß, bis es mit der Schriftstellerei klappt, sondern vielleicht ein Leben lang. Wenn die es dann wagen, gut gelaunt zu sein, vielleicht sogar glücklich, dann haben die Daisys ein Problem.
Das scheint so ein bisschen der Vorhalt zu sein, dass die „Daisys“ auch immer irgendwie für etwas größeres bestimmt sein müssen, was ihre Anforderungen rechtfertigt, während normale Leute eben schlicht einen Job haben.
Die Daisy Ducks jedenfalls schreiben über Daisy-Duck-Probleme. Wenn man normale Leute fragt, ob auch sie solche Probleme haben, verstehen sie meistens schon die Frage nicht. Zum Beispiel, wenn es um Arbeit geht. Die Daisy-Duck-Frauen reagieren darauf empfindlich; sie brauchen, bevor sie überhaupt anfangen, zwingend „Kaffee und einen kleinen Spaziergang“, oder sie gehen in Vorbereitung einer längeren Pause zum „Sabbatical-Coaching für Frauen“ (eine Berliner Sabbatical-Coacherin bietet Frauen etwa professionelle Hilfe an beim Umgang mit „Gefühlen wie Einsamkeit beim Anblick anderer Paare“) oder ersatzweise zum After-Work-Yoga (ein Frankfurter Anbieter wirbt: „Der Yogakurs funktioniert wie ein Puffer, der alle Probleme auf Arbeit herausfiltert“, und ja, der Satz geht wirklich genau so). Schier unfassbar muss den Daisy Ducks erscheinen, dass manche Frauen jahrzehntelang wenig glamouröse Arbeiten verrichten, ohne durchzudrehen, zum Teil sogar noch gut gelaunt. Wie erklären diese Frauen das? Man kann sie fragen. Sie leben mitten unter uns!
Also der Vorwurf, dass die „Daisys“ eigentlich mit der Welt nicht klarkommen, jedenfalls gerne aus der Welt flüchten, wo andere Frauen ihre Frau stehen. oder einfach die Darstellung, wie schwer sie es im Leben haben? Der Gedanke, dass man zu besonders für das „normale Leben“ ist?
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