Romantik und Beziehungsmanagement

Ein Artikel im Tagesspiegel stellt die Frage, ob „die Liebe noch eine Chance hat„:

Das Problem daran ist die alltägliche Verkürzung der Gleichberechtigung auf eine vordergründige Behauptung von Gleichheit. Niemand bestreitet, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben. Doch im Leben, im Alltag, in der Politik geht es nicht mehr um die Schönheit und die Bedeutung der Unterschiede, es geht nur noch um das Prinzip „auch“: Ihr stellt sieben Aufsichtsräte – dann wollen wir das auch. Ihr habt eure karrierefördernde Seilschaft – dann machen wir das auch. Wir können Wochen vor und ein paar Monate nach der Geburt nicht arbeiten – dann sollt ihr auch ein paar Monate exklusiv mit dem Baby verbringen. (Als ob Männer heute dazu noch genötigt werden müssten – eher muss man die bedauern, die immer noch zu fixiert auf Karrierenormen sind, um sich auf ihre Kinder einzulassen. Eine der schönsten Phasen im Leben des Verfassers waren zwei Monate zwischen zwei Jobs, in denen er jeden Tag 24 Stunden Zeit für seinen zwei Jahre und zwei Monate alten Sohn W. hatte.)

Hier wird aus meiner Sicht die Kritik an der Gleichstellung statt Gleichberechtigung, die berechtigt ist, unnötig mit der Beziehung verbunden. Gleichstellungspolitik mögen viele Frauen gutheissen, aber sie wird so in einer Zweierbeziehung ja nicht praktiziert – wie auch? Auch ist er denke ich etwas optimistisch, was Väter und die Vätermonate angeht: Die Vätermonate erlauben Väter denke ich schon etwas, was sie sonst nicht umsetzen könnten, einfach weil es unüblich war und immer noch ist, dass ein Vater sich eine längere Auszeit nimmt.

Was wird die Kinder von heute prägen? Sie werden mit arbeitenden, karrierebewussten Müttern groß. Und viele wachsen in Familien und mit Kindern aus anderen Familien auf, von denen manche neu zusammengesetzt werden. Da werden kaum noch Geschichten von der Liebe fürs Leben erzählt werden, eher solche von Trennungen, weil man nicht mehr zueinander passte. Für die Kinder von heute wird morgen normal sein, dass Mutter und Vater in ihrer Beziehung „gleich“ waren.

Dass Männer und Frauen unterschiedlich sind, dass lernen die meisten Kinder recht schnell – einfach, weil die Unterschiede nicht zu übersehen sind.  In der Tat wachsen mehr Kinder mit Trennung auf. Aber das ist meine ich ein Problem in sich, es folgt nicht aus der Gleichheit.

Moderne Paarbeziehungen sind nicht mehr geprägt durch ein romantisches Ideal wie „Der eine für den anderen“. Warum sollte sich eine arbeitende Frau Gedanken darüber machen, wie sie ihren karrierebewussten Gatten kräftigt und für den nächsten Machtkampf in Form bringt? Warum sollte ein arbeitender, den Haushalt zur Hälfte mitführender Mann sich Gedanken darüber machen, wie er seiner Frau, die das Haus, das Familienleben auch nicht mehr als er gestaltet, für eben diese nicht marktkonforme, „nur“ familiäre Arbeit besonders dankt? Beide sind gleich: gleich belastet, gleich gestresst, gleich müde, wenn es um gegenseitiges Interesse und Zuwendung geht. Sie können froh sein, wenn das Aushandeln von Pflichten und die Lösung von Konflikten nach der Koordination von mindestens drei Terminkalendern (ihrer, seiner und der mindestens eines Kindes) wirklich partnerschaftlich verläuft – sprich: gleichberechtigt. Aus Gefühlsfragen sind Managementfragen geworden.

Aus meiner Sicht eine etwas einfache Sicht moderner Paarbeziehungen. Denn spätestens wenn Minder da sind wird ja meist zu einer Rollenverteilung, nach der einer der Partner mehr Kinderbetreuung macht, der andere eher das Familieneinkommen erwirtschaftet, zurückgekehrt.

Und natürlich kann man den eigenen Partner auch dann stärken, wenn beide arbeiten. Jeder erzählt dann eben seine Sorgen und der andere versucht sich damit auseinander zu setzen, sie zu lösen oder auch einfach nur noch einmal zuzuhören. Natürlich bringt ein eigenes Einkommen Selbständigkeit, aber das muss nicht dazu führen, dass man den anderen nicht mehr unterstützten möchte.

Und auch vorher konnte ein Partnerschaft Managementsache sein. Denn man musste eben auch da die unterschiedlichen Bereiche miteinander abstimmen und die Beziehung verwalten. Es wird auch in früheren Zeiten genug Ehen gegeben haben, in denen die Ehepartner sich nicht mehr viel zu sagen gehabt haben und nebeneinander hergelebt haben und der eine die Sorgen des anderen nicht verstehen konnte, weil es ganz verschiedene Welten waren. Oder der Partner, der zu Hause geblieben ist, hat sich mit dem allein sein überfordert gefühlt oder später einfach gelangweilt, den ganzen Tag mit einem Säugling zusammen.

Liebe braucht das Mysterium – und dafür ist heute weniger Raum denn je. Das Mysterium entsteht aus der Ungleichheit. Denn dort wirken die Anziehungskräfte. Es geht nicht um das gerecht Geteilte, sondern um das dunkle Ungleiche. Mit der romantischen Liebe ist es vorbei. Wir befinden uns in der Phase des Übergangs in die Zeit der gleichberechtigten Bedürfnisbefriedigung. Nichts spricht dafür, dass Frauen und Männer das gemeinsam hinbekommen wollen.

Frauen und Männer werden nicht gleicher, wenn sie beide arbeiten. Sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit verschiedene Jobs, verschiedene Arten damit umzugehen und das Mysteriöse in einer Beziehung entsteht nicht dadurch, dass einer die Kinder versorgt. Es entsteht aus den Eigenarten von Mann und Frau.

Und natürlich war auch gerade die frühere Ehe eine starke Bedürfnisbefriedigung: Er wollte eine Frau, die für Haushalt, Kinder und Sex sorgt und sie wollte eine Versorgung, weil sie selbst nicht arbeiten durfte. Was kann mehr ein Bedürfnismanagement sein?

Neue Freiheiten sind insoweit auch eine Chance für die Liebe. Mit mehr Unabhängigkeit werden wir freier für Partner, die wir sexuell, geistig und auf einer persönlichen Eben wollen. Es erlaubt eine Wahl abseits finanzieller Interessen, die natürlich zu ihren eigenen Problemen führt.

Aber deswegen muss die Romantik und die Liebe nicht sterben.