Schon häufiger ist in den Kommentaren die Ansicht aufgetaucht, dass eine Rückkehr zum Zerrüttungsprinzip, also weg von der „schuldlosen Scheidung“ der richtige Weg wäre.
Das bis 1976 bestehende Verschuldensprinzip sah vor, dass man um sich scheiden lassen zu können ein Fehlverhalten des anderen nachweisen musste. Man musste also Gründe aufführen, die der andere zu verantworten hatte und die die Ehe zerstört hatten.
Das führte regelmäßig zu den „Waschen der Schmutzwäsche“ bei dem die Eheleute sich alles, was der jeweilige andere innerhalb der Ehe falsch gemacht haben könnte vorgeworfen hat, insbesondere weil an die Schuld noch weitere Unterhaltfolgen geknüpft waren.
Wenn man eine Beziehung und deren Ende einmal durchdenkt, dann ist es oft gar nicht so einfach, jemanden an deren Scheitern eine eindeutige Schuld zuzuweisen.
Denn derjenige, der etwas falsch gemacht hat, wird im Gegenzug anführen, dass er das gemacht hat, weil der andere ihn vernachlässigt hat, was dieser wiederum darauf zurückführt, dass jener etwas falsch gemacht hat und so weiter.
Letztendlich ist es meiner Meinung nach richtig, dass Scheidungsverfahren nicht mit einer Schuldfrage zu verknüpfen. Es kommt nichts dabei heraus und man sollte es, wenn man es denn unbedingt klären will, eher in andere Verfahren, wie etwa den Unterhalt, verlegen. In der heutigen Zeit ist für reine Scheidung erst einmal unerheblich, wer daran schuld ist, wichtig ist, dass die Ehe gescheitert ist und die Eheleute sie nicht mehr aufrechterhalten wollen.
Dieser Gedanke liegt auch dem jetzt geltenden deutschen Eherecht zugrunde:
§ 1565 BGB Scheitern der Ehe
(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
§ 1566 BGB Vermutung für das Scheitern
(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.
§ 1567 BGB Getrenntleben
(1) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.
(2) Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nicht.
§ 1568 BGB Härteklausel
(1) Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.
Diese Regelungen führen dazu, dass üblicherweise das Trennungsjahr abgewartet werden muss, bevor die Scheidung beantragt werden kann. Dies soll die Eheleute vor übereilten Entscheidungen schützten.
In diesen Paragraphen kommt es nicht darauf an, wer schuld am Scheitern der Ehe ist. Es kommt nur darauf an, dass diese gescheitert ist. Man braucht also keinen Scheidungsgrund mehr, wie früher, sondern nur das tatsächliche Scheitern der Ehe.
Es gibt allerdings im deutschen Recht noch ein paar Überbleibsel des Verschuldensprinzips:
a) Zugewinn
§ 1381 BGB Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit
(1) Der Schuldner kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre.
(2) Grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat.
b) Unterhalt
§ 1579 BGB Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
1. die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,
2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
3. der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,
4. der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
5. der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,
6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
7. dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder
8. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
Bei einem eindeutigen nur bei ihm liegenden Fehlverhalten kann also der Unterhaltsschuldner seinen Unterhaltsanspruch verlieren.
Hiergegen wird angewandt, dass es eine einseitige Anwendung des Prinzips ist, da diese Folge ganz überwiegend die Frauen trifft, da diese häufiger die Kinderbetreuung übernehmen und daher auch später häufiger Unterhalt bekommen. Der Mann hingegen könne machen was er wolle, das Schuldprinzip würde bei demjenigen, der Unterhalt zahlt, nicht zur Anwendung kommen. Dies ist allerdings schlicht eine Folge davon, dass das Zivilrecht kein Strafrecht ist und nicht bestraft, sondern Rechtsbeziehungen regelt. Es mag dadurch ausgeglichen werden, dass auch der Mann, der kaum Schuld am Scheitern der Ehe hat, während sein Frau die überwiegende Schuld trägt weiter zahlen muss.