„Frauen of Color, wollt ihr einen Alman daten?“

Das jetzt Magazin der SZ, das Magazin für die jungen Leser, wird immer woker. In der ursprünglich wirklich mal ganz lesenswerten Kolumne, wo eine Seite etwas fragt und die andere Seite antwortet, in der früher eher Geschlechterthemen und Geschlechterunterschiede behandelt wurden, geht es in einem Artikel um die hier auch schon in den Kommentaren diskutierte Frage:

Frauen of Color, wollt ihr einen Alman daten?

Ich erspare die Ausführungen des Fragenden und gehe direkt zur Antwort über. Hier hat man natürlich nicht eine beliebige „Frau of Color“ (Frau von Farbe wäre wahrscheinlich rassistisch, weil zu dicht bei „Farbiger“, das ist ganz ähnlich wie bei der „kritischen Rassentheorie“) befragt, sondern eine intersektionale Aktivistin

Gracia Ndona

Die junge Schriftstellerin und Aktivistin betrachtet die Welt aus verschiedenen Perspektiven, verarbeitet Wahrnehmung und Gefühle im Schreiben und erkundet sich dabei selbst an der Intersektionalität von Frausein, afrikanischer Diaspora und einer Jugend in Zeiten von Pandemie und Lockdown.

Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen daher u.a. Fragen, warum sich Schwarzsein immer wieder erklären muss, wo die Identitätsfindung zwischen Rassismus und Diskriminierung sichere Orte findet und auf welche Weise literarische Selbstermächtigung eine emanzipatorische Kraft entfalten kann.

Gracia Ndona ist in Wien geboren und aufgewachsen mit kongolesischen Wurzeln, studiert internationale Betriebswirtschaftslehre; 2013 Preisträgerin beim exil-Literaturpreis Thema „Schreiben zwischen den Kulturen“; Mitgründerin und Vorstandsmitglied des Vereins „ADOE – Afrikanische Diaspora Österreich“, Safe Space, für Menschen mit Afrikanischer Migrationsbiografie; Ko-Leiterin des Community Teams beim „Black Voices Volksbegehren“; spricht Englisch, Deutsch, Französisch, Lingala und Kikongo (Muttersprache).

Da ist die Antwort eigentlich schon klar.

Liebe biodeutsche Männer,

aber vor allem liebe Kartoffel-Karstens und Alman-Axels. Richtig beobachtet! Für Frauen of Color kommt es kaum in Frage, auf Tinder nach einem Partner zu suchen. Bei all den dort anwesenden Sebastians und Michaels freuen wir uns, wenn wir einen Uche (sprich: Utsche) oder Carlos finden. Das gilt auch, wenn wir in der Uni oder beim Feiern nach einem potenziellen Partner suchen. Und wisst ihr, warum? Biodeutsche Männer sehen einfach alle gleich aus! Kleiner Scherz. Wir haben natürlich gelernt, die Ryan Reynolds und Ryan Goslings dieser Welt zu unterscheiden. Viel mehr schrecken uns die Kosenamen „Sexy Mama“, „Rihanna“ oder „Hotte Schokogöttin“ ab. Und die hören wir leider ziemlich häufig. Wann und wo sollen wir beginnen, euch zu erklären, wie problematisch diese Aussagen sind? Nach dem ersten oder dem zweiten Date? Vor oder nach dem ersten Kuss? Tut uns den Gefallen und swipet links!

Wohl gemerkt: Es ist Transfeindlichkeit, wenn man als CIS nicht mit einer (unoperierten) Transperson schlafen will, aber natürlich nicht rassistisch, wenn man mit weißen Männern nicht zu tun haben will. Da Frauen eh sehr wählerisch sind und demzufolge Männer nur mit 2.9% der Frauen matchen, die sie bestätigt haben, dürfte da noch nicht mal eine so viel höhere Aussortierungsrate vorliegen.

Das mit dem örtlichen Angelverein ist auch so eine Sache. Die Wahrscheinlichkeit, dass nur weiße Männer Mitglieder dieses Vereins sind, ist besorgniserregend hoch. Und mit Sicherheit findet uns dort mindestens einer eurer Kollegen „schön und exotisch“. Nein, das ist nicht nett gemeint. Und nein, das ist kein Kompliment. Ihr fragt euch, wieso das so ist? Spätestens jetzt müsste ich für meinen Schatz den Rassismus-Grundkurs halten. Da, das muss ich einmal so deutlich sagen, habe ich wirklich keinen Bock drauf.

Wirklich eine grauenhafte Welt, in der einem jemand „Schön und exotisch“ findet. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man das in der Häufigkeit vielleicht ein blödes Kompliment findet, weil es eine Nichtdazugehörigkeit, ein Anderssein, beinhaltet. Aber andererseits betont sie ja genau auch das anscheinend selbst und macht aus ihrem Anderssein eine Identität. Der Anteil von Männern im Angelverein ist ja aber ansonsten auch überschaubar.

Ihr könnt rassistisch sein,obwohl ihr Frauen of Color datet

Natürlich gibt es biodeutsche Männer, die gut aussehen, reflektiert und lustig sind. I see you, Kartoffel-Karsten! Einige von euch haben auch schon Schwarze oder andere Frauen of Color gedatet. Ihr könnt also gar nicht rassistisch sein, meint ihr? Denkste! Das merke ich, wenn die Tante auf der Familienfeier meine Deutschkenntnisse lobt oder auf der WG-Party Fremde meine Haare anfassen, ich davon dann meinem Lebensabschnittspartner erzähle – und dieser das alles „nicht so schlimm“ findet. Dann, liebe weiße Männer, habe ich schlechte Neuigkeiten. Denn Rassismus beginnt da, wo People of Color ihn verspüren. Ich würde sagen, genau hier.

Sie klingt echt nach einer Person, die anstrengend ist. Ich kann verstehen, dass sie bestimmte Sachen nerven (eine gute Freundin von mir ist eine „Frau of Color“ mit einem Afro und hasst es auch, wobei die Autorin ja eher Dreadlocks zu haben scheint), aber das ist eben das Fehlverhalten bestimmter Personen und man muss nicht gleich Rassismuspredigten deswegen halten.

Versteht mich nicht falsch, manche von euch arbeiten an sich. Eure Privilegien sind euch bewusst und ihr bemüht euch. Wirklich! Wir sehen das. Und da kann es schon sein, dass wir in Erwägung ziehen, mit euch auszugehen. Oder sogar eine Beziehung mit euch eingehen – wo die Liebe eben hinfällt. Trotzdem wird euer Umfeld vermutlich nicht ganz so aufgeklärt sein, wie ihr es seid. Ganz zu schweigen davon, dass eure Familie vermutlich zu 99 Prozent weiß ist. Als einzige Person of Color kann das für uns richtig unangenehm werden. Denn als Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft wird auch euch, liebe woke, weiße Männer, nicht jede Beleidigung auffallen. Ihr habt den Rassismus-Grundkurs vielleicht schon hinter euch, doch auch der Rassismus-Kurs für Fortgeschrittene kostet uns Kraft.

Ich bin mir sicher, dass ihr tausend Beleidigungen auffallen würden, die mir nicht auffallen würden. Denn im woken Bereich kann ja nahezu alles rassistisch sein. Sie nicht als schwarz wahrnehmen genau so wie sie als schwarz wahrnehmen. Oder einfach nur Weißsein. Ihren Fortgeschrittenenkurs stelle ich mir sehr schwierig vor und wahrscheinlich muss man sich für kleinste Verfehlungen in ihrem Sinne von seiner eigenen Familie abwenden und diese als rassistisch anerkennen.

Wäre Südländerin, die zwar aus meiner Sicht weiß ist, aber ausländisch aussieht und auch einen entsprechenden Akzent hat, so kompliziert, wir wären wohl nicht lange zusammen geblieben. Natürlich hat sie auch schon blöde Sprüche gehört, aber eben von anderen vereinzelten Personen. Und meine Familie hat sie sicherlich gut aufgenommen, genauso wie ihre Familie mich (auch da macht man gerne mal einen Spruch über Deutsche, das gehört eben dazu).

Und meine Zeit ist mir definitiv zu kostbar dafür, euch zu erklären, was Mikroaggressionen sind. Ich möchte nach einem stressigen Tag meine Rassismuserfahrungen nicht verteidigen müssen. Und nach einem ruhigen Arbeitstag will ich das ehrlich gesagt noch weniger.

Mikroaggressionen und „meine Rassismuserfahrungen“, die dann absolut gesetzt werden.
Ich habe ein paar „Persons of Color“ in meinem Freundeskreis und auch in der Kundschaft und da ist das alles vollkommen unkompliziert im Umgang. Es ist einfach Hautfarbe auszublenden und den Menschen dahinter zu sehen und bei beiderseitigen guten Willen lassen sich viele Unstimmigkeiten vermeiden ohne das jemand an „seinen Rassismuserfahruungen“ festhalten muss und allen Vorträge halten muss.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass wir, Frauen of Color, doppelter Diskriminierung ausgesetzt sind. Das bedeutet, dass wir jeden Tag gegen Sexismus und Rassismus kämpfen müssen. Kleines hypothetisches, aber leider auch realistisches Beispiel gefällig? Am Equal Pay Day sagt mein Chef zu mir das N-Wort und fordert mich bei den Verhandlungen für eine faire Bezahlung dazu auf, nicht so aggressiv zu werden: „Jetzt beruhig dich doch erstmal!“.

Ja, der Gender Pay Gap. Grauenhaft, dieser in gleichen Jobs und bei gleichen Einsatz fast nicht mehr aufzufindende Unterschied in dem eine Diskriminierung nicht belegt ist. Zumal sie keine Kinder hat und insofern eher noch weniger davon betroffen ist. Das N-Wort geht sicherlich nicht, aber es spricht vieles dafür, dass sie sich bei den Verhandlungen um eine faire Bezahlung tatsächlich hätte beruhigen sollen.

Das Rassismus-bedingte Ungleichgewicht in der Beziehung bedeutet mehr Arbeit

Liebe weiße Männer, wie ihr seht, schaffen wir, Frauen of Color, Großartiges. Tag für Tag. Wir wollen keine zusätzliche, kostenlose Aufklärungsarbeit leisten. Schon gar nicht für unsere privilegierten Partner. Ihr seid Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft, wodurch ein Rassismus-bedingtes Ungleichgewicht in der Beziehung entsteht, da habt ihr Recht.

Da hätte ich ja echt keine Lust drauf. Durch ihre Haltung ist die Beziehung von vorneherein bereits so vergiftet, dass sie nur noch etwas für Masochisten ist oder Leute, die keine gleichwertige Partnerschaft wollen, sondern eine Frau, die sie herumkommandiert (was okay ist, jedem das Seine).

Bevor ihr also eine Schwester datet, fragt euch, ob ihr bereit seid, an euch, der potenziellen Beziehung und gegen das strukturelle System zu arbeiten. Befasst euch mit euren Privilegien und werdet keine „alten, weißen Männer“. Und fragt uns nie, nie, nie wieder, ob wir twerken können.

Eure Schwarzen Frauen und Frauen Of Color

Ich halte sie nach meinen Erfahrungen mit Frauen of Color für absolut unrepräsentativ für Frauen of Color. Sie ist eben eine extreme Aktivistin und die meistenFrauen of Color entsprechen dem glücklicherweise nicht.