Homosexualität und diesbezügliche Klischees

Über den Blog „Schwulbekennen“ habe ich einen Artikel über einige Studien bezüglich Homosexualität gefunden, den ich ganz interessant finde (auch wenn Bild der Wissenschaft)

Zu Homophobie:

Der Sexualpädagoge Stefan Timmermanns, Leiter des Anti-Diskriminierungsprojekts Triangle, fand bei einer Befragung von 298 Schülern in Nordrhein-Westfalen heraus: 32 Prozent der Schülerinnen und 61 Prozent der Schüler sind schwulenkritisch eingestellt. Zwar haben zwei Drittel von ihnen nichts dagegen, wenn Geschichten von Schwulen und Lesben in ihren Schulbüchern stehen. Diese Toleranz endet jedoch an der eigenen Haustür: Mit einem schwulen Bruder hätten laut Timmermanns Untersuchung zwei von drei Jungen große Schwierigkeiten.

Das sind ja schon recht hohe Zahlen. Wobei eine nähere Aufschlüsselung, was genau schwulenkritisch bedeutet interessant wäre

Zu von der Geschlechterrolle abweichenden Verhalten:

Die Psychologen Gerulf Rieger und Michael Bailey von der Northwestern University in Chicago erforschen seit vielen Jahren den Wahrheitsgehalt geschlechtsbezogener Klischees. Bereits 1995 stellte Bailey fest, dass Homosexuelle sich als Rollenabweichler charakterisieren – und das seit frühester Jugend. Das Problem dieses Befundes: Es blieb unklar, ob Homosexuelle sich im Nachhinein als rollenuntypisch beschreiben – oder ob sie es tatsächlich schon in der Kindheit waren. Dieser Frage sind Rieger und Bailey jetzt nachgegangen. Sie filmten und interviewten 41 Homosexuelle sowie 49 Heterosexuelle beiderlei Geschlechts. Zudem analysierten sie zahlreiche Videofilme aus der Kindheit der Probanden – von Familienausflügen, Geburtstagspartys und Schulaufführungen. Die von den Versuchspersonen mitgebrachten Videoclips deckten alle Altersstufen vom ersten bis zum fünfzehnten Lebensjahr ab. Die Auswertung des Filmmaterials ergab laut Rieger ein klares Bild: Bewegungsmuster und körperlicher Ausdruck von männlichen homosexuellen Jugendlichen waren „femininer“ als bei ihren Geschlechtsgenossen und sie orientierten sich am Verhaltensrepertoire des anderen Geschlechts. Dadurch sei ihre sexuelle Ausrichtung ablesbar – am Gang, an der Stimme und auch an den Hobbys.

Auffallend sei, dass homosexuelle Jungen schon sehr früh wettbewerbsorientierte Sportarten ablehnen. Ihr gesamtes Verhalten erweise sich als viel untypischer für das eigene Geschlecht als das Spielverhalten homosexueller Mädchen.

Das ist nach der Theorie über die Entstehung der Homosexualität aufgrund pränataler Hormone auch zu erwarten. Nicht bei allen Homosexuellen, aber bei eine gewissen Anzahl, weil die Verhaltenszentren eben durch die gleichen Mechanismen betroffen sind, wie die sexuelle Orientiertung.

Zum „Gaydar“

Um zu prüfen, ob Homosexualität für jedermann leicht erkennbar ist, forderten die Wissenschaftler 82 unabhängige Beurteiler beiderlei Geschlechts auf, kurze Videoclips der Probanden anzusehen und danach zu entscheiden, ob sich die Kinder darin eher feminin oder maskulin präsentierten. Die Videosequenzen, die den – sowohl homo- als auch heterosexuellen – Beurteilern vorgespielt wurden, waren lediglich 10 bis 30 Sekunden lang.

Das Ergebnis: Jene männlichen Probanden, deren Verhalten in der Kindheit von den Betrachtern als feminin eingestuft wurde, gaben signifikant häufiger an, homosexuell zu sein. Videogutachtern, die selbst homosexuell waren, gelang es dabei besonders gut, feminines von maskulinem Verhalten zu unterscheiden. Hüftschwung, Gangbild und Schulterhaltung – das waren zentrale Merkmale, auf die sich ihr Urteil stützte.

Hüftschwung,Gangbild und Schulterhaltung sind in der Hinsicht auch sehr klischeehafte Indizien

Zu Anfeindungen aufgrund des abweichenden Verhaltens:

Wie die interviewten homosexuellen Männer und Frauen mehrheitlich berichteten, waren sie als Kinder wegen ihres rollenuntypischen Verhaltens oft gemaßregelt worden – sowohl von ihren Eltern als auch von Freunden. Doch trotz dieser Zurückweisung und Kritik verschwand ihr nonkonformes Verhalten nicht, im Gegenteil: Es verstärkte sich mit der Zeit. Im Lauf der Jahre wurde der Verhaltensunterschied gegenüber gleichaltrigen Heterosexuellen sogar größer.

Auch wieder ein Umstand, der wesentlich besser zu den biologischen Theorien passt. Hier sieht man wie Rollendruck aufgebaut wird und eben gerade keine Wirkung hat. Das Verhalten verstärkt sich mit dem Alter eher noch.

Zu den Abweichungen im Verhalten weiter:

Ein genauer Blick auf Riegers Ergebnisse zeigt: Das Bewegungsmuster homosexueller Jugendlicher weist eine größere Bandbreite auf als das von gleichaltrigen heterosexuellen. Es ist insgesamt weniger stark normiert. Unter den homosexuellen Probanden waren beide Verhaltensextreme stark ausgeprägt – sowohl das besonders feminine als auch das besonders maskuline Auftreten.

Das heterosexuelle Verhaltensmuster ist uniformer als das homosexuelle. Mit anderen Worten: Nicht Homosexualität ist leicht erkennbar, sondern Heterosexualität. Ein Umstand, den Rieger selbst thematisiert hat. Und es gibt eine weitere Ungenauigkeit der Untersuchung: Die sexuelle Orientierung wird nicht direkt aus dem Verhalten abgelesen, sondern nur indirekt erschlossen. Denn die Betrachter der Videoclips gaben lediglich an, welche Personen sich ihrer Meinung nach maskulin oder feminin verhalten hatten. Dieser Gegensatz war also nur ein Indiz für die sexuelle Orientierung, jedoch keinesfalls mit ihr gleichzusetzen.

Dazu hatte ich ja im Prinzip bereits etwas gesagt: Beides steht eben nur in einer gewissen Verbindung, weil beides durch pränatales Testosteron betroffen ist. Da es aber auf unterschiedliche Zeitpunkte und deren jeweiligen Testosteronstand ankommt, besteht kein direkter Zusammenhang.

Auch die Gegenmeinung kommt zu Wort:

Auch sei die simple Unterscheidung von „Maskulinität“ und „Femininität“ weder angemessen noch methodisch ausreichend fundiert, findet Hegarty. Körperhaltung, Schrittgeschwindigkeit und Gangbild sind in hohem Maße kulturell geprägt. So bewegt sich kein Mann heute noch so zackig und militärisch wie zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Auch das Bewegungsrepertoire junger Frauen hat sich verändert: Es ist widersprüchlicher und mehrdeutiger geworden. „Sie gehen am Montag zum Kickboxen, am Mittwoch zum Jazzdance und laufen an Karneval als Prinzessin herum“, meint die Genderforscherin Mart Busche. Passend dazu etabliert sich der Typus der machohaft auftretenden und dennoch heterosexuell begehrenden Frau immer mehr als Rollenmodell.

Das Geschlechterrollen kulturell ausgestaltet werden ist aus meiner Sicht unproblematisch. Natürlich kann es hier ein mehr oder weniger über die Zeit geben. Interessant finde ich die These, dass machohaft auftretende Frauen immer mehr zum Rollenmodell werden sollen. Ich denke es ist weniger ein klassisches „Machoverhalten“ als vielleicht die Kenntnis vieler Frauen, dass sie begehrt sind.

Zu Kunst:

Eine These lautet: Homosexuelle sind kreativer. Das glaubte die renommierte Schriftstellerin Susan Sontag bereits in der 1960er-Jahren bemerkt zu haben. Der Verwaltungswissenschaftler Gregory B. Lewis von der Georgia State University untersuchte mit statistischen Methoden die Bevölkerungsdaten aus dem sogenannten General Social Survey der Jahre 1993 bis 1998. Er stellte fest: Homosexuelle gehen häufiger ins Museum und in die Oper, sie spielen eher ein Musikinstrument als Heterosexuelle, und sie haben tatsächlich eine besondere Vorliebe für Tanz, Musik und Malerei. Das gilt für Schwule und Lesben gleichermaßen. Ein Beispiel: Während 59,6 Prozent der befragten männlichen und weiblichen Homosexuellen angaben, im vorangegangenen Jahr ein Museum oder eine Kunstgalerie besucht zu haben, waren es bei den Heterosexuellen bloß 42,3 Prozent. Von einem angeborenen Kreativitätssinn könne jedoch keinesfalls die Rede sein, betont Gregory B. Lewis. Mit seiner empirischen Forschung fand der Forscher eine bessere Erklärung: Erwachsene Homosexuelle leben bevorzugt in einem städtischen Umfeld, sind im Allgemeinen kinderlos und haben relativ häufig einen hohen Bildungsabschluss. Diese äußeren Faktoren erklären den Sinn fürs Ästhetische, nicht aber die sexuelle Orientierung. Das heißt: Ein Schwuler, der auf dem Dorf lebt und Hauptschulabschluss hat, ist wahrscheinlich ein ebenso großer Kunstmuffel wie ein heterosexueller Familienvater in der Provinz mit niedrigem Bildungsabschluss.

Es könnte eine gewisse  Disposition sein, die bei dem passenden kulturellen Einfluss voll zum tragen kommt. Allerdings gehen ja auch genug heterosexuelle Männer gern ins Theater und mögen Malerei und genug Frauen nicht.

Zur Homophobie:

Der Widerwille gegen Schwule gedeiht besonders gut in älteren Bevölkerungsschichten mit niedriger Bildung, die eine starke Affinität zur Religion besitzen und selten persönliche Kontakte zu Homosexuellen unterhalten, rekapituliert der Psychologe Gregory Herek von der University of California in Davis den Forschungsstand. Nach einer Umfrage des Kieler Psychologen Bernd Simon ist antihomosexuelles Gedankengut zudem bei jungen Männern türkischer Herkunft besonders verbreitet. 74 Prozent der Schüler ohne Migrationshintergrund befürworteten seinen Untersuchungen zufolge eine rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben, aber nur 38 Prozent der jungen Türken.

Ich würde ja vermuten, dass tatsächlich die patriarchischen Kulturen eine stärkere Tendenz zu Homophobie zeigen. Dort ist eben die intrasexuelle Konkurrenz besonders wichtig und damit auch der Status als „echter Mann“.

Es ist im Grunde verwunderlich, dass sich heterosexuelle Männer über Schwule echauffieren, da diese im Wettbewerb um Frauen als Konkurrenten ausfallen und dadurch die eigenen Chancen erhöhen. Der Eindruck, dass Homosexuelle sich einen eigenwilligen, ungebundenen Lebensstil herausnehmen, löst womöglich Neidgefühle aus, spekuliert der Mediziner Marshall Forstein von der Harvard University: „Das ist die Angst, dass da jemand glücklicher ist.“ Außerdem vermutet Forstein, Männer seien homophober als Frauen, weil der Gedanke an die anale Penetration nur zu leicht die Assoziation wecke, „verweiblicht“ zu werden.

Es ist etwas kurzfristig gedacht, dass man einfach nur weniger Konkurrenz hat. Die Gefahr scheint mir eher darin zu liegen, dass man selbst für Homosexuell gehalten wird, quasi durch Assoziation. Da bei Männern Attraktivität wesentlich mehr über Verhalten und Status aufgebaut wird, ist ein Verlust in diesem Bereich für Männer gefährlicher für den Partnerwert.

Ein wichtiges Merkmal der Homophobie ist, dass sich die Betreffenden weniger vor Homosexuellen fürchten, als dass sie sich ekeln. Das ist eine seltsame Zweckentfremdung der Ekelreaktion, die ursprünglich aus der Sphäre der Nahrungsaufnahme stammt und Menschen davor schützen soll, gesundheitsschädliche Lebensmittel zu verzehren. Die Evolution hat das Ekelgefühl offenbar flexibel gemacht, nach dem Motto: Ekle dich vor den Dingen, die in deiner Gesellschaft als ekelhaft gelten! Die erstaunliche Anpassung der Ekelreaktion führt dazu, dass Ekelmetaphern oft missbraucht werden, um unliebsame Menschen oder Verhaltensweisen zu diffamieren. „Unsere Probanden haben erzählt, dass sie auch Rassisten, Kinderschänder sowie politisch links oder rechts Stehende als ekelhaft empfinden“, betont der Psychologe Paul Rozin von der University of Pennsylvania.

Ein weiterer Grund, den ich mir vorstellen könnte ist, dass es für Männer mit ihrem stärkeren Sexualtrieb wesentlich gefährlicher wäre, wenn sie Sex mit Männern gut finden würden. Es kann sich biologisch lohnen, dass frühzeitig durch ein gewisses Ekelgefühl abzufangen.

Um die Rolle des Ekels beim Schwulenhass auszuloten, hat ein Psychologenteam um David Pizarro von der Cornell University mit einem Test 100 Männer und Frauen darauf sondiert, wie leicht sie in den Würgereflex verfallen – sowohl beim Gedanken an widerliche Speisen und Objekte als auch bei der Vorstellung von Verhaltensweisen wie Inzest oder Sex mit Tieren. Dann zeigte Pizarro ihnen Bilder, die eine homosexuelle Thematik hatten, etwa zwei aufeinanderliegende Männer. Gemessen wurde die Geschwindigkeit, mit der die Probanden Assoziationen wie „widerlich“ oder „wunderbar“ beisteuerten. Je schneller eine Person negative Begriffe mit einer Sache verbindet, desto stärker gilt diese als negativ.

Das Ergebnis war eindeutig: Personen, die sich über eine faulige Speise oder eine verwesende Leiche am stärksten ekelten, lehnten auch Schwule besonders schnell und heftig ab. In einer weiteren Studie konnten die Forscher zudem nachweisen, dass sich politisch Konservative leichter ekeln als links Stehende. Dies erklärt wohl auch die Verbindung zwischen Glaube und Schwulenhass. In der fundamentalistisch-religiösen Geisteswelt besteht ein starkes Bedürfnis nach „Reinheit“. Nahrungstabus, die Ablehnung von menstruierenden Frauen und die Abscheu gegenüber „Gottlosen“ gehören zum Symptomen-Komplex. Und der kann sich für Schwule fatal auswirken: In einigen islamischen Ländern sieht die Scharia die Todesstrafe für Homosexuelle vor.

Es ist zu vermuten, dass man „Reinheit“ kulturell verschieden aufladen kann und wenn Homosexualität in diesen Bereich eingeordnet wird, dann entsteht die hier deutlich werdende Verbindung.