Baby X

Das „Baby X“ ist ein Experiment, das gerne als Beleg für die die Wirkung der Geschlechterrollen und eine soziale Errichtung des Geschlechterverhaltens herangezogen wird.

Menschen wird für ein neutral gekleidetes Baby, dessen Geschlecht nicht zu erkennen ist, bestimmes Spielzeug bereit gestellt und ihnen entweder gar nicht das Geschlecht genannt oder aber ein bestimmtes Geschlecht angegeben. Dann wird beobachtet, mit welchem Spielzeug die Personen mit dem Kind spielen und wie sie sich sonst ihm gegenüber verhalten.

1. Die Studien

Es gibt zwei wesentliche Studien dazu:

Die erste Studie:

The present study investigated adult behavior while interacting with a three-month-old infant under conditions in which the child was introduced as a boy, as a girl, or with no gender information given. Gender labels did not elicit simple effects, but rather interacted significantly with the sex of the subject on both toy usage and physical contact measures. There was a stronger tendency for both male and female adults to utilize sex-stereotyped toys when the child was introduced as a girl. Most of the findings, however, reflected a differential response of men and women to the absence of gender information. In this condition, male subjects employed a neutral toy most frequently and handled the child least; in contrast, females used more stereotyped toys and handled the child more. All subjects attempted to guess the gender of the child (with “boy” guesses more frequent, although the child was actually female) and all justified their guess on the basis of stereotyped behavioral or physical cues like strength or softness.

Quelle: Baby X

Die Daten aus der Studie waren die Folgenden:

Baby X

Baby X

Hier geht es um die Spielzeugwahl. Subjekt ist die Testperson, die zu dem Baby in dem Raum geht, Condition ist die Angabe zu dem Baby.

Man sieht, dass Männer bei einem männlichen Baby dennoch gerne die Puppe genommen haben, am zweit liebsten den (geschlechtsneutralen) Beißring und erst zum Schluß den Football. Wenn sie dachten, dass es ein Mädchen ist dann blieb die Reihenfolge gleich, die Puppe wurde aber wesentlich häufiger eingesetzt als bei dem Jungen. War kein Geschlecht genannt, dann wurde der Football häufiger genutzt als bei dem vermeintlichen Mädchen und erst recht bei dem Jungen Hier wurde dann das neutrale Spielzeug am meisten genutzt.

Frauen haben ebenfalls bei dem Jungen die Puppe häufiger verwendet als den Football, häufiger griffen sie aber zu dem neutralen Spielzeug. Bei einem Mädchen wurde der Football etwas weniger verwendet, am häufigsten die Puppe, aber immer noch sehr häufig das neutrale Spielzeug.  Wurde kein Geschlecht angegeben, dann sank die Nutzung des Footballs und es verlagerte sich mehr zur Puppe und das neutrale Spielzeug wurde weniger, aber immer noch häufiger als der Football genutzt wurde

Das mag auch daran liegen, dass ein Football nicht unbedingt das beste Spielzeug bei einem dreimonatigen Kind ist. Es zeigt aber insgesamt auch, dass die Puppe durchaus auch bei dem Jungen eingesetzt wurde, es also anscheinend in dem Bereich keine so starken Vorurteile gibt.

Aus einer Besprechung der Studie:

You can see above the results for what toys the adults picked when they were told whether the baby was a boy or a girl, and when they weren’t told anything. The results broke down first by whether they thought the baby was a boy or a girl. People were far more inclined to give the doll to a baby they thought was a girl, but the football wasn’t really preferred when the baby was thought to be a boy, possibly due to a little football not being that great of a toy option for a 3 month old). But the results really broke down when they didn’t KNOW, and they broke down by the gender of the adult, rather than the (presumed) gender of the baby. When it was a baby X, men were more likely to go neutral and try for the teething ring, while women still strongly preferred plying the baby with the doll. This could mean that women may see a doll as less gendered, or it could mean that the difference based on presumed gender is just strongest in the male adults.

Zudem wurde auch erfasst, wie oft das Baby berührt wurde:

Baby X Berührung

Baby X Berührung

Interessant vielleicht, dass sich bei den Männern die Berührung stärker nach dem Geschlecht richtet. Ich könnte mir vorstellen, dass Männer zurückhaltender dabei sind, ein weibliches Baby zu berühren und die Unsicherheit, ob es ein Mädchen ist, sie vielleicht noch vorsichtiger macht. Bei Jungen hingegen tritt dieser Effekt nicht ein. Bei Frauen ist es hingegen zwischen den Geschlechtern recht ausgeglichen, wissen sie das Geschlecht nicht, dann fassen sie das Baby sogar noch häufiger an.

Aus der Besprechung:

The authors also asked the study participants who got the „no label“ condition, whether they thought they had a boy or a girl at the end. While 57% of the men thought they had a male baby, 70% of the women thought the baby was a boy (in fact, in all cases, the baby was a girl. There was only one test baby). No matter what they thought, everyone said they could tell by the strength of the grip, by the lack of hair, or by how round and soft it was, whether it was a boy or a girl.

Es ist auch deswegen interessant, weil das „männliche Spielzeug“ so schlecht abgeschnitten hat, schlechter als man es eigentlich erwarten würde. Das könnte natürlich auch an einer Reaktion des Babys gelegen haben, dass sich vielleicht für das Puppenobjekt mehr interessiert hat, was die Personen eher bemerkt haben.

Die zweite Studie ist diese hier:

The present study is a replication of a study reported by Seavy, Katz, and Zalk (1975) in which subjects interacted with a 3-month-old female infant who was either introduced as a boy, a girl, or without any specific gender information. In the present study infants of both genders were used as stimuli, and 60 college undergraduates served as subjects. The results of the present study are similar to the findings of the original investigators. The gender labels provided to the subject resulted in highly sex-stereotyped behavior concerning toy choice.

Quelle: Baby X revisited

Die Daten:

Baby X revisited

Baby-X-revisited

Auch hier haben die Frauen bei einem Mann weitaus häufiger zum Football gegriffen, diesmal ist dieser sogar die bei beiden Geschlechtern am häufigsten gewählte Variante für ein angeblich männliches Baby.

Bei einem angeblichen Mädchen haben die Männer den Football gänzlich liegen lassen und sich ganz auf die Puppe konzentriert, die Frauen wählten diese auch ganz überwiegend.

War das Geschlecht unbekannt, dann wählten die Männer eher als die Frauen den Football, häufiger aber die Puppe, die Frauen wählten das neutrale Spielzeug, dann die Puppe.

2. Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die Studien zeigen aus meiner Sicht erst einmal, dass sich die Personen zwar von dem Geschlecht beeinflussen lassen, aber gerade in der ersten Studie wurde auch deutlich, dass sie dennoch weitaus häufiger ein bestimmtes Spielzeug wählten, unabhängig vom Geschlecht. Es gab zwar Tendenzen in bestimmte Richtungen, im ganzen überwogen aber gleichzeitig andere Effekte.

Welche Deutungen die Studien zulassen finde ich keineswegs so klar:

Die Personen hatten drei Minuten mit dem Kind. Es erscheint natürlich, dass in dieser Situation die zur Verfügung stehenden Daten, in diesem Fall also nur das Geschlecht, verwertet wird, um eine Vermutung zu den Spielvorlieben des Kindes anzustellen. Hier sieht man aber deutlich, dass die Personen dennoch differenziert haben: Sie dachten vielleicht so etwas wie „als Junge wird es vielleicht mit dem Football spielen wollen, aber die Puppe scheint allgemein das bessere Spielzeug, ich versuche es mal damit“.

Die Studie sagt insbesondere auch nichts darüber aus, wie sie weiter agieren würden, wenn sie das Baby besser kennen würden. Würden sie seine individuellen Spielpräferenzen eher berücksichtigen als sein Geschlecht?

Insbesondere sagt dies alles nichts darüber aus, wie stark der Einfluss dieses unterschiedlichen Verhaltens auf das Kind ist. Es ist nicht gesagt, dass ein Kind, welches als Baby mit Puppen spielt auch später mit Puppen spielt. Genauso kann es davon unbeeinflusst seinen eigenen Weg gehen, wenn es etwas älter ist und seine Meinungen besser ausdrücken kann.