In der FAZ ist ein Artikel, der sich mit „anti-emanzipatorischen Argumente für Steinzeit für immer“ beschäftigt. Dort heißt es zur Jagd:
Was nämlich spricht dagegen, dass auch Frauen jagten? Nichts. Das ist schon die ganze Antwort. Niemand weiß, wer die Speere oder Lanzen benutzt hat, die gefunden worden sind, möglich ist alles. Zu schwach? Zu viel Arbeit mit den Kindern? „Jagende Frauen“, sagt Miriam Haidle, Paläoanthropologin und Koordinatorin eines Forschungsprojekts über kulturelle Evolution an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, „sind weltweit ethnographisch belegt, von der Polarregion, Nordamerika, Südamerika, Afrika, Asien, Australien.“ Der Grad der Beteiligung an der Jagd sei veränderlich, „von einzelnen bis zur Mehrheit der Frauen, die Beute reicht in der Regel von Kleinwild bis Mittelwild“.
Zunächst kommt es natürlich darauf an, was man unter Jagen versteht. Kleinwild jagen ist etwas anderes als größeres Wild jagen.
Bei größeren Wild spricht in der Tat zunächst die Körperkraft dagegen: Eine lange Zeit erfolgte die Jagd mit einem Stoßspeer, Fernkampfwaffen sind relativ jung. Mit einer Waffe nahe an ein größeres Tier heranzugehen und eine Waffe direkt einzusetzen erfordert einiges an Kraft und hat ein hohes Verletzungsrisiko.
Hier ein paar körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau:
- Männer wiegen etwa 15% mehr als Frauen
- Männer sind im Schnitt 15 cm größer als Frauen
- Der Oberkörper von Männern ist im Schnitt 40-50% stärker
- der Unterkörper von Männern ist im Schnitt 30% stärker
- Männer haben relativ zu ihrer Körpergröße mehr Lungenvolumen (ca. 30%)
- Ellenbogen und Knie sind beim Mann c42-60% stärker
- die Haut von Männern ist dicker und fettiger
- Männer haben mehr Körperbehaarung als Frauen
- Männer haben im Schnitt 5,2 Millionen rote Blutkörperchen pro Kubikmililiter, Frauen 4,6 Millionen
- Männer haben mehr Hämoglobin als Frauen und können daher mehr Sauerstoff speichern
- Männer haben im Verhältnis zu ihrem Körper ein um 10% größeres Herz
- Männer haben stärkere Knochen
- Frauen wandeln mehr ihrer Nahrung in Fett um, Männern mehr in Muskeln
- Männer können mehr Hitze abgeben, weil sie mehr Schweißdrüsen haben
- Frauen haben mehr weiße Blutkörperchen (bessere Imunabwehr)
- Männer haben mehr Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren im Blut (schnellere Wundheilung)
Man sieht also, dass Männer im Verhältnis zu Frauen wesentlich besser auf körperliche Auseinandersetzungen, sowohl mit Tieren als auch mit anderen Menschen, abgestimmt sind. Sie haben im schnitt deutlich mehr Kraft, sind stabiler gebaut, können mehr Sauerstoff ins Blut bringen, heilen schneller. All das kann sich nur entwickeln, wenn es einen Selektionsvorteil bringt, und all diese Umstände bringen Vorteile bei der Jagd.
Auch mit Wurfwaffen und Schußwaffen wird das Bild nicht besser:
Bei Wurfwaffen wie Speeren ist erhebliche Körperkraft erforderlich, um das Tier damit zu verletzen. Auch hier spricht gerade die im Schnitt erheblich größere Kraft im Oberkörper für eine Selektion durch Jagd. Hinzu kommen Vorteile der Männer durch die im Schnitt besseren Fähigkeiten beim räumlichen Denken, was die Zielgenauigkeit erhöht. Alle Sportarten, die die genaue Platzierung eines Geschosses oder die Berechnung einer Flugbahn erfordern sind üblicherweise deutlich männlich besetzt, beispielsweise Dart ist recht fest in männlicher Hand, obwohl die Körperkraft hier letztendlich keine Rolle spielen wird. (Natürlich wird es immer wieder ein großartige Dartspielerin geben, aber eben seltener als einen männlichen Dartspieler). Ein Bogen mag danach weniger Kraft erfordern, Frauen werden ihre Stärken dennoch eher in anderen Bereichen gesehen haben.
Hinzu kommt, dass bei nahezu allen Naturvölkern die wir heute kennen Jagd eine männliche Angelegenheit ist, lediglich Kleintierjagd wird auch von Frauen betrieben.
Hier eine Tabelle dazu:

Tätigkeiten Männer Frauen
Wie man sieht ist in den meisten Völkern die Jagd auf große Tiere Männersache, die Jagd auf kleine Tiere wird auch von Frauen vorgenommen.
Dazu allerdings im Artikel:
Eines der prominentesten Beispiele sind die Agta, ein Volk, das auf den Philippinen lebt. Die Frauen tragen Macheten, sie jagen mit Pfeil und Bogen, auch dann noch, wenn sie schwanger sind. Die Beute sind Wildschweine und Hirsche, die Mädchen fangen kurz nach der Pubertät mit dem Jagen an. Kinder werden auch mitgenommen, huckepack auf dem Rücken.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass es natürlich immer wieder Kulturen geben kann, in denen Frau Jagd betreiben. Gerade wenn das Sammeln in dieser Gegend wenig ergiebig ist, die Jagd aber schon, dann kann dies dazu führen, dass entsprechende Regeln geändert werden, damit man genug Nahrung hat. Es wird aber den meisten einleuchten, dass eine Jagd mit einem Kleinkind auf dem Rücken oder schwanger nicht gerade ideal ist. Man kann sich nicht anschleichen, weil das Kind vielleicht schreit. Das Kind kann verletzt werden. Es hindert beim Jagen und beim Benutzen der Waffe. Die Verletzungsgefahr für Mutter und Kind ist damit sehr hoch bei einer solchen Jagd. Es spricht damit einiges dafür, dass diese Tätigkeit häufiger und regelmäßiger von Männer ausgeübt wurde.
Insbesondere ist zu bedenken, dass in der Steinzeit zum einen wesentlich mehr Großwild vorhanden war. Wo auch immer der Mensch hin kam folgte ein Aussterben dieser großen Landtiere, so dass man vermuten darf, dass diese der Großwildjagd zum Opfer fielen.
Und zum anderen waren auch wesentlich gefährlichere sonstige Tiere unterwegs, die Menschen ebenfalls als Beute angesehen haben und die Jagd zusätzlich gefährlich machten.
Allerdings scheinen auch die Berichte über die Agta überholt zu sein:
The Agta of the Philippines are often cited as evidence that women can hunt as proficiently as men, despite encumbrances of childcare. In fact, many forager women, including Ache and Hiwi, participate in hunting activities. However, women rarely make kills of medium-sized or large game; instead, they engage in activities that help men hunt successfully. In contrast, Agta women hunt with bows and arrows and kill the same prey as do men. The Agta data are important because they indicate conditions under which women may actively hunt. However, fewer than 100 Agta women claimed to have ever hunted from a population of about 9,000 on Luzon Island (P. B. Griffin and T. Headland, personal communication). Most women who reported having hunted were no longer hunting during the ethnographic observation period, and most late-twentieth-century Agta had never heard of women hunters (P. B. Griffin and T. Headland, personal communication). Hunting production data exist for a sample of only six women hunters (Goodman et al. 1985), and available data suggest several patterns relevant to women’s hunting:
(1) carbohydrate resources provided low returns and were rarely encountered;
(2) meat was traded for carbohydrates at a favorable rate;
(3) fertility and ratios of dependent children to adults were low, with high availability of alloparents;
(4) women who hunted were often sterile or postreproductive;
(5) all women’s kills resulted from hunting with dogs; and
(6) women’s hunting always took place less than 5 km from camp, allowing rapid return to dependent offspring (Estioko-Griffin 1985, 1986; Goodman et al. 1985).
The first three points may explain why African Pygmy women participate in communal net and bow hunting activities. Dogs immobilize Agta prey, perhaps explaining why they regularly dispatch prey without men whereas Hiwi and Ache women rarely do. No study of Agta women hunters has examined whether active hunting is related to women’s reproductive status at the time of hunting, but anecdotes suggest that women hunted infrequently or not at all when pregnant or lactating (Estioko-Griffin 1986, 42).14
Das bestätigt also im wesentlichen das oben gesagte.
Dann weiter in dem Ursprungstext.
Umgekehrt gibt es natürlich auch in vielen Kulturen sammelnde Männer. Sammler, Frauen wie Männer, brauchen Gefäße, Taschen, Mörser, Messer, sie müssen wie Jäger ausschwärmen und beobachten, es spricht also auch nichts dafür, dass Sammeln kein Motor für Erfindungen sein kann.
Richtig ist, dass auch Männer gesammelt haben. Das dürfte schon damit zusammen hängen, dass Jagdbeute unsicherer ist als das Sammeln von essbaren Pflanzen. Aber das bedeutet nicht, dass bei Männern nicht dennoch eine Selektion auf bessere Jagdeigenschaften eingetreten sein kann.
Der oben für die Grafik bereits zitierte Artikel beleuchtet Gründe für die Jagd:
The role of men in hunter-gatherer societies has been subject to vigorous debate over the past 15 years. The proposal that men hunt wild game as a form of status signaling or “showing off” to provide reproductive benefits to the hunter challenges the traditional view that men hunt to provision their families. Two broad assumptions underlie the signaling view: (1) hunting is a poor means of obtaining food, and (2) hunted game is a public good shared widely with others and without expectation of future reciprocation. If hunters lack the ability to direct food shares and obtain subsequent benefits contingent on redistribution, then the ubiquitous observations of male hunting and universal pair-bonding cannot be explained from a perspective that emphasizes kin provisioning and a division of labor. Here we show that there is little empirical support for the view that men hunt for signaling benefits alone. The ethnographic record depicts a more complex relationship between food sharing patterns, subsistence strategies, mating, and the sexual division of labor. We present a framework incorporating trade-offs between mating and subsistence strategies in an economic bargaining context that contributes to understanding men’s and women’s roles in huntergatherer societies.
Quelle: Why Do Men Hunt? A Reevaluation of “Man the Hunter” and the Sexual Division of Labor
Aus der Studie:
On average, men contribute about 65% of the calories and 85% of the protein to the forager diet (Kaplan et al. 2000; Marlowe 2001).
Das zeigt auch, dass Fleisch gerade als Proteinquelle wichtig war und Jagd einiges an Kalorien lieferte.
Zu der Frage, inwieweit es bei der Jagd um „Brautwerbung“ oder schlicht Nahrung geht heißt es dort:
The provisioning pathways may favor hunting in most societies, but commitment to hunting is reinforced by the signaling payoffs that aid in mating success and coalition building. Hunting may be ubiquitous among men cross-culturally precisely because of the multiple pathways by which it affects fitness via both private and household gains. Both early historical focus on family provisioning and recent emphasis on mating payoffs provide only partial explanations for why men hunt. We have described a model of the sexual division of labor in which men hunt and women gather because of maternal constraints, long learning periods for many foraging activities, and male comparative advantage combined with the goal of providing a diverse multinutrient diet. Furthermore, men’s hunting production is not lost through sharing but is biased toward family members and channeled to others strategically via contingent reciprocity, social insurance, “cooperative breeding,” and costly display. Other models that emphasize political goals, enhanced group size, and well-being in the context of intergroup competition deserve careful consideration. Long-term pair-bonds cannot be explained by the signaling model alone because it implies that women should be indifferent to marrying good hunters and men should abandon their wives as their fecundity declines. Men in foraging societies voice concern for spousal and offspring welfare; they engage in daily activities that indicate such concern, especially when spouses are pregnant. Among the Ache, Hiwi and Tsimane, men often take custody of children after maternal death or divorce and provide extensive support. Several scenariobased experiments conducted with Ache and Hadza men witdependents show that they prefer to reside in groups with good hunters who will help provision their families rather than in groups of poor hunters where status signaling opportunities are high (Wood 2006; Wood and Hill 2000). New physiological data on male-female and male-offspring bonding mechanisms and hormones that promote such bonding (e.g., oxytocin, vasopressin, dopamine, decreased testosterone) may demonstrate that human males were designed by natural selection to increase cooperative sentiment with female partners and to help raise highly dependent offspring (Gray et al. 2004). These mechanisms may set humans apart from other apes and may provide a window into the social structure of our hominin ancestors. Undoubtedly, spousal conflicts arise because of male mating goals, and these conflicts may modify men’s behavioral patterns. Rather than continue to argue over monocausal explanations of men’s hunting, new studies should examine how costs and benefits of male mating and parenting investment vary with ecological circumstance, partner status, condition and need of offspring, and availability of substitutable aid. In addition, they should examine how hunting rather than gathering might best meet male goals given the constraints of human social living.
Die Jagd erlaubte den Männern also besser als das Suchen nach Nahrung sowohl ihre „guten Gene“ darstellen zu können und somit Qualitäten zu zeigen als auch genügend Nahrung herbeizuschaffen. Diese Lage machte Jagd für Männer zusätzlich attraktiv.
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