„Nein heißt Nein“ und der Fänger im Roggen

In dem Beitrag „Nein heißt…“ geht es in der Kommentardiskussion darum, wie ein Nein beim Sex zu verstehen ist. Ich finde hierzu die folgenden Szenen aus dem Fänger im Roggen (Salinger, Catcher in the Rye) ganz anschaulich:

S.52

Was dieser Mensch für eine Technik hatte! Erst fing er an, ihr zu schmeicheln, mit einer ruhigen, aufrichtigen Stimme – so als ob er nicht nur ein besonders hübscher Bursche wäre, sondern auch ein netter, aufrichtiger Bursche. Mir wurde schlecht, nur vom Zuhören. Das Mädchen sagte immer wieder: „Nein – bitte nicht. Bitte nicht so. Bitte.“ Aber er redete immer weiter mit dieser ruhigen aufrichtigen Abraham-Lincoln.Stimme auf sie ein, und schließlich war nur noch eine fürchterliche Stille hinten im Wagen. Es war wirklich schlimm. Er hat es wohl damals nicht mit dem Mädchen gemacht, aber er war nah dran.

Verdammt nahe.

S. 92

Einmal war ich ziemlich nahe daran. Aber meistens, wenn man nah dran ist, sagt sie man solle aufhören. Mein Fehler ist, dass ich dann wirklich aufhöre. Die meisten anderen hören nicht auf, aber ich kann das nicht. Mann weiß nie, ob die Mädchen wirklich wollen, dass man aufhört, oder ob sie Angste haben, oder ober sie einfach nur sagen, man solle aufhören, damit man selber schuld ist und nicht sie. Jedenfalls höre ich immer auf. Mein Fehler ist, dass sie mir leid tun. Die meisten Mädchen sind so dumm, meine ich. Wenn man sie eine Weile küsst und so weiter, kann man zusehen wie sie den Verstand verlieren. Sobald ein Mädchen richtig in leidenschaftlich wird, ist sie nicht mehr bei Trost. Ich weiß nicht. Wenn sie mir sagen, ich solle aufhören, höre ich auf. Ich bereue das jedesmal, nachdem ich sie heimgeleitet habe, aber ich mache es doch immer so.

Holden Caufield ist demnach ein Anhänger von „Nein heißt Nein“. Aber er weiß auch, dass es mitunter nicht stimmt. Und bereut jedesmal nicht zu handeln. Er sieht, wie die Jungs, die das Nein nicht akzeptieren Erfolg haben. Und er ist im Gegensatz zu anderen demzufolge noch Jungfrau. Ich denke, dass dieser Widerspruch , zwischen der Erfahrung, dass Nein nicht Nein heißen muss und der Doktrin das gefährliche ist. Es legt die Verantwortung einseitig auf die Jungs. Und das hilft nicht weiter.

19 Gedanken zu “„Nein heißt Nein“ und der Fänger im Roggen

  1. Holden Caulfield ist ein anständiger, aufrichtiger Junge.
    Und ich denke mir stimmen alle zu, dass die Situation auf S. 52 keine Schöne ist.

    Daher: Jedes Nein muss auch wie ein Nein behandelt werden! Mag vielleicht auch sowas wie ein heilsamer Schock für die Frauen sein, die gerne Spielchen spielen. 🙂

    Allerdings ist es kein Wunder, dass Frauen ihre Meinungen oft nicht sagen können/wollen, werden viele doch von frühster Kindheit an darauf getrimmt, ihrer Umwelt zu gefallen.
    Die hübsche kleine pflegeleichte Prinzessin, immer lieb, immer fröhlich.
    Genauso wird Mädchen eingetrichtert, dass Männer Jäger sind, und wenn man zu leicht zu haben ist, haben sie einen nicht mehr lieb, und das ist ja das letzte, was sie will.
    Und zuguterletzt werden Frauen in den Medien zu Kunstfiguren stilisiert, den Mädchen wird also ganz genau vorgemacht, wie eine Frau zu sein hat, sexy, aber gleichzeitig unnahbar, dann hecheln einem die Männer hinterher.

  2. Ist er in der Tat. Zu brav für sein eigenes Wohl.

    Wenn Nein heißt nein erfolgreich sein soll, dann muss man das insbesondere den Frauen beibringen. Eine Kampagne über die Männer hat immer den Nachteil, dass sie bei der anderen Variante wesentlich mehr Sex und Beziehungen bekommen. Und das ihnen die Frauen dann noch nicht mal böse sind sondern es gut finden.

    Das schaut man sich ein paar Mal an, so wie Holden das gemacht hat, dann bekommt man noch ein paar mal Sprüche wie „du hast ja aufgehört, hättest du dich mehr getraut, dann hätte es ja vielleicht geklappt“ und beim nächsten Mal geht man etwas weiter und hat Sex.

    Wenn sexy und unnahbar das ist worauf Frauen getrimmt werden und dem Mann das Gefühl der Jagd geben wollen, würde da dann nicht gerade eine „Nein kann auch Ja heißen“ Haltung von Frauen gefördert werden? Und würde es „Nein heißt Nein“ nicht noch unsicherer machen?
    Wenn du meinst, dass beide Geschlechter die Jagdmetapher gut finden, also der Mann gerne Jagd und die Frau die Jagd gerne etwas hinzieht, warum willst du ihnen dann über „Nein heißt Nein“ dieses Spiel verbieten?

    Im übrigen glaube ich nicht, dass Frauen die von dir beschriebenen kleinen hilflosen Prinzessinnen sind, die einfach nur gefallen wollen. Frauen können sexuelle Macht durchaus einsetzen und sind im Spiel der Geschlechter auch in der Lage ihre Position zu vertreten. Sie entscheiden sich aktiv für bestimmte Männer, weil sie sie wollen und lehnen in diesem Prozess genug andere Männer ab.

    • Schließe mich an. Der Kommentar von Maren ist exakt der Richtige.
      100+ Nur über Veränderung des Verhaltens von Männer UND Frauen kann „Nein ist Nein“ zum gesellschaftlichen Standard werden. Nur dann ist auch klar, dass es ein Übergriff ist egal in welcher Situation ein „Nein“ nicht als solches zu werten.
      Das Spielerische in der Paarwerbung wird dadurch weniger, aber natürlich steigt die Klarheit der Willensäußerung.

      • „Nur über Veränderung des Verhaltens von Männer UND Frauen kann “Nein ist Nein” zum gesellschaftlichen Standard werden“

        Einverstanden

        „Nur dann ist auch klar, dass es ein Übergriff ist egal in welcher Situation ein “Nein” nicht als solches zu werten.“

        auch klar

        „Das Spielerische in der Paarwerbung wird dadurch weniger, aber natürlich steigt die Klarheit der Willensäußerung.“

        Warum sollten Mann und Frau sich aber darauf einlassen? Gerade Frauen nehmen die Gegenwärtige Situation nach meiner Meinung keineswegs als Nachteil wahr

        • Genau deswegen ist die Reaktion von Maren so erfrischend. Sie thematisiert den Beitrag den diese Frauen die mit diesem Spielchen „Rühr mich nicht an“ zum Problem hinzufügen.
          Das ist jene Art des Hinschauens auf die Verantwortung aller Beteiligten die ich mit in all diesen Diskussionen wünschen würde.

          • @gerks

            Maren sagt:

            „Genauso wird Mädchen eingetrichtert, dass Männer Jäger sind, und wenn man zu leicht zu haben ist, haben sie einen nicht mehr lieb, und das ist ja das letzte, was sie will.“

            Das ist das typische Abgeben von Verantwortung an die Gesellschaft, letztendlich das, was sie den Mädchen auch vorhält: Sie können eben keine Verantwortung übernehmen.

            Dabei erfühlt häufig die grauzone eine sehr wichtige Funktion: Sie erlaubt ein Testen des Mannes, ob er zu weit geht (also über die Grauzone hinaus), ob er Rücksicht nimmt (aber gleichzeitig männlich ist), sie erlaubt sich begehrt zu fühlen und umkämpft zu werden, sie erlaubt ein herauszögern und herantasten. Sie erlaubt auch, dass man Signale sendet, dass man ein „gutes Mädchen“ ist, sie erlaubt es Verantwortung abzugeben. Das auf schlichte Gehirnwäsche zu reduzieren, die man den Mädchen nur austreiben muss, ist eben verdammt billig

          • Ich denke das sind genau die Spielchen die Maren meint und niemand mehr braucht. Ähnlich überflüssig wie der Blinddarm im Körper des Menschen.
            Evolutionäres Verhalten ohne Gewinn in der heutigen Zeit. Grauzonen sind sinnlos und gefährlich geworden

          • Das Risiko war früher sehr stark auf Seiten der Frau. Sie wurde schwanger, sie wurde dafür beschämt wenn es vor der Ehe war und sie musste die Folgen oft allein tragen.
            Derzeit ist kaum mehr ein Risiko bei ihr, außer dem dass weiterhin klarerweise sie das Kind bekommt. Aber sie kann es abtreiben (mit den entsprechenden seelischen Problemen) , sie kann es weggeben usw.
            Das einzige Risiko dass also bleibt, ist jedes bei einem Zusammensein mit einem Mann von diesem gewaltsam zum Sex gezwungen zu werden. Und dieses letzte Risiko versucht man dadurch auszuschalten, dass man jedem Mann soviel Angst einjagt, dass er sich mehrmals vergewissert bei der Frau ob ihr der nächste Schritt auch recht ist.

      • „Nur über Veränderung des Verhaltens von Männer UND Frauen kann “Nein ist Nein” zum gesellschaftlichen Standard werden“

        Einverstanden

        „Nur dann ist auch klar, dass es ein Übergriff ist egal in welcher Situation ein “Nein” nicht als solches zu werten.“

        auch klar

        „Das Spielerische in der Paarwerbung wird dadurch weniger, aber natürlich steigt die Klarheit der Willensäußerung.“

        Warum sollten Mann und Frau sich aber darauf einlassen? Gerade Frauen nehmen die Gegenwärtige Situation nach meiner Meinung keineswegs als Nachteil wahr

  3. Eine Kampagne, die über Männer geht, ist nur dann nicht erfolgreich, wenn es das Ziel der Männer sein soll, es Frauen möglichst Recht zu machen. (Leider läuft es meistens darauf hinaus:“Männer werdet so und so, damit Frauen euch mögen“ Vergiß es!)

    Es kann aber dann funktionieren, wenn man sagt: Unabhängigkeit ist wichtiger als Sex.

    Dass man mit dieser Haltung möglicherweise sogar mehr Sex hat, ist nur ein kleiner Nebeneffekt. Man darf diese Haltung allerdings nicht aus diesem Grunde annehmen. Dann funktioniert es nicht.

    Ich bin übrigens der Meinung, dass die meisten Männer eigentlich nicht gern jagen. Sie denken nur, dass ihnen Nichts anderes übrig bliebe.
    Das stimmt aber ohnehin nicht. Sie sind gar nicht der Jäger, sie sind die Beute. Um aufzuhören Beute zu sein, müssten sie aufhören zu jagen und stattdessen wählen.

  4. @Salvatore

    Klar, das umkehren des Jäger – Gejagte Schemas ist eine wichtige Sache, aber es ist eben fortgeschrittenen Material. Unabhängigkeit ist eine Alphamannsache. Und bei einem Alphamann sagt die Frau auch weniger Nein oder es ist zumindest eine andere Frau da, die dann nicht nein sagt.

    Sicher könnte man Frauen so erziehen. Sie müssten dann um Sex haben zu wollen sagen was sie denken. Aber es ist eben wahrscheinlicher, dass dieser prozesse sehr lange dauert und sie einfach bei anderen Männern sex bekommen

  5. Normalerweise wird niemand als Alphamann geboren. Man ist nicht erst Alphamann und dadurch unabhängig. Man wird zuerst unabhängig und dadurch u. U. Alphamann.

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