Gerade laufen bei der Mädchenmannschaft einige Diskussionen, die geradezu klassisch sind, weil die dortigen Strukturen wohl jedem bekannt sind, der schon einmal über Geschlechterthemen diskutiert hat. Ich versuche mal ein paar Ansätze herauszuziehen, die mir auffallen:
1. „Du bist privilegiert und kannst daher die Zusammenhänge nicht erkennen“
Ein wunderbares Argument, dass die eigene Position durch einen Angehörigen der anderen Gruppe nahezu unangreifbar macht. Ein Mann argumentiert gegen eine feministische Position? Er kann gar nicht erkennen, was Frauen alles für Nachteile haben und sollte daher zuhören, erkennen und akzeptieren. Es hätte zwar den Nachteil, dass Männer dies ebenso auf bei ihnen bestehende Nachteile anwenden können, aber da sind es dann keine Privilegien der Frau, sondern „wohlwollender Sexismus“.
Anwendungsbeispiele:
Franza Drechsel: „Gerade dieser Punkt macht deutlich, dass (grünen) Männern oft erst noch stärker bewusst werden muss, dass sie privilegiert sind. Wie so oft in Bezug auf Diskriminierungen und Privilegierungen ist es auch hier so, dass die Diskriminierten eher als die Privilegierten die Strukturen erkennen und bekämpfen. Eine „Normalität“ zu erkennen ist schwerer, als zu erkennen, keinen Zutritt dazu zu haben.“
Patrick: Die Privilegien hast du. Und die habe ich. In fast allen Zusammenhängen habe ich das Privileg, ein überwiegend heterosexueller weißer Mann zu sein und viele Probleme nicht einmal bedenken zu müssen. Und in Punkto Feminismus bist du privilegiert, weil du ein Mann bist, und dieses Privileg verzerrt deinen Blick. Darum habe ich dir empfohlen, das mal zu googeln, nicht, weil man Feministen Privilegien gibt.
2. Lies doch einfach feministische Literatur, wir können dir das nicht alles erklären
Natürlich ist es legitim in einer Diskussion nicht noch einmal ganz vorne anfangen zu wollen. Allerdings kann dieses Argument Diskussionen beliebig machen, wenn der Verweis nicht konkret gemacht wird. Es ist meiner Meinung nach ein Unterschied, ob man sagt, dass die wesentliche Theorie bei Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 10, oder bei Beauvoir, das andere Geschlecht, S. 67 erklärt wird, oder ob es ein Hinweis a la „Das wurde in der feministischen Literatur bereits alles erklärt, lese doch da einfach mal alle Werke, weitere Argumente brauchen wir nicht, die diesbezüglichen Grundlagen musst du einfach akzeptieren, sonst können wir nicht diskutieren“ ist. Es sollte bei jeder Theorie möglich sein, deren wesentlichen Grundlagen zumindest kurz darzustellen und das Abschneiden einer Diskussion zB über Privilegien ist bereits so einschneidend, dass man dann die Diskussion in der Tat nicht mehr führen muss. Natürlich ist es ebenso unproduktiv immer weiter nach Grundlagen zu fragen und seine eigenen Thesen nicht darzustellen.
Beispiele:
Helga: Wenn du wissen willst, was Feminist_innen konkret alles tun, dann gibt es in der Sidebar ebenfalls diverse Links, unter denen du dich informieren willst. Dich da durchzuklicken, selbst zu lesen und darüber nachzudenken lege ich dir hiermit ans Herz, statt weiter einfach „erklär mir deine Welt und rechtfertige dich dafür” zu rufen.
Patrick: Wenn du dich für ein Thema interessierst, musst du dich einlesen. Und das kostet Zeit. Gleichzeitig benötigst du für komplexe Themen ein gewisses Grundverständnis, hier z.B. “feminism 101″, ansonsten machst du einfach den Fehler, auf einer Ebene zu diskutieren, die man nur schwer widerlegen kann, weil eben die Grundlagen fehlen, damit du verstehst, warum du Unrecht hast.
3. Mansplaining
Der Begriff soll gerade die Eigenart von Männern bezeichnen, bei Frauen mangelnde Kenntnisse auf einem Gebiet anzunehmen und ihnen daher Sachen besonders nachhaltig zu erklären. Ein Beispiel wäre eine Frau, die sich in einem Forum erkundigt, welche sich in einem Forum erkundigt, ob eine Grafikkarte dieser oder jener Art für ihren, sehr technischen Anwendungsfall besser geeignet ist und dann in der Antwort sogleich erklärt bekommt, wie sie die Festplatte einbaut. In der Tat ein Ärgernis, wenn sich aus der Art der Frage bereits ergibt, dass sie vom Thema Ahnung hat.
Das Argument erfreut sich aber auch ansonsten großer Beliebtheit, wann immer ein Mann etwas konkreter wird. In einer Diskussion zu einem Thema, bei dem es darum geht, dass Frauen nicht genug in bestimmte gesellschaftliche Bereiche eingebunden sind, darauf verweisen, dass sie sich dann eben selbst beteiligen müssen und dafür sorgen müssen, dass der Frauenanteil höher wird, evt. mit Vorschlägen hierzu? Mansplaining! Und auf Mansplaining muss man nicht reagieren, selbst wenn darin Argumente enthalten sind, es reicht vollkommen aus darzustellen, dass der andere mansplaint hat und nicht weiter auf das Argument einzugehen.
Beispiele:
engl: interessante idee. toll auch diese tips, wie frau am besten vorgeht, damit alles richtig funktioniert. das habe ich immer besonders gern
Nadine: Lieber Henry, vielen Dank für deine ausführlichen und lehrreichen Kommentare über Diskriminierung, Frauen und Computerspiele. Ich bin jetzt viel schlauer als vorher. Hätte nie gedacht, wie sehr meine weibliche Gefühlswelt eine klare Sicht auf die Dinge versperrt. Mensch, wenn es Männer nicht gäbe. Was würden wir Frauen nur ohne sie tun? Zum Glück trifft mich keine Schuld, dass ich dich nicht verstehe. Das sind alles meine Gene.
4. Du weitest die Diskussion zu sehr aus um vom Thema abzulenken!
Es ist schwer Geschlechterdiskussionen zu führen, ohne auf grundsätzliches zu kommen. Von der Frage warum es zu wenig weibliche Avatare in Ballerspielen gibt kann man problemlos über das räumliche Denken zu der Grundsatzfrage kommen, ob Männer- und Frauengehirne verschieden ist. Von der Frage, ob eine Abbildung einer nackten Frau sexistisch ist kann man zur Stellung der Frau in der Gesellschaft, dem „male gaze“, der Objektivierung der Frau, der Frau als Andere, der Unterdrückung der Frau im allgemeinen und von da aus zu dem Anteil von Führungskräften in der Wirtschaft, der Bedeutung von Status für die Partnerwahl und den Einflussmöglichkeiten von Frauen auf das Rollenverhalten von Männern. Einige Abschweifungen sind in der Tat hinderlich. Andere sind notwendig. Denn häufig sind eben gerade die grundsätzlichen Fragen der wesentliche Unterschied zwischen den Ansichten. Wer davon ausgeht, dass Frauen nicht durch Medien und Rollenzwänge definiert sind, sondern eigenständig Entscheidungen treffen, der kann eine Diskussion innerhalb einer Fremdbestimmung nicht führen. Letztendlich kann man daher durch Einschränkung des Themas Meinungen unterdrücken.
5. Derailing
Viele der obigen Positionen könnte man auch schlicht unter dem Vorwurf des „Derailing“ zusammenfassen. Jeder, der in Geschlechterfragen diskutiert, kennt „Derailing for Dummies“, weil ihm dies gerne vorgehalten wird. Die Seite wird dabei als Autoritätsargument mißbraucht: Weil es dort aufgeführt ist, ist es richtig und du hast unrecht. Eine tatsächliche Überprüfung hingegen erfolgt nicht unbedingt. Der Gegner fragt nach und bittet um nähere Begründung? Derailing! Dabei kann eine Nachfrage natürlich ein legitimes Anliegen in einer Diskussion sein. Oder der Punkt: „You’re Arguing With Opinions Not Fact“. Derailing! Wie kann man es nur wagen Fakten von der Gegenseite haben zu wollen! Mir ist bewusst, dass es Fälle gibt, in denen der Vorwurf des Derailing zutrifft. Der Verweis auf ein Derailing kann aber auch genauso ein solches sein. Es ist ja im Endeffekt die Aussage „Ich meine du derailst, also muss ich nicht mehr auf deine Punkte eingehen“.
Was ist euch aufgefallen?