„Warum das Wechselmodell als Standard der letzte Mist ist“

Man sollte ja bekanntlich immer etwas über den Tellerrand schauen und sich die Gegenargumente anschauen. Hier ein Text, der vor den Gefahren des Wechselmodells warnt:

Meist ist es, auch wegen des Gender Pay Gaps, die Frau, die in den Jahren nach der Geburt beruflich kürzer tritt. Wenn im Zuge einer Trennung ihr finanzieller Rahmen weiter schmilzt, dann kann sie sich vielleicht nur noch einen Anwalt über die aufwändig zu beantragende Prozesskostenhilfe leisten. Dafür erhalten Anwälte niedrige Standardsätze, und diese motivieren weder zu besonderer Leistung noch arbeitet jeder Anwalt für diesen Satz. Ein Gerichtsprozess kostet viel Geld, und mindestens so viele Nerven. Was am Ende dabei rauskommt, wird einem kein seriöser Anwalt vorhersagen, insbesondere vor Familiengericht – und salomonische Urteile sind leider die Ausnahme. Die Genehmigungszahlen für Prozesskostenhilfe gehen übrigens aktuell zurück, weil die Hürden erhöht wurden.

Die Hürden für Verfahrenkostenhilfe wurden übrigens nicht geändert. Und so gut wie alle Anwälte im Familienrecht arbeiten auf Verfahrenskostenhilfebasis (da hat man zumindest einen sicheren Zahler).

Wenn Gesetzgeber, Väterrechtler und weitere Prozessinvolvierte vom Jugendamt oder Gutachter hinzugezogen werden, soll das Kindeswohl entscheidend sein, so stellen sich das die Wechselmodellbefürworter vor. Aber welches Kind sagt nicht, es wolle bei beiden Eltern leben? Sogar Kinder, die massive Gewalt gegen die Mutter oder sich selbst erlebt haben, tun das. Allein die Frage schon stürzt ein Kind in massive Loyalitätskonflikte. Richter haben übrigens keine Pflicht zur Fortbildung, und wenn dann noch mangelhafte Gutachten ins Spiel kommen, was leider in erschreckender Zahl vorkommt, dann kann das Urteil des Familiengerichts entsetzliches Unglück verursachen. Das passiert jetzt schon in etlichen Fällen, wo Frauen das Sorgerecht für ihr Kind verlieren, weil ihnen Bindungsintoleranz und Enfremdung des Kindes vom Vater vorgeworfen wird – Frauen, die ihr Kind vom psychisch kranken Vater schützen wollen, aber keine ausreichende Belege für dessen Zustand haben.

Da kommt mir einiges an Kritik bekannt vor. Kinder wäre es in der Tat häufig am liebsten, wenn alles wäre wie früher und sie beide Eltern haben. Aber genug sagen auch, dass sie bei einem bestimmten Elternteil leben wollen, wenn sie sich entscheiden müssen. Meist ist es eben der, der sie vorher am meisten betreut hat, wobei es auch „Papakinder“ und „Mamakinder“ gibt. Aber die Aussage ist auch nicht per se die relevante, denn spätestens Jugendamt und Verfahrenspfleger sind sich durchaus bewußt, dass sie sich im gegenwärtigen Modell für eine Version entscheiden müssen und ansonsten regelt meist auch der Kontinuitätsgrundsatz, bei wem das Kind bleibt.

Und auch hier ist die andere Seite mal gut zu hören: Da ist es der kranke Vater, vor dem man das Kind schützen muss. Da kann eben die bekannte „Beziehungsebene“ statt der Elternebene dahinter stecken oder auch eine Entfremdung des Kindes,  welches die Ängste der Mutter aufnimmt und sie spiegelt. Es kann natürlich auch tatsächlich ein Vater sein, der sich gut verstellen kann.

Frauen werden länger in schädlichen Beziehungen bleiben, aus Angst ums Kind
Welche Frau, die daran denkt, sich von einem Mann zu trennen, der Zuhause nur noch schlechte Stimmung verbreitet, sexuelle Dienste einfordert und sich kaum um Haushalt oder Kind kümmert, wird sich zukünftig noch trauen, eine Scheidung einzureichen? Wenn das Wechselmodell auch bei zerstrittenen Eltern kommt, dann muss sie nun damit rechnen, dass ihr zukünftiger Exmann die neue Gesetzeslage ausnutzen wird, um sie einzuschüchtern.

Wäre interessant, womit er sie dann einschüchtern soll. Damit, dass sie nur noch jede zweite Woche die Kinder um sich hat? Ob ihr bewußt ist, dass das genau die Einschüchterung ist, die in wesentlich strengerer Form momentan gegen Väter wirkt? Denen man sogar sagen kann, dass sie dann ihre Kinder nur noch alle zwei Wochen am Wochenende sehen werden.

Bisher war es so, dass die Kinder bei demjenigen bleiben, der/die sich hauptsächlich um sie gekümmert hat. Das nennt man Kontinutitsätsprinzip und ist auch gut so, denn gerade Kinder in Trennungssituationen brauchen Stabilität und nicht noch zusätzliche Umbrüche im Leben. Gleichberechtigtes Engagment vor einer Trennung ist zukünftig überflüssig, wenn solch eine Gesetzesänderung kommt. Der Mann kann sich quasi aufs Berufsleben und Geldscheffeln konzentrieren, während die Frau immer abhängiger von ihm wird.

Also der Gedanke, dass er bisher aufpassen musste, mehr zu machen, damit er … ja was eigentlich? Selbst wenn er 45% und sie 55% gemacht hätte, hätte sie wahrscheinlich die Kinder bekommen.

Ihr Gedanke ist aber wohl, dass Männer jetzt jede Zurückhaltung aufgeben können, einfach so „Geld scheffeln“ können (welches sie dann im Zugewinn und Unterhalt und im Versorgungsausgleich teilen müssen und von dem die Frau auch vorher lebt) und die Frauen deswegen zwangsweise das Kind betreuen könne.  Geht etwas in die Richtung dieses Gesprächs. Warum sie dann nicht auch recht schnell wieder anfangen können soll wird leider nicht weiter ausgeführt.

Weiterhin keine Pflichten, aber mehr Rechte für Väter
Das wirklich gemeine an der Entwicklung ist, dass Väter nicht gezwungen werden können, sich nach einer Trennung ums gemeinsame Kind zu kümmern. Momentan funktioniert ja noch nicht einmal die Einforderung des Unterhaltes so gut, dass mehr als 25% der Alleinerziehenden Geld fürs Kind erhalten. Wenn nun also eine Frau, die sich getrennt hat, vor einem Famliengericht versucht darauf hinzuwirken, dass der Exmann sich kümmern muss, wird sie auflaufen. Eine Pflicht zum Kümmern gibt es nicht, ebensowenig, wie es eine Möglichkeit gibt, das Wechselmodell durchzusetzen, wenn sie als Mutter das gerne möchte, aber der getrennte Vater findet, seine ehemalige Familie gehe ihn nichts mehr an. Dann hat die Frau Pech gehabt.

Er kann das theoretisch genau so wenig wie die Frau. Diese kann auch ausziehen und das Kind bei ihm lassen und sie kann theoretisch auch auf das Wechselmodell klagen. Die Vollstreckung mag nicht einfach sein, aber auch da sind nicht alle Fälle so ungewöhnlich, wie der, den das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte.

Es ist auch interessant, dass sie den Zustand mit Wechselmodell als unerträglich schildert und dann bedauert, dass man ihn nicht durchsetzen kann und das auch unerträglich findet.

Kindeswohl? Zweifelhafte Studien werden ins Feld geführt
Wenn argumentiert wird, Kinder, die im Wechselmodell lebten, seien psychisch weniger auffällig und hätten niedrigere Stresslevel, dann muss jedes Mal genau hingeschaut werden, wer da genau als Studienobjekt hinzugezogen wurde. Es ist klar, dass es Kindern besser geht, wenn sich die Eltern gut verstehen und sie sich gemeinsam aufs Wechselmodell geeinigt haben.

Stimmen die Strukturen und erleben die Kinder eine stabile Umgebung, in der beide Eltern noch gut miteinander kommunizieren können, ist das Wechselmodell toll. So wie bei meinen Freundinnen in Skandinavien, die dieses Modell ganz selbstverständlich leben. Ich war nach meiner eigenen Trennung übrigens ziemlich neidisch darauf, wie gut sie das mitsamt Expartnern hinbekommen haben. Hätte ich auch gerne gemacht.

Dann wäre ja die Einführung eines solchen Modell vielleicht für viele schlicht der bessere Weg, auf dem es auch klappen könnte. Und natürlich gehören dazu auch häufig zwei. Seinen eigenen Anteil am Scheitern wahrzunehmen ist häufig schwierig.

Fazit: Wo das Wechselmodell funktionert, braucht es keine staatliche Regelung
Eltern, die sich gut verstehen und gut miteinander kommunizieren können, die die Strukturen für ein Wechselmodell bieten (räumliche Nähe, eigenes Zimmer in beiden Wohnungen, gesicherte Betreuung), brauchen keinen Gesetzgeber, der ihnen ein Wechselmodell als Standard vorschreibt. Und für alle anderen, insbesondere für diejenigen,die sich so sehr zerstritten haben, dass sie vors Familiengericht ziehen, ist das Wechselmodell schädlich. Am allerschädlichsten aber für das Kind, das zum Spielball zwischen zerstrittenen Eltern wird und wöchentlich seine Umgebung wechseln muss, und das vielleicht als reine Rachemaßnahme oder Zeichen einer Machtdemonstration seinen Lebensmittelpunkt verliert. Eine entsetzliche Vorstellung.

Dann besteht auch immer noch die Möglichkeit, dass Wechselmodell aufzuheben. Aber ein Wechselmodell als Standard wird viele überhaupt erst auf die Idee bringen, dass man es leben könnte und verändert auch die Machtbasis dahingehend, dass nicht bei einem Scheitern ohnehin die Mutter die Kinder bekommt.

Es wäre sicherlich interessant, wie es sich aufwirkt.