Tag: 17. Oktober 2017
Sawsan Chebli, die nicht erkannte Staatssekretärin und (un)passende Komplimente
Sawsan Chebli ist Staatssekretärin in Berlin und wurde auf einer Konferenz, bei der sie einen Vortrag halten sollte, nicht erkannt. Begründet wurde das damit, dass sie zu jung und zu hübsch sei.
Oder noch mal als Text:
Unter Schock – Sexismus
Vorfall: Ich sollte heute Morgen eine Rede halten. Vier Männer sitzen auf dem Podium. Ich setze mich auf den reservierten Platz in die erste Reihe. Vorsitzender vom Podium aus: „Die Staatssekretärin ist nicht da. Ich würde sagen, wir fangen mit den Reden dennoch an.“ Ich antworte ihm aus der ersten Reihe: „Die Staatssekretärin ist da und sitzt vor Ihnen. Er antwortet: „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“ Ich war so geschockt und bin es immer noch. Ich bin jedenfalls ans Pult: „Sehr geehrter Herr Botschafter a.D., es ist schön, am Morgen mit so vielen Komplimenten behäuft zu werden.“ Im Saal herrschte Totenstille. Dann habe ich meine Rede abwechselnd in deutscher und englischer Sprache frei gehalten. Es war ein internationales Forum.
Klar, ich erlebe immer wieder Sexismus. Aber so etwas wie heute habe auch ich noch nicht erlebt.
Das sind relativ wenig Informationen und es kommt einem einiges an Fragen in den Sinn:
Die Staatssekretärin ist anscheinend ein wichtiger Gast, aber ihr Eintreten bleibt vollkommen unbemerkt? Hat sie sich nicht angemeldet, ist sie nicht zum Podium hoch um sich den Herrschaften vorzustellen, wenn sie kommt und da eh gleich eine Rede halten soll?
Und natürlich: Hat sich der Vorsitzende nicht informiert, wer da kommt, wenn er anscheinend wusste, dass die Staatssekretärin erwartet wird? Über Google findet man ja leicht ein Bild.
Es wäre also ein Fehler gewesen, der eigentlich leicht zu vermeiden gewesen wäre: Und zwar von beiden Seiten. Es ist durchaus möglich, dass er dachte, dass man ihm die Staatssekretärin ja ankündigen würde oder sie sich an ihn wenden würde, wenn sie kommt und er nicht erwartet hat, dass sie sich einfach hinsetzt. Es ist auch möglich, dass er dann die Situation überspielen wollte, mit einem Kompliment.
In der Tat sieht sie ja sehr jung aus, auch weil sie zumindest auf ihrem Profilfoto von Facebook stark das Kindchenschema bedient:
Sie ist 39 Jahre alt, ich habe das von ihr verwendete Bild mal durch eine Altererkennungsseite laufen lassen:
Ich habe natürlich keine Ahnung, wie alt sie auf dem Bild tatsächlich ist, vielleicht hat sie tatsächlich ein Bild genommen, auf dem sie sehr jung aussieht.
Ich habe mal das nächste Foto von Facebook genommen:
Ihr etwa gleichaltrige Kollege, ein Staatssekretär aus Berlin, wird übrigens wesentlich besser erkannt (er ist Jahrgang 1979):
Das er sie nicht erkannt hat mag vielleicht daran liegen, dass er eine 39 Jahre alte Frau erwartet hat und sie tatsächlich jünger aussieht, so jung, dass man nicht erwartet, dass sie Staatssekretärin ist.
So will sie anscheinend auch wirken, denn das Foto, mit dem sie sich präsentiert, ist das, auf dem sie mit am jüngsten aussieht.
Insofern war der Vorsitzende zumindest ehrlich: Er hat aufgrund ihres Alters dem Aussehen nach nicht gedacht, dass sie Staatssekretärin ist und da lag er auch nicht wirklich falsch., wenn man sich andere Staatssekretäre anschaut.
Sie nennt dies als den schlimmsten Sexismus, den sie je erlebt hat. Das spricht aus meiner Sicht eher dafür, dass ihr Leben relativ frei von Sexismus war. Aber auch dafür, dass sie anscheinend nicht bereit ist, sich ihre eigene Wirkung bewußt zu machen, denn so hätte der Fehler vermieden werden können. Sie hätte sich angemeldet, wäre auf die Leute zugegangen, hätte kurz etwas mit ihnen geschwatzt, vielleicht noch einen Witz gemacht, dass sie es wirklich ist und sich gut gehalten hat, und hätte dann Platz genommen.
Wenn man aber in einer Opferhaltung denkt bzw. eine Anspruchshaltung hat, dass andere einen per se einen hohen Status zuerkennen müssen, dann kommt es zu solchen Vorfällen. Und dann werden sexistische Vorfälle eine sich selbst verstärkende Prophezeiung. Sie geht nicht auf die Leute zu, weil diese sie so erkennen müssen, denn sonst ist es Sexismus. Also erkennen sie sie nicht und es ist ein Nachweis, dass die Welt sexistisch ist.