Recherchestrategien (Gastbeitrag)

Gastartikel von Gunnar

Die Möglichkeiten, umfassend im Internet zu recherchieren, sind seit Kurzem massiv erschwert, weil es die Elite leider erfolgreich geschafft hat, Suchmaschinenbetreiber dazu zu bringen, systemkonforme Ergebnisse bevorzugt in die Suchergebnisse zu pumpen, sodass man sich bei der Suche nach einer Information mit Seiten über Seiten von regierungsnahen Medien konfrontiert sieht.
Wenn man nicht gerade gezielt nach einem konkreten Artikel sucht, findet man kaum
etwas Herrschaftskritisches. Selbst Suchbegriffe, die explizit Kritisches enthalten,
sagen wir:

„Gender Pay Gap" Kritik
„Gender Pay Gap" widerlegt
„Gender Pay Gap" Unsinn

bringen doch wieder nur die Antidiskriminierungsstelle und die Bundeszentrale für politische Bildung, das BMFSFJ, ARD, ZDF und die Mainstreampresse, die wortreich eben diese Kritik denunzieren, ohne auf die denunzierten Seiten zu verlinken, sodass man nicht einmal über Umwege zum Ziel gelangt.

Im oben genannten Beispiel würde natürlich eine Suche nach „Gender Pay Gap" in der Suchmaske hier im Forum oder bei Arne helfen. Aber was ist mit allgemeinen Themen, beispielsweise wenn man unabhängige Informationen zu „Cancel Culture" oder „Bauernproteste" sucht?

Deshalb meine Frage an euch:

  • Welche Strategien fahrt ihr heutzutage bei einer Recherche?
  • Welche Suchbegriffe sind hilfreich, um in den klassischen Suchmaschinen zu unabhängigen Ergebnissen zu gelangen?
  • Welche alternativen Seiten empfehlt ihr, in denen man gut über eine Suchmaske nach allgemein politischen Themen suchen kann?
  • Welche alternativen Newsblogs zu allgemeinen (politischen, gesellschaftlichen) Themen nutzt ihr?

 

Normalverteilung (Gaußverteilung) in der realen Welt (Gastartikel Pingpong)

Dies ist ein Gastartikel von Pingpong

Normalverteilung (Gaußverteilung) in der realen Welt

In vielen Diskussionen, gerade auch wenn es um Geschlechterthemen geht, spielt die
Normalverteilung eine wichtige Rolle. Ein hier oft gelesener Standardspruch lautet „Normalverteilung mit sich überlappenden Trägern aber abweichenden Mittelwerten“.

Daher soll es in diesem Beitrag um die allgegenwärtige Normalverteilung gehen. Wie im letzten Artikel liegt der Fokus dabei auf den praktischen Aspekten, die in der wirklichen Welt wichtig sind.

1. Warum Normalverteilung?

Die Normalverteilung ist so beliebt, weil sie viele angenehme Eigenschaften hat. Jeder kennt die ikonische Glockenkurve:

 

Sie ist mathematisch leicht handzuhaben, die meisten Integrale, die bei Wahrscheinlichkeiten mit Normalverteilung auftreten, können analytisch gelöst werden. Bei einer Schätzung der Verteilungsparameter (Mittelwert und Standardabweichung) aus empirischen Daten konvergieren die Parameter mit zunehmender Samplegröße schnell zum „wahren“ Wert.

Weiters spielt die Normalverteilung aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes eine sehr wichtige Rolle: Eine Summe von n Zufallsvariablen, nicht notwendigerweise normalverteilt, konvergiert gegen die Normalverteilung wenn n gegen unendlich geht.

Außerdem spielt die Normalverteilung in vielen Anwendungen eine versteckte Rolle. So basieren alle Arten von least-squares Optimierungen auf der Annahme, dass der Fehler bzw. der noise der Daten normalverteilt ist. Nur wenn diese Annahme erfüllt ist, sind die entsprechenden Verfahren optimal. Least-squares Optimierungen sind allgegenwärtig, z.B. Regression, Maximum-likelihood Schätzungen und viele mehr. Wenn man in Excel eine Trendlinie an gegebene Datenpunkte fitten lässt, läuft im Hintergrund eine least-squares Optimierung.

2. Warum nicht Normalverteilung?

Daten aus der echten Welt haben die Angewohnheit, sich nicht an vorgegebene Verteilungen zu halten. Eine grundlegender Unterschied ist in diesem Zusammenhang jener zwischen Verteilungen mit dünnen Rändern (engl.: thin-tailed) und Verteilungen mit schweren Rändern (engl.: heavy-tailed). Verteilungen mit schweren Rändern haben in Bereichen weit weg vom Mittelwert eine größere Wahrscheinlichkeitsdichte, wodurch seltene Ereignisse – wenn sie auftreten – i.d.R. weiter entfernt vom Mittelwert sind als bei Verteilungen mit dünnen Rändern.

Die Normalverteilung fällt in die Klasse der Verteilungen mit dünnen Rändern. Als Beispiel für
eine Verteilung mit schweren Rändern ist im folgenden die Student-t Verteilung abgebildet.

Auch wenn die Kurven recht ähnlich aussehen gibt es doch systematische Unterschiede zwischen diesen beiden Verteilungen.
Ein häufiges Missverständnis besteht in der Annahme, aufgrund des kleineren Maximums der Dichtefunktion der Student-t Verteilung (oder Verteilungen mit schweren Rändern allgemein) würden bei solchen Verteilungen Ereignisse nahe um den Mittelwert nicht so häufig vorkommen, quasi als „Ausgleich“ dafür dass ja Ereignisse sehr weit weg vom Mittelwert auch noch vorkommen. Tatsächlich kommen bei Verteilungen mit schweren Rändern Ereignisse rund um den Mittelwert häufiger vor als bei Verteilungen mit dünnen Rändern. Im folgenden sind die empirischen Verteilungen von je 2000 Samples der Normalverteilung und der Student-t Verteilung abgebildet.

Man sieht, dass bei der Normalverteilung deutlich weniger Ereignisse rund um den Mittelwert herum auftreten, als bei der Student-T Verteilung. Seltene Ereignisse gibt es in beiden Fällen. Wenn sie jedoch auftreten, dann sind sie bei der Student-t Verteilung deutlich weiter vom Mittelwert entfernt.

2. Das Problem mit statistischen Verteilungstests

Im Lichte dieser Umstände ist eine grundlegende Frage von wesentlicher Bedeutung: Sind meine Daten normalverteilt?
Diese Frage betrifft alle Wissenschaftszweige, Sozialwissenschaften gleichermaßen wie die STEM Gebiete, denn in quasi allen Wissenschaften werden Daten erhoben und statistisch analysiert.

Jede statistische Analyse basiert auf Modellen, und jedes Modell basiert auf Vereinfachungen. Ein Modell ist nur nützlich, wenn es einfacher ist als die reale Welt, und wenn es die wesentlichen Aspekte des zu untersuchenden Phänomens abbildet. Das Problem der Modellierung besteht darin, dass die reale Welt ist eine riesige Ansammlung von unzähligen Details ist. Man muss entscheiden, welche Details man behält und welche man weglässt.

Die Normalverteilung ist ein gutes Modell für viele physikalische Größen. So ist
beispielsweise die Verteilung der Körpergröße von Menschen approximativ normal. Aber die Körpergröße von Menschen ist keine Normalverteilung. Zum einen ist die Körpergröße auf eine enges Intervall beschränkt, während die Normalverteilung sich in beide Richtungen bis unendlich erstreckt. Aber auch wenn man die Ränder der Normalverteilung weglässt (die ohnehin sehr kleine Wahrscheinlichkeiten haben), dann unterschiedet sich die Verteilung der Körpergröße von Menschen systematisch von einer Normalverteilung.
Wenn man also einen Datensatz von Körpergrößen erhebt, und sich fragt ob dieser Datensatz von einer Normalverteilung kommt, dann ist die Antwort nein.

Es gibt viele statistische Tests um festzustellen ob ein Datensatz von einer bestimmten
Verteilung kommt. Die meisten davon haben beeindruckenden Doppelnamen:
Kolmogorov-Smirnov-Test, Shapiro-Wilk-Test, Anderson-Darling-Test usw.
Diese Tests sind aber i.d.R. nicht das was man will. Was man (meistens) wirklich wissen will wenn man „auf Normalität testet“ ist folgendes:

Ist die Normalverteilung ein gutes Modell für meine Daten?

Und das ist eine Modellierungsentscheidung. Ein statistischer Test kann sie nicht beantworten.

Reale Daten folgen nie irgendeiner analytischen Verteilung. Ein statistischer Test wie der häufig verwendete Kolmogorov-Smirnov-Test ist nicht hilfreich, weil es nur zwei mögliche Ausgänge gibt:

  • Man hat genug Daten, dann ist der p-Wert gering, und der Test wird (korrekt) ergeben, dass die Daten nicht normalverteilt sind.
  • Man hat nicht genug Daten, dann ist der p-Wert groß, und man entscheidet (korrekt), dass es nicht genug Evidenz gibt um die Nullhypothese zu verwerfen.

Beide Ergebnisse sind für die Modellierungsentscheidung nicht hilfreich.

3. Fallbeispiel

Leider wird die Wichtigkeit dieser Modellierungsentscheidung oft übergangen, und viele wissenschaftliche Arbeiten stützen sich explizit oder implizit darauf, dass die erhobenen Daten einer Normalverteilung folgen, ohne diese Entscheidung jedoch ausreichend zu begründen. Als Fallbeispiel möchte ich eine Studie heranziehen, die hier vor längerer Zeit einmal besprochen wurde (ich weiß nicht mehr ob als eigener Artikel oder nur in den Kommentaren).

Es handelt sich um Bilalic et al., 2009,
„Why are (the best) women so good at chess? Participation rates and gender differences in intellectual domains“,

In dieser Arbeit geht es um die Wertungszahl im Schach (ELO-Zahl) der deutschen
Schachspieler. Die statistische Analyse der Autoren basiert u.a darauf, dass – ohne weitere Begründung! –

„the distribution [of ELO-ratings] is approximately normal with mean of 1461 and s.d. of 342.“

Grafisch stellt sich die Situation folgendermaßen dar:

Die verwendeten Daten vom deutschen Schachbund sind online verfügbar und ich habe zusätzlich zur Normalverteilung auch die Parameter einer (nicht-zentralen) Student-t Verteilung geschätzt:

Die nicht-zentrale Studen-T Verteilung hat erkennbar die geringsten Abweichungen zu den tatsächlichen Daten. Macht sie das zum „besten“ Modell für die Verteilung der ELO Zahlen? Das kann man alleine aus dieser Grafik nicht pauschal sagen. Es hängt davon ab, welche Fragestellungen man behandelt und was man analysieren möchte.

Die Autoren des Papers interessieren sich in ihrer statistische Analyse für die 100 besten männlichen und weiblichen Schachspielern. Das sind die Daten ganz am rechten Rand der Verteilung. Da böte es sich an, ein Modell zu wählen(!), bei dem die Daten die man analysieren möchte nicht von vornherein die outlier des Modells sind.
Bei der Normalverteilung ist jedoch genau das der Fall: Oberhalb von 3 sigma vom Mittelwert befinden sich gerade mal 0.13% der Daten. Umgekehrt, wenn man mit dem gesamten Datensatz eine Normalverteilung modelliert, dann haben genau jene Daten am oberen Ende einen verschwindend geringen Einfluss auf das Modell. Es ist fraglich, wie man eine aussagekräftige statistische Analyse durchführen kann, wenn genau die Daten die man analysieren möchte in dem Modell das man sich ausgesucht(!) hat quasi keine Rolle spielen.

In konkreten Fall dieses Papers wäre es wohl besser, die Autoren hätten als Modell eine Verteilung aus der Klasse der Verteilungen mit schweren Rändern gewählt.

Man kann das Problem „ist für die Modellierung meiner Daten eine Verteilung mit dünnen oder eine mit schweren Rändern sinnvoll?“ folgendermaßen formalisieren:
Wie groß ist die bedingte Wahrscheinlichkeit P(N | E), also die Wahrscheinlichkeit dass es sich um eine (N)ormalverteilung handelt unter der Bedingung dass man bestimmte (E)reignisse beobachtet. Als Alternative zur Normalverteilung kommt wieder die Student-t Verteilung zum Einsatz.

Mit dem Satz von Bayes lässt sich diese bedingte Wahrscheinlichkeit schreiben als
P(N | E) = \frac{P(E | N)P(N)}{ P(E)}
P(E|N) ist einfach die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses unter einer Normalverteilung. P(N) ist die a priori Wahrscheinlichkeit dass es sich um eine Normalverteilung handelt. Diese muss vom Anwender aufgrund von Erfahrung, anderen Daten oder sonstigem Vorwissen geschätzt werden. Der Term P(E) lässt sich mit dem Satz der totalen Wahrscheinlichkeit berechnen.

Die folgende Grafik zeigt das Ergebnis für Ereignisse die zunehmend weiter vom Mittelwert entfernt sind.

Diese Grafik zeigt, wenn in einem Datensatz Ereignisse enthalten sind, die auch nur moderat weit (3 bzw. 3.5 Standardabweichungen) vom Mittelwert entfernt sind, dann nimmt die Wahrscheinlichkeit dass es sich bei den Daten um eine Normalverteilung handelt sehr schnell ab. Je weiter das Ereignis vom Mittelwert entfernt, desto größer muss die a priori WS, also das Vorwissen, sein, damit man eine Normalverteilung rechtfertigen kann.
Umgekehrt, wenn im Datensatz ein 3.5 sigma Ereignis auftritt und es besteht auch nur eine kleine Chance dass die Daten nicht von einer Normalverteilung kommen, dann kann die Hypothese „Normalverteilung“ nachdrücklich verworfen werden.

Im Kontext der Schachstudie entspricht ein 3-sigma Ereignis einer ELO Zahl von ~2630. Es gibt mehr als 150 Spieler, die eine höhere ELO Zahl erreichen. Magnus Carlsen hält den aktuellen Rekord mit einer ELO Zahl von 2882.
Nimmt man die Wertungen im Blitzschach hinzu, gibt es mehrere Spieler die sehr knapp an 3000 kratzen.

4. Fazit

Die Normalverteilung ist ein wunderbares mathematisches Werkzeug, mit dem man allerhand interessante Dinge relativ einfach berechnen kann.

Daten in der echten Welt folgen nie irgendeiner analytischen Verteilung. Die verschiedenen statistischen Verteilungstests liefern in den allermeisten Fällen nicht das was man wissen will und vermitteln eine trügerische Sicherheit.

In einem gegebenen Datensatz sind sehr oft die extremen Ereignisse die interessantesten, zB: IQ, Einkommen, Schäden durch Unwetter, Anzahl Todesfälle durch Krankheiten, Größe von Dateien auf einem Computer. Bei einer Modellierung solcher Datensätze sollte das entsprechend berücksichtigt werden. Als Faustregel kann gelten: Tritt ein 4 oder 5-sigma Ereignis auf, sollte man die Normalverteilung ausdrücklich NICHT verwenden, sondern stattdessen auf Verteilungen mit schweren Rändern zurückgreifen.

Korrelation in der realen Welt (Gastartikel PingPong)

Die ist ein Gastartikel von PingPong

In vielen Kontexten, insbesondere wenn es um Wissenschaft und wissenschaftliche Arbeiten oder Ergebnisse geht, wird der Begriff Korrelation verwendet. Dieser Artikel soll einige wichtige Eigenschaften von Korrelation beleuchten. Er ist bewusst einfach gehalten und wird ohne mathematische Formeln auskommen, diese kann der interessierte Leser jederzeit auf Wikipedia und ähnlichen Webseiten nachschlagen. Hier soll es hingegen um die ganz praktische Bedeutung von Korrelation in der realen Alltagswelt gehen.

1. Korrelation ist keine Korrelation

Die meisten werden den Spruch von der Korrelation und der Kausalität kennen. Etwas überraschender könnte daher die Erkenntnis sein, dass Korrelation nicht nur keine Kausalität, sondern auch keine Korrelation ist.
Damit ist die Tatsache gemeint, dass Korrelation selbst eine Zufallsvariable darstellt. Korrelation ist keine Größe, die man aus den vorhandenen Daten ausrechnet und
die dann auf magische Weise etwas „fixes“ über diese Daten aussagt. Sondern Korrelation hat selbst eine Unsicherheit, einen Mittelwert, eine Varianz usw. Es ist eine eigene Zufallsvariable die eine eigene Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzt.

Am einfachsten kann man das sehen, indem man zufällige Punkte einer bivariaten
Normalverteilung nimmt und die Korrelation zwischen ihnen ausrechnet. Da die Punkte zufällig sind, ist deren Korrelation per Definition 0. Die folgende Grafik
zeigt 9 solche Versuche, bei denen der Korrelationskoeffizient von je 50 zufälligen Punkten berechnet wurde.

correlation

Wie man sieht reicht der Wert des Korrelationskoeffizienten von r=-0.29 bis r=0.16 – obwohl doch die Punkte rein zufällig, d.h. Korrelation 0, gewählt wurden!
Wie sieht also die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Korrelationskoeffizienten aus? Zu diesem Zweck führt man das obige Experiment viele male durch und betrachtet die empirische Verteilung der resultierenden Korrelationskoeffizienten. Diese hat selbst wieder die Form einer Normalverteilung, eine Folge des Gesetzes der großen Zahlen. Es gibt viele Werte um 0 herum (die tatsächliche Korrelation), aber auch signifikante Abweichungen. Im Fall wo man für jedes Experiment 50 zufällige Punkte erzeugt reichen diese Abweichung durchaus bis +- 0.4. Im Kontext eines wissenschaftlichen Experiments bedeutet das, dass es einen erheblichen versteckten Freiheitsgrad gibt:

Der Wissenschaftler kann das Experiment einfach öfter durchführen und am Schluss das Ergebnis mit der „besten“ Korrelation wählen. Für den Fall dass das Sample wie hier eine Größe von 50 hat, kann das den Unterschied zwischen keine Korrelation (r=0) und „erhebliche Korrelation“ (r=0.4) bedeuten.

correlation

Was passiert, wenn man ein größeres Sample verwendet? In dem obigen Beispiel statt 50 zufällige Punkte 500? Die Verteilung des Korrelationskoeffizienten wird enger, aber es ist noch immer erkennbar eine Normalverteilung. Nur eben mit einer kleineren
Standardabweichung. Der Freiheitsgrad ist nicht mehr so groß, aber immer noch vorhanden. In diesem Fall ist der absolute Unterschied im Korrelationskoeffizienten noch immer 0.2 (von -0.1 bis 0.1), in vielen papers wird das bereits als „signifikant“ bezeichnet.

Erst im Limit mit unendlich vielen Samples verschwindet dieser Effekt. Leider gibt es auf dem Weg dorthin auch noch einen abnehmend Ertrag, denn die Verbesserung durch mehr Samples wirkt sich nicht linear aus sondern eher mit 1/sqrt(N) aus. D.h. doppelt so viele Samples sind nicht doppelt so genau, sondern der Gewinn an Präzision ist viel weniger.

2. Korrelation ist nicht linear

Was ist der Unterschied zwischen Korrelation 0.2 und Korrelation 0.4? Wäre Korrelation linear, dann könnte man sagen r=0.4 ist ein doppelt so großer Zusammenhang wie r=0.2. Um zu sehen was die Nichtlinearität von Korrelation bedeutet, kann man sich wieder eine bivariate (d.h. 2 Komponenten) Normalverteilung ansehen, bei der die beiden Komponenten unterschiedlich stark miteinander korrelieren. Der Fall r=0 ist derselbe wie in dem Experiment in Punkt 1, es gibt überhaupt keinen Zusammenhang. Das andere Extrem ist r=1.0, das bedeutet es gibt einen perfekten Zusammenhang: Der Wert der einen Komponente determiniert den Wert der anderen. Korrelationswerte zwischen 0 und 1 sind verschieden starke Abstufungen des Zusammenhangs.

Die Grafik zeigt jeweils 1000 Punkte einer bivariaten Normalverteilung mit verschieden starken Korrelationen. Man sieht deutlich, dass der Unterschied zwischen r=0 und r=0.5 ein ganz anderer ist als beispielsweise zwischen r=0.9 und r=1. Obwohl sich im ersten Fall die Korrelation um ganze 0.5 ändert, sieht man in den entsprechenden Daten fast keinen Unterschied. r=0.5 ist viel näher an r=0 als an r=1. Andererseits gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen r=0.9 und r=1, obwohl sich in diesem Fall die Korrelation „nur“ um 0.1 ändert.

Für die Praxis bedeutet das, dass Korrelationswerte unterhalb eines Absolutwertes von 0.5 (größer als -0.5, kleiner als 0.5) praktisch quasi ebenso gut Zufall sein könnten. Insbesondere dann, wenn das Sample relativ klein ist, siehe Punkt 1.

In der Vergangenheit wurden hier einige Studien zum Zusammenhang zwischen Intelligenz/sozioökonomischer Status und und Leistung der Schüler besprochen. Ich zitiere einige Teile aus den Studien:

„the significant correlation – ranging from 0.4 and 0.6“ „‘very robust’ link […] consistent with an “average correlation of 0.5“ „correlates highly (r = 0.54)“ „strongly associated […] r score was 0.53“

Solche Korrelationen sollten anhand der Grafik oben wohl nicht als „significant“, „very
robust“ oder „strongly associated“ bewertet werden.

3. Korrelation ist subadditiv

Subadditiv bedeutet folgendes: Angenommen man hat Daten, aus denen man die Korrelation berechnen will. Wenn man die Daten aufteilt, und die Korrelationen für die Teildaten separat berechnet, dann ist die Gesamtkorrelation über alle Daten immer kleiner oder gleich wie die Summe der Teilkorrelationen.

Das kann unerwartete Effekte haben.

Die Grafik zeigt Daten von 0 bis 10, wobei die erste Hälfte von 0 bis 5 perfekt korreliert (r=1), die zweite Hälfte hingegen überhaupt nicht (r=0). Die Gesamtkorrelation über den ganzen Bereich 0 bis 10 ist nicht etwa 1 (Summe der Teilkorrelationen), und auch nicht 0.5 (Summe der Teilkorrelationen gewichtet), sondern ca. 0.9.
Ein Ergebnis „der Zusammenhang ist stark ausgeprägt, die Korrelation beträgt 0.75“ kann also durchaus beinhalten, dass große Teile der Daten überhaupt nicht(!) miteinander zusammenhängen.

Die nächste Grafik zeigt den Verlauf der Gesamtkorrelation für verschiedene Aufteilungen in r=0 und r=1.

Der Gesamtbereich ist wie zuvor 0 bis 10. Die Korrelation ist von 0 bis zu dem Wert auf der x-Achse perfekt (r=1), ab dann ist die Korrelation Null. Man sieht, dass
beispielsweise der Fall wo 10% der Daten perfekt korrelieren und 90%(!!) komplett unkorreliert sind (Wert 1 auf der x-Achse), noch immer eine Gesamtkorrelation von fast 0.5 erzeugt.

4. Fazit

Korrelation ist eine Zufallsvariable. Ebenso wie es gute Praxis ist nicht nur den Mittelwert zu erwähnen, sondern die Standardabweichung und Fehlerbereiche ebenfalls, so wäre es gute Praxis nicht nur den Korrelationswert zu berichten, sondern weitere Informationen zu seiner Verteilung.

Korrelation ist nicht linear. Der Wertebereich zwischen -0.5 und 0.5 für den Korrelationskoeffizienten ist viel näher an Rauschen als an einem tatsächlichen Zusammenhang. Als Faustregel: Wenn man den Zusammenhang nicht sofort und mit freiem Auge sieht, dann ist es womöglich mehr Zufall als tatsächlicher Zusammenhang.

Korrelation ist subadditiv. Selbst ein großer Korrelationskoeffizient von beispielsweise
r=0.7 kann noch immer von Daten kommen, die zum einem Großteil überhaupt nicht
korreliert sind.

Boris von Heesen: Was Männer kosten: Der hohe Preis des Patriarchats (Gastbeitrag)

Ein Gastbeitrag von Ronin

Zum Autor
In Zeiten, in denen sämtliche politischen Lager auf Fake News und Propaganda setzen, ist es legitim, sich zunächst einmal den Autor eines Schriftstücks genauer anzusehen, um seine Expertise einschätzen und seine Glaubwürdigkeit als Quelle bewerten zu können.
Boris von Heesen taucht seit Kurzem in verschiedenen Medien als Interviewpartner auf und wird als Wirtschaftswissenschaftler bezeichnet. Auch er selbst bezeichnet sich im Buch mehrfach so. Laut seiner Vita hat er bisher außer zweier Monatskalender für Männer (mit feministischen Sprüchen! Nicht, was viele jetzt denken!) nichts weiter veröffentlicht. Seine fachliche Vorgeschichte beschränkt sich darauf, Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Soziales Marketing studiert zu haben – wo, wann und mit welchem Abschluss, war nicht in Erfahrung zu bringen – und zwei Unternehmen gegründet zu haben, über deren Natur (außer, dass das eine ein OnlineMarktforschungsintitut ist/war), Identität und Erfolgsgeschichte wir auch nichts erfahren. Ob man als geschäftsführender Vorstand eines Jugendhilfewerks irgendwas mit Wirtschaftswissenschaften zu tun hat, kann ich leider nicht beurteilen.

Zum Inhalt
Schon im Vorwort stellt der Autor klar, dass er in Bezug auf Geschlecht eine streng sozialkonstruktivistische Weltsicht vertritt. Biologische Geschlechtsunterschiede gibt es nicht, die Einteilung „Männer“ und „Frauen“ ist willkürlich, und alle Ungleichverteilungen, die uns in verschiedensten Bereichen begegnen, müssen folglich entweder das direkte Ergebnis von direkter Diskriminierung oder die mittelbare Folge schädlicher Geschlechterstereotypen sein. Im Folgenden möchte der Autor darstellen,
wieviel gesellschaftlichen Schaden diese Geschlechterstereotypen anrichten, und tritt an, diese ganz schlicht monetär sichtbar zu machen. Das Ziel: Da im Kapitalismus nichts mehr zählt als Geld, gelänge es vielleicht, die Machteliten darüber auf patriarchalische Missstände aufmerksam zu machen, dass man ihnen klar macht, wieviel Geld dabei verloren geht. Er bezeichnet diese Vorgehensweise als „friedliches Trojanisches Pferd“.
Zu Beginn des Hauptteils stellt der Autor zunächst seine Methodik dar. Dabei ist er zumindest noch dahingehend um Fairness bemüht, dass in seiner Kostenaufstellung nur die von Männern verursachten Schadenssummen enthalten seien, die über das hinausgehen, was Frauen im gleichen Bereich und Zeitraum verursachen. Beispiel: Von Frauen verübte Kriminalität verursacht einen Schadensbetrag von X, die von Männern verübte einen Schadensbetrag Y, dann ist der als „Kosten des Patriarchats“ ausgewiesene Betrag Y – X.
Damit hat es mit der Fairness allerdings auch schon wieder ein Ende. Denn in diesem Buch seien nur die Bereiche aufgeführt, in denen Männer mehr gesellschaftliche Schäden verursachen. Zwar möge es auch Bereiche geben, in denen Frauen mehr Schäden verursachen, aber die möchte er hier ausblenden, da es hier erst mal nur um Männer gehen soll und er außerdem vermeiden möchte, die Schäden von Männern und Frauen gegeneinander aufzurechnen, denn das würde ja nur zur Spaltung der Geschlechter beitragen. Aber schließlich kann uns der Autor beruhigen: Die Aussage, dass Männer aufgrund ihres Verhaltens daran Schuld sind, dass in Deutschland jährlich 63 Milliarden Euro verschwendet werden, soll natürlich keinesfalls als MännerBashing verstanden werden!
Es folgt dann eine lange Aufzählung an Bereichen, in denen Männer mehr gesellschaftliche Schäden anrichten als Frauen.
Sie belasten das Gesundheitssystem, indem sie mehr rauchen, nicht frühzeitig zum Arzt gehen, mehr Alkohol trinken und mehr Fleisch essen. Sie verursachen mehr Autounfälle, begehen mehr Verbrechen und verursachen damit sowohl direkte Schäden als auch indirekte, z.B. durch Polizeieinsätze und Unterbringung in Gefängnissen.
Sie sind häufiger arbeitslos, werden als Jugendliche häufiger auffällig und neigen deutlich mehr zu Suchtkrankheiten. Männer mögen gewalttätige Sportarten, in deren Umfeld es zu Randalen kommt (z.B. Fußball).
Und schließlich sind Männer auch schlecht für die Umwelt, da sie den Machtpositionen aus, die sie innehaben, umweltschädliche politische Entscheidungen treffen.
Auf eine weitere detaillierte Aufzählung der Litanei verzichte ich hier; ich denke, die Intention des Autors wird klar.
Wichtig ist jedoch zu erwähnen, dass der Autor in den Kapiteln über Kriminalität und Suchtverhalten auch eindringlich darauf hinweist, dass viele Hilfsangebote z.B. für verhaltensauffällige Jugendliche oder Suchkranke sich nicht speziell an Männer richten, obwohl diese überproportional von solchen Problemen betroffen sind.
Im folgenden Kapitel erfolgt dann noch eine Aufzählung aller nicht bezifferbaren Schäden, die das Patriarchat in der Gesellschaft anrichtet. Auch hier werde ich nicht auf jeden einzelnen Punkt eingehen, es handelt sich im Wesentlichen um die Punkte, die von feministischen Autoren und Autorinnen seit Jahren immer und immer wiedergekäut werden:
Klimakatastrophe, Umweltzerstörung, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Incels, Amokläufe, Vergewaltigung, CumEx-Geschäfte, Sexismus in der UEFA, Blut, Verwüstung, Tod, Krieg und Horror – hinter allem steckt das Patriarchat.
Alles, was auf der Welt schief läuft, hat nur damit zu tun, dass an den wichtigen Schaltstellen der Macht zu viele Männer und zu wenige Frauen sitzen. Und dahinter wiederum stehen die schädlichen Stereotype, die den Männern einreden, dass sie miteinander und gegeneinander um Macht und Geld ringen müssten, während die Frauen zuhause sitzen und die Kinder hüten.
Hat der Autor im vorherigen Kapitel eine einzige, allumfassende Ursache für alle
Probleme gefunden, so kommt er im folgenden nun zur einzigen, allumfassenden Lösung: Feminismus! „Das Patriarchat ist allgegenwärtig“, schreibt er, doch mit dem Angriff des Feminismus wird das alles in Ordnung kommen.
Im Feminismus, schwärmt der Autor, gibt es keine Ungleichheit mehr, keinen Kapitalismus, keine Notwendigkeit mehr, sich gegenseitig zu übertrumpfen, alle sind gleichgestellt und glücklich. Die Männer müssten nur endlich begreifen, wie sehr das Patriarchat auch ihnen schadet, und wie gut der Feminismus auch für sie wäre. Endlich keine schädlichen Stereotype mehr, die sie in ihren Lebensentwürfen einengen; endlich würde man als Mann nicht mehr vom Patriarchat gezwungen, Physiker oder Automechaniker zu werden, obwohl man lieber Balletttänzer oder Erzieher geworden wäre (das ist kein Witz: Der Autor ist überzeugt, dass viele Leute sich in ihrer Berufswahl nicht nach ihren ureigenen Präferenzen richten, sondern danach, was Geschlechterstereotype ihnen vorgeben, und am Ende damit todunglücklich sind).
Zu Beginn des Kapitels bleibt die Definition von Feminismus des Autors etwas schwammig, doch im Verlauf wird klar, dass er sich darunter nicht nur Gleichberechtigung und Chancengleichheit oder auch materielle Gleichstellung vorstellt, sondern die völlige Auslöschung der Unterscheidung zwischen Mann und Frau, die nur durch einen völligen Umbau der Gesellschaft herbeizuführen sei.
Nach dieser Aufzählung der Vorzüge, die der dereinstige Sturz des Patriarchats auch für Männer haben wird, setzt sich der Autor damit auseinander, wie dieser denn zu bewerkstelligen sein wird.
Zunächst betrachtet er in etwa eineinhalb Seiten den historischen Ursprung des Patriarchats, sozusagen die Quadratwurzel allen Übels: Die bürgerliche Kleinfamilie.
Die bürgerliche Kleinfamilie sei etwa 3000 v.Chr. in böswilliger Absicht erfunden worden (Quelle: eine feministische Soziologin) und seitdem als alleiniges Modell des Zusammenlebens weitgehend stabil geblieben. Für den Autor ist dies erstaunlich, bedenkt man, dass die bürgerliche Kleinfamilie doch die Keimzelle des Kapitalismus sei, Gewalt, Machtmissbrauch, Vereinsamung und Leistungsdruck produziere, und zudem ineffizient und umweltschädlich sei (zumal sie häufig in Einfamilienhäusern stattfindet). Ihre Popularität kann laut dem Autor nur an Indoktrination durch patriarchalische Diskurse liegen. Zur Bekämpfung der bürgerlichen Kleinfamilie sei zunächst einmal das Ehegattensplitting abzuschaffen und das Sorgerecht zu reformieren, so dass auch nichtverwandte Bezugspersonen sorgeberechtigt sein sollen.
Einfamilienhäuser und -wohnungen sollen durch große WGs ersetzt werden, so dass Kinder nicht mehr von einem einzelnen Elternpaar, sondern von einer größeren Gemeinschaft aufgezogen werden – und das natürlich geschlechtsneutral.
Schädliche Geschlechtersterotype müssten überall bekämpft werden: In Kunst, Medien, Unterhaltung und vor allem Erziehung. Das ganze Bildungssystem muss auf die Vermeidung von Geschlechterstereotypen ausgerichtet werden. Staatliche und nichtstaatliche Organisationen, die sich dem Kampf gegen Geschlechterstereotype verschrieben haben, wie etwa Pinkstinks, der Deutsche Kulturrat oder die Bundesstiftung Gleichstellung, müssten großzügige staatliche Förderung erhalten. Aktionen für Geschlechtergerechtigkeit wie z.B. MeToo müssten gefördert werden, um sie über die feministisch-intellektuelle Blase hinaus bekannt zu machen.
Problematische Inhalte, wie etwa Fußball, TikTok mit seinen BeautyInfluencerinnen oder Germany’s Next Top Model, sollten mit einem Warnhinweis versehen werden, über dessen Vergabe „ein sensibles und verantwortungsbewusstes Gremium, das mit Menschen aus den unterschiedlichsten Feldern der Gesellschaft besetzt ist“ entscheiden soll.
Schließlich sollten Männern mehr Angebote zu machen, die sie von ihren ansozialisierten schädlichen Stereotypen wegbringen und überzeugen, den Feminismus anzunehmen. Er nennt u.a. das „Bundesforum Männer“ als positives Beispiel einer entsprechenden Lobbygruppen. Männergesundheit sollte mehr in den Vordergrund gestellt und mehr männerspezifische Gesundheits- und Hilfsangebote bereitgestellt werden.
Kampagnen für mehr Verkehrssicherheit sollen riskantes Fahrverhalten von Männern thematisieren.
Als letzte Maßnahme schlägt der Autor einen „Gleichstellungsmonitor“ vor; einen Dienst, der kontinuierlich Statistiken und Fakten zum Thema Geschlechtergerechtigkeit und Kosten des Patriarchats für alle zugänglich und transparent bereitstellt. Dafür müssten natürlich entsprechende Organisationen (hier wird wieder die Bundesstiftung Gleichstellung genannt) mit deutlich mehr Geld gefördert werden – diese Förderung sei in Anbetracht der 63 Milliarden Euro Patriarchatskosten, die die Gemeinschaft dadurch jährlich sparen würde,eine echte Investition.

Bewertung
Über weite Strecken liest sich das Buch wie ein religiöses Pamphlet. Über allem steht das Dogma vom Patriarchat, das das Böse schlechthin und die Ursache praktisch aller Probleme der Menschheit ist.
Demnach müssten nur alle den Feminismus als ihre:n Herr:in und Erlöser:in annehmen, dann würde alles gut werden. Wäre der Autor wirklich so wissenschaftlich, wie er sich darstellt, dann würde er sämtliche Fakten zusammentragen und versuchen, eine Theorie zu finden, die diese Fakten am Besten erklärt.
Was er aber tut, ist, ein Dogma zu vertreten, dessen Wahrheit von Anfang an als gegeben angenommen wird und nicht angezweifelt werden darf, und nun trägt er alle Daten zusammen, die sich auf Biegen und Brechen so interpretieren lassen, dass sie das Dogma stützen – die, bei denen das nicht geht, werden einfach ausgeblendet.
Glaubenssätze werden ohne Beleg aufgestellt, etwa, dass alles besser wäre, wenn mehr Frauen an der Macht wären. Für tatsächliche Zusammenhänge interessiert sich der Autor erkennbar nicht; wo immer eine Korrelation auftaucht, die sich im Sinne seines Dogmas interpretieren lässt, wird die erwünschte Kausalität einfach als erwiesen angenommen.
Beispiel: Norwegen „gilt“ als feministisch, gleichzeitig ist dort die Zahl der gesunden Lebensjahre über 65 bei Männern und Frauen annähernd gleich. Ob sich dieser Sachverhalt auch wirklich auf die angenommene Ursache zurückführen lässt, und ob die Aussage, Norwegen wäre „feministisch“, so überhaupt stimmt, wird nicht weiter untersucht. Allein die Möglichkeit, dass es so sein könnte, wird als Beweis akzeptiert, dass es so sein muss.
Noch ein Beispiel: Die Lebenserwartung von Mönchen ist, anders als die der männlichen Normalbevölkerung, im Vergleich zu den Frauen nicht reduziert.
Damit sei bewiesen, dass ein Unterschied in der Lebenserwartung nicht naturgegeben ist, worum wiederum bewiesen sei, dass für den Unterschied, den wir beobachten, nur das Patriarchat verantwortlich sein kann. Mit derselben Logik könnte man auch argumentieren, dass die Gegenwart von Frauen für Männer gesundheitsschädlich ist, und Mönche deshalb länger leben, weil sie weniger mit Frauen zu tun haben.
Die ganze Litanei seiner Statistiken dient weniger der Aufklärung, sondern eher der Vernebelung.
Viele der Zahlen, die er nennt, wirken eindrucksvoll, sind aber bei näherer Betrachtung eigentlich nichtssagend, da sie zu nichts in Relation gesetzt werden. Es mag sein, dass die Zahl der Autounfälle, die von Männern verursacht werden, viel höher ist als die derer, die von Frauen verursacht werden, aber wie hoch ist sie relativ zu den jeweils gefahrenen Kilometern? Es interessiert nicht, Hauptsache, wir haben eine hohe Zahl.
Allerdings, wenn es dann später um Umweltverschmutzung geht, sind die von Männern mehr gefahrenen Kilometer plötzlich wichtig.
Wir erfahren zwar, wieviel der Fleischkonsum der Männer das Gesundheitssystem kostet, aber nicht, ob das im Vergleich zu anderen Posten oder zum Gesamtbudget des Gesundheitssystems viel oder wenig ist.
Die eklatanteste Augenwischerei besteht darin, dass mit keinem Wort erwähnt wird, in welchem Verhältnis diese 63 Milliarden Euro, die Männer jährlich über Gebühr verbraten, zu dem Betrag stehen, die Männer im gleichen Zeitraum erwirtschaften. Es wird immer von Kosten geredet, aber unser Herr Wirtschaftswissenschaftler verschwendet anscheinend keinen Gedanken daran, von wem diese Kosten mehrheitlich beglichen werden.
Viele seiner Schlussfolgerungen gründen sich eher auf Philosophie als auf empirisch erlangtes Wissen. Insofern ist es kein Wunder, dass der angebliche Wirtschaftswissenschaftler auffällig häufig Philosophinnen und Aktivistinnen zitiert, und zwar quer durch das Who-is-Who des Twitter-Feminismus (Stokowski, Gesterkamp, Allmendinger, um nur 3 zu nennen).
Die Schlussfolgerungen nehmen teils absurde Züge an:
Die Tatsache, dass der Klimawandelleugner Donald Trump ein Mann, die voll auf Klimaneutralität setzende schwedische Umweltministerin aber eine Frau ist, ist für ihn ein Beweis mehr, dass Männer umweltschädlich sind.
Positiv herauszuheben ist, dass von Heesen die mangelnde Ausrichtung von Hilfsangeboten speziell für Männer bei Drogensucht, häuslicher Gewalt, Depressionen usw. kritisiert; er spricht an, dass Männergesundheit und Jungen als Bildungsverlierer in den Medien selten Thema sind. Einige seiner Ausführungen könnten, so wie sie gemacht wurden, glatt von Männerrechtlern stammen, doch genau die, die zumindest in diesen Punkten mit ihm voll auf einer Linie sind, stellt er im Kapitel über immaterielle Schäden des Patriarchats in eine Reihe mit rechtsextremen Amokläufern und radikalisierten Incels – eine Folge davon, dass er auf fundierte Recherche verzichtet und stattdessen nur von Veronika Kracher abschreibt.
Für die Unterrepräsentanz von Themen wie Männergesundheit, männliche Opfer von häuslicher Gewalt oder Suizide bei Männern macht er übrigens nicht die Feministinnen verantwortlich, die finden, dass das Ansprechen der Probleme von Männern nur „Whataboutism“ ist und Männerprobleme aufgrund ihrer Privilegien sowieso irrelevant seien, wie die von ihm hochgelobte Margarete Stokowski. Nein, die Ursache ist für ihn – wir ahnen es schon – auch wieder das Patriarchat, das mit seinen Geschlechterstereotypen bestimmt, dass Männer hart sein zu haben und Probleme anzusprechen als unmännlich gilt. Vielleicht ist ihm Logik auch schon zu patriarchalisch, vielleicht sieht aber, wenn man nur einen Hammer hat, eben alles wie ein Nagel aus.
Das ganze Buch macht den Eindruck, dass Boris von Heesen weder an einer fairen Darstellung gesellschaftlicher Sachverhalte noch an der Erforschung irgendwelcher Ursachen interessiert ist, sondern nur an der Erregung von Aufmerksamkeit und auf der Verfestigung seiner vorgefassten Meinung.
Jedesmal, wenn er sich belegmäßig auf dünnes Eis begibt, beginnt er zu schreiben, wie sehr er von irgendetwas überzeugt ist.
Was man z.B. vermisst, ist die Klärung, wieso wir das böse Patriarchat überhaupt Patriarchat nennen – stellt er doch selbst mehrfach heraus, wie sehr es einerseits auch Männern schadet, und wie es auch von Frauen gestützt wird, indem sie z.B. für sich die Rolle als Hauptbezugsperson der Kinder beanspruchen oder erfolgreiche, selbstbewusste Männer bevorzugen.
Dass es Geschlechtersterotype gibt und diese teilweise auch sowohl Männern als auch Frauen schaden können, ist ja unbestritten – aber der Autor geht ohne ausreichenden Beleg davon aus, dass diese Stereotype für alles verantwortlich sind, was nur schief gehen kann, und jede Abweichung von einem 1:1- Geschlechterverhältnis in irgendeinem Bereich nur das Ergebnis von Diskriminierung und Indoktrination sein kann, und betrachtet jegliche Empirie nur unter dem Gesichtspunkt, das zu bestätigen, was man ohnehin schon meint. Warum? Na, es ist ein Dogma, und Dogmen werden eben bestätigt.
Und wie nicht anders zu erwarten, kommt am Ende der Klingelbeutel: Finanzielle Unterstützung für alle möglichen feministischen Projekte wird gefordert, die auch alle einzeln genannt werden, allen voran Pinkstinks e.V. – für die von Heesen rein zufällig auch als Autor tätig ist. Ein Schelm, wer böses dabei denkt!

Andere Beiträge von Ronin oder anhand von Kommentaren von Ronin:

Männer müssen überlegen sein (Gastbeitrag)

Dies ist ein Gastbeitrag von Uepsilonniks

Wenn im gemischtgeschlechtlichen Sportunterricht ein Mädchen im Wettlauf eine bessere Leistung erbringt als der Junge, gegen den sie antritt, dann bedeutet das zwei Dinge: Für ein Mädchen ist das eine besonders ruhmreiche Tat. Für den Jungen eine ganz besondere Demütigung. Denn Männer müssen besser sein. Als Frauen. Besonders auf männlichen Gebieten.
Dieser psychologische Mechanismus führt dann auch dazu, dass der Mann – im Schnitt – der Frau tatsächlich überlegen ist. Das wissen auch z.B. Filmemacher. Wenn sie die Großartigkeit einer Darstellerin hervorheben wollen, tun sie das, indem sie zeigen, wie sie über einen Mann – niemals über eine Frau – triumphiert. Unter der Annahme, dass Männer generell besser sind als Frauen, ist es eine besondere Leistung, wenn das Weibchen ein Männchen überragt. Das führt für dem Mann zu einem besonderen Druck, sich richtig anstrengen zu müssen, während Frauen eine ruhige Kugel schieben können. Es ist besonderer Ruhm, wenn sie besser als ein Mann ist, aber wenn sie es nicht ist, ist es aus demselben Grund keine besondere Schande. Sie ist ausgenommen vom Konkurrenzkampf, den sich Männer nicht nur untereinander liefern. Das ist auch der Grund, warum Männer öfter Chefs sind und mehr verdienen: Sie hängen sich mehr rein, bzw. es finden sich mehr Männer als Frauen, die sich überhaupt reinhängen – ihr ganzes Leben lang.

Was Feministen hierbei regelmäßig unterschlagen, ist, dass das von Frauen ursächlich gefördert wird. Die Frau wählt den Gewinner, nicht den Verlierer. Dem Vorstandschef werden vielmehr Angebote von potentiellen (Sex-)Partnerinnen unterbreitet als dem Müllmann.
Dass die Frau den Mann, der Bestleistungen erbringt, erwählt, bringt die ganze Gesellschaft voran. Die ganze Welt, in der wir leben, wurde erschaffen von Männern, die stets in Konkurrenz an ihre Grenzen gingen.
Für den Mann bedeutet das allerdings, dass er sein ganzes Leben lang in einer Tretmühle gefangen ist, ständig unter Druck steht, sich ständig abrackert – für die Frau. Das wissen auch die jüngsten. Eine Lehrerin berichtet, dass sie mal ihre Schüler befragt habe, ob sie abseits der politischen Korrektheit der Meinung seien, dass der Mann in der Ehe mehr verdienen müsste als die Frau. Fast alle männlichen Schüler stimmten dem zu (und tatsächlich werden Männer, die weniger verdienen als ihre bessere Hälfte, überproportional oft verlassen). Dennoch: Für einen Mann kann es die Befreiung bedeuten, wenn er von vornherein den Ehrgeiz fallen lässt, unbedingt besser als eine Frau sein zu müssen.

First Contact: Feminismus und Wokeness in der Atheisten Community

Die ist ein Gastartikel von Bob

Meinen ersten Kontakt mit woken Leuten hatte ich ca. 2012. Ich hatte mein Auslandssemester beendet und etwas Kontakt zur amerikanischen Atheisten- und Skeptikerszene auf YouTube aufgebaut, die ich schon seit Ende der 2000er beobachtete. Getragen wurde diese durch den „New Atheism“ und dessen „Vier Reitern“ Dawkins, Hitchens Dennet und Harris.

 

Schon am Anfang habe ich eine kleine Gruppe atheistischer Feministen gesehen. Diese waren aber kaum sichtbar, da die Masse Atheisten Community aus Männern bestand. Außerdem waren sie in den Augen vieler, keine „echten“ Atheisten, da diese ihren Atheismus oft mit dem „Patriachat“ in den Religionen begründeten, aber anderen Mythen sehr aufgeschlossen waren.

Ich selber habe mich zu der Zeit meist in Diskussionen gestürzt, vor allem wenn es um die Evolutionstheorie ging und habe die Feministen wenig beachtet.

Dann fingen die Feministen an, wie man es auch heute bei vielen woken Gruppen in anderen Communities beobachten kann, sich zu organisieren. Aber auch diese wachsende Gruppe war noch relativ klein und wurde ignoriert.

Doch dann gab es den Knall 2011 mit dem Elevatorgate . Das war das perfekte Opfernarrativ, welches sich bei einigen in der Community, die sich selbst als „left-liberal“ (nicht „liberal“ im deutschen Sinne, eher Kulturlinke) bezeichneten, verfing. Dann begann der nächste Schritt, den man auch immer wieder bei woken Übernahmen von Communities sehen kann. Sachliche Kritik wurde mit persönlichen Angriffen in einen Topf geworfen und es als Beweis genommen, dass das Opfernarrativ stimme (https://skepchick.org/2011/09/mom-dont-read-this/).

Gab es die persönlichen Angriffe? Mit Sicherheit. Aber die Atheisten Community war eigentlich abgehärtet. Uns wurden häufiger von religiösen Extremisten der Tod oder die Hölle gewünscht oder gar mit Angriffen und Mord gedroht. Ich selber hatte mehrere Morddrohungen bekommen. Diese Angriffe waren aber nie ein Thema und es wurde sich eher darüber belustigt .

Dies war der Beginn der Schisma der Neun Atheisten. Das Wachstum der woken Atheisten war gewaltig und sie wurden aggressiver.

Im Mai 2012 hielten die atheistischen Feministen dann ihre erste „Women in Secularism“ Konferenz ab.

Dann Begann die erste Jagd auf die „Ungläubigen!“

Im Juni 2012 wurde Thunderf00t (ein zu der Zeit großer YouTuber in der Atheisten- und Skeptikercommunity) als Misogynist bezeichnet und wurde von Freethoughtblogs verbannt.

Er hatte es gewagt das „Opfer“ des Elevatorgate der Übertreibung zu bezichtigen.

Im August 2012 bildete sich dann aus den atheistischen Feministen das sogenannte Atheism Plus, welches folgende Ziele hatte:

We are…
Atheists plus we care about social justice,
Atheists plus we support women’s rights,
Atheists plus we protest racism,
Atheists plus we fight homophobia and transphobia,
Atheists plus we use critical thinking and skepticism.
(https://freethoughtblogs.com/blaghag/2012/08/atheism/)

Damit war die Katze aus dem Sack. Und es bildeten sich zwei Gruppen. Atheism+ und die Sceptic Community auf YouTube, die sich gegenseitig angriffen. Die Sceptic Community sah im Atheism+ parallelen zu Religionen. So durften gewisse Dogmen und Personen nicht mehr kritisiert werden, es gab quasi „Exkommunikationen“ (https://www.gawker.com/5818993/richard-dawkins-torn-limb-from-limbby-atheists , https://www.thetimes.co.uk/article/richard-dawkins-loses-humanist-of-year-award-over-trans-comment-g9gs9msx6 , https://www.thenation.com/article/archive/atheists-show-their-sexist-side/) und es wurde versucht zu Canceln (https://www.youtube.com/watch?v=p5TMmxlsLN8).

Die Atheism+ Community sah in in der Sceptic Community Nazis, Sexisten, Rassisten, usw.. Also das, was woke Leute fast immer und überall sehen.

Ich war auf der Seite der Sceptic Community. Wir diskutierten nicht mehr mit Gläubigen und Kreationisten, da diese keine Rollen mehr in der Wissenschaft, in Schulen und Universitäten spielten. Aber die Woken hatten sich nicht nur bei uns ausgebreitet, sondern auch genau an diesen Orten. Die  Wissenschaft, die wir vor Kreationismus und irrationalem Glauben schützen wollten, wird nun von Innen zerstört.

Um Religionen und Gott geht es schon lange nicht mehr.

vgl. auch:

Die Angst der Männer vor Falschbeschuldigung (Gastartikel)

Ein Gastartikel von Renton

Vorbemerkung: Dieser Text soll eigentlich kein Einzelwerk sein, sondern ergänzt werden durch einen Text „Die Angst der Frauen vor Vergewaltigung“. Wenn semikolon, die fleißige Forumsfeministin, einen dementsprechenden Text ergänzt hat, wie es in diesem Diskussionsstrang vereinbart wurde, würde ich mich freuen, wenn die beiden Artikel gegenseitig verlinkt werden.

Zur Sache:

Immer wieder kommt es vor, dass bei Diskussionen über Sexualstraftaten Männer einwerfen, dass ein Teil dieser Sexualstraftaten nur vorgetäuscht sei. Umgekehrt ist es ebenfalls so, dass bei Diskussionen über die Opfer solcher Falschbeschuldigungen, Frauen darauf bestehen, dass Vergewaltigungen viel öfter vorkämen als Falschbeschuldigungen. Was tatsächlich häufiger vorkommt ist angesichts unmöglich zu ermittelnder Dunkelziffern letztlich nicht bestimmbar, und darum soll es hier auch nicht gehen. Es soll hier – in Ergänzung durch einen zweiten Text von einer Frau – vielmehr ein Beitrag dazu geleistet werden, zu verstehen, warum Männer bzw. Frauen beim jeweiligen Thema so leicht getriggert und dazu verleitet werden, ein im Prinzip völlig anderes Thema mit in die Diskussion einzubringen, mit dem erkennbaren Ziel, das Ursprungsthema als unbedeutend erscheinen zu lassen, mit anderen Worten, zu verharmlosen.

Meine These ist, dass Männer bzw. Frauen bei dem Thema „Falschbeschuldigung“ bzw. „Sexualstraftat“ die Angst befällt, dem jeweiligen Verbrechen desto leichter zum Opfer fallen zu können, je ernster das jeweils andere Verbrechen genommen wird. Konkret: Männer fürchten, in einer Gesellschaft, die hypersensibel auf Sexualstraftaten reagiert, zum Opfer von Falschbeschuldigung und ihren Folgen zu werden; Frauen befürchten, dass eine Gesellschaft, die die Möglichkeit von Falschbeschuldigungen bei Sexualdelikten anerkennt, ihnen keinen maximalen Schutz vor Sexualstraftaten gewährt. Da die jeweiligen Ängste zum einen sehr groß, zum anderen aber geschlechtsspezifisch sind, herrscht auf beiden Seiten großes Unverständnis für die Ängste der jeweils anderen Seite.

Ich werde im folgenden über die Angst von uns Männern vor Falschbeschuldigung aus einer rein subjektiven Perspektive erzählen. (Wenn man so will, erzähle ich also eigentlich nur von der Angst eines einzigen Mannes, mir selbst. Aber ich glaube, dass sich sehr viele Männer in meinen Schilderungen wiederfinden.) Die Zielgruppe dieses Textes sind vorrangig Frauen, die nicht verstehen, wieso Männer große Angst, zumindest große Sorge, vor Falschbeschuldigung haben. Sie werden nach dem Lesen dieses Aufsatzes vielleicht größeres Verständnis zeigen. Aber auch Männer sind natürlich herzlich eingeladen, die folgenden Ausführungen durch ihre Gedanken zu ergänzen.

Wahrscheinlich hat sich jeder Mensch schon einmal gefragt, wie es wäre, unschuldig eines Verbrechens verdächtigt zu werden. Schon als Jugendlicher schien mir unter den vielen Verbrechen, derer man unschuldig bezichtigt werden kann, Vergewaltigung mit das Schlimmste zu sein. In Diskussionen über Moral war es das einzige Nicht-Tötungs-Delikt, für das auch mal von jemandem die Todesstrafe gefordert wurde. Die Schwere des Verbrechens war – und ist, liebe Feministinnen – allgemein anerkannt. Dennoch unterschied es sich in einer schwierig zu beschreibenden Weise von sogar noch schwereren Delikten wie Mord. Vielleicht, weil es mit Sex zu tun hat – in dem Alter für mich interessant und unbekannt zugleich – wirkte die Vorstellung, (unschuldig) einer Vergewaltigung bezichtigt zu werden, irgendwie besonders unheimlich. Aber da war noch mehr.

Es war zum einen die Aggressivität, mit der viele auf Vergewaltiger, und zwar natürlich auch vermeintliche, reagieren. Ich glaube, wenn heute das Gerücht umginge, dass ich vor Jahrzehnten meinen Nachbarn erschlagen und dafür eine Gefängnisstrafe verbüßt hätte, würden mich viele Mitmenschen meiden. Aber wenn das Gerücht lautete, dass ich meine Nachbarin vergewaltigt hätte, würde die darauffolgende soziale Ächtung rabiat durchgesetzt. Wenn ein verurteilter Mörder eine Kneipe betritt und sich an einen Tisch setzt, setzen sich die anderen weg. Wenn sich ein verurteilter Vergewaltiger an den Tisch setzt, wird er aufgefordert, sich wegzusetzen; erst verbal, dann, wenn er darauf besteht, zu bleiben, auch handgreiflich. Als bekannter Mörder mag ich Schmierereien an meiner Hauswand oder Hundekot in meinem Briefkasten finden. Als bekannter Vergewaltiger würde ich nachts dunkle Gassen meiden, aus Angst, von der Dorfjugend verprügelt zu werden.

Ein weiterer Aspekt unterscheidet für mich die Falschbeschuldigung mit Vergewaltigung von der mit Mord. Als ich noch ein Kind war hieß es in der Zeichentrickserie „Prinz Eisenherz“ einmal, vor Gericht „ist es besser, hundert Schuldige freizulassen, als einen Unschuldigen zu verurteilen“. Als Jugendlicher lernte ich das Prinzip „in dubio pro reo“ kennen, „im Zweifel für den Angeklagten“, und es erschien mir beruhigend. Doch dann hörte und las ich Berichte über die Wirklichkeit deutscher Strafverfahren. Ich hörte von Fällen, in denen Menschen aufgrund von nichts anderem als Glaubwürdigkeitsgutachten schuldig gesprochen wurden. Ich sah das Interview mit einem Richter, der erklärte, im Zweifelsfall müsse „der Richter dem Beschuldigten tief ins Herz gucken, um die Wahrheit zu erkennen. Richter können das.“ Ich mochte zuerst nicht glauben, dass mein Schicksal im Zweifel vom Geschick einer Lügnerin – auf nichts anderes läuft ein Glaubwürdigkeitsgutachten hinaus – oder der Selbstüberschätzung eines Richters abhängt, doch genau so könnte es kommen. Wo es bei einem Mord wenigstens eine Leiche, bei einem Bankraub verschwundenes Geld gibt, also zumindest einen Beleg, dass auch tatsächlich ein Verbrechen stattgefunden hat, reicht bei einer Vergewaltigung im Zweifelsfall eine glaubwürdige Zeugenaussage.

Beides zusammen – die enorme soziale Ächtung von Vergewaltigern und die prinzipielle Möglichkeit, dass eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ohne echte Beweise für Täterschaft, ja sogar ohne Beweis, dass überhaupt ein Verbrechen verübt wurde, erfolgen kann – macht die Falschbeschuldigung mit Vergewaltigung für uns Männer so bedrohlich. Ich sage es offen: Ich habe Angst vor einem regelrechten Hexenprozess, der nicht im 17. Jahrhundert oder in einem rückständigen Dritteweltland, sondern heute, hier bei uns in Deutschland, mich treffen kann. (Beispiel: Horst Arnold.) Ich habe Angst vor den Repressalien durch diejenigen meiner Mitmenschen, die ein Gerichtsurteil entweder nicht abwarten oder nicht anerkennen wollen. (Beispiel: Jörg Kachelmann.) Denen die Beschuldigung reicht, um mich meine Arbeitsstelle verlieren zu lassen; denen die Beschuldigung reicht, um sogar handgreiflich zu werden. Hexenprozesse und ein wütender Mob gehen oft Hand in Hand.

Entscheidend bei dieser Bedrohung ist die Machtlosigkeit, mit der ich mich ihr ausgesetzt sehe. Galt bei einem Prozess schon immer der Spruch „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, so gilt er umso mehr in einem Indizienprozess. Ich bin ein kräftiger Mann mit Kampfsporterfahrung, aber es schaudert mich der Gedanke, vor meine Tür zu treten und mich mehreren Männern gegenüber zu stehen, die mir übel wollen, weil sie der festen Überzeugung sind, ich sei ein Sexualstraftäter, und die „das Recht in ihre eigene Hand nehmen wollen“. Wer nun entgegenhält, das komme doch praktisch nicht vor – Statistiken darüber gibt es aber nicht – übersieht den entscheidenden Punkt. Es sind dies Gedanken, die jeder Mann hat, wenn er über die Möglichkeit einer Falschbeschuldigung nachdenkt. Es sind Ängste, die aus dem Gefühl der Machtlosigkeit entstehen, das eine reale Grundlage hat. Solche Ängste kann man nicht „wegdiskutieren“.

Wenn auf Twitter mal wieder der Hashtag #believewomen, zu deutsch: „Glaubt Frauen!“, trendet, retweeten das viele, überwiegend Frauen, weil sie Frauen vor Vergewaltigung schützen möchten. Doch an kommt bei vielen, überwiegend Männern, nur #jeopardizemen, zu deutsch: „Gefährdet Männer!“ Ich hoffe, ich konnte klarmachen, warum.

Die Polarität der Geschlechter aufrecht erhalten (Gastartikel)

Dies ist ein Gastartikel von Josef


Sexuelle Anziehungskraft, die Kraft der Leidenschaft basiert auf der Polarität der Geschlechter, sie spannt den Bogen zwischen dem männlichen und dem weiblichen.

Diese zwischen dem maskulinen und dem femininen Pol strömende Anziehungskraft geht in modernen Beziehungen so oft verloren. Wenn du dich nach wahrer Leidenschaft sehnst, musst du ein hinreißender Liebhaber und eine angerissene Geliebte sein; ansonsten wird mit andauernder Beziehungslänge, immer mehr eine
Beziehung in der Form zweier Kumpels entstehen.

Die sexuelle Anziehung schwindet mit der Zeit und die leidenschaftliche Liebe verblasst mit der Zeit. Wenn Männer und Frauen selbst in intimen Momenten an einer politisch korrekten Gleichheit festhalten, geht die sexuelle Anziehungskraft verloren und die ganze Beziehung verliert an Kraft und Saft. Die Liebe kann so stark sein wie zuvor, die Freundschaft kann so stark sein wie zuvor, aber die sexuelle Polarität verblasst.
Du musst die maskulinen und femininen Unterschiede beleben, wenn du auf dem Spielfeld sexueller Leidenschaft am Ball bleiben willst. Das gilt für homosexuelle ebenso wie für heterosexuelle Beziehungen. Tatsächlich sind sich Schwule und Lesben sehr bewusst, dass die sexuelle Polarität nicht vom Geschlecht abhängt!

Obwohl alle Menschen sowohl maskuline als auch feminine Eigenschaften haben und jederzeit einsetzen können – zum Beispiel, um sich in der Firma zu behaupten oder ihre Kinder zu versorgen –, sind die meisten Männer und Frauen im Kern mehr maskulin oder mehr feminin.

In dem gut gemeinten Versuch, Männern und Frauen gleiche Chancen und Rechte zu verschaffen, unterdrücken viele Menschen unabsichtlich ihre wahre sexuelle Essenz. Das muss nicht so sein. Es ist durchaus möglich, Gleichberechtigung anzustreben und gleichzeitig seinen femininen oder maskulinen Kern auszuleben. Aber die meisten Menschen tun das nicht. Also leiden sie. Die meisten Menschen vergessen, dass die Gleichberechtigung, die im Büro funktioniert, in der Intimsphäre bei neunzig Prozent der Paare fehl am Platz ist, das heißt, wenn deren Essenz nicht ausgeglichen, sondern bei einem Partner feminin und bei dem anderen maskulin ist.

Damit die sexuelle Leidenschaft in solchen polarisierten Beziehungen strömen kann, sollten die Unterschiede zwischen feminin und maskulin in intimen Momenten betont, nicht aber gemindert werden. Verringern sich die Polaritäten aufgrund familiärer oder beruflicher Belastungen, nimmt auch die sexuelle Anziehung ab.

Viele Menschen mit einer wahren femininen Essenz weisen eine ganze Serie physischer Symptome auf, wenn ihre feminine Energie ›austrocknet‹, weil sie Jahr um Jahr versuchen, ihrem Körper zu viel maskuline Energie zuzumuten, um sich einem maskulinen Arbeitsstil anzupassen. Und viele Menschen mit maskuliner Essenz, die versuchen, sich an die feminine Art der Kooperation und der fließenden Energie anzupassen, schneiden sich von ihrem Lebenssinn ab und unterbinden ihre tiefste Wahrheit aus Angst vor den Konsequenzen, die es haben könnte, zu ihrer wahren Männlichkeit zu stehen.


Im Interesse der individuellen Autonomie und sozialen Gerechtigkeit haben wir – mit
den besten Absichten – begonnen, die Unterschiede zwischen maskulin und feminin
irrtümlicherweise zu nivellieren.

Ein MUSS ist das Geschlecht und Menschen immer mit anderen sexuellen Orientierungen mit Respekt zu betrachten, und die Männer und Frauen gleichwertig zu halten. Jetzt sind wir bereit, nochmal die nächste Stufe zu erklimmen: Auf der Basis von Gleichheit und gegenseitigem Respekt können wir nun die sexuelle und spirituelle Leidenschaft feiern, die der maskulin-femininen Polarität innewohnt.

Es ist an der Zeit, über das platte Macho-Ideal – nur Rückgrat und kein Herz – hinauszugehen. Es ist auch an der Zeit, das Ideal des sensiblen und mitfühlenden Waschlappens – nur Herz und kein Rückgrat – hinter sich zu lassen. Und auch die die Vollblut Feministin sollte lernen den Nagel gerade stehen zulassen.

Das verlangt eine tiefe Entspannung in die unendliche Offenheit des gegenwärtigen Augenblicks und mehr Bewusstheit und Achtsamkeit für das eigene innere Selbst! Falls du gerne noch mehr zum Thema erfahren möchtest, erfahre unter diesem Link gerne noch mehr zur Polarität der Geschlechter und erhalte kostenlos das ebook,
“Der Weg des wahren Mannes” zum downloaden.
Josef Kryenbuehl / Mentalcoach

Wer Gleichberechtigung möchte, sollte Paritätsgesetze ablehnen

Ein Gastbeitrag von Titiat Scriptor

Als der Feminismus noch in seiner zweiten Welle über die westlichen Gesellschaften rollte, begleitete ihn die – grundsätzlich nachvollziehbare – Hoffnung, dass der Abbau verschiedener Benachteiligungsstrukturen auch bei den zählbaren Ergebnissen zu mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern führen würde. Jahrzehnte später ist klar, dass es so nicht gekommen ist. Die unabweisbare Tatsache ist: Frauen sind in vielen gesellschaftlichen Schlüsselrollen damals wie heute eine Minderheit. Sie stellen 31 Prozent der Bundestagsabgeordneten, besetzen 25 Prozent der Universitätslehrstühle und 10 Prozent der Vorstandspositionen in deutschen Unternehmen.
Frauenquoten sind seit langem eines der schärfsten (und umstrittensten) politischen Instrumente, um solche hartnäckigen Ungleichverteilungen aufzubrechen. Seit den 1980ern sollte „die Quote“ bei den verschiedensten Personalentscheidungen für mehr Gerechtigkeit sorgen. Zuletzt ist in die Quotendebatte wieder mehr Bewegung gekommen. Parität heißt das Schlagwort, unter dem Fragen gerechter Geschlechterverteilungen zunehmend forciert werden. Die Paritätsidee ist dabei keineswegs neu. Die Grünen, um nur ein Beispiel zu nennen, arbeiten seit Jahrzehnten mit einer Selbstverpflichtung zur paritätischen Verteilung von Ämtern und Mandaten.
Vergleichsweise neu ist aber die Forderung, Parität in gesellschaftlichen Schlüsselbereichen für alle verbindlich per Gesetz zu erzwingen. Erst im August kippte das Thüringer Landesverfassungsgericht einen Gesetzesentwurf, der paritätische Wahllisten für alle Parteien verbindlich etablieren sollte. Aktuell wird in Brandenburg über eine ähnliche Regelung verhandelt. Auch auf der großen Bühne, für den Bundestag, werden parteiübergreifend Rufe nach Parität lauter. Selbst die Bundeskanzlerin hat ihre Unterstützung dafür zugesagt. Auf den ersten Blick ist Parität nur eine weitere Quotenregelung. Gleiche Repräsentation von Männern und Frauen ist numerisch schließlich nichts anderes als eine Frauenquote von 50 Prozent.

Und dennoch – einen fundamentalen Unterschied gibt es: Quoten enthalten normalerweise keine Annahme darüber, wie sich ein Geschlechtergleichgewicht ausbalancieren würde, wenn es keinerlei Benachteiligung gäbe. Anders gesagt: Die gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent für DAX-Vorstände basiert nicht auf der Idee, dass 70 zu 30 so etwas wie ein natürliches Geschlechtergleichgewicht im Spitzenmanagement wäre. Quoten dieser Art sind eher ein Brecheisen: Sie sollen verkrustete Strukturen einreißen und Veränderungsprozesse auslösen.

Ganz anders die Logik der Parität. 50/50 ist hier kein Zwischenschritt, kein Mittel für den guten Zweck, sondern die exakte Quantifizierung einer Gerechtigkeitsidee: Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung, also soll auch die Hälfte der wichtigen Positionen weiblich besetzt sein. Im Gegensatz zur Quote wird Parität von der Annahme getragen, dass fifty-fifty in einer wirklich geschlechtsneutralen, egalitären Gesellschaft der natürliche Zustand wäre. Das mag logisch klingen, ist aber im Grunde eine radikale Idee. Ihr Kern ist die Prämisse, dass Männer und Frauen quasi identisch sind. Sie haben dieselben Interessen, dieselben Präferenzen, dieselben Bedürfnisse. Lässt man diese Annahme weg, ergeben Forderungen nach Parität keinen Sinn. 50/50 wäre weder notwendig noch gerecht, wenn auf jede Frau, die DAX-Vorstand werden möchte, 8 Männer mit demselben Ziel kämen. Wer Parität sagt, postuliert deshalb – bewusst oder unbewusst – die essenzielle Gleichheit von Mann und Frau. Es gibt ein Problem mit dieser Prämisse: Sie ist falsch. Die psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung von Jahrzehnten zeigt, dass sich Männer und Frauen in zentralen Aspekten unterscheiden. Als Gruppen haben Männer und Frauen im Durchschnitt anders ausgeprägte Persönlichkeitsstrukturen und andere Präferenzen. Natürlich können einzelne Männer und Frauen radikal von diesen Durchschnittswerten abweichen, aber insgesamt, auf die gesamte männliche und weibliche Bevölkerung bezogen, ist die These von der essenziellen Gleichheit der Geschlechter falsch.

Das ist dann auch die Grundproblematik der Paritätsidee: Wenn Männer und Frauen im Schnitt nicht dasselbe wollen, dann ist 50/50 im besten Fall nicht zielführend. Im schlechtesten Fall erzeugt ein gesetzlicher Paritätszwang selbst künstliche Verzerrungen freier gesellschaftlicher Verteilungsprozesse. Damit ist niemandem geholfen. Wie unterschiedliche Interessen der Paritätslogik zuwiderlaufen, lässt sich am Beispiel der MINT-Berufe anschaulich machen. Für Anhänger der Parität waren Statistiken zu Frauenanteilen in MINT-Berufen noch nie ein Grund zur Freude. Die Bundesagentur für Arbeit berechnet auch für 2019 ein enormes Ungleichgewicht: 81 Prozent der Angestellten in Ingenieurberufen sind männlich, 83 Prozent in der Informatik, 85 Prozent in Technikberufen. Branchenübergreifend steht auch nach Jahrzehnten der Frauenförderung im MINT-Sektor das ernüchternde Ergebnis: 84 Prozent Männer, 16 Prozent Frauen.

Auf der Suche nach möglichen Ursachen für diese Ungleichheiten stößt man bald auf einen der zentralen psychologischen Geschlechtsunterschiede: Männer (als Gruppe) interessieren sich im Schnitt mehr für Dinge und abstrakte Systeme, Frauen (als Gruppe) interessieren sich im Schnitt mehr für Menschen und zwischenmenschliche Beziehungen. Solche Unterschiede sind konsistent und sehr groß – viel größer etwa als Unterschiede in grundlegenden Persönlichkeitsmerkmalen (DOI: 10.1111/j.1751-9004.2010.00320.x).
Die Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen persönlichen Präferenzen und beruflicher Orientierung gibt, ist nicht sonderlich gewagt. Wer sich gerne mit anderen
Menschen und deren Bedürfnissen auseinandersetzt, wird eher nicht Fachinformatiker. Und wer eine Leidenschaft für abstrakte Systeme und komplexe Objekte mitbringt, wird eher nicht Sozialpädagoge. Nachvollziehbar also, dass dem Männerüberschuss im MINT-Sektor ein ebenso ausgeprägtes, aber umgekehrtes Ungleichgewicht in sozialen Berufen entgegensteht: Frauenanteil 84 Prozent.

Der Zusammenhang zwischen geschlechtstypischen Interessen und beruflichen Entscheidungen ist vielfach auch formal nachgewiesen. Nur ein Beispiel: Eine Serie von 15 Studien mit rund 7500 männlichen und weiblichen Probanden bestätigt nicht nur die oben beschriebenen Interessensunterschiede, es lässt sich anhand dieser Präferenzen auch mit guter Zuverlässigkeit vorhersagen, welche Studienfächer Männer und Frauen tatsächlich wählen (DOI: 10.1177/1948550612444320).

Andere Experimente zeigen, dass sich solche geschlechtstypischen Präferenzen schon im Spielverhalten von Kindern nachweisen lassen. Eine Studie untersucht zum Beispiel, mit welchen Spielzeugen Kinder zwischen 9 und 32 Lebensmonaten am liebsten spielen. In allen Fällen gehen die Ergebnisse in dieselbe Richtung: Jungs bevorzugen tendenziell Spielzeuge, die ihr Interesse an Dingen spiegeln, zum Beispiel Autos. Mädchen bevorzugen tendenziell soziale Spielzeuge, die ihr Interesse an Personen spiegeln, zum Beispiel Puppen (DOI:10.1002/icd.1986).

An dieser Stelle ließe sich mit einiger Berechtigung einwenden, dass solche Präferenzen keinen signifikanten biologischen Ursprung haben müssen, sondern auch über kulturbedingte Umwelteinflüsse und Sozialisierung entstehen können. Tatsächlich gibt es für die prägende Rolle von Kultur und Erziehung viele empirische Belege. Dafür spricht zum Beispiel, dass in der oben genannten Studie die Präferenzen für geschlechtstypische Spielzeuge mit steigendem Alter der Kinder größer werden, also mit wachsendem Bewusstsein für das eigene Geschlecht positiv korrelieren. Eine andere Studie zeigt, dass Mädchen eher mit jungentypischem Spielzeug spielen, wenn es vorher rosa eingefärbt wurde. Oder wenn man den Mädchen vor dem Spielen erzählt, es handele sich um ein Spielzeug für Mädchen. Derselbe Effekt – mit umgekehrten Vorzeichen – gilt auch für Jungen (DOI: 10.1016/j.appdev.2014.06.004).

Und trotzdem: Aus der Tatsache, dass Interessensunterschiede mit großer Sicherheit kulturell mitbedingt werden, lässt sich kein Argument pro Parität ableiten. Zu deutlich zeigt die Forschungslage, dass geschlechtstypische Präferenzen zur grundlegenden menschlichen Hardware gehören, also angeboren sind. Geschlechterunterschiede haben eine biologische Basis. Dafür spricht nicht zuletzt, dass entsprechende Unterschiede konsistent, kulturübergreifend und über lange Zeit stabil beobachtet werden können (DOI: 10.1111/j.1751-9004.2010.00320.x).

Zum anderen lassen sich Unterschiede – wie die oben beschriebene Studie zeigt – bereits bei Kindern feststellen, die für nennenswerte Sozialisierung zu jung sind. Schon bei 9 Monate alten Kinder sind geschlechtstypische Präferenzen sichtbar. Kinder entwickeln aber erst mit rund 15 Monaten ein erstes Bewusstsein für das eigene Geschlecht.

Ein Experiment mit Neugeborenen in den ersten Lebenswochen unterstreicht den vorsozialen Ursprung von Geschlechtsunterschieden auf eindrucksvolle Weise. Forscher messen dabei, wie lange Neugeborene ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Objekte richten. Dabei zeigt sich, dass neugeborene Mädchen eine messbare Präferenz für Gesichter haben. Ihnen gilt mehr Aufmerksamkeit als allen anderen Objekten. Jungs konzentrierten sich im Gegensatz dazu am längsten auf Mobiles (DOI: 10.1016/S0163-6383(00)00032-1).

Weitere Hinweise stammen aus Studien, die den Einfluss pränataler Hormonproduktion auf spätere Spielpräferenzen untersuchen. Hohes pränatales Testosteron korreliert dabei positiv mit einer Präferenz für jungentypisches Spielzeug – bei beiden Geschlechtern. Hinzu kommt, dass Mädchen, deren Körper wegen einer Stoffwechselerkrankung Androgene überproduzieren, später eine ausgeprägte Präferenz für typisch männliches Spielzeug zeigen (DOI: 10.1111/j.1467-9280.2009.02279.x).

Der vielleicht überzeugendste Hinweis auf den evolutionären, kulturunabhängigen Ursprung von geschlechtstypischen Interessen stammt aber nicht aus Studien mit Kindern, sondern aus dem Tierreich. Eine Reihe von Tierexperimenten zeigt, dass sich Menschen- und Affenkinder darüber einig sind, mit welchen Spielzeugen man den meisten Spaß hat. Auch Rhesusaffen-Jungs spielen lieber mit Autos. Dass sie keine Ahnung haben, was ein Auto ist, hindert sie daran nicht. Rhesusaffen-Mädchen bevorzugen dagegen soziale Spielzeuge wie Stofftiere und Puppen (DOI: 10.1016/j.yhbeh.2008.03.008).
Auch bei Meerkatzen und Schimpansen lassen sich vergleichbare Muster beobachten. Bei Schimpansen suchen junge Weibchen viel häufiger als Männchen nach kleineren Stöcken, um mit ihnen wie mit Puppen zu spielen. Sie wiegen sie an der Brust und betten sie mitunter auch zum Schlafen in ihre Nester. Geschlechtstypische Spielpräferenzen könnten also das Ergebnis von Selektionsprozessen aus der Evolutionsgeschichte sein – Prozesse, die begannen, bevor sich die evolutionären Pfade von Menschen und Menschenaffen getrennt haben und lange bevor Kultur als Faktor überhaupt in Betracht kommt (DOI: 10.1016/j.cub.2010.11.024).

Zurückbezogen auf die Eingangsfrage nach dem Sinn oder Unsinn von Paritätsforderungen, ergibt sich aus solchen Forschungsergebnissen ein relativ belastbarer Schluss: Die Grundannahme der Paritätsverfechter hält einer nüchternen Betrachtung nicht stand. Männer und Frauen sind nicht essenziell gleich. Es gibt harte, biologische Unterschiede zwischen beiden Gruppen, die sich unter anderem in verschiedenen Präferenzen manifestieren und beeinflussen, für welche Berufe Männer und Frauen sich tendenziell entscheiden. Die Vorstellung, Geschlechtergerechtigkeit sei erst erreicht, wenn weibliche Repräsentation im Berufsleben oder in Parlamenten dem Frauenanteil in der Gesamtgesellschaft entspricht, basiert auf einer empirisch widerlegbaren Vorstellung vom Menschen als Wesen ohne Biologie.

Dass Paritätsbestrebungen auch praktisch gesehen nicht zielführend wären, wird durch eine aktuelle sozialwissenschaftliche Studie zumindest angedeutet. Untersucht wurde, ob in Ländern mit ausgeprägt egalitärer Genderpolitik der Frauenanteil in MINT-Berufen größer ist als in weniger progressiven Ländern. So müsste es sein, wenn Interessensunterschiede wesentlich von geschlechtstypischen Sozialisierungsmustern abhängen. Entgegen dieser Erwartung stellen die Autoren fest, dass in Ländern mit besonders progressiver Politik – insbesondere in den skandinavischen Gesellschaften – der Frauenanteil im MINT-Bereich nicht nur nicht größer wird, sondern sogar sinkt. Möglicherweise wird hier sichtbar, was geschieht, wenn Männer und Frauen (als Gruppe) ihre Berufe mit geringem kulturellen Erwartungsdruck und mit großer materieller Sicherheit wählen: Der Einfluss biologischer Faktoren wird maximiert. Aber nur möglicherweise, denn die Studie wurde zu Recht für ihr wenig überzeugendes Forschungsdesign kritisiert (DOI: 10.1177/0956797620904134).

Niemand weiß, wie sich Männer und Frauen unter völlig kulturunabhängigen, geschlechtsneutralen Bedingungen im MINT-Sektor ausbalancieren würden. 52 zu 48? 74 zu 26? Eine belastbare Basis für Festlegungen dieser Art existiert nicht. Eine paritätische Verteilung ist als natürliches Gleichgewicht wegen der hier beschriebenen biologischen Unterschiede aber praktisch ausgeschlossen. Paritätsgesetze sind deshalb kontraproduktiv. Daraus folgt natürlich nicht, dass wir die eingangs genannten Ungleichverteilungen einfach hinnehmen sollten. 84 zu 16 im MINT-Bereich ist mit größter Wahrscheinlichkeit auch nicht das Ergebnis unverzerrter Verteilungsprozesse. Studien zeigen deutlich, dass kulturelle Hürden Mädchen davon abhalten, MINT-Fächer zu studieren und MINT-Berufe zu ergreifen. Sie deuten auch an, dass Interventionen im sozialen Umfeld dabei helfen können, diese Hürden zu beseitigen (DOI: 10.1080/09500693.2018.1540897).

Wer möchte, dass Männer und Frauen mit minimalen kulturellen Verzerrungen ihren Interessen frei nachgehen können, sollte deshalb Paritätsforderungen ablehnen und stattdessen Maßnahmen befürworten, die für alle Menschen die gleichen Wege durchs Leben öffnen. Anders gesagt: gleiche Chancen statt gleicher Ergebnisse.

Der Autor schreibt unter dem Pseudonym @titiatscriptor auf Twitter über
sozialwissenschaftliche Themen

Feminismus, neu definiert (Gastbeitrag)

Dies ist ein Gastbeitrag von Gendular

Wenn über Feminismus diskutiert wird betritt früher oder später die historische Einteilung in drei Wellen oder der Bipol Gleichheits- und Differenzfeminismus die Bühne. Diese Definitionen stammen in der Regel von Feministen oder aus deren Umfeld. Wenig überraschend bilden diese meist eine selbst-referenzielle, in sich widerspruchsfreie Innenansicht. Beispielsweise rücken bei der Betrachtung des Feminismus in historischen Wellen zeitlich durchgehend vorhandene Merkmale in den Hintergrund. Was wäre nun, wenn diese Merkmale so prägend sind, dass sie die Wellen-Definition in Frage stellen?

Daher lohnt es sich, feministische Definitionen von außen und mit kritischem Blick zu hinterfragen und gegenläufige Blickwinkel zu entwickeln. Sonst diskutiert man immer nur in Dimensionen, welche die Gegenseite vor der Diskussion festgelegt hat. Die folgenden Beispiele zeigen, wie sich feministische Strömungen zuwiderlaufen, sich als ideologische Konstrukte erweisen oder mit demokratischen Grundsätzen in Konflikt geraten.

Privilegienfeminismus: lange etabliert ist die Unterscheidung zwischen Gleichheits- und Differenzfeminismus. Beide Pole arbeiten allerdings bei der Durchsetzung feministischer Forderungen wunderbar Hand in Hand. Feministen begrüßen etwa den Zugang von Frauen zum patriarchalen Militär, eine Wehrpflicht hingegen wird mit Verweis auf das lebensspendende Wesen der Frau abgelehnt. In der öffentlichen Verwaltung braucht es Gleich(!)stellungsbeauftragte für Geschlechterfragen, diese Personen müssen per Gesetz Frauen sein, weil…eben. Eine Berücksichtigung weiblicher Belange oder eine Angleichung bestimmter Verhältnisse zwischen den Geschlechtern stellt für den Privilegienfeminismus immer nur das Mittel dar, aber nicht den Zweck.

Das Ziel ist nicht die Privilegienbeschaffung für Frauen, wie vielleicht manche Maskulisten glauben möchten. Viele dieser „Errungenschaften“ sind gar nicht im Interesse der Frauen. Vielmehr geht es um die Begründung von Forderungen, welche den Regeln feministischer Ideologie entsprechen. So erfüllen Scheidungs- und Trennungskriege die feministische Vorstellung des Geschlechterkriegs. Sie sind jedoch mit Blick auf die langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Folgen in der Regel nicht im Interesse der involvierten Frauen.

Betroffenheits- vs. Randalefeminismus: in den letzten Jahren verfestigen sich zwei Phänomene, bei denen Feminismus eine prägende Stellung einnimmt. Zum einen entstehen – nicht nur bei geschlechterpolitischen – Diskussionen durch tatsächliche oder vermeintliche Betroffenheit Opferhierarchien. Zum anderen steigt insbesondere in den USA aber auch anderen Teilen der Welt die Bereitschaft politische Gegner einer öffentlichen Hetzjagd auszusetzen und auf verschiedenen Ebenen zu isolieren (Cancel Culture). Beides widerspricht sich ziemlich offensichtlich, denn die Cancel Culture nimmt die maximale Betroffenheit des Anderen in Kauf, verweigert dieser Person jedoch den Platz in der Opferhierarchie. Insbesondere Netzfeministen betreiben einerseits lauthals Betroffenheitskultur, parallel dazu werden online wie offline Kreuzzüge gegen unliebsame Personen geführt. Beides wird mit einer Packung MeToo-Superkleber zusammengehalten.

Frauen- vs. Genderfeminismus: zunehmend erkennbar ist eine Konkurrenz zwischen klassischen Frauenrechtlertum und Genderaktivisten. Zentral entzündet sich diese Konkurrenz an der Frage, ob der Feminismus Frauen anhand der Biologie definiert oder nicht. Dieser Konflikt ist keinesfalls neu, sondern lässt sich historisch beobachten. So setzt sich die jahrzehntelange Abgrenzung lesbischer Feministinnen von männlichen Homosexuellen auch gegenüber identitären Aktivisten fort, da nicht-binäre Geschlechter diese Abgrenzung in Frage stellen.

Lifestyle- vs. Ökofeminismus: als relativ neues Phänomen befeuert und unterstützt der Lifestylefeminismus offen Materialismus, Konsumismus und Synthetik. Insbesondere tritt er in der  Popkultur, narzisstischen Internetplattformen oder auch als Merchandisingfeminismus auf. Er steht damit im offensichtlichen Widerspruch zum Ökofeminismus, welcher den Feminismus als Grundlage für eine ökologische, naturnahe und spirituelle Lebensweise sieht. Offensichtlich nicht ganz zu recht.

Vereinzelt gibt es auch Kritik linksprogressiver Feministen an diesem Phänomen. Wird ein T-Shirt mit einem feministischen Spruch produziert und verkauft, ist daran natürlich das rücksichtslose Wirtschaftssystem schuld und der Feminismus irgendwie die Rettung.

Begründungsfeminismus: diese Erscheinungsform des Feminismus dient als Hohlkammer für politische Vorhaben ohne plausible Begründung oder wenn eine Diskussion über die Begründung vermieden werden soll. Begründungsfeminismus kommt zum Einsatz um die Forderung durch eine feministische Verpackung zu legitimieren und politischen Widerstand auszuschalten. Das eigentliche Vorhaben geht zwar nicht von Feministen aus, diese lassen sich jedoch meist ohne großen Widerstand einspannen.

Ein Beispiel: angenommen die Politik möchte die Erwerbsquote von Frauen erhöhen, um mehr Steuern und Abgaben einzunehmen. Und um die Zahl der Arbeitskräfte zu erhöhen, da die Babyboomer-Generation in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht. Das führt zu einer Mehrbelastung der Bevölkerung und insbesondere arbeitender Eltern. Wie verkauft man das jetzt? Mit dem Argument der Karriereförderung für Frauen, der Teilnahme an der gesetzlichen Altersvorsorge und steuerfinanzierter Kinderbetreuung wird das Vorhaben feministisch lackiert. Feministen ergreifen meist Partei dafür und selten dagegen, in der öffentlichen Diskussion geraten andere Aspekte in den Hintergrund.

Staatsfeminismus: die bereits vor Jahrzehnten angekündigte und begonnene Durchdringung politischer Strukturen durch feministische Aktivisten zeigt Wirkung. Der Staatsfeminismus koppelt sich von demokratischer Legitimation ab, weil der feministische Einfluss in Parteien zwar unterschiedlich ausgeprägt ist, feministische Netzwerke aber unabhängig von gewählten politischen Vertretern agieren können. Beispiele dafür sind das umfassende Netz an öffentlichen „Gleichstellungsbeauftragten“ oder die Einrichtung einer staatlichen geschlechterpolitischen Stiftung.

Die weitere undemokratische Form des Staatsfeminismus ist das Gender Mainstreaming. Nach diesem Prinzip beschließen etwa nicht die gewählten Vertreter in einem lediglich prozedural vordefinierten Ablauf für welche Zwecke öffentliche Mittel eingesetzt werden. Stattdessen werden in den Ablauf ideologisch motivierte Beschränkungen wie das Gender Budgeting eingebaut, an welche sich demokratisch gewählte Vertreter dann halten müssen. So entwickelt sich aus einer von Teilen der Gesellschaft gespeisten Ideologie eine staatliche Struktur, die sich nicht nur von demokratischer Legitimation abkoppelt, sondern diese sogar verdrängt.